TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/19 I415 1251504-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.11.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

19.11.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §55
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 3
EMRK Art. 8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I415 1251504-2/10E

Schriftliche Ausfertigung des am 29.10.2019 mündlich verkündeten erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hannes LÄSSER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX,

StA. NIGERIA, vertreten durch: RA Dr. Martina SCHWEIGER-APFELTHALER sowie RA Edward W. DAIGNEAULT gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Wien (BAW) vom 16.06.2017, Zl. XXXX, nach

Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Nigerias, reiste spätestens am 14.06.2004 illegal ins Bundesgebiet ein und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des damals zuständigen Bundesasylamtes vom 02.07.2004, Zl. XXXX, abgewiesen und seine Ausweisung nach Nigeria ausgesprochen wurde.

2. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 16.09.2009, Zl. A5 251.504-0/2008/5E, als unbegründet abwiesen und der Beschwerdeführer nach Nigeria ausgewiesen. Mit Beschluss des VfGH vom 30.09.2009, U 2803/09-3, wurde die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

3. Die für den 12.09.2012 geplante Abschiebung des Beschwerdeführers konnte nicht durchgeführt werden, da er an seiner Meldeadresse nicht aufzufinden war.

4. Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Wien vom 13.12.2012, Zl. XXXX wurde über den Beschwerdeführer die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Am 13.12.2012 wurde der Beschwerdeführer in Schubhaft genommen. Aus dieser musste der Beschwerdeführer am 07.01.2013 entlassen werden, weil er in den Hungerstreik getreten war.

5. Auch einer geplanten Abschiebung am 31.01.2013 entzog sich der Beschwerdeführer.

6. Am 17.02.2015 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen" gem. § 55 AsylG.

7. Mit Schreiben vom 28.07.2015 führte der Beschwerdeführer aus, dass er seit 2004 durchgehend in Österreich aufhältig und strafrechtlich unbescholten sei. Er habe seit 8 Monaten eine Freundin um deren Kind er sich kümmere. Er bringe das Kind täglich in der Früh in den Kindergarten und hole ihn auch wieder ab. Er selbst besuche gerade einen A2-Deutschkurs. Dem Schreiben beigelegt war ein Arbeitsvorvertrag.

8. Am 06.06.2017 fand vor der belangten Behörde eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers statt. Der Beschwerdeführer legte einen Arbeitsvorvertrag, einen Staatsbürgerschaftsnachweis der nigerianischen Botschaft Wien und eine Kopie einer nigerianischen Geburtsurkunde vor. Er gab an seit zwei Jahren eine neue Freundin zu haben. Er wohne jedoch nicht mit ihr zusammen. Er arbeite ehrenamtlich bei der Caritas. Die Caritas und seine Freundin würden ihm Geld geben.

9. Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 16.06.2017, Zl. XXXX wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 17.02.2015 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG ab und erließ gegen ihn gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 3 FPG (Spruchpunkt I.), stellte gemäß § 52 Absatz 9 FPG fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt II.) und legte gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG eine 2-wöchige Frist für seine freiwillige Ausreise fest (Spruchpunkt IV.).

10. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 07.07.2017 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und begründete diese mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensfehlern.

11. Beschwerde und Bezug habender Akt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 11.07.2017 vorgelegt.

12. Am 29.10.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit des Beschwerdeführers und eines Dolmetschers, aber in Abwesenheit seiner beiden Rechtsvertretungen eine mündliche Beschwerdeverhandlung statt. Am Ende der Verhandlung wurde das gegenständliche Erkenntnis mündlich verkündet.

13. Am 06.11.2019 sowie am 12.11.2019 langten jeweils die Anträge auf schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses seiner beiden Rechtsvertretungen beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Nigeria und somit Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Er ist kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu.

Die Identität des Beschwerdeführers steht in Ermangelung entsprechender Dokumente nicht fest.

Der Beschwerdeführer reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte erstmalig am 14.06.2004 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des damals zuständigen Bundesasylamtes vom 02.07.2004 abgewiesen und seine Ausweisung nach Nigeria ausgesprochen wurde. Dieser Bescheid wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 16.09.2009 bestätigt. Die Behandlung der Beschwerde wurde mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 30.09.2009 abgelehnt.

Seither hält sich der Beschwerdeführer trotz der aufrechten rechtskräftigen Rückkehrentscheidung seit nunmehr über zehn Jahren unrechtmäßig im Bundesgebiet auf und ist seiner Ausreiseverpflichtung aus Österreich nicht freiwillig nachgekommen. Der Beschwerdeführer kam seiner Mitwirkungspflicht im Verfahren wie im Verfahrensgang dargestellt wiederholt nicht nach und vereitelte damit erfolgreich seine Abschiebung nach Nigeria.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.

Er besuchte in Nigeria 6 Jahre die Grundschule und verdiente danach seinen Lebensunterhalt als Busfahrer.

Er ist in Österreich in einer Wohnung, die vom Verein "XXXX" zur Verfügung gestellt wird, untergebracht, geht keiner geregelten Arbeit nach und bezieht Leistungen aus der Grundversorgung. Er hilft ehrenamtlich bei der Caritas aus und erhält dort etwas Taschengeld, erhält Unterstützung von der Kirche, in der er Mitglied ist und wird auch von seiner Freundin unterstützt.

In Österreich hat der Beschwerdeführer keine familiären Anknüpfungspunkte und er lebt in keiner Lebensgemeinschaft.

Der Beschwerdeführer befindet sich seit über 15 Jahren in Österreich. Er verfügt über ein Prüfungszeugnis für Deutsch Niveau A2. Eine Unterhaltung auf Deutsch, selbst auf einfachem Niveau, war jedoch im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht möglich.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Eine besondere Gefährdung des Beschwerdeführers im Fall seiner Rückkehr nach Nigeria kann nicht festgestellt werden.

1.2 Zu den Feststellungen zur Lage in Nigeria:

Die wesentlichen Feststellungen lauten:

Das politische System Nigerias orientiert sich stark am System der Vereinigten Staaten; in der Verfassungswirklichkeit dominieren der Präsident und die ebenfalls direkt gewählten Gouverneure. Die lange regierende People¿s Democratic Party (PDP) musste nach den Wahlen 2015 erstmals seit 1999 in die Opposition; seither ist die All Progressives¿ Congress (APC) unter Präsident Muhammadu Buhari an der Macht.

In Nigeria herrscht keine Bürgerkriegssituation, allerdings sind der Nordosten, der Middle Belt und das Nigerdelta von Unruhen und Spannungen geprägt. Für einzelne Teile Nigerias besteht eine Reisewarnung, insbesondere aufgrund des hohen Entführungsrisikos.

Im Norden und Nordosten Nigerias hat sich die Sicherheitslage verbessert; in den ländlichen Teilen der Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa kommt es aber weiterhin zu Anschlägen der Boko Haram. Es gelang den Sicherheitskräften zwar, Boko Haram aus den meisten ihrer Stellungen zu vertreiben, doch war es kaum möglich, die Gebiete vor weiteren Angriffen durch die Islamisten zu schützen. Der nigerianischen Armee wird vorgeworfen, im Kampf gegen Boko Haram zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben; die von Präsident Buhari versprochene Untersuchung blieb bisher aber folgenlos.

Das Nigerdelta (Bundesstaaten Ondo, Edo, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo, Abia, Akwa Ibom und Cross River) ist seit Jahren von gewalttätigen Auseinandersetzungen und Spannungen rund um die Verteilung der Einnahmen aus den Öl- und Gasreserven geprägt. Von 2000 bis 2010 agierten in der Region militante Gruppen, die durch ein im Jahr 2009 ins Leben gerufene Amnestieprogramm zunächst beruhigt wurden. Nach dem Auslaufen des Programmes Ende 2015 brachen wieder Unruhen aus, so dass eine weitere Verlängerung beschlossen wurde. Die Lage hat sich seit November 2016 wieder beruhigt, doch bleibt sie volatil. Insbesondere haben Angriffe auf die Ölinfrastrukturen in den letzten zwei Jahren wieder zugenommen. Abgelegene Gebiete im Nigerdelta sind teils auch heute noch unter der Kontrolle separatistischer und krimineller Gruppen.

In Zentralnigeria (Middle Belt bzw. Jos Plateau) kommt es immer wieder zu lokalen Konflikten zwischen ethnischen, sozialen und religiösen Gruppen. Der Middle Belt bildet eine Brücke zwischen dem vorwiegend muslimischen Nordnigeria und dem hauptsächlich christlichen Süden. Der Ursprung dieser Auseinandersetzungen, etwa zwischen (überwiegend muslimischen nomadischen) Hirten und (überwiegend christlichen) Bauern, liegt oft nicht in religiösen Konflikten, entwickelt sich aber häufig dazu.

Die Justiz Nigerias hat ein gewisses Maß an Unabhängigkeit und Professionalität erreicht, doch bleibt sie politischem Einfluss, Korruption und einem Mangel an Ressourcen ausgesetzt. Eine systematisch diskriminierende Strafverfolgung ist nicht erkennbar, doch werden aufgrund der herrschenden Korruption tendenziell Ungebildete und Arme benachteiligt. Das Institut der Pflichtverteidigung gibt es erst in einigen Bundesstaaten. In insgesamt zwölf nördlichen Bundesstaaten wird die Scharia angewendet, Christen steht es aber frei, sich einem staatlichen Gerichtsverfahren zu unterwerfen. Der Polizei, die durch geringe Besoldung und schlechte Ausrüstung eingeschränkt ist, wird oftmals die Armee zur Seite gestellt. Insgesamt ist trotz der zweifelsohne vorhandenen Probleme im Allgemeinen davon auszugehen, dass die nigerianischen Behörden gewillt und fähig sind, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten. Problematisch ist aber insbesondere, dass Gefangene häufig Folterung und Misshandlung ausgesetzt sind. Disziplinarrechtliche oder strafrechtliche Folgen hat dies kaum. Die Bedingungen in den Haftanstalten sind hart und lebensbedrohlich. Nigeria hält an der Todesstrafe fest, diese ist seit 2006 de facto ausgesetzt, wobei es in den Jahren 2013 und 2016 in Edo State aber zu einzelnen Hinrichtungen gekommen war. Die Regierung Buharis hat der Korruption den Kampf erklärt, doch mangelt es ihr an effektiven Mechanismen.

Die Menschenrechtssituation in Nigeria hat sich in den letzten 20 Jahren verbessert, schwierig bleiben aber die allgemeinen Lebensbedingungen. Die Versammlungsfreiheit ist verfassungsrechtlich garantiert, wird aber gelegentlich durch das Eingreifen von Sicherheitsorganen bei politisch unliebsamen Versammlungen eingeschränkt. Die politische Opposition kann sich aber grundsätzlich frei betätigen; es gibt auch keine Erkenntnisse über die Verfolgung von Exilpolitikern durch die nigerianische Regierung. Gelegentlich gibt es aber, vor allem bei Gruppen mit sezessionistischen Zielen, Eingriffe seitens der Staatsgewalt. Dabei ist insbesondere die Bewegung im Süden und Südosten Nigerias zu nennen, die einen unabhängigen Staat Biafra fordert. Dafür treten sowohl das Movement for the Actualisation of the Sovereign State of Biafra (MASSOB) und die Indigenous People of Biafra (IPOB) ein. Seit der Verhaftung des Leiters des inzwischen verbotenen Radiosenders "Radio Biafra" im Oktober 2015 kommt es vermehrt zu Demonstrationen von Biafra-Anhänger, gegen die laut verschiedenen Berichten, unter anderem von Amnesty International, von den nigerianischen Sicherheitskräften mit Gewalt vorgegangen worden sein soll.

Im Vielvölkerstaat Nigeria ist Religionsfreiheit einer der Grundpfeiler des Staatswesens. Etwa 50% der Bevölkerung sind Muslime, 40 bis 45% Christen und der Rest Anhänger von Naturreligionen. Im Norden dominieren Muslime, im Süden Christen. Religiöse Diskriminierung ist verboten. In der Praxis bevorzugen die Bundesstaaten aber in der Regel die jeweils durch die lokale Mehrheitsbevölkerung ausgeübte Religion. Insbesondere in den Scharia-Staaten ist die Situation für Christen sehr schwierig. Die Toleranz zwischen den Glaubensgemeinschaften ist nur unzureichend ausgeprägt, mit Ausnahme der Yoruba im Südwesten Nigerias, unter denen auch Ehen zwischen Christen und Muslimen verbreitet sind. Speziell in Zentralnigeria kommt es zu lokalen religiösen Auseinandersetzungen, die auch zahlreiche Todesopfer gefordert haben. In Nigeria gibt es auch noch Anhänger von Naturreligionen ("Juju"); eine Verweigerung der Übernahme einer Rolle als Priester kann schwierig sein, doch wird dies nicht als Affront gegen den Schrein empfunden und sind auch keine Fälle bekannt, in denen dies zu einer Bedrohung geführt hätte. Im Süden Nigerias sind auch Kulte und Geheimgesellschaften vorhanden; insbesondere im Bundesstaat Rivers überschneiden sich Kulte häufig mit Straßenbanden, kriminellen Syndikaten etc. Mafiöse Kulte prägen trotz ihres Verbotes das Leben auf den Universitäten; es wird auch über Menschenopfer berichtet.

Insgesamt gibt es (je nach Zählweise) mehr als 250 oder 500 Ethnien in Nigeria. Die wichtigsten sind die Hausa/Fulani im Norden, die Yoruba im Südwesten und die Igbo im Südosten. Generell herrscht in Nigeria Bewegungsfreiheit und ist Diskriminierung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie verboten. Allerdings diskriminieren Gesetze jene ethnischen Gruppen, die am jeweiligen Wohnort nicht eigentlich indigen sind. So werden etwa Angehörige der Volksgruppe Hausa/Fulani im Bundesstaat Plateau diskriminiert.

Generell besteht aufgrund des fehlenden Meldewesens in vielen Fällen die Möglichkeit, Verfolgung durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen. Dies kann aber mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein, wenn man sich an einen Ort begibt, in dem keinerlei Verwandtschaft oder Bindung zur Dorfgemeinschaft besteht.

Nigeria verfügt über sehr große Öl- und Gasvorkommen, der Großteil der Bevölkerung ist aber in der Landwirtschaft beschäftigt. Abgesehen vom Norden gibt es keine Lebensmittelknappheit. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leben in absoluter Armut. Offizielle Arbeitslosenstatistiken gibt es nicht, allerdings gehen verschiedene Studien von einer Arbeitslosigkeit von 80% aus. Die Großfamilie unterstützt beschäftigungslose Angehörige. Es kann allgemein festgestellt werden, dass eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird und ihre existentiellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern kann, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird.

Die medizinische Versorgung ist mit jener in Europa nicht vergleichbar, sie ist vor allem im ländlichen Bereich problematisch. Leistungen der Krankenversicherung kommen nur etwa 10% der Bevölkerung zugute. In den Großstädten ist eine medizinische Grundversorgung zu finden, doch sind die Behandlungskosten selbst zu tragen. Medikamente sind verfügbar, können aber teuer sein.

Besondere Probleme für abgeschobene Asylwerber nach ihrer Rückkehr nach Nigeria sind nicht bekannt. Das "Decree 33", das eine Doppelbestrafung wegen im Ausland begangener Drogendelikte theoretisch ermöglichen würde, wird nach aktueller Berichtslage nicht angewandt.

Eine nach Nigeria zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.

Der Beschwerdeführer erstattete kein substantiiertes Vorbringen hinsichtlich einer ihm drohenden Gefährdung in seinem Herkunftsstaat im Falle seiner Rückkehr und ergaben sich auch amtswegig keine diesbezüglichen Hinweise.

2. Beweiswürdigung:

Der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

2.1 Zum Sachverhalt:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der Angaben des Beschwerdeführers vor dieser, in den bekämpften Bescheid, in den Beschwerdeschriftsatz, in das "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria sowie seiner Aussagen vor dem Bundesverwaltungsgericht. Auszüge aus dem Zentralen Melderegister, dem Zentralen Fremdenregister, dem Strafregister, dem Schengener Informationssystem und dem Betreuungsinformationssystem wurden ergänzend eingeholt.

Die belangte Behörde hat ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Das Bundesverwaltungsgericht verweist daher zunächst auf diese schlüssigen und nachvollziehbaren beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid.

Auch der Beschwerde vermag das Bundesverwaltungsgericht keine neuen Sachverhaltselemente zu entnehmen, welche geeignet wären, die von der erstinstanzlichen Behörde getroffenen Entscheidungen in Frage zu stellen. Der Beschwerdeführer bestreitet den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt nicht substantiiert und erstattete in der Beschwerde auch kein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen, sodass das Bundesverwaltungsgericht den maßgeblichen Sachverhalt als ausreichend ermittelt und somit entscheidungsreif ansieht und sich der von der belangten Behörde vorgenommenen, nachvollziehbaren Beweiswürdigung vollumfänglich anschließt.

2.2 Zur Person des Beschwerdeführers

Da der Beschwerdeführer entweder nicht im Stande oder nicht Willens war, den österreichischen Behörden identitätsbezeugende Dokumente vorzulegen, steht seine Identität nicht fest.

Die Feststellung zu seinem negativ entschiedenen Antrag auf internationalen Schutz ergibt sich unstrittig aus dem Verwaltungsakt sowie dem Gerichtsakt des Asylgerichtshofes zu A5 251.504-0/2008/5E.

Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte war die entsprechende Feststellung zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers zu treffen.

Die Angaben zu seiner Person, zu seiner schulischen Ausbildung, zu seiner Beschäftigung, beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde und im Rahmen der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellung zur Unrechtmäßigkeit des derzeitigen Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet beruht darauf, dass diesem - abgesehen von dem vorläufigen Aufenthaltsrecht während des Verfahrens über seinen letztlich unbegründeten Antrag auf internationalen Schutz - im Bundesgebiet nie ein Aufenthaltsrecht zugekommen war und sich vor dem Hintergrund des § 58 Abs. 13 AsylG 2005 und des § 16 Abs. 5 BFA-VG weder aus der Antragstellung auf Erteilung eines Aufenthaltstitels noch aus der Beschwerdeerhebung ein Aufenthalts- oder Bleiberecht für den Beschwerdeführer in Österreich ableiten lässt.

Dass gegen den Beschwerdeführer eine aufrechte Ausweisung besteht, ergibt sich aus der Rechtskraft des Erkenntnisses des Asylgerichtshofes vom 16.09.2009, Zl. A5 251.504-0/2008/5E; dieser Umstand blieb auch vom Beschwerdeführer unbestritten. Daraus ergibt auch sein seit nunmehr über zehn Jahren unrechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet.

Die Feststellung zur nicht vorhandenen Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers im Verfahren ergibt sich aus den Tatsachen, dass er nicht freiwillig ausgereist ist, er an seiner Meldeadresse beim Festnahmeauftrag nicht anzutreffen war und auch die anwesenden Mitbewohner keine Angaben zu seinem Verbleib machen konnten. Zudem trat er während seiner Schubhaft in Hungerstreik und vereitelte dadurch seine Abschiebung. Diversen Ladungen der belangten Behörde zur niederschriftlichen Einvernahme leistete er keine Folge und brachte Krankenstandsbestätigungen in Vorlage, wurde jedoch kurze Zeit später von der Polizei in einem Wettbüro angehalten.

Die Feststellung, dass er Beschwerdeführer Leistungen aus der Grundversorgung bezieht und keiner geregelten Arbeit nachgeht, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt in Zusammenschau mit einem aktuellen GVS-Auszug.

Die Feststellung betreffend seine Deutschkenntnisse ergibt sich aus der Vorlage eines Deutschzertifikats A2 datiert vom 05.09.2015. Trotzdem war eine Unterhaltung mit dem Beschwerdeführer auf Deutsch im Rahmen der mündlichen Verhandlung nahezu unmöglich.

Die Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus der eingeholten aktuellen Strafregisterabfrage.

2.3. Zum Antragsbegehren des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer hatte seinen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK vor dem BFA mit einem Arbeitsvorvertrag bei der Firma "XXXX", seinem elfjährigen Aufenthalt in Österreich und seiner Freundin und deren Sohn um den er sich kümmere, begründet. Er sei arbeitswillig und strafrechtlich unbescholten. Auch im Beschwerdeschriftsatz wurden keinerlei ergänzende, inegrationsverfestigende Aspekte im Hinblick auf die Person des Beschwerdeführers vorgebracht.

Das BFA führte hinsichtlich des Grades der Integration an, dass der Beschwerdeführer zwar seit 13 Jahren in Österreich aufhältig sei, diese Zeit aber nicht genutzt habe, um die Sprache zu lernen. Er habe zwar ein A2 Deutsch Zertifikat vorgewiesen, jedoch sei ihm selbst eine einfache Verständigung in deutscher Sprache nicht möglich. Er beziehe seit seiner Ankunft aus der Grundversorgung und erhalte Zuwendungen seiner Freundin. Er habe seit dem Jahr 2009 keine Schritte gesetzt, um sich am Arbeitsmarkt zu integrieren. Letztlich führte die belangte Behörde aus, dass im Hinblick auf die Wichtigkeit eines geordneten Fremdenwesens und seiner mangelnden Integration in Österreich das öffentliche Interesse höher wiege, als seine privaten Interessen am Verbleib in Österreich.

Diesen Ausführungen tritt der Beschwerdeführer in seinem Beschwerdevorbringen nicht substantiiert entgegen. Auch in der mündlichen Verhandlung konnte der Beschwerdeführer nichts vorweisen, was auf eine tiefergehende Integration in Österreich hinweisen würde. Trotz der mittlerweile vergangenen weiteren zwei Jahre, seit der Erlassung der erstinstanzlichen Entscheidung, war es dem Beschwerdeführer nicht möglich sich auf Deutsch zu verständigen. Abgesehen von seinem bereits 2015 vorgelegten A2 Zertifikat kann er keine weiteren Deutsch Zertifikate vorweisen. Auch hinsichtlich seiner Freundin machte er vor dem BFA, vor der Polizei (Bericht der LPD Wien vom 02.10.2015), im Beschwerdeschriftsatz und vor Gericht höchst widersprüchliche Angaben (vgl. Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 29.10.2019, Seiten 4ff). Diese Ungereimtheiten, die sich auch vor Gericht wiederholten, seien seiner Rechtsvertretung zuzuschreiben, habe diese doch seinen Ausführungen zufolge angeblich - für den erkennenden Richter wenig nachvollziehbar - "andere Sachen geschrieben als er gesagt habe" (Verhandlungsprotokoll Seite 6). Selbst wenn man dem Beschwerdeführer die Beziehung zu seiner jetzigen Freundin glaubt, so besteht dennoch kein gemeinsamer Wohnsitz und wurde die Lebensgemeinschaft zu einem Zeitpunkt - nämlich 2016 - gegründet, an dem sich der Beschwerdeführer seines unsicheren Aufenthaltes in Österreich längst bewusst sein musste, befand er sich doch zu diesem Zeitpunkt bereits rund sieben Jahre nicht rechtmäßig im Bundesgebiet. Darüber hinaus weist diese Beziehung nur eine geringe Intensität auf. Letztlich ist jedoch besonders darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer seinen Mitwirkungspflichten in dem vorangegangenen Verfahren großteils nicht nachgekommen ist. So vereitelte er mehrere Termine vor der nigerianischen Delegation, war trotz aufrechter Meldung für die österreichischen Behörden nicht greifbar und vereitelte durch sein Verhalten mehrmals eine Abschiebung. Seit der rechtskräftigen negativen Entscheidung des Asylgerichtshofes vom September 2009 ist der Beschwerdeführer nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig und weigert sich beharrlich der Verpflichtung zur Ausreise nachzukommen. Darüber hinaus ist der Beschwerdeführer nicht ansatzweise selbsterhaltungsfähig und hat in den letzten 15 Jahren seines Aufenthaltes in Österreich keine Schritte unternommen um sich selbst zu erhalten - ganz im Gegenteil bezieht er seit seiner Ankunft Leistungen aus der Grundversorgung. Auch der vorgelegte Arbeitsvorvertrag vermag an dieser Tatsache nichts ändern, soll er doch nur für Hilfstätigkeiten und für einen Lohn von 990 Euro im Monat eingestellt werden.

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich daher den tragenden Erwägungen des BFA zu den Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK an. Aufgrund des erhobenen Sachverhaltes ist von keiner nachhaltigen Aufenthaltsverfestigung des Beschwerdeführers in Österreich auszugehen.

Es ist überdies davon auszugehen, dass der junge und gesunde Beschwerdeführer, welcher zudem über Berufserfahrung als LKW-Fahrer, Assistent des Fahrers sowie im Verrichten von Malertätigkeiten verfügt (Verhandlungsprotokoll Seite 6), im Falle einer Rückkehr nach Nigeria nicht in eine existenzbedrohende Lage geraten würde. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 16.09.2009 war bereits rechtskräftig festgestellt worden, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria zulässig ist. Der Beschwerdeführer brachte im gegenständlichen Verfahren keine besondere Rückkehrgefährdung vor und ist auch keine Änderung der diesbezüglichen Umstände erkennbar.

2.3. Zum Herkunftsstaat:

Zu den zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat ausgewählten Quellen im angefochtenen Bescheid wird angeführt, dass es sich hierbei um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen als auch nicht-staatlichen Ursprungs handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten, von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen, diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um kritische Sachverhalte geht, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteinahme unterstellt werden kann. Zudem werden auch Quellen verschiedener Menschenrechtsorganisationen herangezogen, welche oftmals das gegenteilige Verhalten aufweisen und so gemeinsam mit den staatlich-diplomatischen Quellen ein abgerundetes Bild ergeben. Bei Berücksichtigung dieser Überlegungen hinsichtlich des Inhaltes der Quellen, ihrer Natur und der Intention der Verfasser handelt es sich nach Ansicht des erkennenden Richters bei den Feststellungen im angefochtenen Bescheid um ausreichend ausgewogenes und aktuelles Material (vgl. VwGH, 07.06.2000, Zl. 99/01/0210).

Die Feststellung, dass keine maßgebliche Veränderung in den abschieberelevanten Umständen eingetreten ist, beruht darauf, dass der Beschwerdeführer weder vor der belangten Behörde noch in der Beschwerde konkrete Angaben dahingehend getätigt hat, denen zufolge eine rechtliche oder tatsächliche Unzulässigkeit der Abschiebung anzunehmen gewesen wäre. In diesem Zusammenhang ist darüber hinaus festzuhalten, dass die Entwicklungen in Nigeria in den asyl- und abschieberelevanten Aspekten einer ständigen Beobachtung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie des Bundesverwaltungsgerichtes unterliegen. In Ansehung der im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.03.2018 getroffenen Feststellungen ist zur Lage in Nigeria gerichtsnotorisch bekannt, dass seit diesem Zeitpunkt keine maßgebliche Veränderung im Heimatstaat des Beschwerdeführers im Hinblick auf die Zulässigkeit seiner Abschiebung eingetreten ist. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG aus nicht vom Beschwerdeführer zu vertretenden Gründen zwischenzeitlich nicht mehr möglich wäre.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A)

3.1. Zur Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides:

Im vorliegenden Fall hatte der Beschwerdeführer zunächst die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 Abs. 2 AsylG 2005 beantragt, ehe er sein Antragsbegehren auf die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 modifizierte. Eine derartige Antragsänderung ist nach ständiger Judikatur des VwGH zulässig (VwGH 31.01.2019, Ra 2018/22/0086, 14.4.2016, Ra 2016/21/0077).

Gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist.

Wird durch eine Rückkehrentscheidung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung gem. § 9 Abs. 1 BFA-VG zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des/der Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl- Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Im gegenständlichen Fall verfügt der Beschwerdeführer über kein Familienleben in Österreich. Er gibt zwar an eine in Österreich zum Aufenthalt berechtigte nigerianische Freundin zu haben, jedoch verfügen sie über keinen gemeinsamen Wohnsitz und ist auch die restliche Beziehung nicht derart intensiv, dass ein Familienleben zu bejahen wäre. Zu prüfen wäre daher ein etwaiger Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers. Unter "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg Lettland, EuGRZ 2006, 554). Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 EMRK, in ÖJZ 2007, 852 ff).

Im vorliegenden Fall hält sich der Beschwerdeführer seit Juni 2004 im Bundesgebiet auf, wobei er bereits zwei Wochen später den negativen Bescheid des Bundesasylamtes erhielt, welcher im September 2009 vom Asylgerichtshof bestätigt wurde. Seitdem hält sich der Beschwerdeführer durchgehend - sohin seit über zehn Jahren - unrechtmäßig im Bundesgebiet auf, nachdem er seiner Ausreiseverpflichtung nach rechtskräftigem Abschluss seines Asylverfahrens nicht nachkam und seine Abschiebung beharrlich vereitelte. Er befindet sich daher seit fünfzehn Jahren in Österreich.

Sofern im Beschwerdeschriftsatz die lange Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers in Österreich betont wird, so ist auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, welcher in zwei Entscheidungen (VwGH, 30.06.2016, Ra 2016/21/0122 bis 0125-7; VwGH, 30.06.2016, Ra 2016/21/0076-10) festgestellt hat, dass eine Aufenthaltsbeendigung nach einem Aufenthalt von sechs Jahren im Bundesgebiet trotz vorhandener Integrationsschritte (Deutschkenntnisse, Selbsterhaltungsfähigkeit) im öffentlichen Interesse liegen kann und dass Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz im Heimatland die Interessen an einem Verbleib in Österreich nicht in entscheidender Weise zu stärken vermögen, sondern dass diese - letztlich auch als Folge des seinerzeitigen, ohne ausreichenden Grund für eine Flucht nach Österreich vorgenommenen Verlassens des Heimatlandes - im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen sind.

Selbst im Falle eines - im Gegensatz zum Beschwerdeführer - durchgehend rechtmäßigen, siebenjährigen Aufenthaltes kam der Verwaltungsgerichtshof (VwGH, 17.04.2013, 2013/22/0042) zum Schluss, dass eine Rückkehrentscheidung nicht zu beanstanden sei: "Der Beschwerdeführer vermag zwar einen langen inländischen Aufenthalt (7 Jahre) ins Treffen zu führen, welcher jedoch zur Gänze auf einer bloß vorläufigen Aufenthaltsberechtigung beruhte und dem Beschwerdeführer nach erstinstanzlicher Abweisung seines Asylantrages bewusst war, dass sein Aufenthaltsstatus unsicher ist. Maßgebliche Bedeutung kommt dem Umstand zu, dass der Beschwerdeführer nicht über familiäre Bindungen im Bundesgebiet verfügt. Auch wenn er eine Einstellungszusage vorweisen kann und sehr gut deutsch spricht, sind diese integrationsbegründenden Umstände nicht so schwer zu gewichten wie das maßgebliche öffentliche Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften, das von einem Fremden nach Abweisung seines Asylantrages grundsätzlich verlangt, den rechtmäßigen Zustand durch Ausreise aus dem Bundesgebiet wieder herzustellen."

Dem Beschwerdeführer setzte in seinem fünfzehnjährigen Aufenthalt in Österreich kaum integrationsbegründende Schritte. So erlangte er zwar ein Deutsch Zertifikat auf A2-Niveau, eine wenn auch auf sehr einfachem Niveau stattfindende Unterhaltung auf Deutsch ist mit ihm jedoch nicht möglich. Er ist aktives Mitglied in einer Freikirche und hat eine Einstellungszusage in Vorlage gebracht. Darüber hinausgehende Integrationsmerkmale liegen aber nicht vor. Eine nachhaltige Integration des Beschwerdeführers in Österreich kann aus all dem nicht geschlossen werden. So lässt sich aus einer Einstellungszusage keinerlei Garantie auf eine (Weiter-)Beschäftigung ableiten (zur Gewichtung von Einstellungszusagen vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13.10.2011, Zl. 2011/22/0065, mwN).

Vor diesem Hintergrund überwiegen die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung die privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet, sodass der damit verbundene Eingriff in sein Privatleben nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes als verhältnismäßig qualifiziert werden kann. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich daher, dass die im angefochtenen Bescheid angeordnete Rückkehrentscheidung des Beschwerdeführers aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Herkunftsstaat Nigeria keinen ungerechtfertigten Eingriff in das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Privat- und Familienleben darstellt.

Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 ist die Abweisung eines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Die belangte Behörde erließ daher zu Recht eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG.

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG ist eine Rückkehrentscheidung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei. Mit angefochtenem Bescheid wurde auch festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria zulässig sei.

Eine mögliche Gefährdung der durch Art. 3 EMRK geschützten Rechte ist abhängig von der Herkunftsregion in Nigeria zu prüfen. So wiederholte UNHCR im Oktober 2016 die Empfehlung, Rückschaffungen nach Borno, Yobe und Adamawa aufgrund der Bedrohung durch Boko Haram bis auf weiteres auszusetzen und interne Flucht- oder Neuansiedelungsalternativen erst nach sorgfältiger Prüfung und unter Berücksichtigung der individuellen Interessen des Einzelfalles zu erwägen. Der Beschwerdeführer stammt allerdings aus Edo State und ist daher auch keine unmittelbare Bedrohung seiner Person durch die auf den Anschlägen der Boko Haram basierende instabile Sicherheitslage im Nordosten Nigerias erkennbar. Sonstige Hinweise auf eine allgemeine existenzbedrohende Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen für Lagos nicht vor, weshalb aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 und/oder 3 EMRK abgeleitet werden kann.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach erkannt, dass die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat auch eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten kann, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet. Gleichzeitig wurde jedoch unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte betont, dass eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen ist (vgl. u.a. VwGH 06.11.2009, Zl. 2008/19/0174 und VwGH 21.08.2001, Zl. 200/01/0443). Im Fall des Beschwerdeführers sind diesbezüglich keinerlei besondere Vulnerabilitäten ersichtlich. Er ist jung, gesund und damit erwerbsfähig, zudem verfügt er über Berufserfahrung. Aufgrund der oa. Ausführungen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat seine dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und nicht in eine dauerhaft aussichtslose Lage gerät. Besonders exzeptionelle Umstände im Sinne der höchstgerichtlichen Judikatur liegen gegenständlich nicht vor.

Daher besteht keine Gefahr, dass durch eine Abschiebung des Beschwerdeführers Art. 2 oder 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder 13 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würden oder für ihn als Zivilperson mit der Abschiebung eine ernsthafte Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen oder internationalen Konflikts verbunden wäre. Auch sonst besteht kein Abschiebehindernis gemäß § 50 Abs. 2 oder Abs. 3 FPG, sodass die Abschiebung nach Nigeria für zulässig zu erklären ist.

Im angefochtenen Bescheid wurde zudem gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt. Dass besondere Umstände, die der Beschwerdeführer bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätte, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen würden, wurde nicht vorgebracht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind somit weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen und konnte sich das Bundesverwaltungsgericht bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Abschiebung, Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK,
freiwillige Ausreise, Frist, Interessenabwägung, mündliche
Verhandlung, mündliche Verkündung, öffentliche Interessen, Privat-
und Familienleben, private Interessen, Rückkehrentscheidung,
schriftliche Ausfertigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I415.1251504.2.00

Zuletzt aktualisiert am

28.04.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten