Entscheidungsdatum
21.11.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W161 2199235-1/16E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Monika LASSMANN als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. am XXXX alias XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für
Fremdenwesen und Asyl vom 18.05.2018, Zl.: 16-1102700905/160095133, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 02.09.2019 zu
Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der volljährige Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ist Staatsangehöriger von Afghanistan und stellte am 18.01.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
2. Bei seiner Erstbefragung am 19.01.2016 gab der BF an, er sei am
XXXX in XXXX , Afghanistan, geboren und seit XXXX verheiratet. Seine Muttersprache sei Paschtu, er spreche auch gut Farsi und Dari. Er bekenne sich zum sunnitischen Islam und gehöre der Volksgruppe der Paschtunen an. Er habe sechs Jahre lang die Grundschule in XXXX besucht und habe keine Berufsausbildung. Zuletzt sei er Landwirt gewesen und habe auf den eigenen Feldern gearbeitet. In Afghanistan würden seine Ehefrau, sein Sohn, seine Eltern, drei Brüder und vier Schwestern leben. Ein Bruder ( XXXX ) sei ermordet worden, ein Bruder ( XXXX ) lebe im Iran. In Afghanistan habe er in XXXX gelebt. Seinen Heimatstaat habe er vor zwei Monaten verlassen.
Als Fluchtgrund gab der BF an, dass früher das Leben in seinem Dorf gut gewesen sei. Jetzt würden dort die Taliban herrschen und werde man in seinem Leben eingeschränkt. Man mache ihnen das Leben schwer und sie hätten die Felder nicht mehr bewirtschaften können. Manche seiner Brüder seien in den Iran geflüchtet, andere seien geblieben und hätten ihr Schicksal in Kauf genommen. Da die Zukunft ungewiss sei, sei er gezwungen gewesen, zu fliehen. Einer seiner Brüder hätte sie einmal zu Hause besucht. Dieser sei beim Militär gewesen und sei von den Taliban ermordet worden. Bei einer Rückkehr könne er unter diesen Umständen nicht überleben, da man seitens der Taliban immer wieder zu Sachen (Zusammenarbeit) gezwungen werde. Dies wolle er nicht.
Im Zuge der Asylantragstellung wurde beim BF ein serbisches Schriftstück sichergestellt. Diesem ist zu entnehmen, dass der BF dort " XXXX , geb. XXXX " als seine Identität angab.
3. Am 21.02.2018 wurde der BF beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) in der Sprache Paschtu einvernommen. Er gab an, gesund zu sein. Er habe bis dato die Wahrheit gesagt, es habe aber keine Rückübersetzung stattgefunden. Zudem gebe es Fehler im Protokoll. Er habe nur drei Brüder und eine Schwester. Zudem sei er in der Provinz Laghman geboren Es stimme auch nicht, dass er einen Bruder namens
XXXX habe, welcher im Iran lebe. Er habe keinen Bruder mit diesem Namen und keinen Bruder, der im Iran lebe. Sein Bruder XXXX sei als
XXXX geschrieben worden, dies sei ebenfalls falsch. Dieser sei im April/Mai 2015 Richtung Iran aufgebrochen, sein Aufenthalt sei derzeit unbekannt. Er wisse nicht, ob dieser noch lebe. Im Protokoll stehe, dieser sei von den Taliban ermordet worden. Sein Bruder XXXX sei bei der afghanischen Nationalarmee gewesen und sei von den Taliban ermordet worden. Sein Geburtsdorf sei unter dem Namen XXXX bekannt, heiße aber offiziell " XXXX ". Auch heiße seine Mutter mit Vornamen XXXX , seine Frau XXXX . Das Geburtsdatum seines Sohnes habe der BF bei der Erstbefragung nicht genau gewusst, jetzt habe er aber den Impfpass seines Sohnes. Dieser sei am XXXX geboren. Weiters wolle er angeben, dass er Grundstücke und ein Haus in Afghanistan besitze.
Heute wolle er seine Asylgründe ausführlicher schildern und wolle er auch zu dem Drohbrief der Taliban, der nach seiner Ausreise seiner Mutter ausgehändigt worden sei, Stellung nehmen. Er habe damals die Wahrheit gesagt, andere Gründe gebe es nicht.
Zu seinen persönlichen Verhältnissen in Afghanistan gab der BF ergänzend an, noch einen Onkel und drei Cousinen in Afghanistan zu haben. Er habe ca. von seinem 11. bis 17. Lebensjahr die Grundschule besucht, diese aber nicht abgeschlossen. Seine Muttersprache sei Paschtu, er spreche auch gut Dari. Er sei ca. ab seinem 13. Lebensjahr Landwirt gewesen und habe in der elterlichen Landwirtschaft gearbeitet. Zudem sei er von 2013 bis 2015 selbstständiger Kraftfahrer (Sammeltaxi-Fahrer) gewesen. Seine Ehefrau (traditionelle Heirat) sei Hausfrau. Sein Vater arbeite als Landwirt, seine Mutter sei Hausfrau und habe auch in der Landwirtschaft geholfen. Seine Schwester und ein Bruder würden bei den Eltern wohnen. Der älteste Bruder sei von den Taliban umgebracht worden. Seine Familie besitze ein Haus und ein paar Grundstücke. Die wirtschaftlichen Verhältnisse in Afghanistan seien gut gewesen. Er telefoniere alle zwei Monate mit seiner Familie. Er habe sich am Tag vor seiner Ausreise dazu entschlossen die Heimat zu verlassen, dies sei am 19.11.2015 gewesen.
Zu seinen Fluchtgründen gab der BF wie folgt an:
"Am 05.04.1394 (26.06.2015) wurde ich von den Taliban aufgefordert, mich ihnen anzuschließen, aber ich wollte das nicht. Ich wollte mich den Taliban nicht anschließen, um Menschen zu töten oder getötet zu werden. Ich habe sie gebeten mich nicht in den Kampf mitzunehmen. Sie haben mich andere Arbeiten machen lassen. Es war so, sie hatten zwei Gefängnisse dort. Sie haben Menschen dort festgehalten. Sie haben manche auch getötet und manche auch gefoltert. Ich habe dort den Gefangenen Essen gebracht und ich habe die Aufenthaltsräume der Taliban gereinigt. Zwei weitere Personen aus meinem Dorf wurden für diese Arbeiten eingesetzt. Der eine hieß XXXX (ca. 23 Jahre alt) und der andere hieß XXXX (ca. 25 Jahre alt). Am 23.08.1394 (14.11.2015) sagten sie zu uns, dass wir uns darauf einstellen sollten, in 10 Tagen den Umgang mit Waffen zu lernen. Es war so, dass sie sich gegen Daesh personell aufrüsten wollten. Die Einwohner haben die Taliban sehr gehasst. Wir drei wollten das jedoch nicht und waren nicht bereit, mit den Taliban in den Kampf zu gehen. Die zwei anderen sagten, wir sollten Hilfe von der Polizei holen. Ich fragte sie, wie wir das anstellen sollten. Sie sagten, dass wir die Polizei anrufen sollten. Einer von ihnen hat die Nummer 119 der Polizei gewusst. Sie haben vorgeschlagen, dass ich die Polizei anrufen solle. Wir haben die Polizei angerufen und der Polizei von dem Vorhaben der Taliban erzählt. Wir sagten, dass die Taliban und militärisch ausbilden wollen, damit wir gegen die Regierung kämpfen. Die Polizei sagte, dass sie uns nicht helfen könnten. Ich wurde jedoch von der Polizei nach dem Aufenthaltsort des Talibananführers namens XXXX gefragt. Ich habe der Polizei mehrere Namen von Talibananführern und Talibanmitgliedern aus unserem Ort genannt. Ich nannte ihnen zum Beispiel XXXX , XXXX , XXXX . Die Polizei fragte mich ebenso nach den Waffen, welche die Taliban besaßen und ob auch pakistanische Taliban dabei seien. Ich habe erzählt, dass keine pakistanischen Taliban dabei seien, nannte ihnen aber die Waffen wie Panzerfaust, PK. Nachdem ich nicht länger Zeit hatte, da mich die Taliban bereits in ein paar Tagen mitnehmen wollten, habe ich beschlossen die Heimat zu verlassen. Das war am 28.08.1394 (19.11.2015). Weil mein Leben dort in Gefahr war. Ich war ca. 2 Monate auf der Flucht. 2 Monate nach meiner Einreise in Österreich habe ich erst Kontakt zu meiner Familie in Afghanistan aufnehmen können. Meine Frau erzählte mir, dass die zwei anderen, die mit mir zusammen waren, mich an die Taliban verraten hätten. Aus diesem Grund haben die Taliban meinen Vater mitgenommen und auch meine Mutter geschlagen. Sie haben mich als Verräter bezeichnet, weil die zwei anderen ihnen von meinem Telefonat mit der Polizei erzählt hatten. Mein Vater war ca. 8 Monate in der Gewalt der Taliban. Er wurde in der Gefangenschaft durch die Taliban geschlagen und gefoltert. Er erlitt dadurch einen Beinbruch. Als die Taliban bei uns waren und nach mir suchten, waren die zwei anderen auch dabei und haben zu meinen Eltern gesagt, dass ich die Taliban an die Regierung verraten hätte. Sie haben meinen Vater unter Druck gesetzt und wollten, dass er mich an sie ausliefert. Mein Vater sagte, dass er nicht wisse wo ich mich aufhalte und sollten sie mich bekommen können sie mit mir machen, was sie wollen. Am 05.04.1394 (26.06.2015) als die Taliban zu mir kamen, wurden auch andere Männer aus dem Dorf aufgefordert, sich ihnen anzuschließen. Viele sind aber geflohen. Es war so, dass sie von uns Fingerabdrücke nahmen und sagten, dass sollten wir versuchen wegzulaufen, würden sie uns überall in Afghanistan (anhand der Fingerabdrücke) finden. In diesem Fall würden sie uns dann töten bzw. den Kopf abschneiden. Nur wenige Leute haben sich ihnen angeschlossen, weil sie keine Wahl hatten. Alle hatten Angst auch wo anders in Afghanistan verfolgt zu werden. Aber nicht jeder konnte an einen anderen Ort in Afghanistan ziehen und dort weiterleben. Aber es gab auch keine sicheren Orte in Afghanistan.
...
F: Gab es jemals irgendwelche Übergriffe auf Sie oder ist an Sie persönlich jemals irgendwer herangetreten?
A: Nein, es gab keine Übergriffe auf mich. Ich wurde aber einmal von den Taliban geschlagen.
F: Wann und warum wurden sie von den Taliban geschlagen?
A: Ich weiß nicht wann genau das war. An das Datum kann ich mich nicht erinnern. Sie sagten zu mir, dass ich sie mit meinem Auto befördern solle. Ich sagte Ihnen, dass der Tank meines Autos leer sei und ich sie nicht befördern könne. Daraufhin haben Sie mir mit dem Gewehrkolben auf den Kopf geschlagen. Das Jahr war zwar 1393 (2014), aber das Monat und der Tag sind mir nicht bekannt.
F:Wie genau nahmen die Taliban Ihre Fingerabdrücke? Wie war der genaue Ablauf? Was haben die Taliban dabei alles gemacht?
A:Sie haben mit Fingerabrücke elektronisch abgenommen. Das war so wie hier in Österreich. Sie haben alle meine Finger einzeln auf einen Scanner gelegt und gescannt.
F: Wo genau nahmen die Taliban Ihre Fingerabrücke?
A: In XXXX wurden meine Fingerabdrücke genommen.
F:Wann genau war das?
A: Am 05.04.1394 (26.06.2015)
F: Wie kamen Sie nach XXXX ?
A: Ich wurde von den Tliban mitgenmommen.
F: Wie legten Sie die Strecke nach XXXX zurück?
A: Zufuß.
F: Wie lange dauerte es, bis sie in XXXX ankamen?
A: Von unserem Dorf dauerte es ca. eine Stunde.
F: Wo genau in XXXX wurden Ihnen die Fingerabdrücke abgenommen?
A: In XXXX gibt es keine Häuser. Ich wurde in eine Höhle der Taliban gebracht.
F: Wo genau befinden sich die Gefängnisse von denen Sie zuvor gesprochen haben?
A: Das war ca. 20 Minuten von der Höhle, in der mir die Fingerabdrücke abgenommen wurden entfernt. Es handelte sich dabei jedoch nicht um ein Gebäude, sondern eine Höle.Der Ort heißt auch
XXXX .
F: Wie viele Menschen wurden dort gefangen gehlten?
A: ich kann die Anzahl der Gefangenen nicht sagen. Es mussten aber viele gewesen sein, da wir sehr viel Wasser dorthin bringen mussten.
F: Gab es in dem Gefängnis Strom?
A: Nein. Dort gibt es keinen Strom. In dem ganzen Gebiet gibt es keinen Strom.
Vorhalt: Wie konnten Ihnen die Taliban mit einem elektronischen Fingerscanner die Fingerabdrücke abnehmen, wenn es in dem ganzen Gebiet XXXX keinen Strom gibt?
A: Dort gibt es keinen Strom wie hier in Österreich. Dort werden Solarzellengeräte und große Batterien verwendet. Auf Ihre Frage ob es dort Strom gab, meinte ich, dass es dort keine Strommasten gibt.
F: Wo waren Sie in der Zeit, in der Sie für die Taliban im Gefängnis arbeiteten untergebracht?
A: ich musste dort 3 Tage die Woche arbeiten. Aber nach der Arbeit durfte ich immer nachhause gehen. Ich musste zuhause schlafen.
F: Können Sie die Höhlen näher beschreiben?
A: Wir durften in die Höhle nicht in die Höhle reingehen. Ich kenne die Höhle aber von Früher. In dieser Umgebung haben wir Tiere weiden lassen.
Anmerkung: Frage wird wiederholt.
A: Die Höhlen befinden sich am Fuße eines Berges. Dort liegen große Steine. Vor diesen Steinen haben die Taliban Türen installiert. Wie es im Inneren der Höhlen aussieht weiß ich nicht.
F: Wie viele Stunden am Tag mussten Sie bei den Höhlen arbeiten?
A: Ca. 4 bis 5 Stunden.
F: Wurde Ihr Bruder XXXX ebenfalls aufgefordert, sich den Taliban anzuschließen?
A: Nein, mein Bruder kann gar nicht gehen, er ist gelähmt.
F: Wurde Ihr Onkel XXXX ebenfalls aufgefordert, sich den Taliban anzuschließen?
A: Er wurde nicht aufgefordert, sich den Taliban anzuschließen, aber einer seiner Söhne wurde von den Taliban getötet.
Vorhalt: Als sie nach Verwandten in Ihrem Herkunfstsland gefragt wurden gaben Sie an, dass sie nur Ihren Onkel XXXX und seine Töchter (ihre Cousinen) hätten. Was sagen Sie dazu?
A: Ich habe nur angegeben, dass XXXX mein Onkel ist und die anderen angeführten Personen meine Cousinen sind.
F: Wie viele Verwandte haben Sie noch in Ihrem Heimatland?
A: Viele Verwandte meines Vaters und meiner Mutter sind im Krieg gegen die Russen ums Leben gekommen. Deshalb habe ich nur einen Onkel väterlicherseits. Er hatte nur einen Sohn.
F: Wie hieß sein Sohn?
A: XXXX .
F: Wann wurde er getötet?
A: Im 4. Monat des Jahres 1394 (ca. Juni 2015).
F: Wo wurde er getötet?
A: Wie sein Vater erzählt hat, wurde er aufgefordert mit ihnen mitzugehen. Er weigerte sich mit ihnen mitzugehen, wurde aber gewaltsam mitgenommen. Sie brachten ihn an den Ort XXXX . Dort wurde er erschossen.
Anmerkung: Der Ast möchte nun folgendes noch bekannt geben: Mein Onkel hat Probleme mit der Wirbelsäule. Er wurde deshalb auch operiert.
F: Hatte die Ermordung Ihres Cousins Einfluss auf Ihre Entscheidung Afghnaistan zu verlassen
A: Ja, das hatte schon einen Einfluss darauf, denn ich hatte Angst, genauso wie er getötet zu werden.
F:Warum haben Sie das bisher nicht erwähnt?
A: Was meinen Sie?
F:Die Ermordung Ihres Cousins?
A: ich habe darauf gewartet, gefragt zu werden. Ich habe meine Probleme angegeben. Aber ich wollte das bei der Gelegenheit auch angeben. Aber nach dem Sohn meines Onkels wurde ich zuvor nie gefragt, um darüber zu sprechen.
F: Wann verließ Ihr Bruder XXXX Ihr Heimatdorf?
A: Das war im 4 Monat des Jahres 1394 (ca. Juni 2015), aber an ein genaues Datum kann ich mich nicht erinnern. Er ist weggegangen, als die Taliban Einwohner des Dorfes rekrutierten.
F:Wie haben Sie vom Tod Ihres ältesten Bruders erfahren?
A: Der Fahrer des Wagens in dem mein Bruder unterwegs war hat bei uns zuhause erzählt, dass mein Bruder von den Taliban ermordet wurde. Sein Name ist XXXX .
F: War XXXX auch bei der Armee?
A: Nein er war nur der Fahrer des Wagens. Mein Bruder war sein Fahrgast.
Wo waren Sie, als Sie vom Tod Ihres Bruders erfuhren?
A: ich war zuhause.
F:Gab es bestimmte Tage, an denen Sie im Gefängnis arbeiten mussten?
A: Wie meinen Sie das?
F: In Österreich werden die Tage einer Woche von Montag bis Sonntag bezeichnet. So ist die Frage gemeint.
A: Normalerweise von Samstag bis Dienstag, also 4 Tage. Es waren aber nicht immer 4 Tage.
F:Wie viel Zeit verging zwischen dem Tod Ihres ältesten Bruders und Ihrem Entschluss Ihr Heimatdorf zu verlassen.
A: Am 05.08.1394, nein ich meine am 25.8.1394 (16.11.2015).
F: Wie viele Tage vergingen zwischen dem Tod Ihres Bruders und Ihrem Entschluss die Heimat zu verlassen?
A: Zwei Tage.
F: Wann genau haben Sie die Polizei angerufen?
A: Am 23.08.1394 (14.11.2015).
F: Welchen Grund nannte Ihnen die Polizei, warum sie Ihnen nicht helfen könnte?
A: Sie sagten zu mir, dass sie mir nicht helfen könnten und fragten mich, wie sie mir helfen sollten. Daraufhin fragte ich, wo man sich in Sicherheit bringen könnte. Er sagte zu mir, dass Millionen auf der Flucht seien.
F: Wer genau ist XXXX ?
A: Er ist ein Kommandant der Taliban.
F: Woher kennen Sie seinen Namen?
A: Weil er auch dort gewohnt hat. Er lebte nur ca. 5 Minuten von dort entfernt.
F:Wer genau ist XXXX ?
A: Er ist auch ein Kommandant der Taliban. Alle (gemeint sind die oben genannten) sind Anführer der Taliban. Der oberste Anführer ist
XXXX .
F:Warum wurde Ihr Vater wieder freigelassen?
A: Mein Vater hat zu den Taliban gesagt, dass sie mit mir machen können, was sie wollen. Er hat ihnen nicht verraten, dass ich ins Ausland geflohen bin. Aus diesem Grund haben sie ihn wieder gehen lassen.
F: Was hat es mit dem von Ihnen heute vorgelegten Drohbrief auf sich?
A: Die Taliban haben mit dem Brief meiner Mutter mitgeteilt, dass ich sie verraten Hätte und dort nicht mehr leben kann. Ich sei ein Verräter, ein Spion.
F: Wer hat den von Ihnen vorgelegten Drohbrief erhalten?
A: Meine Mutter. Er wurde zu uns nachhause gebracht.
F: Wann hat sie diesen Drohbrief erhalten?
A:ich weiß nicht genau wann sie den Brief erhalten hat. Jedenfalls nach meiner Ausreise. Als ich zwei Monate nach meiner Ankunft in Österreich Kontakt mit meiner Familie aufnahm, wurde mir davon erzählt.
F: Handelt es sich bei dem heute vorgelegten Drohbrief um das Original?
A: Ja.
F:Wie kommen Sie zu diesem Drohbrief?
A: Per Post habe ich Ihn erhalten.
F: Wann haben Sie den Drohbrief erhalten?
A: Das weiß ich jetzt nicht mehr. Aber alle Dokumente sind in einem einzigen, dem bereits vorgelegten, Umschlag gekommen.
F: Wie lautet der genaue Inhalt dieses Drohbriefes?
A:In dem Brief steht: Islamisches Emirat Afghanistan. Provinz Laghman, Distrikt XXXX , Dorf XXXX . An XXXX , Bewohner des Dorfes XXXX in XXXX Aufgrund von unseren Informationen, wissen wir, dass Ihr Sohn namens XXXX als Spion für di Regierung tätig ist. Er ist unter Beobachtung unserer Mitglieder Aufgrund von genauen Informationen liegt fest, dass er wie oben genannt tätig ist. Hiermit werden Sie aufgefordert den Genannten innerhalb von zwei Monaten dem islamischen Emirat auszuliefern. Sollten Sie das nicht machen, werden Sie nach dem Gesetz und der Scharia bestraft. Denn wenn er vom islamischen Emirat des Distriktes XXXX , der Provinz Laghman verhaftet wird, wird er mit dem Tod bestraft.
F: Wie lautet das Datum auf diesem Drohbrief?
A: Es ist kein Datum angegeben.
F: Wer hat den Drohbrief unterzeichnet?
A: Es steht kein Name auf dem Brief, aber XXXX ist dafür verantwortlich, weil er der Kommandant ist, und auf dem Brief befindet sich auch der Stempel des islamischen Emirats.
Anmerkung: Der vom Ast vorgelegte Drohbrief wird nun vom anwesenden Dolmetscher wortwörtlich übersetzt.
Übersetzung: Islamisches Emirat Afghanistan. Provinz Laghman, Distrikt XXXX , Dorf XXXX . An XXXX , Bewohner des Dorfes XXXX in XXXX . Laut Informationen ist Ihr Sohn XXXX als Spion der Regierung tätig. Er wurde von unseren zuständigen Mitgliedern beobachtet. Genaue Informationen und Beweismittel belegen, dass der Genannte, wie oben beschrieben tätig ist. Ihnen wird mitgeteilt, ihn innerhalb von 2 Monaten an das militärische Komitee des islamischen Emirates auszuliefern. Sollten Sie das nicht machen, werden Sie nach dem Gesetz und nach der Scharia bestraft. Sie haben dann kein Recht auf Beschwerde. Wenn er vom islamischen Emirat, Provinz Laghman, Distrikt XXXX festgenommen wird, wird er zum Tod verurteilt. (Anmerkung des Dolmetschers: Die Unterschrift ist nicht leserlich)
F: Was hätten Sie im Falle einer eventuellen Rückkehr in Ihre Heimat konkret zu befürchten?
A: Ich habe Angst vor dem Tod durch die Taliban. Ich habe erlebt, wie Menschen von den Taliban umgebracht wurden. Ich möchte nie wieder zurückgehen. Ich fühle mich hier in Sicherheit. Ich lebe hier nicht mehr in Angst. Ich überlasse Ihnen die Entscheidung, mich in den sicheren Tod zu schicken oder mich hier in Frieden leben zu lassen.
F: Warum sind Sie nicht in eine andere Stadt oder in einen anderen Landesteil gezogen?
A: Die Angst vor dem Tod bewegte mich dazu, die Heimat zu verlassen. Aber als die Taliban Fingerabdrücke von mir genommen haben, bestätigte das noch mehr in meiner Angst, dass sie mich überall in Afghanistan verfolgen und töten werden. Überall in Afghanistan herrscht Krieg. Nirgendwo ist es sicher.
F: Was spricht gegen eine Niederlassung in Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat?
A: Die Situation in Kabul, Mazar-e Sharif, Herat oder wo anders ist gleich gefährlich. Ich habe mir schon in Afghanistan darüber Gedanken gemacht, aber man lebt dort in ständiger Angst, weil jeden Tag Anschläge passieren. Man kann vielleicht ein paar Monaten Anschlägen entkommen, aber die Lage ist nicht nur für ein paar Monate so, sondern wird noch für viele Jahre so sein. Ich habe Angst in Afghanistan getötet zu werden, weil ich dort überall verfolgt werde.
F: Wer ist der Absender des von Ihnen vorgelegten Briefumschlages?
A: Meine Adresse habe ich meiner Mutter mitgeteilt. Sie hat dafür gesorgt, dass ich die Dokumente bekomme. Da es in Laghman nicht möglich war, wurde der Umschlag nach Kabul gebracht und von dort versandt. Wer der Absender ist, weiß ich nicht. Meine Mutter muss denjenigen darum gebeten haben, mir die Dokumente zu schicken.
...
Haben Sie nun nach Rückübersetzung Einwendungen gegen die Niederschrift selbst, wurde Ihre Einvernahme richtig und vollständig protokolliert?
A: Auf Seite 3: Mein Bruder brach im 4. Monat des Jahres 1394 in Richtung Iran auf, nicht im 2. Monat. Auf Seite 6: Mein Onkel XXXX ist 35 Jahre alt, nicht 33. Ansonsten war alles korrekt.
...
Vorhalt: Sie haben bei der im Zuge Ihrer Erstbefragung aufgenommenen Niederschrift unterschrieben, dass Ihnen diese rückübersetzt wurde. Warum sagen Sie heute, dass Ihnen diese nicht rückübersetzt worden sei?
A: Ich habe die Einvernahme bestätigt, dass die Einvernahme durchgeführt wurde. Die Rückübersetzung habe ich nicht bestätigt. Ich musste das Protokoll unterschreiben, das habe ich auch gemacht.
Aufforderung: Schildern Sie unter Angabe sämtlicher Details die Aufforderung der Taliban für diese zu arbeiten! (Wer, Wann, Wie, Wo?)
A: XXXX sagte zu mir, ihr müsst euch uns anschließen. Wir werden gemeinsam gegen die Regierung kämpfen. Das war am 05.04.1394 (26.06.2015). Das war in der Umgebung von XXXX , nein das war nicht in XXXX . Das war in der Nähe des Dorfes XXXX.
F: Wie lange haben Sie insgesamt für die Taliban Arbeiten verrichtet?
A: Vom 05.04.1394 (26.06.2015) bis kurz vor meiner Ausreise.
Aufforderung: Schildern Sie den konkreten Gesprächsverlauf, als die Taliban auf Sie zu kamen und Ihnen mitteilten, dass Sie den Umgang mit Waffen lernen sollten!
A: Es war so, dass es Gerüchte gab, dass Daesh kommt, aus diesem Grund wollten sich die Taliban gegen Daesh aufrüsten. Aus diesem Grund sagten Sie zu uns, wir sollten uns darauf einstellen, in 10 Tagen für den Umgang mit der Waffe vorzubereiten. Die zwei anderen aus dem Dorf waren auch anwesend. Ich habe sie gebeten, mich weiterhin diese Arbeit machen zu lassen. Mir wurde gesagt, dass das nicht möglich sei und, dass alle sich dazu bereiterklären müssten.
F: Was geschah mit den zwei anderen Personen, welche mit Ihnen die Polizei riefen, als Sie das Herkunftsland verlassen haben?
A: Nach meiner Ausreise aus meiner Heimat am 28.08.1394 (19.11.2015) weiß ich dann nicht mehr, was mit den beiden geschehen ist. Jedoch von meiner Frau habe ich erfahren, dass sie mich bei den Taliban verraten haben. Als die Taliban bei uns waren, waren sie auch dabei
F: Wo haben Sie genächtigt, als Sie Arbeiten für die Taliban verrichteten?
A: Zuhause.
F: Wie lange waren Sie schon für die Taliban tätig bis Sie den Umgang mit den Waffen lernen sollten?
A: Von 05.04.1394 (26.06.2015) bis einige Tage vor meiner Ausreise.
F: Weshalb gingen Sie nicht direkt nach der Aufforderung der Taliban für diese zu arbeiten zur Polizei?
A: Bei der ersten Aufforderung war es so, dass ich schon damals wusste, dass die Regierung nicht in der Lage ist, mich vor den Taliban zu beschützen. Aber beim zweiten Mal war das die Idee von den zwei anderen. Sie sagten mir auch die Nummer. Und ich sollte mit der Polizei sprechen.
F: Wann genau hätten Sie den Umgang mit Waffen lernen sollen?
A: am 23.08.1394 (14.11.2015) haben sie uns das mitgeteilt. Sie haben uns eine 10 Tages frist gesetzt. In 10 Tagen sollten wir bereit sein. Sie nannten uns kein genaues Datum.
F: Haben Sie nun nach Rückübersetzung der ergänzenden Fragen Einwendungen gegen die Niederschrift selbst, wurde Ihre Einvernahme richtig und vollständig protokolliert?
A: Nein, es ist alles vollständig und richtig."
Zu seinem Leben in Österreich gab der BF an, Deutschunterricht zu bekommen und bereits die A2-Prüfung abgelegt zu haben. Er arbeite sechs Tage die Woche gemeinnützig. Er lebe von der Grundversorgung und wohne in einer Flüchtlingsunterkunft. Er sei nicht Mitglied in Vereinen oder Organisationen, spiele aber gelegentlich Fußball. Zu seiner körperlichen Verfassung gab er ergänzend an, dass ihn die Ungewissheit, was mit ihm passiere, wenn er einen negativen Bescheid bekomme sehr belaste. Er bekomme ständig Kopfschmerzen. Sein Hausarzt habe gemeint, er solle zu seinem Neurologen gehen, aber er wisse, dass er gesund sei. Nur die Sorgen seien die Ursache für seine Kopfschmerzen.
Im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme legte der BF folgende Unterlagen vor:
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Afghanischer Impfpass des Sohnes;
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Afghanischer Führerschein;
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Afghanische Geburtsurkunde;
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Drohbrief von den Taliban (AS 293);
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Kopie des Dienstausweises des XXXX ;
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Teilnahmebestätigung am Projekt "Brücken bauen" vom 05.02.2018;
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Privates Empfehlungsschreiben vom 16.02.2018;
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Bestätigung für die Teilnahme am Seminar "Abfalltrennung und Abfallvermeidung";
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Teilnahmebestätigung Innuferreinigung vom 25.03.2017;
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Teilnahmebestätigung für den Vortrag "Miteinander in Innsbruck-Präventive Werte-, Verhaltens- und Rechtsvermittlung für AsylwerberInnen" vom 13.12.2017;
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Teilnahmebestätigung Deutschkurs A1 vom 13.12.2017;
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Teilnahmebestätigung Strukturmodul2/A1 vom 20.11.2017;
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Bestätigung betreffend ein Praktikum bei den Bundesgärten vom 04.04.2017-19.10.2017;
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Teilnahmebestätigung betreffend die Aktion "Almpflege";
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Diverse Fotos die den BF beim Wandern und bei diversen Ausflügen zeigen;
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Diverse Berichte von BBC, Voice of America und azadiradio.
4. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes vom 18.05.2018 wurde der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. wurde der Antrag des BF bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Ferner wurde dem BF unter Spruchpunkt III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). In Spruchpunkt VI. wurde festgehalten, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.
Das Bundesamt stellte fest, dass der BF afghanischer Staatsangehöriger sei, sich zum muslimisch-sunnitischen Glauben bekenne und der Volksgruppe der Paschtunen angehöre. Seine Identität habe nicht festgestellt werden können. Er stamme aus der Provinz Laghman, sei verheiratet und habe einen Sohn. Seine Familie lebe in Afghanistan. Eine asylrelevante Verfolgung habe er nicht glaubhaft machen können.
Beweiswürdigend führte das BFA im Wesentlichen aus, dass der BF in seiner Erstbefragung lediglich davon gesprochen habe, Afghanistan aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage verlassen zu haben, während er in der Einvernahme vor dem BFA dann eine persönliche Verfolgung durch die Taliban geschildert habe. In der niederschriftlichen Einvernahme habe er dann auch plötzlich angegeben, ihm sei das Protokoll der Erstbefragung nicht rückübersetzt worden und habe er einige Ausbesserungen vorgenommen. Da er aber in der Erstbefragung mit seiner Unterschrift die Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben bestätigt habe, sei davon auszugehen, dass es sich dabei um eine reine Schutzbehauptung handle. Der BF habe sich auch bei grundlegenden Daten widersprochen. So habe er in der Erstbefragung angegeben, er sei mit seiner Frau seit XXXX verheiratet, während er in der niederschriftlichen Einvernahme dann angegeben habe, er habe sie am XXXX geheiratet. Auch die Angaben hinsichtlich seiner Brüder und Schwestern würden divergieren. Auffällig sei auch gewesen, dass der BF in der Erstbefragung konkrete Namen hinsichtlich eines Bruders und seiner Schwestern genannt habe, welche er in der Einvernahme dann als seinen Onkel und dessen Töchter dargestellt habe. Bedenklich sei weiters, dass der BF in der Erstbefragung keine genauen Zeitangaben machen habe können, während er in der Einvernahme dann ein bis auf den Tag genaues Datum nennen habe können. Da der BF in seiner Einvernahme angegeben habe, den Gefangenen Essen gebracht zu haben, sei nicht nachvollziehbar, weshalb er nicht dazu in der Lage gewesen sei, eine ungefähre Zahl an Gefangenen zu nennen. Später habe er dann auch nur mehr davon gesprochen den Gefangenen Wasser gebracht zu haben. Weiters habe er anfangs davon gesprochen an drei Tagen die Woche bei den Taliban gearbeitet zu haben, während er an späterer Stelle der Einvernahme wiederum ausgeführt habe, von Samstag bis Dienstag (sohin vier Tage) gearbeitet zu haben. Auch der vorgelegte Drohbrief sei nicht verifizierbar und stelle keinen tauglichen Beweis für die behauptete Verfolgungsgefahr dar. Ebenso sei die behauptete Gefangenschaft des Vaters nicht glaubwürdig. Gesamtbetrachtend sei davon auszugehen, dass die Angaben des BF aufgrund der gehäuften Widersprüche und aufgetretenen Unplausibilitäten als völlig unglaubwürdig zu qualifizieren seien bzw. die geltend gemachten Bedrohungsszenarien offensichtlich nicht der Wahrheit entsprechen würden.
Betreffend die Nichtzuerkennung des subsidiären Schutzes wurde ausgeführt, dass der BF jung, gesund und arbeitsfähig sei. Es sei ihm zumutbar in Afghanistan Gelegenheitsarbeiten auszuführen. Er leide an keinen lebensbedrohlichen Krankheiten. Seine Heimatprovinz Laghman sei als volatil einzustufen, es stehe ihm aber eine IFA in der Stadt Kabul offen. Er habe auch familiäre Anknüpfungspunkte in Afghanistan.
Zur Rückkehrentscheidung wurde ausgeführt, dass der BF illegal eingereist sei und keine nahen Familienangehörigen und keine sonstigen intensiven sozialen Kontakte in Österreich habe. Er lebe von der Grundversorgung, sei nicht berufstätig und nicht selbsterhaltungsfähig. Er habe Deutschkurse abgeschlossen und gemeinnützige Arbeit geleistet. Eine besondere Integrationsverfestigung bestehe nicht.
5. Gegen den Bescheid des BFA richtet sich die vollumfängliche Beschwerde. Darin wurde ausgeführt, dass der BF angegeben habe, dass ihm das Protokoll der Erstbefragung nicht rückübersetzt worden sei und ihm die dabei entstandenen Übersetzungsfehler daher erst später aufgefallen seien. Wenn sich die Behörde darauf berufe, dass der BF die Erstbefragung unterzeichnet habe und mit seiner Unterschrift die Vollständigkeit und Richtigkeit seiner Angaben bestätigt habe, so sei darauf hinzuweisen, dass auf der Kopie der Erstbefragung gar keine Unterschrift sei. Des Weiteren habe die Erstbefragung um 10:41 begonnen und um 11:30 geendet, weshalb fraglich sei, ob in den 49 Minuten Befragung samt Belehrung tatsächlich alles rückübersetzt worden sei. Dies sei nachzuprüfen. Des Weiteren sei der Behörde ein Verfahrensfehler passiert, da der BF nicht von jener Person befragt worden sei, welche den Bescheid erlassen habe. Das zur Entscheidung berufene Organ habe dann aus eigener Wahrnehmung gar keinen persönlichen Eindruck vom Aussageverhalten des BF gewinnen können. Das Prinzip der Unmittelbarkeit sei massiv verletzt worden. Das BFA habe den asylrelevanten Fluchtgrund verkannt und sei man auf das Vorbringen des BF nicht konkret eingegangen. Der BF habe im Rahmen der Rechtsberatung angegeben, dass er nur Essen und Wasser zum Gefängnis der Taliban hochgetragen habe, er aber keine Berechtigung gehabt habe, das Wasser und Essen zu verteilen. Dies habe ein anderer Mann gemacht. Der BF sei davon ausgegangen, dass es viele Häftlinge gewesen seien, da er einiges an Wasser und Essen hochgetragen habe. Diese Arbeiten hätte er drei bis vier Mal die Woche verrichten müssen. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb das BFA dies als Widerspruch gewertet habe, denn schließlich sei er nicht der einzige "Schichtarbeiter" gewesen. Unter besonderen Umständen (z.B. Krankheitsfall in der Familie), sei er nicht verpflichtet gewesen, den vierten Tag zu arbeiten. Auch habe der BF angegeben, dass es keinen Strom wie in Österreich gegeben habe, sondern Solarzellen und Batterien. Die Länderfeststellungen würden bestätigen, dass die Taliban dazu in der Lage seien Fingerabdrücke zu nehmen. Unter Berücksichtigung, dass die Taliban in jeder Provinz Schattengouverneure hätten, welche eine Schattenprovinzregierung führen würden, sei die Befürchtung des BF von den Taliban gefunden zu werden, durchaus nachvollziehbar. Dem BF sei daher Asyl, ansonsten subsidiärer Schutz zu gewähren. Auch sei eine Rückkehrentscheidung nicht zulässig.
6. Am 05.07.2018 langte ein Abschlussbericht betreffend eine Anzeige des BF wegen § 293 StGB (Fälschung eines Beweismittels-Drohbrief der Taliban) ein. Dieses Verfahren wurde von der Staatsanwaltschaft mit 10.07.2018 eingestellt.
7. Am 20.08.2018 wurden eine Bestätigung für den Besuch eines Deutschkurses (Niveau A1, seit dem 07.05.2018) und eine Bestätigung für die Teilnahme an einer Almpflege-Aktion vom 12.03.2018 vorgelegt.
8. Am 10.09.2018 legte der BF eine Bestätigung betreffend die Verrichtung von Tätigkeiten bei einer Gemeinde (im Bereich Landschaftspflege) im Zeitraum von März 2018 bis September 2018 vor.
9. Am 16.01.2019 langte die Meldung ein, wonach ein weiteres Ermittlungsverfahren betreffend den BF (wegen § 83 Abs. 1 StGB-Körperverletzung) von der Staatsanwaltschaft eingestellt wurde.
10. Am 08.08.2019 wurden für den BF eine weitere Bestätigung betreffend die Verrichtung von Tätigkeiten bei einer Gemeinde (im Bereich Landschaftspflege) für den Zeitraum März 2018 bis August 2019 und eine Bestätigung, wonach der BF in einem Club für Bildungs- und Berufsberatung Deutsch gelernt habe, vorgelegt.
11. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 02.09.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der der BF in Anwesenheit seiner Vertreterin ausführlich zu seinen Fluchtgründen, zu seinen persönlichen Umständen im Herkunftsstaat sowie seiner Integration in Österreich befragt wurde. Ein Vertreter des BFA nahm an der Verhandlung nicht teil. Die Verhandlungsmitschrift wurde der Erstbehörde übermittelt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des BF:
Der volljährige BF ist ein Staatsangehöriger Afghanistans, bekennt sich zum muslimischen Glauben (Sunnit) und gehört der Volksgruppe der Paschtunen an. Der BF ist traditionell verheiratet und hat einen minderjährigen Sohn. Seine Frau und sein Sohn leben bei den Eltern des BF in Afghanistan.
Die Muttersprache des BF ist Paschtu, er spricht auch Dari.
Seine Identität steht nicht fest.
Der BF wuchs in Afghanistan in der Provinz Laghman auf, wo er gemeinsam mit seinen Eltern und seinen Geschwistern bis zu seiner Ausreise lebte. Die genaue Anzahl seiner Geschwister konnte nicht festgestellt werden.
Die Familie des BF besitzt in Afghanistan ein Haus und Grundstücke. Die Familie lebt nach wie vor in der Heimatprovinz des BF. Der BF steht mit seiner Familie in regelmäßigem Kontakt.
Der BF besuchte in Afghanistan sechs Jahre lang die Schule. Er hat seit seinem 13. Lebensjahr in der Landwirtschaft der Eltern mitgearbeitet und auch zwei Jahre lang als Taxifahrer gearbeitet.
Der BF leidet an keiner schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheit. Er ist arbeitsfähig.
1.2. Zu den Fluchtgründen des BF:
Das vom BF ins Treffen geführte Verfolgungsvorbringen ist nicht glaubwürdig.
Es ist nicht glaubhaft, dass der BF für die Taliban arbeiten musste bzw. die Taliban ihn zwangsrekrutieren wollten. Weiters ist nicht glaubwürdig, dass der ältere Bruder des BF für das Militär gearbeitet hat und deswegen von den Taliban getötet wurde. Auch ist nicht glaubhaft, dass der Cousin des BF von den Taliban ermordet wurde. Letztlich ist nicht glaubwürdig, dass der Vater des BF - nach der Ausreise des BF - von den Taliban entführt/misshandelt wurde bzw. die Mutter des BF von Polizeibeamten nach dem Aufenthaltsort des BF befragt wurde.
Es kann nicht festgestellt werden, dass dem BF mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in Afghanistan eine an seine Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seine politische Überzeugung anknüpfende aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität droht.
Er hat mit den Behörden seines Herkunftsstaates weder aufgrund seiner Rasse, Nationalität, seines Religionsbekenntnisses oder seiner Volksgruppenzugehörigkeit noch sonst irgendwo Probleme. Er war nie politisch tätig und gehörte keiner politischen Partei an.
Dem BF droht individuell und konkret, im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan, weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch die Taliban oder die afghanische Regierung.
Der BF hat mit seinem Vorbringen keine Verfolgung iSd GFK glaubhaft gemacht.
1.3. Zu einer möglichen Rückkehr des BF in den Herkunftsstaat:
Es kann nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass dem BF bei einer Überstellung in seine Herkunftsprovinz Laghman aufgrund der volatilen Sicherheitslage und der dort stattfinden willkürlichen Gewalt im Rahmen von internen bewaffneten Konflikten ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen würde.
Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung in der Stadt Herat oder Mazar-e Sharif kann der BF grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft befriedigen, ohne in eine auswegslose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen. Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Fall einer Rückkehr in die Städte Mazar-e Sharif oder Herat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde.
Der BF ist jung und arbeitsfähig. Seine Existenz kann er in Mazar-e Sharif oder Herat - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Er ist auch in der Lage, eine einfache Unterkunft zu finden. Der BF hat auch die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen, sodass er im Falle der Rückkehr - neben den eigenen Ressourcen - auf eine zusätzliche Unterstützung zur Existenzsicherung greifen kann. Diese Rückkehrhilfe umfasst jedenfalls auch die notwendigen Kosten der Rückreise. Er hat eine sechsjährige Schulausbildung, hat in der Landwirtschaft seiner Eltern gearbeitet und war in Afghanistan auch als Taxifahrer tätig. Diese Berufserfahrung wird er auch in Mazar-e Sharif oder Herat nutzen können. Es ist dem BF möglich nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedelung in der Stadt Herat oder Mazar-e Sharif Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.
Auch eine grundlegende medizinische Versorgung ist in Herat bzw. Mazar-e Sharif vorhanden.
Er kann die Städte Herat und Mazar-e Sharif von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug erreichen.
1.4. Zum (Privat) Leben des BF in Österreich:
Der unbescholtene BF hält sich seit etwa drei Jahren und zehn Monaten im Bundesgebiet auf. Er hat zwar gemeinnützige Tätigkeiten bei einer Gemeinde (Landschaftspflege) verrichtet, ein Praktikum bei den Bundesgärten absolviert und sich ehrenamtlich bei verschiedenen Projekten (Uferreinigung, Almpflege) engagiert, bezieht aber seit seiner Einreise laufend Leistungen aus der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Der BF hat in Österreich bereits mehrere Deutschkurse (Niveau A1) besucht, Bestätigungen über bereits absolvierte Deutschkurse hat er allerdings nicht in Vorlage gebracht. Der BF gehört keinem Verein, keiner religiösen Verbindung und keiner sonstigen Gruppierung in Österreich an. Er wohnt in einer Unterkunft für Asylwerber und hat in Österreich auch keine Schule besucht. In seiner Freizeit spielt er Volleyball und Fußball. Weiters hat der BF an diversen Seminaren/Vorträgen (betreffend Abfalltrennung/Abfallvermeidung, Wertevermittlung etc.) sowie an Veranstaltungen und Ausflügen teilgenommen. Eine nachhaltige Integration des BF im Sinne einer tiefgreifenden Verwurzelung im Bundesgebiet kann nicht erkannt werden. Er konnte zwar Empfehlungsschreiben vorlegen, dabei handelt es sich aber nicht um enge soziale Kontakte. Der BF führt in Österreich kein Familienleben und hat auch sonst keine sonstigen engen sozialen Bindungen.
1.5. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:
Unter Bezugnahme auf das aktuellste Länderinformationsblatt der Staatendokumentation (Stand 04.06.2019) und die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 werden folgende entscheidungsrelevante, die Person des BF individuell betreffende Feststellungen zu Lage in Afghanistan getroffen:
1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen KI vom 4.6.2019, politische Ereignisse, zivile Opfer, Anschläge in Kabul, IOM (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage; Abschnitt 2/Politische Lage; Abschnitt 23/ Rückkehr).
Politische Ereignisse: Friedensgespräche, Loya Jirga, Ergebnisse Parlamentswahl
Ende Mai 2019 fand in Moskau die zweite Runde der Friedensgespräche zwischen den Taliban und afghanischen Politikern (nicht der Regierung, Anm.) statt. Bei dem Treffen äußerte ein Mitglied der Taliban, Amir Khan Muttaqi, den Wunsch der Gruppierung nach Einheit der afghanischen Bevölkerung und nach einer "inklusiven" zukünftigen Regierung. Des Weiteren behauptete Muttaqi, die Taliban würden die Frauenrechte respektieren wollen. Ein ehemaliges Mitglied des afghanischen Parlaments, Fawzia Koofi, äußerte dennoch ihre Bedenken und behauptete, die Taliban hätten kein Interesse daran, Teil der aktuellen Regierung zu sein, und dass die Gruppierung weiterhin für ein islamisches Emirat stünde. (Tolonews 31.5.2019a).
Vom 29.4.2019 bis 3.5.2019 tagte in Kabul die "große Ratsversammlung" (Loya Jirga). Dabei verabschiedeten deren Mitglieder eine Resolution mit dem Ziel, einen Friedensschluss mit den Taliban zu erreichen und den inner-afghanischen Dialog zu fördern. Auch bot Präsident Ghani den Taliban einen Waffenstillstand während des Ramadan von 6.5.2019 bis 4.6.2019 an, betonte