TE Vwgh Erkenntnis 1998/4/22 97/13/0219

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Veröffentlicht am 22.04.1998
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
68/02 Sonstiges Sozialrecht;

Norm

BAO §240 Abs3;
BAO §4 Abs2 lita Z3;
EStG 1972 §78 Abs1;
EStG 1972 §79 Abs1;
EStG 1988 §67 Abs8 lita;
IESG §1;
IESG §11 Abs1;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):97/13/0221 E 22. Mai 1998 97/13/0220 E 22. April 1998

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des K L in W, vertreten durch Dr. Peter Kunz, Dr. Georg Schima, Dr. Eberhard Wallentin und Dr. Thomas Wallentin, Rechtsanwälte in Wien IX, Porzellangasse 4, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 2. Oktober 1997, Zl GA 8-2505/96, betreffend Abweisung des Antrages auf Rückzahlung von zu Unrecht entrichteter Lohnsteuer für 1995, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war ua im Jahr 1995 Dienstnehmer der K GenmbH, über deren Vermögen am 5. April 1995 das Ausgleichsverfahren eröffnet wurde.

Nach einer Vereinbarung von Vertretern der K GenmbH, deren Hausbank, des Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds und der Arbeiterkammer finanzierte die Hausbank die den Dienstnehmern für März 1995 bis Juli 1995 jeweils gebührenden Bezüge in der Weise vor, daß sie aus eigenen Mitteln Zahlungen in Höhe der Löhne und Gehälter nach Anwendung des Einkommensteuertarifes gegen rechtsgeschäftliche Verpfändung des Anspruches auf Zahlung von Insolvenz-Ausfallgeld gegenüber dem Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds auf die Gehaltskonten der Dienstnehmer überwies.

Im Juli 1996 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Rückzahlung von zu Unrecht entrichteter Lohnsteuer für 1995, welchen das Finanzamt mit der Begründung abwies, die Lohnsteuer sei von der bezugauszahlenden Stelle richtig ermittelt worden.

In einer dagegen eingebrachten Berufung rügte der Beschwerdeführer Verfahrensmängel und die inhaltliche Rechtswidrigkeit des Bescheides. Entgegen der offenbar in Anlehnung an einen Erlaß des Bundesministeriums für Finanzen vertretenen Ansicht der Behörde, wonach für die Monate März bis Juli 1995 eine "Lohnzahlung" des Arbeitgebers im Sinne des § 78 Abs 1 EStG 1988 vorliege, sei in den für diese Kalendermonate seitens der Hausbank geleisteten Zahlungen in Höhe der arbeitsrechtlich geschuldeten Nettobezüge (nach Anwendung des Einkommensteuertarifes) eine solche Lohnzahlung nicht zu erblicken. Es dürfe als bekannt vorausgesetzt werden, daß nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnisse vom 5. Oktober 1982, 82/14/0127, und vom 27. November 1984, 14/3322/80, 82/14/0331) die Zahlung des auf einem öffentlich-rechtlichen Anspruch des Arbeitnehmers beruhenden Insolvenz-Ausfallgeldes rechtlich nicht als Lohnzahlung des Arbeitgebers gewertet werden könne. Da die nach dem Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz (IESG) zustehenden gesicherten Ansprüche gegen den Arbeitgeber (bzw gegen die Konkursmasse) ohne Änderung des Rechtsgrundes auf den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds übergehen, sei erst die Zahlung dieser auf den Fonds übergegangenen Forderung Lohnzahlung im Sinne des § 78 Abs 1 EStG 1988. Hätte daher tatsächlich der Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds direkt und unmittelbar aus eigenen Mitteln die Nettobezüge für März bis Juli 1995 an die Arbeitnehmer der K GenmbH - so auch an den Beschwerdeführer - gezahlt, wäre jedenfalls vom Fehlen einer Lohnzahlung des Arbeitgebers im Sinne des § 78 Abs 1 EStG 1988 auszugehen. Umsomehr müsse dies dann gelten, wenn der Arbeitnehmer seitens eines vom Arbeitgeber verschiedenen Dritten - einer Bank - im Wege der kreditweisen Vorfinanzierung eine Zahlung erhalte, die betragsmäßig dem arbeitsrechtlich zustehenden Nettobezug entspreche. Der Beschwerdeführer vertrat auch die Ansicht, daß sein Rückzahlungsantrag zumindest insoweit gerechtfertigt sei, als die bescheiderlassende Behörde jedenfalls nach § 67 Abs 8 lit a EStG 1988 (Besteuerung mit dem Belastungsprozentsatz) hätte vorgehen müssen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Die belangte Behörde räumte dem Beschwerdeführer ein, daß die von der Hausbank vorfinanzierten Beträge nicht als Lohnzahlung des Arbeitgebers im Sinne des § 78 Abs 1 EStG 1988 anzusehen seien. Vielmehr handle es sich dabei um Bezüge, die nach den Bestimmungen des § 3 IESG in der Höhe des gesicherten Anspruches, vermindert um die gesetzlichen Abzüge, die von öffentlich-rechtlichen Körperschaften im Insolvenzverfahren geltend zu machen seien, gewährt worden seien. Die diesen Bezügen zugrunde liegenden Lohnforderungen gegen den Arbeitgeber seien damit ohne Änderung des Rechtsgrundes auf den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds übergegangen. Daher stelle im Sinne der vom Beschwerdeführer in der Berufung zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erst die Erfüllung dieser übergegangenen Forderungen durch Zahlungen an den Fonds eine Lohnzahlung im Sinne des § 78 Abs 1 EStG 1988 dar. Da die Einbehaltung von Lohnsteuer an das Vorliegen einer Lohnzahlung geknüpft sei, könne auch erst in diesem Zeitpunkt (und in diesem Umfang) von einer "einzubehaltenden" Lohnsteuer im Sinne des § 78 Abs 1 EStG 1988 bzw einer "einbehaltenen" Lohnsteuer im Sinne des § 240 Abs 3 BAO gesprochen werden. Diese Auslegung entspreche im übrigen auch dem Normzweck des § 3 IESG. Für lohnsteuerpflichtigen Arbeitslohn gebühre Insolvenz-Ausfallgeld (unter Beachtung der sonstigen Abzüge) nur in der Höhe des um jene (fiktive) Lohnsteuer verminderten Betrages, der vom Arbeitgeber im Fall einer Lohnzahlung im Zeitpunkt der Fälligkeit des Arbeitslohnes durch ihn einzubehalten gewesen wäre. Die belangte Behörde verwies in diesem Zusammenhang auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Februar 1986, 82/11/0266. Es handle sich bei der vom Beschwerdeführer "im Wege des § 240 Abs 3 BAO beantragten Lohnsteuer" lediglich um fiktive Beträge für Zwecke der Ermittlung des Anspruches auf Insolvenz-Ausfallgeld und nicht um eine einbehaltene Lohnsteuer im Sinne des § 78 Abs 1 EStG 1988. Da somit auch keine einbehaltene Lohnsteuer im Sinne des § 240 Abs 3 BAO vorliege, sei der Antrag auf Erstattung abzuweisen. Eine lediglich fiktiv für Zwecke des Anspruches auf Insolvenz-Ausfallgeld ermittelte Lohnsteuer könne nämlich nicht Gegenstand einer Erstattung gemäß § 240 Abs 3 BAO sein.

Zu den in der Berufung auch enthaltenen Einwendungen gegen eine bestimmte (vom Bundesministerium für Finanzen angeordnete) Vorgangsweise bei Ausstellung von Lohnzetteln stellte die belangte Behörde fest, daß diese Frage nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens über die Abweisung eines Antrages auf Rückzahlung von zu Unrecht einbehaltener Lohnsteuer sei.

In seiner dagegen erhobenen Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem subjektiven Recht auf gesetzmäßige Ermittlung der ihm aufzuerlegenden Lohnsteuer gemäß seinen wahren Einkommensverhältnissen und Rückerstattung von zuviel einbehaltener Lohnsteuer durch die Finanzbehörde verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften meint der Beschwerdeführer zunächst, die belangte Behörde habe es unterlassen, zu prüfen und festzustellen, ob die K GenmbH Lohnsteuer auf die von der Hausbank vorgeleisteten und dieser vom Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds refundierten Nettobeträge abgeführt habe oder nicht. Tatsächlich habe die K GenmbH sehr wohl einen namhaften Betrag an Lohnsteuer für den in Frage stehenden Zeitraum entrichtet, und zwar nachdem die Hausbank die vorgeleisteten Beträge vom Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds hätte rückerstattet bekommen. Dieser sei ihr in zwei sämtliche Dienstnehmer betreffenden Sammelbescheiden vom 9. Februar 1996 sowie vom 17. Juli 1996 in der Höhe von rd S 20 Mio vorgeschrieben worden. Dieser Umstand sei ein wesentliches Sachverhaltselement, weil das tragende Argument der Bescheidbegründung dahin laute, daß es sich bei den vom Beschwerdeführer im Wege der Rückerstattung begehrten Beträgen bloß um "fiktive" Beträge gehandelt habe und eine fiktive, dh in Wahrheit nicht einbehaltene Lohnsteuer auch nicht gemäß § 240 Abs 3 BAO rückerstattet werden könne.

Abgesehen davon, daß das erstmals in der Beschwerde erstattete Vorbringen, es seien tatsächlich Zahlungen an Lohnsteuer erfolgt, im Hinblick auf das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot unbeachtet bleiben muß, gelingt es dem Beschwerdeführer damit weder einsichtig zu machen, inwiefern Lohnsteuer, soweit solche überhaupt einbehalten und an das Finanzamt abgeführt wurde, zu Unrecht einbehalten worden wäre, noch die Relevanz dieses behaupteten Verfahrensmangels aufzuzeigen, weil der Beschwerdeführer selbst nicht behauptet, daß - soweit Lohnsteuer tatsächlich entsprechend den erwähnten Sammelbescheiden an das Finanzamt abgeführt wurde - dies insbesondere ihn betreffend zu Unrecht erfolgt sei.

Der Beschwerdeführer rügt weiters, die belangte Behörde habe es unterlassen festzustellen, zu welchem Zeitpunkt die Zahlung der von der Hausbank vorfinanzierten Geldbeträge durch den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds erfolgt sei. Dies könnte aber für die Frage, ob eine allfällige Lohnsteuer gemäß § 67 Abs 8 lit a EStG 1988 durch Aufrollen der in Betracht kommenden Lohnzahlungszeiträume zu ermitteln seien, erheblich werden, denn § 67 Abs 8 lit a EStG 1988 sehe vor, daß hinsichtlich von Nachzahlungen oder nachträglichen Zahlungen laufenden Arbeitslohnes für das laufende Kalenderjahr die Lohnsteuer durch Aufrollen zu ermitteln sei. Bei Nachzahlungen und nachträglichen Zahlungen in einem Konkursverfahren habe die Aufrollung allerdings zu unterbleiben.

Auch mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer aber - ebenfalls abgesehen davon, daß im Verwaltungsverfahren eine solche Zahlung nicht dargetan wurde, weshalb die belangte Behörde auch keine Veranlassung hatte, den Zeitpunkt einer solchen Zahlung zu erforschen - eine relevante Verletzung von Verfahrensvorschriften nicht auf, weil der Beschwerdeführer selbst in der Beschwerde nicht behauptet, jemals Nachzahlungen oder nachträgliche Zahlungen laufenden Arbeitslohnes bekommen zu haben. Der insofern übereinstimmenden Sachverhaltsdarstellung in der Beschwerde und im angefochtenen Bescheid ist vielmehr zu entnehmen, daß den Dienstnehmern der K GenmbH, so auch dem Beschwerdeführer durch die getroffene Regelung ungeachtet des Ausgleichsverfahrens die ihnen zustehenden Bezüge zu den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten ausbezahlt wurden. Für eine allfällige Besteuerung nach § 67 Abs 8 lit a EStG 1988 - sei es durch Aufrollung, sei es durch Anwendung des sogenannten Belastungsprozentsatzes - bot sich daher weder im Verwaltungsverfahren ein Anhaltspunkt noch bietet sich ein solcher im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof. Es erübrigt sich daher ein Eingehen auf die Beschwerdeausführungen zur Frage der Auslegung des § 67 Abs 8 lit a EStG 1988 in bezug darauf, ob unter dem dort verwendeten Begriff Konkursverfahren ganz allgemein ein Insolvenzverfahren und damit auch ein Ausgleichsverfahren zu verstehen ist.

Soweit sich das Beschwerdevorbringen auf die Frage der Eintragungen auf den Lohnzettel bezieht, wird damit eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufgezeigt. Zu Recht hat die belangte Behörde bereits im angefochtenen Bescheid festgestellt, daß diese Frage nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist.

Vor dem Hintergrund einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides bringt der Beschwerdeführer aber auch seine Ansicht zum Ausdruck, daß die Zahlungen für die Monate März bis Juli 1995 "überhaupt keinen Abgabenanspruch nach § 4 Abs 2 lit a Z 3 BAO" ausgelöst hätten. Hiezu ist folgendes zu sagen: Bereits in seinem (im angefochtenen Bescheid zitierten) Erkenntnis vom 5. Oktober 1982, 82/14/0127, hat der Verwaltungsgerichtshof darauf hingewiesen, daß die besondere Konstruktion des IESG dazu führt, daß die um die gesetzlichen Abzüge verminderten (Netto-)Lohnbeträge den Arbeitnehmern in der Regel früher zufließen als im Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber die korrespondierende Lohnzahlung leistet. Erst der letztgenannte Zeitpunkt aber ist mangels anderweitiger Regelung allgemein und daher auch hier maßgebend für die Einbehaltungspflicht des Arbeitgebers und den Fälligkeitszeitpunkt für die Abfuhr der einbehaltenen Beträge. Soweit eine derartige Lohnzahlung erfolgt, ist dementsprechend Lohnsteuer abzuführen. Soweit eine derartige Zahlung nicht erfolgt, ist auch keine Lohnsteuer zu entrichten. Dies ändert aber nichts daran, daß dem Beschwerdeführer - insoweit keine Lohnsteuer einzubehalten und abzuführen ist - eine entsprechende Lohnsteuer auch im Wege des § 240 Abs 3 BAO nicht "zurückgezahlt" werden kann. Es wäre verfehlt, aus dem IESG ableiten zu wollen, daß dem Dienstnehmer im Ergebnis (durch "Zurückzahlung" von letztlich rechtens nicht einbehaltener und abgeführter Lohnsteuer) ein höherer Betrag zukommen soll, als bei laufender Lohnzahlung durch den Arbeitgeber.

Da die Beschwerde somit nicht geeignet ist, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, war sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997130219.X00

Im RIS seit

19.02.2002

Zuletzt aktualisiert am

28.04.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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