TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/5 I408 2225990-1

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Veröffentlicht am 05.12.2019
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Entscheidungsdatum

05.12.2019

Norm

BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 2
EMRK Art. 3
EMRK Art. 8
FPG §46
FPG §50
FPG §52
FPG §55 Abs1a
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

I408 2225990-1/4Z

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Harald NEUSCHMID als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. NIGERIA, vertreten durch: VEREIN MENSCHENRECHTE ÖSTERREICH, gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Oberösterreich BAL vom 21.10.2019, Zl. 226145409-190159613, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt V.) wird Folge gegeben und dieser Spruchpunkt ersatzlos behoben. Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG wird der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer hält sich seit Juni 2001 in Österreich auf und verfügt über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt EU" der bis 23.06.2020 gültig ist.

Der Beschwerdeführer weist beginnend mit 2004 (Körperverletzung), 2007 (Widerstand gegen die Staatsgewalt), 2009 (Suchtgiftdelikte), 2014 (Körperverletzung) und zuletzt 2017 (gefährliche Drohung) fünf Vorstrafen auf und befindet sich seit 07.12.2016 in Haft bzw. seit 27.02.2017 aufgrund seiner paranoiden Schizophrenie F20.0 im Maßnahmenvollzug für geistig abnorme Rechtsbrecher.

Der Beschwerdeführer war mit einer österreichischen Staatsbürgerin von 03.09.2002 bis 29.06.2010 verheiratet, hatte bis 08.10.2016 immer wieder Beschäftigungsverhältnisse und war selbsterhaltungsfähig. Vor seiner letzten Straffälligkeit war ab 08.08.2016 obdachlos gemeldet.

In Nigeria leben seine Mutter, sein Bruder sowie sein leiblicher Sohn, mit denen er in telefonischem Kontakt steht und die er Mitte Juni 2016 besuchte.

Die belangte Behörde gewährte dem Beschwerdeführer zur beabsichtigen Rückkehrentscheidung mit Verhängung eines Einreiseverbotes schriftliches Parteiengehör. Diese Fragen wurden vom Beschwerdeführer am 12.03.2019 beantwortet und in Bezug auf seinen Gesundheitszustand ein Arztbrief der Justizanstalt Asten vom 11.03.2019 übermittelt.

Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 21.10.2019 wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.) und festgestellt, dass eine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt II.). Zudem wurde gegen ihn ein auf die Dauer von 10 Jahres befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.), ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt IV.) und einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.)

Mit der Beschwerde seiner bevollmächtigten Rechtsvertretung vom 19.11.2019 bekämpfte der Beschwerdeführer diese Entscheidung zu den Spruchpunkten I. bis IV., beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und regte an, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der für die Frage der aufschiebenden Wirkung maßgebliche Sachverhalt ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens, dem Beschwerdevorbringen sowie aus dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Strafregister, dem Versicherungsdatenauszug und dem Fremdenregister.

Die strafgerichtlichen Verurteilungen sind über die eingeholten Strafurteile dokumentiert, seine gesundheitliche Beeinträchtigung über den genannten Arztbrief.

3. Rechtliche Beurteilung:

(Zu A)

Die Beschwerde richtet sich - zumindest implizit - auch gegen Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids, mit dem die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde. Das BVwG hat darüber gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu entscheiden (vgl. VwGH 19.06.2017, Fr 2017/19/0023; 13.09.2016, Fr 2016/01/0014).

Gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG kann (ua) bei EWR-Bürgern die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist. Die Aberkennung bedarf - insbesondere angesichts der weitreichenden damit verbundenen Konsequenzen - einer entsprechend sorgfältigen, einzelfallbezogenen Begründung. Sie darf nicht ausschließlich darauf gestützt werden, dass die Voraussetzungen für die Erlassung eines Einreiseverbotes erfüllt sind. Die Behörde muss vielmehr nachvollziehbar darlegen, warum darüber hinaus die sofortige Ausreise der BF geboten ist.

Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG hat das BVwG der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen.

Zur Begründung einer Notwendigkeit der sofortigen Ausreise genügt es nicht, dafür auf eine - die Aufenthaltsbeendigung als solche rechtfertigende - Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch die BF zu verweisen, sondern es ist darüber hinaus darzutun, warum die Aufenthaltsbeendigung sofort - ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens - zu erfolgen hat; dazu ist es nicht ausreichend, jene Überlegungen ins Treffen zu führen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme selbst maßgeblich waren. Die Notwendigkeit der sofortigen Ausreise als gesetzliche Voraussetzung für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung erfordert also das Vorliegen besonderer Umstände, die mit den Voraussetzungen für die Aufenthaltsbeendigung als solche nicht gleichzusetzen sind (siehe zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG VwGH 04.04.2019, Ra 2019/21/0053).

Solche besonderen Umstände liegen hier trotz der fünf Vorstrafen der BF nicht vor, zumal keine Anhaltspunkte für eine unmittelbar bevorstehende Entlassung aus der Unterbringung für geistig abnorme Rechtsbrecher vorliegen. So wurde auch eine bedingte Entlassung aus der Unterbringung für geistig abnorme Rechtsbrecher aufgrund der Stellungnahme des forensischen Zentrums der Justizanstalt Asten vom 20.12.2018 mit Beschluss des Landegerichtes Linz vom 11.01.2019, 24 BE 295/18k abgelehnt.

Gemäß § 58 Abs 2 AVG sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird. Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Dem gesetzlichen Gebot, Bescheide zu begründen, ist als Ausdruck eines rechtsstaatlichen Verwaltungsverfahrens besondere Bedeutung beizumessen. Ein Begründungsmangel kann eine wesentliche Mangelhaftigkeit darstellen (Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 Rz 417 ff). Die kurze, schablonenhafte Begründung der Behörde zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids wird den Anforderungen an eine nachvollziehbare Entscheidungsbegründung nicht gerecht. Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids ist daher zu beheben und der Beschwerde gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 21 Abs 6a BFA-VG.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Abschiebung, aufschiebende Wirkung, aufschiebende Wirkung - Entfall,
freiwillige Ausreise, Frist, Menschenrechtsverletzungen, real risk,
reale Gefahr, Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I408.2225990.1.00

Zuletzt aktualisiert am

28.04.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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