TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/10 W239 2225792-1

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Veröffentlicht am 10.12.2019
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Entscheidungsdatum

10.12.2019

Norm

AsylG 2005 §5
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §61

Spruch

W239 2225792-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Theresa BAUMANN als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.11.2019, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Russischen Föderation, stellte im österreichischen Bundesgebiet am 25.09.2019 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Eine EURODAC-Abfrage ergab keinen Treffer. Die Beschwerdeführerin verfügte laut VIS-Abfrage über ein von 16.09.2019 bis 07.10.2019 gültiges Schengen-Visum Typ C, ausgestellt von der lettischen Botschaft in Moskau/Russland.

Im Zuge der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag (25.09.2019) gab die Beschwerdeführerin an, der Einvernahme ohne Probleme folgen zu können. Zu ihren Angehörigen führte sie aus, ihr Ehegatte sei verstorben; sie habe eine Schwester, einen Bruder, drei Söhne und eine Tochter. Der Bruder lebe in Frankreich und die Tochter lebe mit ihrer Familie in Österreich.

Voriges Jahr habe sie deshalb den Entschluss zur Ausreise gefasst. Sie sei am 16.09.2019 mit ihrem russischen Reisepass und einem lettischen Visum nach Lettland geflogen (Flugtickets und Kopie des Reisepasses samt Visum im Akt) und anschließend über Polen weiter nach Österreich gereist. Zu Lettland könne sie keine Angaben machen, da sie nur durchgereist sei. Das Visum und die Tickets habe sie direkt von einem Reisebüro in Russland; das Visum sei für zwei Wochen gültig gewesen, Zweck sei der Besuch der Tochter gewesen. Ihr Zielland sei Österreich, weil sie bei der Tochter und den Enkeln bleiben wolle.

Zum Fluchtgrund brachte sie vor, dass ihre Tochter in Wien jetzt das fünfte Kind geboren habe. Dadurch sei der Blutdruck der Tochter sehr angestiegen und sie komme damit nicht mehr zu Recht, da sie auch starke Kopfschmerzen habe. Die Beschwerdeführerin leide sehr darunter, dass sie ihre Tochter und die Enkelkinder seit nunmehr 15 Jahren nicht gesehen habe. Sie bitte daher um eine Familienzusammenführung. Sie lebe alleine in Russland, sei verwitwet und wolle bei ihrer Tochter bleiben.

In der Folge richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 29.09.2019 ein auf Art. 12 Abs. 2 oder 3 der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin-III-VO) gestütztes Aufnahmegesuch an Lettland, dem die lettische Dublin-Behörde mit Schreiben vom 21.10.2019 ausdrücklich gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin-III-VO zustimmte.

Am 30.10.2019 erfolgte nach Durchführung der Rechtsberatung und im Beisein eines Rechtsberaters die Einvernahme der Beschwerdeführerin vor dem BFA. Dabei gab die Beschwerdeführerin an, sich psychisch und physisch in der Lage zu fühlen, Angaben zu ihrem Asylverfahren zu tätigen. Sie habe aber einen hohen Blutdruck, darunter habe sie immer schon gelitten, und sie sei im Krankenhaus gewesen; dazu könne sie Befunde vorlegen. Außerdem müsse sie zum Arzt wegen ihrem Herzen. Ihr sei gesagt worden, dass sie einen Termin für eine Herzuntersuchung erhalten werde. Vor einigen Jahren habe sie eine Operation gehabt und habe sich den Kropf entfernen lassen. Jetzt sei ihr gesagt worden, dass sie sich die Schilddrüse röntgen lassen solle, wenn sie die Herzuntersuchung habe. An hohem Blutdruck leide sie seit sechs Jahren. Betreffend die gesundheitlichen Probleme sei sie auch in Russland schon für etwa zehn bis 12 Tage in stationärer Behandlung gewesen und habe Infusionen bekommen. Bei ihnen in der Familie sei das erblich bedingt. Ihre Mutter habe auch einen hohen Blutdruck gehabt, sie selbst leide darunter und auch ihre Tochter habe einen hohen Blutdruck.

Befragt, ob sie bei der Erstbefragung vollständige und wahrheitsgemäße Angaben gemacht habe, erklärte die Beschwerdeführerin, dass sie nicht alles gesagt habe. Sie sei in Russland von Männern abgeführt worden. Sie habe sich hier an einen Psychologen gewandt, der ihr gesagt habe, dass sie alles bei der Einvernahme erzählen solle. Nachgefragt, ob sie Dokumente besitze, gab sie an, dass sie ihren Reisepass bereits bei der Erstbefragung abgegeben habe.

Zur Frage nach etwaigen Verwandten in Österreich bzw. der EU nannte die Beschwerdeführerin den Namen ihrer Tochter und erklärte, diese lebe mit ihrem Mann und ihren fünf Kindern in einer Vier-Zimmer-Wohnung; sie habe dort Platz für die Beschwerdeführerin. Sie würde nicht auf Kosten der Tochter leben, da sie eigenen Ersparnisse aus Russland mitgebracht habe. Sie habe ihre Tochter unterstützt. Befragt, welche Beziehung zu den Verwandten bestehe, antwortete die Beschwerdeführerin, es sei ihre Tochter. Ein finanzielles oder sonstiges Abhängigkeitsverhältnis zur Tochter bestehe nicht. Die Tochter lebe nunmehr seit bald 15 Jahren in Österreich. Die Tochter habe einen Pass - welche Art von Pass das sei, wisse die Beschwerdeführerin nicht - und verfüge genauso wie ihre Familie über einen Niederlassungstitel. Befragt, wann zuvor der letzte persönliche Kontakt zur Tochter stattgefunden habe, schilderte die Beschwerdeführerin, dass das vor 15 Jahren gewesen sei. Sonst hätten sie über Internet und Telefon Kontakt gehalten. Sie habe ihre Enkel erst hier persönlich kennen gelernt. Die Beschwerdeführerin lebe derzeit in einem Betreuungsquartier, gehe keiner Beschäftigung nach, sondern sei in Pension, besuche keinen Deutschkurs und sei auch kein Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation.

Zur geplanten Vorgehensweise, die Beschwerdeführerin gemäß den Bestimmungen der Dublin-III-VO aufgrund des lettischen Visums und der vorliegenden Zustimmung Lettlands dorthin außer Landes zu bringen, erklärte sie, dass sie nur in der Transitzone in Lettland gewesen sei. Sie sei auf der Durchreise gewesen. Ihr sei gesagt worden, dass es einfach sei, ein Visum von Lettland zu erhalten. Sie habe Angst, dass Lettland sie zurück nach Russland schicken werde. Sie sei nur etwa eine Stunde in Lettland aufhältig gewesen und habe dort keinen Asylantrag gestellt. Dementsprechend habe es dort auch kein Asylverfahren gegeben.

Nachgefragt, ob sie zu den aktuellen Länderberichten zu Lettland eine Stellungnahme abgeben wolle, erklärte sie, ihre Tochter habe die Länderfeststellungen für sie gelesen; sie selbst habe das nicht getan. Was solle sie dort alleine? Sie sei krank und wolle nicht nach Lettland. Die Letten würden die Russen hassen und sie würden sie absichtlich nach Russland zurückschicken.

Der anwesende Rechtsberater stellte keine Fragen und erstattete kein weiteres Vorbringen.

Im Zuge der Einvernahme legte die Beschwerdeführerin Folgendes vor:

-

Ambulanzkarte eines Landesklinikums, Urologie; Diagnose:

"Harnwegsinfekt"

-

Ambulanzkarte eines Landesklinikums, Innere Medizin; Diagnose:

"art HT [Anm. BVwG: arterielle Hypertonie/Bluthochdruck] mit hypertensiver Entgleisung"

-

Laborbefund vom 10.10.2019

-

Medikamentenschachteln: Amplodipin 5mg [Anm. BVwG:

blutdrucksenkendes Arzneimittel], Iterium 1mg [Anm. BVwG: Medikament zur Behandlung von Bluthochdruck], Metagelan 500mg [Anm. BVwG:

schmerzstillendes, fiebersenkendes und krampflösendes Arzneimittel], Candesartan/HCT 32mg/25mg [Anm. BVwG: Medikament zur Behandlung von Bluthochdruck]

2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 08.11.2019 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Lettland gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin-III-VO für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen die Beschwerdeführerin gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge ihre Abschiebung nach Lettland gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Zur Lage in Lettland wurden folgende Feststellungen getroffen [unkorrigiert]:

Allgemeines zum Asylverfahren

Es existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit (PMLP o.D.a, vgl. PMLP o.D.b, LCHR/UNHCR o.D., OHCHR 30.1.2018, USDOS 3.3.2017 für weitere Informationen siehe dieselben Quellen).

Quellen:

-

PMLP - Pillsonibas un migracijas lietu parvalde (o.D.a): Asylum granting procedure,

http://www.pmlp.gov.lv/en/home/services/asylum-seeking/the-procedure-of-granting-asylum.html, Zugriff 16.3.2018

-

PMLP - Pillsonibas un migracijas lietu parvalde (o.D.b): Guideline for asylum seekers in Latvia,

http://www.pmlp.gov.lv/lv/assets/documents/BRO%C5%A0%C5%AARAS/ENG%20Patveruma%20mekletaji%20makets%20WEB.pdf, Zugriff 16.3.2018

-

LCHR/UNHCR - Latvian Centre for Human Rights (o.D.): Seeking asylum in Latvia,

http://www.rs.gov.lv/doc_upl/SeekingAsylum-inLatvia.pdf, Zugriff 16.3.2018

-

OHCHR - UN Office of the High Commissioner for Human Rights (30.1.2018): Common core document forming part of the reports of States parties; Latvia,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1425626/1930_1519822345_g1802053.pdf, Zugriff 16.3.2018

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Latvia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1395434.html, Zugriff 16.3.2018

Dublin-Rückkehrer

Als EU-Mitgliedsstaat hält das Land die Dublin-III-VO ein (USDOS 3.3.2017).

Asylwerber, deren Verfahren aufgrund der Dublin-Verordnung in Lettland geführt werden muss, erhalten ein reguläres Asylverfahren (LCFHR/UNHCR o.D.). Wenn das Asylverfahren eines Rückkehrers noch nicht eingestellt ist, kann es wiedereröffnet oder fortgesetzt werden. Wenn das Verfahren hingegen eingestellt wurde, ist eine neuerliche Asylantragsstellung erforderlich (EASO 24.10.2017).

Quellen:

-

EASO - European Asylum Support Office (24.10.2017): EASO Query.

Subject: Access to Procedures and Reception Conditions for persons transferred back from another Member State of the Dublin regulation, per E-Mail

-

LCHR/UNHCR - Latvian Centre for Human Rights (o.D.): Seeking asylum in Latvia,

http://www.rs.gov.lv/doc_upl/SeekingAsylum-inLatvia.pdf, Zugriff 16.3.2018

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Latvia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1395434.html, Zugriff 16.3.2018

Non-Refoulement

Ein Abschiebeauftrag oder eine Entscheidung zur zwangsweisen Außerlandesbringung eines negativ beschiedenen Asylwerbers kann aus humanitären Gründen aufgehoben oder verschoben werden (LCFHR/UNHCR o. D.).

Es gibt keine glaubhaften Beschwerden, dass die lettischen Behörden Asylwerber in Länder mit schlecht entwickelten Asylsystemen zurückschicken würden (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

-

LCHR/UNHCR - Latvian Centre for Human Rights (o.D.): Seeking asylum in Latvia,

http://www.rs.gov.lv/doc_upl/SeekingAsylum-inLatvia.pdf, Zugriff 16.3.2018

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Latvia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1395434.html, Zugriff 16.3.2018

Versorgung

Unterbringung

Nach Asylantragstellung werden Asylwerber in der Regel im Aufnahmezentrum Mucenieki in der Nähe von Riga untergebracht, welches über ca. 400 Plätze verfügt. Dort erhalten sie alle grundlegenden Unterstützungsleistungen (LCFHR/UNHCR o.D; vgl. PMLP o. D.c). Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer in Mucenieki betrug im Jahr 2016 92 Tage (EMN 4.8.2017). Das Unterbringungszentrum wurde im Jahr 2017 um ein Gebäude erweitert, welches mit Aufenthaltsräumen, Gemeinschaftsküchen und Seminarräumen ausgestattet ist. Daneben wurde ein multifunktionales Zentrum für Asylwerber und Dorfbewohner in Mucenieki eröffnet (PMLP o.D.c).

Jeder bedürftige Asylwerber erhält ein Taggeld von EUR 3 pro Tag (PMLP o.D.c). Asylwerber haben nach sechs Monaten Zugang zum Arbeitsmarkt, wenn ihr Verfahren ohne eigenes Verschulden bis dahin nicht erledigt ist (EMN/OCMA 4.2017).

Zusätzlich gibt es eine geschlossene Einrichtung der Grenzpolizei für inhaftierte Fremde bzw. abzuschiebende Personen in Daugavpils. Dieses Zentrum wurde im Mai 2011 errichtet und ersetzte das alte Zentrum Olaine. Es hat eine Kapazität von 70 Plätzen. Es gibt seitens der Insassen keine Vorbringen über schlechte Behandlung. Die materiellen Bedingungen werden als ausgezeichnet beschrieben. Auch die medizinische Behandlung vor Ort wird als adäquat angesehen (CoE 27.8.2013).

Bei der Unterbringung von Asylwerbern wird auf deren psychosoziale, medizinische und sonstige Bedürfnisse Rücksicht genommen (LCFHR/UNHCR o.D).

Es gibt eine Reihe von Unterstützungsdiensten aus dem NGO-Bereich, etwa Safe House (Patverums Droša maja) zur Unterstützung von Opfern von Menschenhandel, Immigranten, Asylwerbern und Schutzberechtigten; Ressource Center for Women "Marta" zur Unterstützung von Frauen mit psychologischer, sozialer und Rechtsberatung; Latvian Human Aid Centre; Lettisches Rotes Kreuz, Caritas und Johanniterbund zur Unterstützung mit Beratung, Information, Kleidung und Unterkunft. Weiters bietet der Baltische Regionalfond diverse Workshops an und IOM bietet Unterstützung bei der freiwilligen Rückkehr (LCFHR/UNHCR

o. D; vgl. PDM o.D.a, EMN/OMCA 4.2017).

Quellen:

-

CoE - Council of Europe (27.8.2013): Report to the Latvian Government on the visit to Latvia carried out by the European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (CPT) from 5 to 15 September 2011

-

EMN - European Migration Network (4.8.2017): EMN Ad-Hoc Query on Average cost and average length of reception for asylum seekers, http://www.emn.fi/files/1671/2017.1229_-_average_cost_and_average_length_of_reception_for_asylum_seekers.pdf, Zugriff 16.3.2018

-

EMN/OCMA - European Migration Network/Office of Citizenship and Migration Affairs Republic of Latvia (4.2017): Policy report on mingration and asylum in Latvia - 2016, http://www.emn.lv/wp-content/uploads/APR_2016_part2_LATVIA_EN.pdf, Zugriff 16.3.2018

-

PDM - Patverums Droša maja (o.D.a): Support, http://www.beglis.lv/en/support-1, Zugriff 16.3.2018

-

PMLP - Pillsonibas un migracijas lietu parvalde (o.D.c): Asylum seeker centre,

http://www.pmlp.gov.lv/en/home/services/asylum-seeking/asylum-seeker-centre.html, Zugriff 16.3.2018

Medizinische Versorgung

Asylwerber haben Anspruch auf medizinische Nothilfe, medizinische Grundversorgung, ambulante und stationäre psychiatrische Hilfe bei schweren psychischen Störungen. Die Kosten für die medizinische Grundversorgung werden vom Staat übernommen. Im Falle einer stationären Behandlung fallen jedoch Kosten an. Um die notwendige medizinische Versorgung in Anspruch nehmen zu können, müssen sich Asylwerber zuerst an den zuständigen Mitarbeiter des Unterbringungszentrums wenden (LRKM/PDM 2017; vgl. EMN/OMCA 4.2017).

Unabhängig vom Aufenthaltsstatus haben in Lettland alle Personen Zugang zur kostenlosen telefonischen ärztlichen Beratung auf Lettisch, Englisch und Russisch. Dieser Service wird vom Nationalen Gesundheitsdienst zur Verfügung gestellt. Die Anrufe werden an Werktagen zwischen 17 Uhr bis 8 Uhr, am Wochenenden und Feiertagen Rund um die Uhr entgegengenommen (LRKM/PDM 2017).

Quellen:

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EMN/OCMA - European Migration Network/Office of Citizenship and Migration Affairs Republic of Latvia (4.2017): Policy report on mingration and asylum in Latvia - 2016, http://www.emn.lv/wp-content/uploads/APR_2016_part2_LATVIA_EN.pdf, Zugriff 16.3.2018

-

LRKM/PDM - Latvijas Republikas Kulturas ministrija/Patverums Droša maja (2017): Latvia - Reference material for asylum seekers, http://www.integration.lv/uploads/files/drosamaja-buklets-en-a4.pdf, Zugriff 16.3.2018

Begründend führte das BFA zusammengefasst aus, der Antrag auf internationalen Schutz sei zurückzuweisen, weil gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin-III-VO Lettland für die Prüfung des Antrages zuständig sei.

Die Beschwerdeführerin leide laut den in Vorlage gebrachten medizinischen Unterlagen unter Bluthochdruck und einem Harnwegsinfekt sowie seit etwa sechs Monaten unter Flankenschmerzen bei bekannten Nierensteinen. Eine sonstige schwere psychische Störung oder schwere bzw. ansteckende Krankheit bestehe nicht. Nach telefonischer Rücksprache mit der Ärztestation im Betreuungsquartier am 07.11.2019 sei bekannt gegeben worden, dass ein Arzttermin beim Internisten für den 16.01.2020 geplant sei. Betreffend den Bluthochdruck sei die Beschwerdeführerin medikamentös eingestellt. In Lettland sei medizinische Versorgung für Asylwerber gewährleistet und zugänglich, sodass die Erkrankungen einer Überstellung nach Lettland nicht entgegenstünden.

In Österreich verfüge die Beschwerdeführerin über familiäre Anknüpfungspunkte, nämlich über ihre Tochter, die anerkannter Flüchtling sei, sowie über fünf Enkelkinder und über ihren Schwiegersohn. Sie lebe mit den Verwandten nicht im gemeinsamen Haushalt, auch ein finanzielles oder ein sonstiges Abhängigkeitsverhältnis bestehe nicht. Eine besondere Integrationsverfestigung bestehe ebenso wenig.

Ein im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen, betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, welche die Gefahr einer Verletzung von Art. 3 und/oder Art. 8 EMRK im Falle einer Überstellung der Beschwerdeführerin ernstlich für möglich erscheinen ließe, sei im Verfahren somit nicht erstattet worden. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG sei nicht erschüttert worden und es habe sich kein Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO ergeben.

3. Dem Akt ist zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin am 12.11.2019 freiwillig auf die Leistungen aus der Grundversorgung verzichtete und fortan privat an folgender Adresse gemeldet ist:

XXXX . Dies steht mit der ZMR-Meldung vom 12.11.2019 in Einklang; als Hauptwohnsitz scheint dort seit 11.11.2019 die genannte Adresse auf, an der auch die Tochter der Beschwerdeführerin gemeldet ist.

4. Gegen den Bescheid des BFA vom 08.11.2019 erhob die Beschwerdeführerin durch ihre Vertretung am 21.11.2019 rechtzeitig das Rechtmittel der Beschwerde und hielt fest, dass der Bescheid zur Gänze angefochten werde.

Inhaltlich wurde auf das bereits erstattete Vorbringen verwiesen und ausgeführt, dass Art. 17 Dublin-III-VO anzuwenden sei, in dem es heiße, dass die Mitgliedstaaten aus humanitären Gründen oder in Härtefällen von den Zuständigkeitskriterien abweichen könnten, um Familienangehörige, Verwandte oder Personen mit anderen verwandtschaftlichen Beziehungen zusammenzuführen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin, eine russische Staatsangehörige, stellte in Österreich am 25.09.2019 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Zum Zeitpunkt der Antragstellung war sie im Besitz eines gültigen, von der lettischen Botschaft ausgestellten Visums (Gültigkeitsdauer von 16.09.2019 bis 07.10.2019).

Das BFA richtete am 29.09.2019 ein auf Art. 12 Abs. 2 oder 3 Dublin-III-VO gestütztes Aufnahmeersuchen an Lettland, welchem Lettland mit Schreiben vom 21.10.2019 ausdrücklich gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin-III-VO zustimmte.

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Allgemeinsituation im Mitgliedstaat Lettland an.

Besondere, in der Person der Beschwerdeführerin gelegene Gründe, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in Lettland sprechen, liegen nicht vor.

Die Beschwerdeführerin leidet an arterieller Hypertonie [Anm. BVwG:

Bluthochdruck] und steht diesbezüglich in medikamentöser Behandlung. Des Weiteren hat sie seit etwa sechs Monaten Flankenschmerzen beidseitig bei bekannten Nierensteinen links und es wurde bei ihr am 10.10.2019 ein Harnwegsinfekt diagnostiziert; nach Abschluss der antibiotischen Therapie wurde eine klinische Kontrolle beim Hausarzt empfohlen. Die Überstellbarkeit der Beschwerdeführerin, im Sinne der Reisefähigkeit, ist jedenfalls gegeben. Die (medikamentöse) Behandlungsmöglichkeit besteht in auch in Lettland und es ist bei Inanspruchnahme dieser Möglichkeiten nicht davon auszugehen, dass sich der Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin im Falle einer Überstellung nach Lettland verschlechtert. Würde die genannte Behandlung der Beschwerdeführerin nicht zur Verfügung stehen, würde sie dennoch nicht in einen lebensbedrohlichen Zustand geraten.

Die Beschwerdeführerin hat familiäre bzw. verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte in Österreich: Ihre asylberechtigte Tochter, ihr Schwiegersohn und fünf Enkelkinder leben in Wien.

Die Beschwerdeführerin wohnte in einer Betreuungsstelle des Bundes und ist seit 11.11.2019 im gemeinsamen Haushalt mit ihrer Tochter und deren Familie gemeldet. Eine finanzielle Abhängigkeit von ihren Angehörigen ist nicht gegeben, da die Beschwerdeführerin Leistungen des Grundversorgungssystems in Anspruch nahm und auch weiterhin nehmen könnte; darauf hat sie jedoch durch den Umzug in eine private Unterkunft (Privatverzug) verzichtet. Ebenso wenig liegt eine Abhängigkeit der Beschwerdeführerin von ihrer Tochter im Sinne einer besonderen Pflegebedürftigkeit wegen ihrer Erkrankung vor.

2. Beweiswürdigung:

Auf Grund des vorliegenden Treffers in der VIS-Datenbank steht fest, dass die Beschwerdeführerin über ein von 16.09.2019 bis 07.10.2019 gültiges Schengen-Visum Typ C, ausgestellt von der lettischen Botschaft in Moskau/Russland, verfügte. Ihren glaubhaften Angaben, welche mit den vorhandenen Flugtickets in Einklang stehen, lässt sich entnehmen, dass die Beschwerdeführerin unter Verwendung dieses Visums über Lettland in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einreiste.

Die Feststellung bezüglich der Zustimmung zur Aufnahme der Beschwerdeführerin seitens Lettlands ergibt sich aus dem durchgeführten Konsultationsverfahren zwischen der österreichischen und der lettischen Dublin-Behörde. Der diesbezügliche Schriftwechsel ist Teil des Verwaltungsaktes.

Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat resultiert aus den umfangreichen und durch aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, welche auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen. Das BFA hat in seiner Entscheidung neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in Lettland auch Feststellungen zur dortigen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf Rückkehrer nach der Dublin-III-VO) samt dem jeweiligen Rechtsschutz im Rechtsmittelweg getroffen. Sofern Quellen älteren Datums herangezogen wurden, ist davon auszugehen, dass sich die Lage in Lettland nicht maßgeblich geändert hat.

Aus den im angefochtenen Bescheid dargestellten Länderinformationen ergeben sich keinerlei Hinweise darauf, dass das lettische Asylwesen grobe systemische Mängel aufweisen würde. Insofern war aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes insbesondere in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens sowie auf die Versorgungslage von Asylsuchenden in Lettland den Feststellungen der erstinstanzlichen Entscheidung zu folgen. Individuelle, unmittelbare und vor allem hinreichend konkrete Bedrohungen, welche den Länderberichten klar und substantiell widersprechen würden, hat die Beschwerdeführerin nicht dargetan. Im Gegenteil hat sie zur (Versorgungs-)Lage in Lettland im Laufe des Verfahrens überhaupt kein Vorbringen erstattet.

Die gesundheitliche Situation der Beschwerdeführerin ergibt sich aus ihren eigenen Angaben und den vorgelegten medizinischen Unterlagen, denen die festgestellten Erkrankungen als Diagnosen zu entnehmen sind. Zur behaupteten Herzerkrankung wurden keine Befunde vorgelegt, sodass diese auch nicht festgestellt werden konnte. Eine Pflegebedürftigkeit im Sinne einer Abhängigkeit von Dritten aufgrund der bestehenden Erkrankungen wurde nicht vorgebracht und konnte auch sonst nicht festgestellt werden. Es wurde insgesamt kein Vorbringen erstattet, welches geeignet wäre, den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu tangieren.

Die Feststellungen zu familiären und sozialen Anknüpfungspunkten der Beschwerdeführerin in Österreich beruhen auf den Angaben der Beschwerdeführerin sowie auf Abfragen des Zentralen Melderegisters und des Betreuungsinformationssystems. Dass seit 11.11.2019 ein gemeinsamer Haushalt im Bundesgebiet mit der Tochter und deren Familie besteht, lässt sich dem Zentralen Melderegister entnehmen. Die Feststellung, dass sich die Beschwerdeführerin zuvor in der Grundversorgung befand, ergibt sich aus dem Speicherauszug des Betreuungsinformationssystems. Sie selbst gab vor dem BFA auch dezidiert an, von ihrer Tochter nicht finanziell abhängig zu sein. Anhaltspunkte für eine fortgeschrittene Integration im Bundesgebiet haben sich im Verfahren nicht ergeben.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

§ 5 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/2012, lautet:

"§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin - Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

(2) Gemäß Abs. 1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin - Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet."

§ 10 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 145/2017, lautet:

"§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.

(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt."

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 56/2018, lautet:

"§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist."

§ 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 24/2016, lautet:

"§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder

2. er in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat und dieser Mitgliedstaat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung dieses Antrages zuständig ist. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird.

(Anm.: Abs. 5 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 24/2016)"

Die maßgeblichen Bestimmungen der Dublin-III-VO lauten:

"Artikel 3

Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz

(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.

(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.

Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.

Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.

Artikel 7

Rangfolge der Kriterien

(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

(3) Im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und 6 [Anm.: gemeint wohl 16] genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Aufnahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist.

Artikel 12

Ausstellung von Aufenthaltstiteln oder Visa

(1) Besitzt der Antragsteller einen gültigen Aufenthaltstitel, so ist der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel ausgestellt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

(2) Besitzt der Antragsteller ein gültiges Visum, so ist der Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, es sei denn, dass das Visum im Auftrag eines anderen Mitgliedstaats im Rahmen einer Vertretungsvereinbarung gemäß Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft erteilt wurde. In diesem Fall ist der vertretene Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

(3) Besitzt der Antragsteller mehrere gültige Aufenthaltstitel oder Visa verschiedener Mitgliedstaaten, so sind die Mitgliedstaaten für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz in folgender Reihenfolge zuständig:

a) der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der den zuletzt ablaufenden Aufenthaltstitel erteilt hat;

b) der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat, wenn es sich um gleichartige Visa handelt;

c) bei nicht gleichartigen Visa der Mitgliedstaat, der das Visum mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat.

(4) Besitzt der Antragsteller nur einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die weniger als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit weniger als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, so sind die Absätze 1, 2 und 3 anwendbar, solange der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht verlassen hat.

Besitzt der Antragsteller einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die mehr als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit mehr als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, und hat er die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten nicht verlassen, so ist der Mitgliedstaat zuständig, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird.

(5) Der Umstand, dass der Aufenthaltstitel oder das Visum aufgrund einer falschen oder missbräuchlich verwendeten Identität oder nach Vorlage von gefälschten, falschen oder ungültigen Dokumenten erteilt wurde, hindert nicht daran, dem Mitgliedstaat, der den Titel oder das Visum erteilt hat, die Zuständigkeit zuzuweisen. Der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel oder das Visum ausgestellt hat, ist nicht zuständig, wenn nachgewiesen werden kann, dass nach Ausstellung des Titels oder des Visums eine betrügerische Handlung vorgenommen wurde.

Artikel 16

Abhängige Personen

(1) Ist ein Antragsteller wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, schwerer Krankheit, ernsthafter Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung seines Kindes, eines seiner Geschwister oder eines Elternteils, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, angewiesen oder ist sein Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, auf die Unterstützung des Antragstellers angewiesen, so entscheiden die Mitgliedstaaten in der Regel, den Antragsteller und dieses Kind, dieses seiner Geschwister oder Elternteil nicht zu trennen bzw. sie zusammenzuführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, das Kind, eines seiner Geschwister oder der Elternteil in der Lage ist, die abhängige Person zu unterstützen und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben.

(2) Hält sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil im Sinne des Absatzes 1 rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat als der Antragsteller auf, so ist der Mitgliedstaat, in dem sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil rechtmäßig aufhält, zuständiger Mitgliedstaat, sofern der Gesundheitszustand des Antragstellers diesen nicht längerfristig daran hindert, in diesen Mitgliedstaat zu reisen. In diesem Fall, ist der Mitgliedstaat, in dem sich der Antragsteller aufhält, zuständiger Mitgliedstaat. Dieser Mitgliedstaat kann nicht zum Gegenstand der Verpflichtung gemacht werden, das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil in sein Hoheitsgebiet zu verbringen.

(3) Der Kommission wird die Befugnis übertragen gemäß Artikel 45 in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung des Abhängigkeitsverhältnisses zu berücksichtigen sind, in Bezug auf die Kriterien zur Feststellung des Bestehens einer nachgewiesenen familiären Bindung, in Bezug auf die Kriterien zur Beurteilung der Fähigkeit der betreffenden Person zur Sorge für die abhängige Person und in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung einer längerfristigen Reiseunfähigkeit zu berücksichtigen sind, delegierte Rechtsakte zu erlassen.

(4) Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten einheitliche Bedingungen für Konsultationen und den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten fest. Diese Durchführungsrechtsakte werden nach dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

Artikel 17

Ermessensklauseln

(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.

Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat, der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde.

Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt.

(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 nicht zuständig

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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