TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/18 W245 2136809-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.12.2019
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Entscheidungsdatum

18.12.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W245 2136809-1/28E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Bernhard SCHILDBERGER, LL.M. als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX (alias XXXX , alias XXXX ), geb. XXXX (alias XXXX ), StA. Afghanistan, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.09.2016, Zahl: XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer XXXX (alias XXXX , alias XXXX ) (in der Folge auch "BF"), ein afghanischer Staatsbürger, reiste illegal ins österreichische Bundesgebiet ein und stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.

I.2. Im Rahmen der am 14.10.2015 erfolgten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF an, dass er aus Angst vor den Taliban Afghanistan verlassen habe.

I.3. Bei der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge "belangte Behörde", auch "bB") am 13.07.2016 wiederholte bzw. ergänzte der BF seine Ausführungen bei der Erstbefragung.

I.4. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 21.09.2016 wies die bB den Antrag des BF auf internationalen Schutz zur Gänze ab (Spruchpunkt I. und II.). Es wurde dem BF kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass eine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.-V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

I.5. Mit Verfahrensanordnung vom 21.09.2016 wurde dem BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG XXXX , als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt. Ebenso wurde der BF am 21.09.2016 über ein Rückkehrberatungsgespräch gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG angeordnet.

I.6. Gegen den Bescheid der bB richtete sich die am 04.10.2016 fristgerecht erhobene Beschwerde.

I.7. Die gegenständliche Beschwerde und der bezugshabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge auch "BVwG") am 10.10.2016 von der bB vorgelegt.

I.8. Das BVwG führte in der gegenständlichen Rechtssache am 31.01.2017 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der BF im Beisein des bevollmächtigten Vertreters XXXX (Vollmacht vom 25.01.2017) persönlich teilnahm. Ein Vertreter der bB nahm an der Verhandlung nicht teil.

I.9. Am 07.02.2017 übermittelte der BF im Wege seiner Rechtsvertretung eine Stellungnahme zu den vom Gericht in die Verhandlung eingebrachten Länderinformationen.

I.10. Am 30.06.2017 wurde XXXX mit der Recherche im Herkunftsland beauftragt. Am 04.10.2019 wurde das Rechercheergebnis an das BVwG übermittelt.

I.11. Das BVwG führte in der gegenständlichen Rechtssache am 04.10.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der BF im Beisein des bevollmächtigten Vertreters persönlich teilnahm. Ein Vertreter der bB nahm an der Verhandlung nicht teil.

I.12. Mit Schreiben vom 03.12.2019 wurde dem BF ergänzendes und aktualisiertes Länderberichtsmaterial mit der Möglichkeit übermittelt, innerhalb einer Frist von einer Woche dazu Stellung zu nehmen. Innerhalb dieser Frist langte beim BVwG eine Stellungnahme ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest.

II.1.1. Zum sozialen Hintergrund des BF:

Der BF führt den Namen XXXX (alias XXXX , alias XXXX ), geboren am XXXX (alias XXXX ), ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des BF ist Paschtu. Zudem spricht der BF auch Dari und Englisch.

Der BF wurde nach seinen Angaben im Dorf XXXX , im Distrikt XXXX ( XXXX ), in der Provinz Maidan Wardak geboren. Er hat bis zu seiner Ausreise im Heimatdorf XXXX gelebt. Der BF hat Afghanistan am 12. oder 13.09.2015 verlassen.

Er ist im erwerbsfähigen Alter und ist gesund.

In seinem Herkunftsstaat besuchte der BF zwölf Jahre lang die Schule. Nach der Schule absolvierte der BF das Studium Engineering, welches er im Jahr 2014 abschloss. Von seinem letzten Studiensemester an bis Mai 2015 arbeitete der BF in Kabul für eine afghanische Baufirma namens XXXX als Supervisor. Aufgrund seiner Einkünfte war der BF in der Lage, zum Lebensunterhalt seiner Familie beizutragen. Der BF verfügt über kein Vermögen in Afghanistan.

Die Familie des BF, bestehend aus seinen Eltern, zwei Brüdern und einer Schwester, lebt im Heimatdorf XXXX . Die Familie verfügt über ein Haus, landwirtschaftliche Grundstücke und einen Obstgarten. Die wirtschaftliche Lage der Familie ist gut. Der Vater des BF versorgt die Familie.

Der BF ist verheiratet und hat keine Kinder. Die Ehefrau lebt bei den Eltern des BF. Ihre wirtschaftliche Situation ist gut. Sie wird vom Vater des BF versorgt.

Der BF hat zwei Onkel und eine Tante väterlicherseits sowie zwei Onkel und drei Tanten mütterlicherseits. Sie leben in XXXX bzw. in der Stadt XXXX ( XXXX ). Die Verwandten haben landwirtschaftliche Grundstücke und verdienen damit den Lebensunterhalt.

Der BF hat Kontakt zu seiner Familie und einem Freund in Afghanistan.

Der BF ist strafgerichtlich unbescholten. Nach seinen eigenen Angaben ist er in seinem Herkunftsstaat nicht vorbestraft und hatte keine Probleme mit Behörden und war politisch nicht aktiv.

II.1.2. Zu den Fluchtgründen des BF:

Der BF stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Seinen Antrag auf internationalen Schutz begründet der BF im Wesentlichen damit, dass er von den Taliban verfolgt werde. Dieses Vorbringen konnte der BF jedoch nicht glaubhaft machen, da es sich bei Gesamtbetrachtung sämtlicher im Verlauf des Verfahrens getätigten Angaben in entscheidenden Punkten als widersprüchlich sowie als nicht schlüssig und nicht plausibel erwiesen hat.

Es wird festgestellt, dass es in der Gegend des Aufenthaltsortes des BF in Afghanistan zu mehreren Explosionen gekommen ist, wodurch Brücken und Kanalübergänge von den Taliban zerstört wurden.

Ferner wird festgestellt, dass eine Hauptstraße durch das Dorf des BF ( XXXX ) führt und eine Brücke der Hauptstraße, welche über einen Kanal führt, bei einer Sprengstoffexplosion zerstört wurde. Es konnte jedoch nicht festgestellt werden, dass der BF im Zusammenhang mit der Zerstörung der Brücke Probleme mit den Taliban bekommen hat.

Es wird festgestellt, dass der BF in Afghanistan weder von den Taliban bedroht noch verfolgt wurde. Auch hat er eine konkrete Bedrohung bzw. Verfolgung durch die Taliban im Falle seiner Rückkehr nicht zu befürchten.

Insgesamt kann nicht festgestellt werden, dass der BF einer konkreten Verfolgung oder Bedrohung in Afghanistan ausgesetzt ist oder eine solche, im Falle seiner Rückkehr, zu befürchten hätte.

II.1.3. Zur Situation im Fall einer Rückkehr des BF:

Eine Rückkehr des BF in seine Heimatprovinz Maidan Wardak ist nicht möglich. Dem BF könnte dort bei einer Rückkehr aufgrund der dort herrschenden schlechten Sicherheitslage ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.

Dem BF steht eine zumutbare innerstaatliche Flucht- bzw. Schutzalternative in der Stadt Mazar-e Sharif zur Verfügung. Der BF hat bis zu seiner Ausreise nicht in Mazar-e Sharif gelebt. Der BF kann Mazar-e Sharif von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug erreichen. Eine sichere Rückkehr nach Mazar-e Sharif ist für den BF möglich.

Die grundlegende Versorgung der afghanischen Bevölkerung ist in Mazar-e Sharif gewährleistet. Dem BF stehen bei einer Rückkehr nach Mazar-e Sharif eine vorübergehende Unterkunft (Teehäuser), Trinkwasser, sanitäre Anlagen und lebensnotwendige Nahrungsmittel zur Verfügung. Die Gesundheitsversorgung ist in Mazar-e Sharif durch Krankenhäuser bzw. Gesundheitszentren sowie durch zwei Einrichtungen zur Betreuung von psychischen Krankheiten sichergestellt. Ferner ist Mazar-e Sharif ein regionales Handelszentrum für Nordafghanistan und ein Industriezentrum mit großen Produktionsbetrieben und einer großen Anzahl kleiner und mittlerer Unternehmen. Die allgemeinen Umstände in Mazar-e Sharif ermöglichen eine Rückkehr dorthin.

Der BF läuft im Falle einer Rückkehr nach Mazar-e Sharif nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er ist in der Lage, in Mazar-e Sharif eine einfache Unterkunft zu finden bzw. am Erwerbsleben teilzunehmen. Weiters hat er zum Unterhalt seiner Familie beigetragen.

Der BF hat die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form einer Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen. Der BF wurde in der Beschwerdeverhandlung über die Rückkehrunterstützungen und Reintegrationsmaßnahmen in Kenntnis gesetzt. Dem BF wurden die Programme ERIN und RESTART II erklärt.

Zudem ist es möglich, dass die in der Provinz Maidan Wardak aufhältige Familie des BF ihn bei einer Rückkehr nach Afghanistan beim Aufbau einer Existenzgrundlage in Mazar-e Sharif unterstützt.

Der BF verfügt über ein überdurchschnittliches Maß an Anpassungs- und Selbsterhaltungsfähigkeit.

Der BF ist mit den kulturellen Gepflogenheiten und der Sprache seines Herkunftsstaates vertraut.

Außergewöhnliche Gründe, die eine Rückkehr des BF nach Mazar-e Sharif ausschließen, gibt es nicht. Der BF leidet an keiner ernsthaften Krankheit, welche ein Rückkehrhindernis darstellen würde. Es bestehen keine Zweifel an der Arbeits- und Erwerbsfähigkeit des BF.

Es ist dem BF möglich nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedlung in der Stadt Mazar-e Sharif Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

II.1.4. Zum Leben des BF in Österreich:

Der BF hält sich seit Oktober 2015 in Österreich auf.

Der BF hat keine Familienangehörigen in Österreich.

Der BF pflegt in Österreich freundschaftliche Beziehungen zu Österreichern und Afghanen. Es bestehen keine weiteren substanziellen Anknüpfungspunkte im Bereich des Privatlebens (wie z. B. Beziehungen, Lebensgemeinschaften).

Der BF ist kein Mitglied von politischen Parteien und war auch sonst nicht politisch aktiv. Neben den erwähnten Freundschaften, ist der BF kein Mitglied von Vereinen. In seiner Freizeit kümmert er sich um die Wohnung. Er trifft sich mit Freunden und macht Sport. Weiters besucht der BF regelmäßig ein Sprachcafe.

Schließlich wird das soziale Verhalten des BF in der Gesellschaft durch Referenzschreiben belegt. Daraus ist zu entnehmen, dass er von seinem sozialen Umfeld in Österreich als zuverlässiger, hilfsbereiter und freundlicher Mann wahrgenommen wird.

Der BF besucht zwischenzeitlich Deutschkurse und weist dies durch Teilnahmebestätigungen nach. Er ist in der Lage, auf elementarer Ebene in einfachen, routinemäßigen Situationen des Alltags- und Berufslebens auf Deutsch zu kommunizieren. Der BF verfügt über ein B1-Zertifikat.

Da der BF keine Arbeitserlaubnis hat, war er bisher in Österreich nicht erwerbstätig. Der BF lebt von der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Ferner verfügt er über keine Einstellzusage. Der BF hat vereinzelt gemeinnützige bzw. ehrenamtliche Aufgaben übernommen und legt diesbezüglich Bestätigungen von der XXXX und XXXX vor.

II.1.5. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind. Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern leben ca. 32 Millionen Menschen (Länderinformationsblatt für Afghanistan (in der Folge auch "LIB") vom 13.11.2019, Seite 12).

II.1.5.1. Sicherheitslage:

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil (LIB 13.11.2019, Seite 18). Diese ist jedoch regional und sogar innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt sehr unterschiedlich (EASO Country Guidance Afghanistan, Juni 2019, S. 89ff; LIB 13.11.2019, Seite 18ff).

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die wichtigsten Bevölkerungszentren und Transitrouten sowie Provinzhauptstädte und die meisten Distriktzentren. Die afghanischen Kräfte sichern die Städte und andere Stützpunkte der Regierung. Die Taliban verstärken groß angelegte Angriffe, wodurch eine Vielzahl afghanischer Kräfte in Verteidigungsmissionen eingebunden sind, sodass Engpässe entstehen. Dadurch können manchmal auch Kräfte fehlen, um Territorium zu halten. Die Kämpfe waren auch weiterhin auf konstant hohem Niveau (LIB 13.11.2019, Seite 19).

Für das gesamte Jahr 2018 gab es gegenüber 2017 einen Anstieg in der Gesamtzahl ziviler Opfer und ziviler Todesfälle. Für das erste Halbjahr 2019 wurde eine niedrigere Anzahl ziviler Opfer registriert. Im Juli, August und September lag ein hohes Gewaltniveau vor. Zivilisten, die in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Helmand, Ghazni, und Faryab wohnten, waren 2018 am stärksten vom Konflikt betroffen (LIB 13.11.2019, Seite 24).

Sowohl im gesamten Jahr 2018, als auch in den ersten fünf Monaten 2019 führten Aufständische, Taliban und andere militante Gruppierungen, insbesondere in der Hauptstadtregion, weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele (High Profile Angiffe - HPA) aus, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen. Diese Angriffe sind jedoch stetig zurückgegangen. Zwischen 01.06.2018 und 30.11.2018 fanden 59 HPAs in Kabul statt, zwischen 01.12.2018 und 15.05.2019 waren es 6 HPAs (LIB 13.11.2019, Seite 25).

II.1.5.2. Regierungsfeindliche Gruppierungen:

In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv - insbesondere die Grenzregion zu Pakistan bleibt eine Zufluchtsstätte für unterschiedliche Gruppierungen, wie Taliban, Islamischer Staat, al-Qaida, Haqqani-Netzwerk, Lashkar-e Tayyiba, Tehrik-e Taliban Pakistan, sowie Islamic Movement of Uzbekistan (LIB 13.11.2019, Seite 26).

II.1.5.2.1. Taliban

Zwischen 01.12.2018 und 31.05.2019 haben die Talibanaufständischen mehr Angriffe ausgeführt, als in der Vergangenheit üblich, trotzdem war die Gesamtzahl effektiver feindlicher Angriffe stark rückläufig. Diese Angriffe hatten hauptsächlich militärische Außenposten und Kontrollpunkte sowie andere schlecht verteidigte ANDSF-Posten zum Ziel - die Taliban beschränken ihre Angriffe weitgehend auf Regierungsziele und afghanische und internationale Sicherheitskräfte (LIB 13.11.2019, Seite 26; Seite 29). Die Gesamtstärke der Taliban betrug im Jahr 2017 über 200.000 Personen, darunter ca. 150.000 Kämpfer (rund 60.000 Vollzeitkämpfer mobiler Einheiten, der Rest seien Teil der lokalen Milizen). Die Taliban betreiben Trainingslager in Afghanistan (LIB 13.11.2019, Seite 27). Die Mehrheit der Taliban sind immer noch Paschtunen, obwohl es eine wachsende Minderheit an Tadschiken, Usbeken, Belutschen und sogar mehreren hundert Hazara (einschließlich Schiiten) gibt. In einigen nördlichen Gebieten bestehen die Taliban bereits überwiegend aus Nicht-Paschtunen, da sie innerhalb der lokalen Bevölkerung rekrutieren (LIB 13.11.2019, Seite 27).

II.1.5.2.2. Haqani-Netzwerk

Das seit 2012 bestehende Haqqani-Netzwerk ist eine teilautonome Organisation, Bestandteil der afghanischen Taliban und Verbündeter von al-Qaida. Als gefährlichster Arm der Taliban, hat das Haqqani-Netzwerk seit Jahren Angriffe in den städtischen Bereichen ausgeführt und ist für einige der tödlichsten Angriffe in Afghanistan verantwortlich (LIB 13.11.2019, Seite 27).

II.1.5.2.3. Islamischer Staat (IS/Daesh)

Islamischer Staat Khorasan Provinz: Die Stärke des ISKP variiert zwischen 1.500 und 3.000, bzw. 2.500 und 4.000 Kämpfern bzw. ist ihre Zahl auf 5.000 gestiegen. Der IS ist seit Sommer 2014 in Afghanistan aktiv. Durch Partnerschaften mit militanten Gruppen konnte der IS seine organisatorischen Kapazitäten sowohl in Afghanistan als auch in Pakistan stärken. Er ist vor allem im Osten des Landes in der Provinz Nangarhar präsent (LIB 13.11.2019, Seite 27f). Neben komplexen Angriffen auf Regierungsziele, verübte der ISKP zahlreiche groß angelegte Anschläge gegen Zivilisten, insbesondere auf die schiitische-Minderheit. Die Zahl der zivilen Opfer durch ISKP-Handlungen hat sich dabei 2018 gegenüber 2017 mehr als verdoppelt, nahm im ersten Halbjahr 2019 allerdings wieder ab. Die Taliban und der IS sind verfeindet. Während die Taliban ihre Angriffe überwiegend auf Regierungsziele bzw. Sicherheitskräfte beschränken, zielt der IS darauf ab, konfessionelle Gewalt zu fördern und Schiiten anzugreifen (LIB 13.11.2019, Seite 29).

II.1.5.2.4. Al-Qaida

Al-Qaida sieht Afghanistan auch weiterhin als sichere Zufluchtsstätte für ihre Führung, basierend auf langjährigen und engen Beziehungen zu den Taliban. Al-Qaida will die Präsenz in der Provinz Badakhshan stärken, insbesondere im Distrikt Shighnan, der an der Grenze zu Tadschikistan liegt, aber auch in der Provinz Paktika, Distrikt Barmal, wird versucht die Präsenz auszubauen (LIB 13.11.2019, Seite 29).

II.1.5.3. Sicherheitsbehörden:

Die afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF - Afghan National Defense and Security Forces) umfassen militärische, polizeiliche und andere Sicherheitskräfte. Das Innenministerium ist primär für die interne Ordnung zuständig, dazu zählt auch die ANP (Afghan National Police) und die ALP (Afghan Local Police) (LIB 13.11.2019, Seite 249).

Die Afghanische Nationalarmee (ANA) ist für die externe Sicherheit verantwortlich, dennoch besteht ihre Hauptaufgabe darin, den Aufstand im Land zu bekämpfen. Das Verteidigungsministerium hat die Stärke der ANA mit 227.374 autorisiert (LIB 13.11.2019, Seite 250). Die Afghan National Police (ANP) gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption sowie die Produktion und den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit in der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA (LIB 13.11.2019, S. 250). Die Afghan Local Police (ALP) wird durch die USA finanziert und schützt die Bevölkerung in Dörfern und ländlichen Gebieten vor Angriffen durch Aufständische (LIB 13.11.2019, Seite 251).

II.1.5.4. Lage in der Herkunftsprovinz Maidan Wardak des BF:

II.1.5.4.1. Grundinformationen:

Die Provinz Wardak, auch bekannt als Maidan Wardak, grenzt im Norden an Parwan und Bamyan, im Osten an Kabul und Logar und im Süden und Westen an Ghazni. Die Provinz ist in die folgenden Distrikte unterteilt: Chak-e-Wardak, Daimir Dad, Hissa-e-awali Behsud, Jaghatu, Jalrez, Markaz-e-Behsud, Maidan Shahr, Nerkh, Sayyid Abad (Saydabad). Die afghanische zentrale Statistikorganisation (CSO) schätzte die Bevölkerung von Wardak für den Zeitraum 2019-20 auf rund 650.000 Personen. Sie besteht aus Tadschiken, Paschtunen und Hazara (LIB 13.11.2019, Seite 218).

II.1.5.4.2. Errreichbarkeit:

Wardak ist aufgrund seiner strategischen Position - unter anderem kreuzen hier die Autobahn Richtung Westen und Osten, sowie Norden und Süden - und der Nähe zu Kabul eine bedeutsame Provinz (ARN 23.6.2019). Die Autobahn Kabul-Kandahar durchquert die Distrikte Maidan Shahr, Narkh und Saydabad (LIB 13.11.2019, Seite 218).

II.1.5.4.3. Sicherheitslage:

Die Sicherheitslage in der Provinz Maidan Wardak hat sich in den letzten Monaten verschlechtert. Aufständische der Taliban sind in gewissen Distrikten aktiv und führen terroristische Aktivitäten aus. In der Provinz kommt es regelmäßig zu Sicherheitsoperationen. Dabei werden manchmal Aufständische getötet und manchmal Gefangene der Taliban befreit.

Ghazni gehörte im Mai 2019 zu den relativ volatilen Provinzen im Südosten Afghanistans. Taliban-Kämpfer sind in einigen der unruhigen Distrikte der Provinz aktiv, wo sie oft versuchen, terroristische Aktivitäten gegen die Regierung und Sicherheitseinrichtungen durchzuführen. Gleichzeitig führen die Regierungskräfte regelmäßig Operationen in Ghazni durch, um die Aufständischen aus der Provinz zu vertreiben (LIB 13.11.2019, Seite 219 f.).

II.1.5.5. Lage in der Provinz Balkh bzw. in der Provinzhauptstadt

Mazar-e Sharif:

II.1.5.5.1. Grundinformationen:

Balkh liegt im Norden Afghanistans. Nach Schätzung der zentralen Statistikorganisation Afghanistan (CSO) für den Zeitraum 2019-20 leben 1.475.649 Personen in der Provinz Balkh, davon geschätzte

469.247 in der Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif. Balkh ist eine ethnisch vielfältige Provinz, welche von Paschtunen, Usbeken, Hazara, Tadschiken, Turkmenen, Aimaq, Belutschen, Arabern und sunnitischen Hazara (Kawshi) bewohnt wird (LIB 13.11.2019, Seite 60 f.). Im Zeitraum 01.01.2018 bis 30.06.2019 kamen rund 30.000 Binnenvertriebe in die Provinz Balkh (LIB 13.11.2019, Seite 60 f.)

II.1.5.5.2. Erreichbarkeit:

Mazar-e Sharif ist über die Autobahn sowie über einen Flughafen (mit nationalen und internationalen Anbindungen) zu erreichen (LIB 13.11.2019, Seite 61 und 336).

II.1.5.5.3. Sicherheitslage:

Balkh zählt zu den relativ stabilen und ruhigen Provinzen Nordafghanistans, in welcher die Taliban in der Vergangenheit keinen Fuß fassen konnten. In den letzten Monaten versuchten Aufständische der Taliban die Provinz Balkh aus benachbarten Regionen zu infiltrieren (LIB 13.11.2019, Seite 62). Im Jahr 2018 wurden 227 zivile Opfer (85 Tote und 142 Verletzte) in Balkh dokumentiert. Dies entspricht einer Steigerung von 76% gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren Bodenkämpfe, gefolgt von improvisierten Bomben (IEDS; ohne Selbstmordattentate) und gezielten Tötungen (LIB 13.11.2019, Seite 63). Das Niveau an willkürlicher Gewalt ist in der Provinz Balkh sowie in der Stadt Mazar-e Sharif so gering, dass für Zivilisten an sich nicht die Gefahr besteht, von erheblichen Eingriffen in die psychische oder physische Unversehrtheit betroffen zu sein (EASO - Country Guidance Afghanistan, Juni 2019, Seite 89 und 92 f.).

II.1.5.5.4. Wirtschaftslage:

Balkh bzw. die Hauptstadt Mazar-e Sharif ist ein Import-/Exportdrehkreuz sowie ein regionales Handelszentrum. In Mazar-e Sharif gibt es einen Flughafen mit Linienverkehr zu nationalen und internationalen Zielen. Mazar-e Sharif ist ein regionales Handelszentrum für Nordafghanistan, wie auch ein Industriezentrum mit großen Fertigungsbetrieben und einer Vielzahl von kleinen und mittleren Unternehmen, welche Kunsthandwerk und Teppiche anbieten (LIB 13.11.2019, Seite 61 und 336)

II.1.5.5.5. Medizinische Versorgung:

In der Stadt Mazar-e Sharif gibt es zwischen 10 und 15 Krankenhäuser; dazu zählen sowohl private als auch öffentliche Anstalten. In Mazar-e Sharif existieren mehr private als öffentliche Krankenhäuser. Private Krankenhäuser sind sehr teuer; jede Nacht ist kostenpflichtig. Zusätzlich existieren etwa 30-50 medizinische Gesundheitskliniken; 20% dieser Gesundheitskliniken finanzieren sich selbst, während 80% öffentlich finanziert sind. Das Regionalkrankenhaus Balkh ist die tragende Säule medizinischer Dienstleistungen in Nordafghanistan; selbst aus angrenzenden Provinzen werden Patient/innen in dieses Krankenhaus überwiesen. Für das durch einen Brand zerstörte Hauptgebäude des Regionalkrankenhauses Balkh im Zentrum von Mazar-e Sharif wurde ein neuer Gebäudekomplex mit 360 Betten, 21 Intensivpflegeplätzen, sieben Operationssälen und Einrichtungen für Notaufnahme, Röntgen- und Labordiagnostik sowie telemedizinischer Ausrüstung errichtet. Zusätzlich kommt dem Krankenhaus als akademisches Lehrkrankenhaus mit einer angeschlossenen Krankenpflege- und Hebammenschule eine Schlüsselrolle bei der Ausbildung des medizinischen und pflegerischen Nachwuchses zu. Die Universität Freiburg (Deutschland) und die Mashhad Universität (Iran) sind Ausbildungspartner dieses Krankenhauses (BFA 4.2018). Balkh gehörte bei einer Erhebung von 2016/2017 zu den Provinzen mit dem höchsten Anteil an Frauen, welche einen Zugang zu Gesundheitseinrichtungen haben. Weiters gibt es in Mazar-e Sharif ein privates neuropsychiatrisches Krankenhaus und ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus (LIB 13.11.2019, Seite 347 und 351 f.).

II.1.5.6. Bewegungsfreiheit

Das Gesetz garantiert interne Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Rückkehr. Die Regierung schränkt die Bewegung der Bürger gelegentlich aus Sicherheitsgründen ein. Afghanen dürfen sich formell im Land frei bewegen und niederlassen (LIB 13.11.2019, Seite 327).

II.1.5.7. Meldewesen

Afghanistan hat kein zentrales Bevölkerungsregister, keine Datenbanken mit Adress- oder Telefonnummerneinträgen und auch keine Melde- oder Registrierungspflicht. Die Gemeinschafts- bzw. Bezirksältesten führen kein Personenstandsregister, die Regierung registriert jedoch Rückkehrer. Durch die hohe soziale Kontrolle ist gerade im ländlichen Raum keine, aber auch in den Städten kaum Anonymität zu erwarten (LIB 13.11.2019, Seite 328).

II.1.5.8. Allgemeine Menschenrechtslage

Im Bereich der Menschenrechte hat Afghanistan unter schwierigen Umständen Fortschritte gemacht. Inzwischen ist eine selbstbewusste neue Generation von Afghaninnen und Afghanen herangewachsen, die sich politisch, kulturell und sozial engagiert und der Zivilgesellschaft eine stärkere Stimme verleiht. Diese Fortschritte erreichen aber nach wie vor nicht alle Landesteile und sind außerhalb der Städte auch gegen willkürliche Entscheidungen von Amtsträgern und Richtern sowie Einflussnahme örtlicher Machteliten nur schwer durchzusetzen. Die afghanische Regierung ist nicht in der Lage, die durch die afghanische Verfassung und einschlägige völkerrechtliche Verträge garantierten Menschenrechte vollumfänglich umzusetzen und zu gewährleisten (LIB 13.11.2019, Seite 264).

II.1.5.9. Korruption:

Die Korruption ist in Afghanistan sehr hoch. Es bestehen zwar strafrechtliche Sanktionen gegen Korruption, diese werden jedoch nicht effektiv umgesetzt. Korruption findet in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens statt, unter anderem in der Justiz, bei der Beschaffung von Gütern, bei Staatseinnahmen und bei der Bereitstellung von Leistungen des Staates (LIB 13.11.2019, Seite 254 f.).

II.1.5.10. Medizinische Versorgung:

Der afghanischen Verfassung zufolge hat der Staat kostenlos medizinische Vorsorge, ärztliche Behandlung und medizinische Einrichtungen für alle Bürger zur Verfügung zu stellen. Außerdem fördert der Staat die Errichtung und Ausweitung medizinischer Leistungen und Gesundheitszentren. Eine begrenzte Anzahl staatlicher Krankenhäuser in Afghanistan bietet kostenfreie medizinische Versorgung an. Alle Staatsbürger haben dort Zugang zu medizinischer Versorgung und Medikamenten. Die Verfügbarkeit und Qualität der Grundbehandlung ist durch Mangel an gut ausgebildeten Ärzten, Ärztinnen und Assistenzpersonal (v.a. Hebammen), mangelnde Verfügbarkeit von Medikamenten, schlechtes Management sowie schlechte Infrastruktur begrenzt (LIB 13.11.2019, Seite 344).

Die Kosten für Medikamente in staatlichen Krankenhäusern weichen vom lokalen Marktpreis ab. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e Sharif, Herat und Kandahar. Die Behandlungskosten in diesen Einrichtungen variieren. 90% der medizinischen Versorgung in Afghanistan werden nicht direkt vom Staat zur Verfügung gestellt, sondern von nationalen und internationalen NGOs, die über ein Vertragssystem beauftragt werden (LIB 13.11.2019, Seite 350).

II.1.5.11. Wirtschaft

Afghanistan ist nach wie vor eines der ärmsten Länder der Welt und stark von internationalen Hilfsgeldern abhängig (LIB 13.11.2019, Seite 333).

Am Arbeitsmarkt müssten jährlich 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist angespannt und die Arbeitslosigkeit ist hoch. Persönliche Kontakte, Empfehlungen sowie ein Netzwerk sind wichtig um einen Job zu finden. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen, wobei Fähigkeiten, die sich Rückkehrer im Ausland angeeignet haben, eine wichtige Rolle bei der Arbeitsplatzsuche spielen können. Der afghanische Arbeitsmarkt ist durch eine starke Dominanz des Agrarsektors, eine Unterrepräsentation von Frauen und relativ wenigen Möglichkeiten für junge Menschen gekennzeichnet. Ebenso korreliert ein Mangel an Bildung mit Armut, wobei ein niedriges Bildungsniveau und Analphabetismus immer noch weit verbreitet sind. In Afghanistan existiert keine finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit (LIB 13.11.2019, Seite 334 f.).

Es gibt lokale Webseiten, die offene Stellen im öffentlichen und privaten Sektor annoncieren. Die meisten Afghanen sind unqualifiziert und Teil des informellen, nicht-regulierten Arbeitsmarktes. Der Arbeitsmarkt besteht Großteiles aus manueller Arbeit ohne Anforderungen an eine formelle Ausbildung und spiegelt das niedrige Bildungsniveau wieder. In Kabul gibt es öffentliche Plätze, wo sich Arbeitssuchende und Nachfragende treffen. Viele bewerben sich, nicht jeder wird engagiert. Der Lohn beträgt für Hilfsarbeiter meist USD 4,3 und für angelernte Kräfte bis zu USD 14,5 pro Tag (EASO Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, Seite 29 f.).

II.1.5.12. Rückkehrer:

In den ersten vier Monaten des Jahres 2019 sind insgesamt 63.449 Menschen nach Afghanistan zurückgekehrt. Im Jahr 2018 kamen 775.000 aus dem Iran und 46.000 aus Pakistan zurück (LIB 13.11.2019, Seite 353).

Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, können verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Für Rückkehrer leisten UNHCR und IOM in der ersten Zeit Unterstützung. Bei der Anschlussunterstützung ist die Transition von humanitärer Hilfe hin zu Entwicklungszusammenarbeit nicht immer lückenlos. Wegen der hohen Fluktuation im Land und der notwendigen Zeit der Hilfsorganisationen, sich darauf einzustellen, ist Hilfe nicht immer sofort dort verfügbar, wo Rückkehrer sich niederlassen. Es befinden sich viele Rückkehrer in Gebieten, die für Hilfsorganisationen aufgrund der Sicherheitslage nicht erreichbar sind (LIB 13.11.2019, Seite 354).

Soziale, ethnische und familiäre Netzwerke sind für einen Rückkehrer unentbehrlich. Der Großteil der nach Afghanistan zurückkehrenden Personen verfügt über ein familiäres Netzwerk, auf das in der Regel zurückgegriffen wird. Wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage, den ohnehin großen Familienverbänden und individuellen Faktoren ist diese Unterstützung jedoch meistens nur temporär und nicht immer gesichert. Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z. B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen beruflichen Netzwerken (Kolleg/innen, Mitstudierende etc.) sowie politische Netzwerke usw. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind manche Rückkehrer auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer dar. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB 13.11.2019, Seite 354).

Rückkehrer aus dem Iran und aus Pakistan, die oft über Jahrzehnte in den Nachbarländern gelebt haben und zum Teil dort geboren wurden, sind in der Regel als solche erkennbar. Offensichtlich sind sprachliche Barrieren, von denen vor allem Rückkehrer aus dem Iran betroffen sind, weil sie Farsi (die iranische Landessprache) oder Dari (die afghanische Landessprache) mit iranischem Akzent sprechen. Zudem können fehlende Vertrautheit mit kulturellen Besonderheiten und sozialen Normen die Integration und Existenzgründung erschweren. Das Bestehen sozialer und familiärer Netzwerke am Ankunftsort nimmt auch hierbei eine zentrale Rolle ein. Über diese können die genannten Integrationshemmnisse abgefedert werden, indem die erforderlichen Fähigkeiten etwa im Umgang mit lokalen Behörden sowie sozial erwünschtes Verhalten vermittelt werden und für die Vertrauenswürdigkeit der Rückkehrer gebürgt wird. Es gibt jedoch nicht viele Fälle von Diskriminierung afghanischer Rückkehrer aus dem Iran und Pakistan aufgrund ihres Status als Rückkehrer. Fast ein Viertel der afghanischen Bevölkerung besteht aus Rückkehrern. Diskriminierung beruht in Afghanistan großteils auf ethnischen und religiösen Faktoren sowie auf dem Konflikt (LIB 13.11.2019, Seite 355).

Rückkehrer aus Europa oder dem westlichen Ausland werden von der afghanischen Gesellschaft häufig misstrauisch wahrgenommen. Es sind jedoch keine Fälle bekannt, in denen Rückkehrer nachweislich aufgrund ihres Aufenthalts in Europa Opfer von Gewalttaten wurden. Wenn ein Rückkehrer mit im Ausland erlangten Fähigkeiten und Kenntnissen zurückkommt, stehen ihm mehr Arbeitsmöglichkeiten zur Verfügung als den übrigen Afghanen, was bei der hohen Arbeitslosigkeit zu Spannungen innerhalb der Gemeinschaft führen kann (LIB 13.11.2019, Seite 355).

Der Mangel an Arbeitsplätzen stellt für den Großteil der Rückkehrer die größte Schwierigkeit dar. Der Zugang zum Arbeitsmarkt hängt maßgeblich von lokalen Netzwerken ab. Die afghanische Regierung kooperiert mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Für Afghanen, die im Iran geboren oder aufgewachsen sind und keine Familie in Afghanistan haben, ist die Situation problematisch (LIB 13.11.2019, Seite 355).

Viele Rückkehrer leben in informellen Siedlungen, selbstgebauten Unterkünften oder gemieteten Wohnungen. Die meisten Rückkehrer im Osten des Landes leben in überbelegten Unterkünften und sind von fehlenden Möglichkeiten zum Bestreiten des Lebensunterhaltes betroffen (LIB 13.11.2019, Seite 356).

Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Rückkehrer erhalten Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Es gibt keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer. Der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer aus Europa kehrt direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück (LIB 13.11.2019, Seite 356).

Die "Reception Assistance" umfasst sofortige Unterstützung oder Hilfe bei der Ankunft am Flughafen: IOM trifft die freiwilligen Rückkehrer vor der Einwanderungslinie bzw. im internationalen Bereich des Flughafens, begleitet sie zum Einwanderungsschalter und unterstützt bei den Formalitäten, der Gepäckabholung, der Zollabfertigung, usw. Darüber hinaus arrangiert IOM den Weitertransport zum Endziel der Rückkehrer innerhalb des Herkunftslandes und bietet auch grundlegende medizinische Unterstützung am Flughafen an. 1.279 Rückkehrer erhielten Unterstützung bei der Weiterreise in ihre Heimatprovinz. Für die Provinzen, die über einen Flughafen und Flugverbindungen verfügen, werden Flüge zur Verfügung gestellt. Der Rückkehrer erhält ein Flugticket und Unterstützung bezüglich des Flughafen-Transfers. Der Transport nach Herat findet in der Regel auf dem Luftweg statt (LIB 13.11.2019, S. 358).

In Kabul und im Umland sowie in Städten stehen Häuser und Wohnungen zur Verfügung. Die Kosten in Kabul-City sind jedoch höher als in den Vororten oder in den anderen Provinzen. Die Lebenshaltungskosten sind für den zentral gelegenen Teil der Stadt Kabul höher als in ländlichen Gebieten (LIB 13.11.2019, S. 359).

Es ist auch möglich an Stelle einer Wohnung ein Zimmer zu mieten, da dies billiger ist. Heimkehrer mit Geld können Grund und Boden erwerben und langfristig ein eigenes Haus bauen. Vertriebene in Kabul, die keine Familienanbindung haben und kein Haus anmieten konnten, landen in Lagern, Zeltsiedlungen und provisorischen Hütten oder besetzen aufgelassene Regierungsgebäude. In Städten gibt es Hotels und Pensionen unterschiedlichster Preiskategorien. Für Tagelöhner, Jugendliche, Fahrer, unverheiratete Männer und andere Personen, ohne permanenten Wohnsitz in der jeweiligen Gegend, gibt es im ganzen Land Angebote geringerer Qualität, sogenannte chai khana (Teehaus). Dabei handelt es sich um einfache große Zimmer in denen Tee und Essen aufgetischt wird. Der Preis für eine Übernachtung beträgt zwischen 0,4 und 1,4 USD. In Kabul und anderen großen Städten gibt es viele solche chai khana und wenn ein derartiges Haus voll ist, lässt sich Kost und Logis leicht anderswo finden. Man muss niemanden kennen, um dort eingelassen zu werden (EASO Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, Seite 31).

Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB 13.11.2019, Seite 362).

II.1.5.13. Ethnische Minderheiten:

In Afghanistan leben zwischen 32-35 Millionen Menschen. Es sind ca. 40-42% Pashtunen, rund 27-30% Tadschiken, ca. 9-10% Hazara und 9% Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt. Soziale Gruppen werden in Afghanistan nicht ausgeschlossen und kein Gesetz verhindert die Teilnahme von Minderheiten am politischen Leben. Es kommt jedoch im Alltag zu Diskriminierungen und Ausgrenzungen ethnischer Gruppen und Religionen sowie zu Spannungen, Konflikten und Tötungen zwischen unterschiedlichen Gruppen (LIB 13.11.2019, Seite. 287f).

II.1.5.14. Religionen:

Etwa 99% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon 80-89,7% Sunniten. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (LIB 13.11.2019, S. 277).

Sunniten sind allein aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit in Afghanistan weder psychischen noch physischen Bedrohungen ausgesetzt.

II.1.5.15. Drohbriefe

Die nachfolgend zitierten Quellen berichten über Drohbriefe von Daesh/IS und den Taliban aus unterschiedlichen Provinzen Afghanistans aus den Jahren 2017 und 2018. Es wird von Drohbriefen berichtet, die sich gegen die Bevölkerung allgemein, gegen Institutionen und gezielt gegen Einzelpersonen richten. Die Taliban nutzen in den letzten Jahren vermehrt Internet und soziale Medien, um Botschaften oder Drohungen zu verbreiten.

Eine nachfolgend zitierte Quelle gibt an, dass Drohbriefe oft in der Nacht an einer Moschee oder einem Geschäft angebracht werden und die lokale Bevölkerung, aufgrund eines hohen Anteils an Analphabeten, auf eine schriftkundige Person angewiesen ist, die den Brief vorlesen kann (Quelle: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Afghanistan: Drohbriefe der Taliban und des IS, vom 27.06.2018)

Den nachfolgend zitierten Quellen ist zu entnehmen, dass gefälschte Drohbriefe für etwa US$ 1.000 gekauft werden können. Den Quellen kann auch entnommen werden, dass die Taliban es größtenteils aufgegeben haben, mit Drohbriefen vorzugehen (Quelle:

Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Afghanistan: Taliban Drohbriefe, Bedrohung militärischer Mitarbeiter, vom 28.06.2016).

II.2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt sowie in den Gerichtsakt, der Erstbefragung des BF durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes (in der Folge kurz "Erstbefragung" bezeichnet), der Einvernahme des BF durch die bB (in der Folge kurz "Niederschrift" bezeichnet), der Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid der bB, den mündlichen Verhandlungen vor dem BVwG (erste Verhandlung am 31.01.2017 in der Folge kurz "1. Verhandlungsprotokoll" bezeichnet sowie zweite Verhandlung am 04.10.2019 in der Folge kurz "2. Verhandlungsprotokoll" bezeichnet), der im Verfahren vorgelegten Dokumente der Parteien, der eingebrachten Stellungnahme, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister, das Grundversorgungs-Informationssystem und das Rechercheergebnis vom 02.10.2019.

Die Feststellungen zum Auftreten des BF in der Beschwerdeverhandlung ergeben sich aus der persönlichen Wahrnehmung des erkennenden Richters.

Die Feststellungen basieren auf den in den Klammern angeführten Beweismitteln.

II.2.1. Zum sozialen Hintergrund des BF:

Die Feststellungen zur Identität (Name und Geburtsdatum) des BF ergeben sich aus seinen Angaben vor der bB, in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG (vgl. 1. Verhandlungsprotokoll, Seite 5) sowie dem im Verfahren vorgelegten Reisepass (2. Verhandlungsprotokoll, Seite 7). Entsprechend den Ausführungen des BF ist das Geburtsdatum im Reisepass falsch ( XXXX) falsch (1. Verhandlungsprotokoll, Seite 5). Dieses wird daher als Alias-Datum festgestellt.

Auch sind zum Namen des BF unterschiedliche Schreibweisen im Verfahren hervorgekommen. So z.B. XXXX (Erstbefragung, Seite 1), XXXX (Niederschrift, Seite 1 f.). Diese unterschiedlichen Schreibweisen werden als Aliasnamen festgestellt.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und Herkunft, insbesondere zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, stützen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben des BF im Verfahren vor der bB, in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG sowie auf die Kenntnis und Verwendung der Sprache Paschtu (vgl. 1. Verhandlungsprotokoll, Seite 3, 5 f.).

Der Zeitpunkt der Ausreise des BF aus Afghanistan ergibt sich aus den dahingehend glaubhaften Angaben des BF im Verfahren (vgl. 1. Verhandlungsprotokoll, Seite 9).

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des BF ergeben sich aus seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung (vgl. Niederschrift, Seite 2, 1. Verhandlungsprotokoll, Seite 3 und 2.

Verhandlungsprotokoll, Seite 3).

Die Feststellungen zu den persönlichen Lebensumständen des BF, wie Schul- und Berufsausbildung, seiner Berufserfahrung sowie zu seiner Vermögenslage und Selbsterhaltungsfähigkeit ergeben sich aus seinen diesbezüglichen glaubhaften Angaben im Verfahren (vgl. Niederschrift, Seite 3, 1. Verhandlungsprotokoll, Seite 7 ff). Im Verfahren führte der BF mehrmals aus, dass er vom Jahr 2014 bis Mai 2015 in Kabul für eine Baufirma als Bauingenieur gearbeitet habe (Erstbefragung, Seite 4, Niederschrift, Seite 3 und 1. Verhandlungsprotokoll, Seite 7). Sohin war dies festzustellen. Erstmals führte der BF in der zweiten Beschwerdeverhandlung aus, dass er auch nach Mai 2015 nicht offiziell für die Firma XXXX gearbeitet habe (2. Verhandlungsprotokoll, Seite 7). Warum der BF zu seinen Berufserfahrungen in Afghanistan nicht durchgehend übereinstimmende Angaben tätigen konnte, ist nicht nachvollziehbar. Mangels übereinstimmender Angaben im Verfahren konnte sohin nur festgestellt werden, dass der BF (nur) bis Mai 2015 für die Firma XXXX gearbeitet hat.

Die Feststellungen zur familiären Situation des BF beruhen auf den diesbezüglich glaubhaften Angaben des BF im Verfahren vor der bB, in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG (vgl. 2. Verhandlungsprotokoll, Seite 9 f.).

Aufgrund seiner dahingehenden glaubhaften Angaben im Verfahren konnte festgestellt werden, dass der BF in Kontakt mit seiner Familie und einem Freund steht (vgl. 2. Verhandlungsprotokoll, Seite 10).

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit beruht auf den Angaben des BF, welche durch Einsicht in den aktuellen Strafregisterauszug verifiziert wurden. Die Feststellungen, dass der BF in Afghanistan nicht vorbestraft ist, keine Probleme mit den Behörden hatte und dass er politisch nicht aktiv ist, sind seinen glaubhaften Aussagen dahingehend zu entnehmen (vgl. 1. Verhandlungsprotokoll, Seite 9 und 12 sowie 2.

Verhandlungsprotokoll, Seite 13).

II.2.2. Zu den Fluchtgründen des BF:

Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde sowie dem vor dem BVwG abgeführten Verfahren und im Besonderen der mündlichen Verhandlung ergibt sich, dass der BF ausreichend Zeit und Gelegenheit hatte, eventuelle Fluchtgründe umfassend und im Detail darzulegen sowie allfällige Beweismittel und geeignete Nachweise zur Untermauerung seines Vorbringens vorzulegen. Er wurde auch mehrmals zur umfassenden und detaillierten Schilderung seiner Fluchtgründe und ausdrücklich zur Vorlage von Beweismitteln aufgefordert sowie über die Folgen unrichtiger Angaben belehrt.

II.2.2.1. Zur Bedrohung bzw. zur Verfolgung des BF durch die Taliban:

Im Zuge der Erstbefragung führte der BF aus, dass er aus Angst vor den Taliban Afghanistan verlassen habe. Zwei Wochen vor seiner Ausreise hätten die Taliban vor seinem Haus eine Bombe gegen die afghanische Nationalarmee deponieren wollen. Der BF habe den Taliban mitgeteilt, dass sie dies nicht tun sollten. Nachdem die Taliban nicht auf den BF gehört hätten, habe der BF einen nahegelegenen Polizeiposten hiervon informiert. Daraufhin habe die Polizei auf die Taliban geschossen; zwei Taliban seien getötet und einer verletzt worden, die anderen seien geflüchtet. Danach habe der BF zwei Briefe von den Taliban erhalten. Einmal hätten die Taliban ihn auch zu Hause aufgesucht. Die Mutter des BF habe den BF versteckt. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst um sein Leben (Erstbefragung, Seite 6).

Bei der Befragung bei der bB gab der BF zu seinen Fluchtgründen an, dass die Sicherheitslage in seiner Herkunftsprovinz schlecht sei. Eines Nachts gegen 23:00 Uhr habe er draußen eine Stimme gehört. Die Taliban hätten neben seinem Haus eine Bombe platzieren wollen, dort verlaufe nämlich die Hauptstraße, auf der die Autos der Nationalarmee fahren würden. Die Taliban hätten gewollt, dass die Bombe dann explodiere, wenn die Armee vorbeigefahren wäre. Der BF sei hinausgegangen und habe gefragt, wer sie seien. Er habe nicht erkennen können, wieviele Leute es gewesen seien. Sie hätten Waffen getragen. Die Leute hätten gesagt, dass es dem BF nichts angehe, was vor dem Haus des BF geschehe; einer von diesen Leuten habe den BF aufgefordert, wieder ins Haus zu gehen.

Das Haus des BF habe eine weitere Tür, welche durch den Garten führe. Der BF habe das Haus über diese Türe verlassen, und sei zur nächsten Polizeistation gegangen. Dort habe der BF den Polizisten erzählt, was die Taliban vorhätten. Die Polizisten hätten untereinander beraten und hätten Kontakt zu einer anderen Polizeistation aufgenommen. Als der BF zu Hause angekommen sei, habe er gehört, dass vor dem Haus des BF geschossen worden sei. Es habe eine Auseinandersetzung zwischen den Taliban und den Polizisten gegeben. Während dieser, sei auch die Bombe explodiert und die Straße beschädigt worden.

Die Auseinandersetzung habe zirka eine Stunde gedauert. Die Nationalarmee habe den Platz gesichert. Zwei Taliban seien bei der Auseinandersetzung getötet und einer verletzt worden. Sie seien von der Polizei zum Provinzialrat gebracht worden. Danach sei der Verletzte der Regierung ausgeliefert worden; der Ältestenrat habe sich um die Toten gekümmert.

Drei Tage nach dem Vorfall habe der Vater eine Ladung von den Taliban erhalten, die an den BF gerichtet gewesen sei. Der BF habe in die Zentrale nach XXXX gehen sollen. Auf dieses Schreiben habe der BF nicht reagiert. Acht oder neun Tage später habe der Mullah dem Vater des BF einen Drohbrief gegeben. Diesen hätten die Taliban in der Moschee hinterlassen. In diesem Drohbrief hätten die Taliban ausgeführt, dass sie ihren Kämpfern den Befehl erteilt hätten, den BF festzunehmen und anschließend an die verantwortliche Stelle zu übergeben. Zirka zwei Tage später sei gegen Mitternacht an ihre Tür geklopft worden. Bevor der Vater die Tür geöffnet habe, habe die Mutter den BF zur alten Backgrube in der Küche gebracht. Mit gesammelten Sträuchern und Ästen habe die Mutter den BF in der Backgrube verdeckt. Als die Taliban ins Haus gekommen seien, hätten sie alles durchsucht. Die Taliban hätten gesagt, dass der BF sicher zu Hause sei, da sein Auto draußen stehe. Der Vater des BF habe darauf geantwortet, dass der BF das Auto abgestellt habe und wieder gegangen sei. Die Taliban hätten zwei Stunden lang nach dem BF gesucht; sie hätten ihn jedoch nicht finden können.

In der Früh habe der Vater ein Auto, welches von Bamian in die Provinzhauptstadt XXXX gefahren sei, aufgehalten. Der BF sei mit dem Auto mitgefahren. In XXXX habe der BF ein Linientaxi nach Kabul genommen. Dort habe der BF eine Nacht verbracht und sei dann mit einem Bus nach XXXX gefahren. Anschließend habe der BF Afghanistan verlassen. Die Flucht habe einen Monat gedauert (Niederschrift, Seite 5 f.).

Zum Vorbringen des BF ist vorab auszuführen, dass es im Asylverfahren nicht ausreicht, dass dieser Behauptungen aufstellt, sondern muss er diese auch glaubhaft machen. Dazu muss das Vorbringen des BF in gewissem Maß substantiiert und nachvollziehbar sein, die Handlungsabläufe den allgemeinen Lebenserfahrungen entsprechen und muss der BF auch persönlich glaubwürdig auftreten. Die Aussagen des BF entsprechen, wie in der Folge beschrieben, nicht diesen Anforderungen:

Im Verfahren führte der BF aus, dass er eines Nachts vor dem Haus Stimmen gehört habe. Als er Nachschau gehalten habe, habe er bewaffnete Männer angetroffen. In der Folge stellte der BF die weiteren Geschehnisse jedoch sehr unterschiedlich dar: So führte er unter anderem aus, dass er von den Leuten weggeschickt worden sei, nachdem er sie gefragt habe, was sie tun würden (Niederschrift, Seite 5 sowie 1. Verhandlungsprotokoll, Seite 15). Damit nicht übereinstimmend führte der BF in seiner Beschwerde aus, dass er die anwesenden Leute darum gebeten habe, dass sie ihr Vorhaben unterlassen, weil die Polizei den BF bzw. seine Familie für den Täter halten würden und zumindest eine Zusammenarbeit mit den Taliban unterstellen würden (Beschwerdeschriftsatz, OZ 1, AS 248). Obwohl die Ausführungen auf eigenen Erlebnissen des BF beruhen sollten, ist er hier nicht in der Lage, übereinstimmende Aussagen zu tätigen.

Unabhängig von den nicht übereinstimmenden Angaben ist nicht nachvollziehbar, dass die bewaffneten Männer den BF überhaupt weggeschickt hätten. Dies aus folgenden Erwägungen: So ist aus dem Rechercheergebnis zu entnehmen, dass die Dorfbewohner in XXXX die Polizei gegen die Taliban unterstützen (OZ 23, Seite 8 bzw. 2. Verhandlungsprotokoll, Seite 14). Aufgrund der Ausführungen des BF im Verfahren, sei die nächste Polizeistation ca. 200 bis 250 Meter vom Haus seiner Familie entfernt gewesen (1. Verhandlungsprotokoll, Seite 18). Sohin habe sich der Ort, an dem der BF die bewaffneten Männer angetroffen habe, in unmittelbarer Nähe der nächsten Polizeistation befunden. Darüber hinaus erklärte der BF im Verfahren, dass es viele weitere Polizeistationen in der Nähe seines Heimatortes gegeben habe (1. Verhandlungsprotokoll, Seite 19). Vor dem Hintergrund, der Bereitschaft der Dorfbewohner, die Polizei im Kampf gegen die Taliban zu unterstützen, der unmittelbaren Nähe einer Polizeistation zu dem Vorfallsort sowie den vielen weiteren Polizeistationen in der Nähe des Heimatortes XXXX , ist nicht nachvollziehbar, dass die bewaffneten Männer den BF weggeschickt hätten, weil sie sich dadurch einem sehr hohen Risiko ausgesetzt hätten, dass der BF Kontakt mit der Polizei in der Nähe aufnimmt und somit ihr Vorhaben, einen Anschlag auf die afghanische Armee durchzuführen, massiv gefährdet gewesen wäre. Auch die Erklärungen des BF in der Beschwerdeverhandlung, dass die Männer nicht daran gedacht hätten, dass der BF über einen anderen Ausgang das Haus verlassen könnte bzw. das Mobilfunknetz in der Nacht nicht funktioniere (1. Verhandlungsprotokoll, Seite 18), ist vor dem Hintergrund der unmittelbaren Nähe der Polizeistation und der Möglichkeit, ein Haus auch über ein Fenster verlassen zu können, nicht nachvollziehbar. Insgesamt sind die geschilderten Ereignisse des BF nicht plausibel. Es ist davon auszugehen, dass er sich im Verfahren keiner wahren Geschichte bediente.

Darüber hinaus steht diese Aussage des BF, dass die Männer nicht daran gedacht hätten, dass der BF über einen anderen Ausgang das Haus verlassen könnte bzw. das Mobilfunknetz in der Nacht nicht funktioniere im Widerspruch zu der Tatsache, dass der BF zu einem späteren Zeitpunkt angab, dass die Taliban angenommen hätten, er hätte die Polizei verständigt (1. Verhandlungsprotokoll, Seite 19). Das Fluchtvorbringen des BF erscheint sohin nicht glaubhaft.

Darüber hinaus tätigte der BF weitere unplausible, unstimmige und widersprüchliche Angaben, die das Vorbringen des BF ebenso als unglaubhaft erscheinen lassen. Zur Illustration wird im Folgenden auf einige Angaben des BF eingegangen.

Auch schilderte der BF den Grund, weshalber die Polizei verständigt habe, unterschiedlich: In seiner Beschwerde führte der BF aus, dass er deshalb schnell zur Polizeistation gelaufen sei, damit diese das Problem lösen könne. Die Polizeistation wäre auf Bombenentschärfung spezialisiert gewesen. Eine akute Gefährdung seiner Familie habe er nicht befürchtet, er habe gehofft, dass die Polizei das Problem lösen könne (Beschwerdeschriftsatz, AS 248). In der Beschwerdeverhandlung erklärte der BF jedoch, dass er deshalb die Polizei verständigt habe, damit sie vom Militär nicht verantwortlich gemacht werden würden. Das Militär wäre davon ausgegangen, dass sie (gemeint: die Familie des BF) etwas damit zu

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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