Entscheidungsdatum
18.12.2019Norm
BFA-VG §18 Abs2 Z1Spruch
I408 2190915-1/26E
Schriftliche Ausfertigung des am 11.11.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Harald NEUSCHMID als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. am XXXX, StA Nigeria, vertreten durch Dr. Martina Schweiger-Apfelthaler, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 20.02.2018, Zl. 307787407-1040329, 170125919, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsbürger Nigerias hält sich seit November 2003 in Österreich auf.
2. Er stellte 2003 und 2008 jeweils Anträge auf internationalen Schutz, die beide rechtskräftig abgewiesen bzw. zurückgewiesen wurden. Am 13.09.2006 wurde zudem gegen ihn wegen Straffälligkeit ein zehnjähriges Einreiseverbot erlassen.
3. Der Beschwerdeführer ignorierte diese Entscheidungen, verblieb im Bundegebiet bzw. entzog sich allen Bestrebungen der belangten Behörde über die nigerianische Botschaft ein Heimreisezertifikat zu bekommen.
3. Am 11.11.2014 erhielt der Beschwerdeführer vom Amt der Wiener Landesregierung einen Aufenthaltstitel, gültig bis 12.11.2016, und eine Rot-Weiß-Rot-Karte Plus zuerkannt (AS 606) und sein Aufenthalt ist seither rechtmäßig.
3. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 15.06.2016, XXXX, wurde der Beschwerdeführer wegen §§ 28a Abs 1 2. Fall, 28a Abs 2 Z 3 SMG, § 207a Abs 3 2. Fall StGB, § 28a Abs 2 SMG einer Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 21 Monaten verurteilt.
4. Am 10.11.2016 stellte der inhaftierte Beschwerdeführer beim Amt der Wiener Landesregierung einen Verlängerungsantrag in Bezug auf seinen Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot Karte plus" (AS 661).
5. Mit Schreiben vom 05.07.2017 ersuchte das Amt der Wiener Landesregierung um Bekanntgabe, ob Bedenken gegen die Erteilung eines Aufenthaltstitels bestehen. (AS 688)
6. Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 20.02.2018 wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.), festgestellt, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt II.) und gegen ihn ein auf die Dauer von 9 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.). Dem Beschwerdeführer wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt IV.) und einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).
7. Mit der Beschwerde vom 01.04.2018 bekämpfte der Beschwerdeführer diese Entscheidung in allen Punkten und stellte u.e. einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.
8. Mit ho. Beschluss vom 18.04.2018 wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
9. Am 11.05.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit des Beschwerdeführers und seiner Rechtsvertretung eine mündliche Verhandlung statt.
10. Am 08.03.2019 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, relevante Änderungen im Privat und Familienleben bekanntzugeben. Dieser Aufforderung wurde mit Stellungnahme vom 22.03.2019 entsprochen.
11. Am 11.11.2019 fand im Beisein des Beschwerdeführers eine mündliche Verhandlung statt, in der das Erkenntnis verkündet wurde.
12. Am 21.11.2019 beantragte die damalige Rechtsvertretung über ausdrücklichen Wunsch des Beschwerdeführers die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses.
13. Am 22.11.2019 gab die nunmehrige Rechtsvertreterin ihre Bevollmächtigung bekannt und ersuchte um Zustellung einer Ausfertigung des Erkenntnisses.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:
Der Beschwerdeführer ist nigerianischer Staatsbürger und hält sich nach illegaler Einreise seit November 2003 in Österreich auf. Er verfügt über einen am 09.03.2012 ausgestellten nigerianischen Reisepass.
Seit 14.11.2014 ist sein Aufenthalt rechtmäßig. Zuvor ignorierte er zwei rechtskräftige, negative Asylentscheidungen sowie die Verhängung eines 10-jährigen Einreiseverbotes wegen Straffälligkeit und verblieb im Bundegebiet.
Bei einem Sprung in einen U-Bahnschacht zog sich der Beschwerdeführer im Mai 2004 eine komplizierte Beckenverletzung (Beckenfraktur mit einer Parese seines re. Plexus lumbosakra Plexus lumbalis) zu. Als Unfallfolge verblieb eine ausgeprägte Schwäche des rechten Beins und er benötigt zur Fortbewegung zwei Krücken. (AS 344). Im Zuge des damaligen Krankenhausaufenthaltes wurde zudem eine HIV-infizierung festgestellt. 2010 wurde ihm ein künstliches Hüftgelenk implantiert und ihm 2015 ein Behindertenausweis ausgestellt. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit beträgt 70% (AS 640). Wegen seiner HIV-Erkrankung nimmt der Beschwerdeführer täglich Triumeq und bei Schmerzen aufgrund seiner Beckenfraktur Schmerztabletten. Zusätzlich erhält der Beschwerdeführer Physiotherapien, zuletzt im Sommer 2019.
Der Beschwerdeführer wurde in Österreich zweimal straffällig:
Am 12.5.2004, sechs Monate nach seiner Einreise, wurde er bei der Veräußerung von Kokain aufgegriffen und mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 15. Februar 2005, XXXX nach §§ 27 Abs. 1 und 2 Z. 2 (erster Fall) SMG, 15 StGB zu einer bedingten Haftstrafe von 7 Monate verurteilt.
Am 14.02.2016 wurde er bei der Einreise aus Dubai am Flughafen Schwechat mit 507,6 Gramm Kokain aufgegriffen. Außerdem war er im Besitz von Videodateien mit pornographischen Darstellungen unmündiger Minderjähriger (AS 620 - 622) und eines nigerianischen Reisepasses, ausgestellt in Berlin und gültig von 09.03.2012 bis 08.03.2017 (AS 625). Er hielt sich zudem vom 13.12.2015 bis 19.12.2015 in Dubai auf. Dass er dabei ebenfalls Drogen transportierte, konnte nicht nachgewiesen werden und war auch nicht Gegenstand des Strafverfahrens.
Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 15.06.2016, XXXX, wurde der Beschwerdeführer wegen §§ 28a Abs 1 2. Fall, 28a Abs 2 Z 3 SMG, § 207a Abs 3 2. Fall StGB, § 28a Abs 2 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 21 Monaten verurteilt. Die verhängte Haftstrafe verbüßte er von 15.02.2016 bis 14.04.2017.
Trotz seiner körperlichen Beeinträchtigung flog der Beschwerdeführer 2015 und 2016 zweimal nach Dubai und einmal vom 09.01.2015 bis 20.02.2015 knappe zwei Monate nach Nigeria und hielt sich dort fast zwei Monate auf.
In Österreich ging der Beschwerdeführer nie einer legalen Erwerbstätigkeit nach und war durchgehend auf staatliche Unterstützungen angewiesen. Seit seiner Entlassung aus der Haft verkauft er nach eigenen Angaben auf Provisionsbasis (50 Cent pro Stück) Telefonwertkarten für ein afrikanisches Geschäft. Auch in Nigeria war der Beschwerdeführer früher als Verkäufer tätig und hat dort Kinderbekleidung verkauft.
Wie er sich auf legalem Weg die drei Flüge und die Aufenthalte in Dubai und Nigeria finanzierte, konnte er nicht glaubhaft begründen.
Der Beschwerdeführer beherrscht Englisch muttersprachlich, spricht Deutsch nur auf Niveau A2 und war in beiden mündlichen Verhandlungen auf Dolmetscherunterstützung angewiesen. In Nigeria bestehen im Gegensatz zu Österreich verwandtschaftliche Beziehungen.
In Österreich lebt der Beschwerdeführer in einer Unterkunft der Diakonie in einem Zweibettzimmer. Abgesehen von Kontakte über eine afrikanische Gemeinde haben sich keine weiteren Anhaltspunkte, die für eine vertiefende Integration in Österreich sprechen, ergeben.
In Nigeria gibt es keine klassischen Bürgerkriegsgebiete oder -parteien. In Wesentlichen bestehen Konfliktherde mit Boko Haram im Nordosten, zwischen Hirten und Bauern im Middle-Belt sowie Spannungen im Nigerdelta. Staatliche Institutionen und Organe funktionieren. Das fruchtbare und rohstoffreiche Land ist in der Lage die Grundversorgung der Bevölkerung zu sichern. Der Großteil der Bevölkerung ist im informellen Wirtschaftssektor und in der Landwirtschaft beschäftigt. Die Einkommen sind höchst ungleich verteilt, die Arbeitslosigkeit ist hoch und mehr als zwei Drittel der Bevölkerung lebt in absoluter Armut. Programme zur Armutsbekämpfung existieren sowohl auf Landesebene als auch auf lokaler Ebene. Zudem sind zahlreiche NGOs in der Armutsbekämpfung aktiv. Die größten Herausforderungen für das Land sind das starke Bevölkerungswachstum und die Bekämpfung der Korruption.
Auch wenn die Gesundheitsversorgung in Nigeria als mangelhaft bezeichnet wird, hat sich in den letzten Jahren die medizinische Versorgung in den Haupt- und größeren Städten deutlich verbessert. Im Regelfall müssen die Kosten der medizinischen Betreuung selbst bezahlt werden. Die staatlichen Gesundheitszentren heben eine Registrierungsgebühr von 10 bis 25 Cent ein. Tests und Medikamente werden, sofern vorhanden, unentgeltlich abgegeben. Alle geläufigen Medikamente, so auch Schmerzmittel, sind in Apotheken zu kaufen. In Nigeria leben über drei Millionen Menschen, die mit HIV infiziert sind. So bestehen in allen Regionen in bestimmten, lizensierte öffentliche Krankenhäusern HIV Ambulanzen, in denen Patienten kostenlos antiretrovirale Medikamente erhalten können.
Es ist daher nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in eine ausweglose oder lebensbedrohliche Lage gerät.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus den dort genannten behördlichen und gerichtlichen Entscheidungen, die dem umfangreichen Behördenakt zu entnehmen sind und die mit dem Beschwerdeführer und seiner Vertretung in zwei mündlichen Verhandlungen ausführlich erörtert wurden.
Die Identität des Beschwerdeführers ergibt sich aus seinen Angaben und den bei ihm vorgefundenen nigerianischen Reisepass.
Bezüglich seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen stützt sich das erkennende Gericht zudem auf die im Behördenakt aufliegenden und vom Beschwerdeführer zuletzt in der mündlichen Verhandlung am 11.11.2019 vorgelegten Befunde bzw. seiner dort gemachten Angaben. Die Minderung seiner Erwerbsfähigkeit ist aus dem vorgelegten Behindertenausweis ersichtlich.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in Österreich nie einer legalen Tätigkeit nachgegangen ist, ergibt sich aus dem eingeholten Sozialversicherungsauszug und wird, abgesehen von unangemeldeten Beschäftigungen (Portier für sechs Monate und Verkauf von Telefonwertkarten seit seiner Haftentlassung) vom Beschwerdeführer in beiden Verhandlungen auch nicht in Abrede gestellt. Bezüglich seiner Unterbringung in Österreich und den Bezug von staatlichen Leistungen stützt sich das Gericht auf die Angaben des Beschwerdeführers in den beiden mündlichen Verhandlungen sowie die Einsichtnahme in GVS- und SV-Abfragen.
Die Feststellung, dass ein Aufenthalt seit 14.11.2014 rechtmäßig und er am 10.11.2016 einen Verlängerungsantrag gestellt hat, über den noch nicht abgesprochen wurde, ist den IZR-Angaben und dem Schreiben des Amtes der Wiener Landesregierung vom 05.07.2017 zu entnehmen. Dass der Beschwerdeführer bei der Stellung dieses Verlängerungsantrages bereits in Haft war, ergibt sich aus der vorgenommenen ZMR-Abfrage.
Die strafgerichtlichen Verurteilungen und der dazu führende Sachverhalt ist den beiden im Behördenakt vorliegenden Strafurteilen zu entnehmen. Der Verdacht, dass auch der vorangegangene Aufenthalt des Beschwerdeführers in Dubai im Dezember 2015 dem Schmuggel von Drogen diente, ergibt sich aus dem Anlassbericht der LPD NÖ vom 15.02.2016 (AS 632), war aber lt. Strafurteil vom 16.06.2016 nicht mehr Gegenstand des Strafverfahrens.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer trotz seiner körperlichen Beeinträchtigung zweimal nach Dubai und einmal nach Nigeria geflogen ist, ergibt sich aus den Eintragungen im nigerianischen Reisepass des Beschwerdeführers und werden vom Beschwerdeführer auch nicht in Abrede gestellt. Für die Finanzierung dieser Flüge und Aufenthalte konnte er in beiden Verhandlungen keine glaubhafte Begründung liefern, zumal er dazu - auch im Strafverfahren - widersprüchliche Angaben machte. Das gilt insbesondere für die Behauptung, er habe sich das Geld selbst erspart bzw. von Freunden (uneigennützig) erhalten.
Die Feststellungen zur Sicherheitslage, zu den wirtschaftlichen Verhältnissen sowie zur medizinischen Versorgung der Bevölkerung in Nigeria beruhen auf den aktuellen Länderberichten vom 12.04.2019 und den Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation zur Behandlung von HIV-Patienten vom 03.06.2015 und 05.03.2019, die in der mündlichen Verhandlung am 11.11.2019 mit den anwesenden Parteien erörtert wurden. Die darin enthaltenen Quellen blieben unbestritten.
Wenn die Rechtsvertretung anführt, dass lt. Länderbericht lediglich 30% der mit HIV infizierten Personen entsprechende Medikamente einnehmen, dann handelt es sich dabei nach Einsichtnahme in die entsprechende Quelle nur um einen statistischen Wert (http://www.unaids.org/sites/default/files/media_asset/unaids-data-2018_en.pdf), aus dem nicht zu entnehmen ist, dass entsprechende Medikamente nicht vorhanden sind. Ebenso kann aus der Minderung der Erwerbsfähigkeit um 70% des Beschwerdeführers nicht abgeleitet werden, dass eine Arbeitsaufnahme in Nigeria nicht möglich ist. Der Beschwerdeführer ist, wie er selbst angibt, arbeitsfähig und verkauft in Österreich Telefonwertkarten. Zudem war er bereits in Nigeria im Verkaufsgewerbe tätig und weist damit auch entsprechende Arbeitserfahrung auf. Die Schlussfolgerung der Rechtsvertretung, dass der Beschwerdeführer deshalb in eine ausweglose Situation gerät, ist damit nicht begründet.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde
3.1. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 52 Abs 4 Z 4 BFG hat gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, eine Rückkehrentscheidung zu ergehen, wenn der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs 1 und 2 NAG) entgegensteht.
Nach der zitierten Gesetzesbestimmung des NAG dürfen einem Fremden ein (weiterer) Aufenthaltstitel nicht erteilt werden, wenn gegen ihn ein aufrechtes Einreiseverbot gemäß § 53 FPG besteht (Abs 1 Z 1) bzw. der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet (Abs 2 Z 1).
Gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z i FPG kann ein Einreiseverbot für die Dauer von 10 Jahren erlassen werden, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Diese Voraussetzung gilt u.a. dann erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.
Gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).
Die Voraussetzungen des § 52 Abs 4 Z 4 BFG sind im gegenständlichen Fall durch die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels (§ 28a Abs 1 zweiter Fall und Abs 3 SMG) und des Vergehens der pornographischer Darstellung Minderjähriger (§ 207a Abs. 3 zweiter Fall StGB) erfüllt.
Auch wenn die belangte Behörde im gegenständlichen Fall von einem Daueraufenthalt EU des Beschwerdeführers ausgeht und sich auf § 52 Abs 5 FPG stützt, erweist sich die Rückkehrentscheidung im Ergebnis als gesetzmäßig, zumal auch die nach § 9 Abs 1 BFA-VG vorzunehmende Interessensabwägung nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers ausfällt.
Auch wenn er sich seit 2003 und damit deutlich mehr als 10 Jahre im Bundegebiet aufhält, sind Integrationsbemühungen des Beschwerdeführers in all diesen Jahren nicht erkennbar. Vielmehr ist sein Aufenthalt überwiegend durch sein straffälliges Verhalten bereits fünf Monate nach seiner illegalen Einreise und das in weiterer Folge jahrelange Missachten von rechtskräftig ergangenen Rückkehrentscheidungen und der Verhängung eines 1o-jährigen Einreiseverbotes geprägt. Sein Aufenthalt wurde erst im November 2014 legitimiert und 15 Monate später wurde der Beschwerdeführer neuerlich massiv straffällig. Im gesamten Zeitraum, und zwar auch nach der Zuerkennung eines Aufenthaltstitels ging der Beschwerdeführer nie einer geregelten, legalen Tätigkeit nach und lebte von staatlichen Unterstützungsleistungen. Er ist damit trotz seines langjährigen Aufenthaltes als mittellos anzusehen. Seine Deutschkenntnisse sind als bescheiden anzusehen und es haben sich in all den Jahren keine hervorzuhebenden persönlichen oder sozialen Kontakte entwickelt.
Im Gegensatz dazu verfügt er in Nigeria über familiäre und verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte, ist mit den sozialen, kulturellen und sprachlichen Gegebenheiten vertraut. Demgegenüber steht das massive öffentliche Interesse an einem rechtskonformen Verhalten eines Drittstaatsangehörigen, welches im konkreten Fall schon aufgrund der strafgerichtlichen Verurteilung nicht gegeben ist. Damit ist eine Rückkehrentscheidung auch nach langen Aufenthalt unter Berücksichtigung der dazu ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zulässig und gesetzmäßig.
Die Beschwerde zu Spruchpunkt I. war daher abzuweisen.
3.2. Zum Ausspruch, dass die Ausweisung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt II.):
Gemäß § 52 Abs 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art 2 oder 3 EMRK oder deren 6. bzw 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Gemäß § 50 Abs 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Nach § 50 Abs 3 FPG ist die Abschiebung unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes führt eine Abschiebung nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände zu einer Verletzung nach Art 3 EMRK.
Wie in den Feststellungen zur Situation in seinem Herkunftsstaat dargelegt, besteht in Nigeria keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes. Eine schwierige Lebenssituation auch aufgrund seiner gesundheitlichen und körperlichen Beeinträchtigungen reicht für sich betrachtet ebenfalls nicht aus, um daraus eine Verletzung nach Art 3 EMRK abzuleiten. So ist der Beschwerdeführer trotz Minderung seiner Erwerbsfähigkeit arbeitsfähig, verkauft in Österreich Telefonwertkarten und war auch in der Lage Langstreckenflüge und längere Auslandsaufenthalte vorzunehmen. Der tatsächliche Zugang zur notwendigen Behandlung seiner Erkrankung (HIV-positiv) und der für seinen Leidenszustand erforderlichen Medikamente ist gegeben. Dass diese Behandlung im Einzelfall nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, zumal der Beschwerdeführer arbeitsfähig ist, im Verkauf von Waren bereits Arbeitserfahrung im Herkunftsstaat besitzt und dort über familiäre oder verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte verfügt. Unabhängig davon hielt er sich Anfang 2015 fast zwei Monate in Nigeria auf, sodass davon auszugehen ist, dass er bei einer Rückkehr nicht völlig alleine auf sich gestellt ist.
Die Beschwerde war daher auch zu Spruchpunt II. abzuweisen.
3.3. Verhängung eines Einreiseverbots (Spruchpunkt VIII.)
Wie schon bei der Rückkehrentscheidung (Pkt. 3.1.) ausgeführt, ist ein Einreiseverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art 8 Abs 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat nach z 1 leg.cit. insbesondere zu gelten, wenn ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.
In Österreich ist der Beschwerdeführer von Anbeginn seines Aufenthaltes auf staatliche Leistungen angewiesen und ist hier nur aufgrund seiner strafgerichtlichen Verurteilungen, zuletzt wegen Suchtgifthandels und des Besitzes von kinderpornographischen Videos, und der jahrelangen Missachtung fremdrechtlicher Entscheidungen in Erscheinung getreten. Schon daraus ergibt sich die von Gesetz geforderte schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit bei einem Verbleib des Beschwerdeführers im Bundesgebiet. Auch das Fehlen einer nachvollziehbaren Begründung, wie sich der Beschwerdeführer trotz seiner Mittellosigkeiten seinen weiteren Flug nach Dubai sowie seinen Aufenthalt in Nigeria mit legalen Mitteln finanzieren konnte, lässt auf eine schwerwiegende Gefahr schließen.
Im Ergebnis erweist sich auch die von der belangten Behörde festgelegte Dauer von neun Jahren als angemessen und gesetzmäßig.
Die Beschwerde war auch zu Spruchpunkt III. anzuweisen.
Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rückkehrentscheidung bzw. zum Einreiseverbot ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Abschiebung, aufschiebende Wirkung - Entfall, Einreiseverbot,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:I408.2190915.1.00Zuletzt aktualisiert am
28.04.2020