TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/11 W140 2225248-5

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Veröffentlicht am 11.02.2020
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Entscheidungsdatum

11.02.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W140 2225248-5/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. HÖLLER als

Einzelrichterin im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl: XXXX über die weitere Anhaltung von XXXX , geb. XXXX alias 01.01.1999,

StA. Marokko, in Schubhaft zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG idgF wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

II. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Mit Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 21.07.2019, Regionaldirektion Kärnten, wurde über den Beschwerdeführer (BF) gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angeordnet.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.01.2020, W250 2225248-4/2E,

wurde gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

Das Bundesverwaltungsgericht führte u. a. Folgendes aus:

"Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF bezeichnet) wurde am 21.07.2019 beim Versuch unrechtmäßig von Österreich nach Italien auszureisen in einem Reisezug von Wien nach Venedig von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes aufgegriffen und gemäß § 40 BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG festgenommen. Bei seiner durch eine Landespolizei am 21.07.2019 durchgeführten Befragung gab der BF an, dass er am 01.01.1999 geboren worden sei und er nach Italien weiterreisen wolle. Er sei gesund und nehme keine Medikamente ein. Er habe weder Freunde noch Verwandte in Österreich und besitze ca. EUR 51,06.

Im Zuge der Befragung stellte der BF einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge als Bundesamt bezeichnet) vom 21.07.2019 wurde über den BF Schubhaft angeordnet, seither wird er in Schubhaft angehalten.

3. Am 22.07.2019 wurde der BF vom Bundesamt zu seinem Asylantrag einvernommen, wobei er - soweit im vorliegenden Verfahren wesentlich - zusammengefasst insbesondere angab, dass er gesund sei und an keinen Krankheiten leide. Er besitze ein Foto seines Reisepasses auf seinem Mobiltelefon. Zum Verbleib seines Reisepasses gab der BF zunächst an, dass er diesen in Griechenland verloren habe, räumte im weiteren Verlauf der Einvernahme jedoch ein, den Reisepass aus Angst vor einer Abschiebung nach Marokko in den Müll geworfen zu haben.

4. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 26.07.2019 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz vollinhaltlich abgewiesen und ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gleichzeitig wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Marokko zulässig ist sowie dass keine Frist für eine freiwillige Ausreise besteht. Einer Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.

5. Am 31.10.2019 stimmte das Bundesamt einer freiwilligen Ausreise des BF nach Marokko zu. Der BF ist bisher nicht ausgereist.

6. Das Bundesverwaltungsgericht stellte mit mündlich verkündeten Erkenntnissen vom 20.11.2019 und 23.12.2019 fest, dass die weitere Anhaltung des BF in Schubhaft verhältnismäßig ist.

7. Das Bundesamt legte am 16.01.2020 den gegenständlichen Akt neuerlich gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht vor und teilte ergänzend mit, dass der BF am 15.01.2020 der marokkanischen Vertretungsbehörde im Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates vorgeführt worden sei. Ein Ergebnis zu diesem Vorführungstermin liege noch nicht vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Zum Verfahrensgang (I.1. - I.7.)

Der unter Punkt I.1. bis I.7. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.

2. Zur Person des BF und zu den Voraussetzungen der Schubhaft

2.1. Der BF hat keine Dokumente vorgelegt, die seine Identität bescheinigen. Er gibt an marokkanischer Staatsangehöriger zu sein. Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Der BF ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter. Der BF ist in Österreich unbescholten.

2.2. Der BF wird seit 21.07.2019 in Schubhaft angehalten.

2.3. Der BF ist haftfähig. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim BF vor.

3. Zum Sicherungsbedarf und zur Fluchtgefahr

3.1. Der BF reiste von Italien kommend unrechtmäßig nach Österreich ein und beabsichtigte am 21.07.2019 wiederum unrechtmäßig nach Italien auszureisen um nach Spanien weiterzureisen.

3.2. Der BF verfügte über einen Reisepass, den er jedoch absichtlich weggeworfen hat, um seine Abschiebung nach Marokko zu erschweren. Der BF hat dem Bundesamt bisher keine Dokumente vorgelegt, die seine Identität bescheinigen. Der BF verfügt lediglich über ein Foto seines Reisepasses auf seinem Mobiltelefon.

3.3. Bei seinem Aufgriff am 21.07.2019 gab der BF ein falsches Geburtsdatum an.

3.4. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 26.07.2019 wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen. Es liegt eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.

3.5. Der BF verfügt in Österreich über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz, keine Familienangehörigen und über kein soziales Netz. Er geht in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und verfügt über keine eigenen finanziellen Mittel zur Existenzsicherung.

3.6. Der BF hat einen Antrag auf Rückkehrhilfe gestellt, er ist jedoch nicht bereit, freiwillig nach Marokko zurückzukehren.

4. Zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft

4.1. Das Bundesamt hat ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF bei der marokkanischen Vertretungsbehörde eingeleitet. Urgenzen fanden am 29.10.2019 und 16.12.2019 statt. Am 15.01.2020 wurde der BF von der marokkanischen Vertretungsbehörde im Rahmen eines Interviews befragt. Da ein Foto der ersten Seite des marokkanischen Reisepasses des BF vorliegt, ist mit einer zeitnahen Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF zu rechnen.

4.2. Eine Änderung der Umstände seit der Feststellung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.12.2019, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft weiterhin vorliegen, hat sich im Verfahren nicht ergeben.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungs- und Gerichtsakt sowie in die Akte des Bundesverwaltungsgerichtes das bisherige Schubhaftverfahren des BF betreffend, in das Grundversorgungs-Informationssystem, in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister sowie in die Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres.

1. Zum Verfahrensgang, zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft

1.1. Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes, dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes sowie aus den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes das bisherige Schubhaftverfahren des BF betreffend.

1.2. Die Feststellungen zur Identität des BF beruhen auf dem Inhalt des Verwaltungsaktes. Daraus ergibt sich, dass der BF keine Dokumente vorgelegt hat, die seine Identität bescheinigen, dass der BF jedoch über ein Foto seines Reisepasses auf seinem Mobiltelefon verfügt. Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt sind im Verfahren nicht hervorgekommen, ebensowenig besteht ein Zweifel an der Volljährigkeit des BF. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde rechtskräftig abgewiesen. Der BF ist daher weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter. Seine Unbescholtenheit ergibt sich aus dem Strafregister.

1.3. Dass der BF seit 21.07.2019 in Schubhaft angehalten wird, ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes sowie aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres.

1.4. Es haben sich keine Anhaltspunkte ergeben, wonach beim BF eine Haftunfähigkeit vorliegen würde. Eine Haftunfähigkeit wurde vom BF nicht behauptet. Auch in sämtlichen Einvernahmen sowie in den mündlichen Verhandlungen am 20.11.2019 und 23.12.2019 gab der BF an, gesund zu sein. Auch aus der Anhaltedatei ergeben sich keine Hinweise auf Erkrankungen des BF.

2. Zum Sicherungsbedarf und zur Fluchtgefahr

2.1. Die Feststellungen zur unrechtmäßigen Einreise des BF aus Italien kommend nach Österreich uns seiner beabsichtigten Ausreise nach Italien ergeben sich aus den in den bisherigen Verfahren gemachten Angaben des BF, insbesondere aus seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 23.12.2019.

2.2. Dass der BF bei seinem Aufgriff am 21.07.2019 ein anderes Geburtsdatum angab als jenes, das sich aus dem Foto seines Reisepasses ergibt, steht auf Grund der Protokolle über seinen Aufgriff sowie seine Einvernahme durch eine Landespolizeidirektion am 21.07.2019 fest

2.3. Dass der BF über einen Reisepass verfügte, den er jedoch absichtlich weggeworfen hat, um seine Abschiebung nach Marokko zu erschweren, räumte der BF selbst in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt am 22.07.2019 ein. Aus dem Verwaltungsakt ergibt sich, dass der BF dem Bundesamt bisher keine Dokumente vorgelegt hat, die seine Identität bescheinigen. Der BF verfügt entsprechend dem Verwaltungsakt lediglich über ein Foto seines Reisepasses auf seinem Mobiltelefon.

2.4. Die Feststellungen zu der mit Bescheid des Bundesamtes vom 26.07.2019 erlassenen Rückkehrentscheidung ergeben sich aus dem Verwaltungsakt.

2.5. Die Feststellungen zum mangelnden Wohnsitz sowie seiner mangelnden familiären und sozialen Anknüpfungspunkte in Österreich ergeben sich aus den Angaben des BF in den bisherigen Verfahren, insbesondere aus jenen in der mündlichen Verhandlung vom 23.12.2019.

2.6. Der BF hat zwar einen Antrag auf Rückkehrhilfe gestellt, dem vom Bundesamt mit einer Gültigkeitsdauer bis 29.01.2020 auch zugestimmt wurde, doch ist die damit bekundete Bereitschaft nach Marokko auszureisen aus folgenden Erwägungen nicht glaubhaft. Der BF hat bei seinem Aufgriff am 21.07.2019 ein falsches Geburtsdatum angegeben, das er erst im Zuge des Asylverfahrens richtigstellte. Noch im Zuge seines Asylverfahrens beteuerte er, nicht nach Marokko zurückkehren zu können. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 20.11.2019 weigerte er sich, seine Wohnadresse in Marokko zu nennen und führte in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 23.12.2019 aus, dass er religiöse Probleme in Marokko habe. Insgesamt kann daher nicht festgestellt werden, dass der BF bei seiner Freilassung aus der Schubhaft für das Bundesamt greifbar sein werde oder gar selbstständig nach Marokko ausreisen werde.

3. Zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft

3.1. Aus den im Verwaltungsakt einliegenden Urgenzen im Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates steht fest, dass das Bundesamt ein derartiges Verfahren eingeleitet hat und auf eine zügige Durchführung dieses Verfahrens drängt. Auf Grund des Vorliegens eines Fotos des Reisepasses des BF sowie dem mittlerweile durchgeführten Interview des BF durch die marokkanische Vertretungsbehörde ist mit einer zeitnahen Ausstellung eines Heimreisezertifikates zu rechnen.

3.2. Eine Änderung der Umstände seit der Feststellung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.12.2019, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft weiterhin vorliegen, ist dem Verwaltungsakt nicht zu entnehmen. Gegenteiliges ist auch im durchgeführten Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

(...)

3.1.3. Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Ziff. 1 FPG. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Anordnung der Schubhaft grundsätzlich - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - möglich ist. Voraussetzung für die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung ist das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft. Zur Sicherung der Abschiebung kommt Schubhaft darüber hinaus nur dann in Betracht, wenn die Abschiebung auch tatsächlich im Raum steht.

3.1.4. Im vorliegenden Fall liegt eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor. Der BF wurde im Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates der marokkanischen Vertretungsbehörde vorgeführt und verfügt über ein Foto seines Reisepasses auf seinem Mobiltelefon. Mit der Erlangung eines Heimreisezertifikates ist daher zu rechnen, weshalb auch die Abschiebung des BF möglich erscheint.

3.1.5. Im vorliegenden Fall geht das Gericht auch weiterhin von Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG aus.

Dabei ist gemäß § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG zu berücksichtigen, ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert. Der BF hat bei seinem Aufgriff ein falsches Geburtsdatum angegeben, weshalb er am Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nicht mitgewirkt hat. Seinen Reisepass hat er bewusst in den Müll geworfen, um seine Abschiebung zu erschweren. Dadurch hat er den Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG erfüllt.

Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt, ist gemäß § 76 Abs. 3 Z. 3 FPG zu berücksichtigen, ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat. Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021). Da gegen den BF eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorliegt und er seine Abschiebung erschwert hat, ist auch der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 3 FPG erfüllt.

Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt sind gemäß § 76 Abs. 3 Z. 9 FPG der Grad der sozialen Verankerung des Fremden in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit bzw. das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen. Das Verfahren hat keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass im Fall des BF Umstände vorliegen, die wegen seiner Verankerung im Bundesgebiet gegen das Bestehen der Fluchtgefahr sprechen.

Es liegt daher weiterhin Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 Z. 1, 3 und 9 FPG vor.

Bei der Beurteilung des Sicherungsbedarfes ist das gesamte Verhalten des BF vor Verhängung der Schubhaft sowie seine familiäre, soziale und berufliche Verankerung im Inland in einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen. Diese Beurteilung hat ergeben, dass mehrere Kriterien für das Bestehen eines Sicherungsbedarfes sprechen. Es war daher eine konkrete Einzelfallbeurteilung vorzunehmen welche ergeben hat, dass sowohl das Vorverhalten als auch die vorzunehmende Verhaltensprognose einen Sicherungsbedarf ergeben haben, da im Fall des BF ein beträchtliches Risiko des Untertauchens gegeben ist. Der BF hat nach seiner unrechtmäßigen Einreise versucht Österreich wiederum unrechtmäßig zu verlassen. Bei seinem Aufgriff durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nannte er ein falsches Geburtsdatum und hat bereits vor seiner Einreise nach Österreich seinen Reisepass weggeworfen, um seine Abschiebung zu erschweren. Er hält sich unrechtmäßig in Österreich auf und es liegt eine den BF betreffende durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor. In diesem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium reichen grundsätzlich weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist (VwGH vom 20.02.2014, 2013/21/0178).

In Österreich befinden sich weder Familienangehörige des BF noch ist er sonst sozial verankert. Der BF verfügt in Österreich über keinen gefestigten Wohnsitz und auch nicht über ausreichende Mittel zur Existenzsicherung. Einer legalen Beschäftigung ging er in Österreich bisher nicht nach. Die vom BF bekundete Bereitschaft, freiwillig nach Marokko auszureisen, ist nicht glaubhaft.

Es ist daher auch Sicherungsbedarf gegeben.

3.1.6. Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

Der BF hat keinerlei familiäre oder soziale Bindungen in Österreich. Einer legalen Erwerbstätigkeit geht der BF in Österreich nicht nach. Er hat falsche Daten zu seiner Identität angegeben und sein Reisedokument bewusst weggeworfen um seine Abschiebung zu erschweren.

Die Dauer der Schubhaft ist durch dieses Verhalten des BF selbst bedingt. Sowohl für seine freiwillige Rückkehr nach Marokko als auch für seine Abschiebung ist ein Reisedokument erforderlich. Da der BF zwar über einen Reisepass verfügt hat, diesen jedoch bewusst weggeworfen hat, um seine Abschiebung zu erschweren, hat der BF die Notwendigkeit der Erlangung eines Heimreisezertifikates selbst herbeigeführt.

Den persönlichen Interessen des BF kommt daher ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen - insbesondere an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung.

Das erkennende Gericht geht daher davon aus, dass die angeordnete Schubhaft auch weiterhin das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfüllt. Dies auch unter Berücksichtigung der Verpflichtung der Behörde auf eine möglichst kurze Dauer der Schubhaft hinzuwirken, da das Bundesamt im eingeleiteten Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates regelmäßig Urgenzen an die marokkanische Vertretungsbehörde gerichtet hat und so die Vorführung des BF vor eine Delegation der marokkanischen Vertretungsbehörde am 15.01.2020 erreicht hat.

Bei einer im Sinne des § 80 Abs. 4 Z. 2 und Z. 4 FPG höchstzulässigen Dauer der Schubhaft von 18 Monaten erscheint die Aufrechterhaltung der seit 21.07.2019 bestehenden Anhaltung des BF in Schubhaft verhältnismäßig.

3.1.7. Zu prüfen ist, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt. Eine Sicherheitsleistung kann auf Grund der fehlenden finanziellen Mittel des BF nicht zur Anwendung kommen. Aber auch die konkrete Zuweisung einer Unterkunft oder einer Meldeverpflichtung kann auf Grund des vom BF in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens nicht zum Ziel der Sicherung der Abschiebung führen, da diesfalls die konkrete Gefahr des Untertauchens des BF besteht. Der BF hat zwar in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 23.12.2019 angegeben, bei einer Person, die er in der Schubhaft kennengelernt habe, wohnen zu können, war jedoch weder in der Lage den vollständigen Namen dieser Person noch die Adresse zu nennen. Da der BF seine Reise nach Österreich seit seinem Aufenthalt in Griechenland ohne Reisedokument fortgesetzt hat und auch Österreich ohne Reisedokument verlassen wollte um letztlich nach Spanien zu gelangen, liegen in Zusammenschau mit der Tatsache, dass der BF keinerlei Bindungen an Österreich aufweist keine Umstände vor, die darauf schließen lassen, dass der BF bis zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für das Bundesamt greifbar sein werde. Dies umso mehr, als die vom BF vorgebrachte Bereitschaft freiwillig nach Marokko auszureisen nicht glaubhaft ist, mittlerweile ein Interview vor der marokkanischen Vertretungsbehörde stattgefunden hat und auf Grund des vorliegenden Fotos seines Reisepasses mit der baldigen Erlangung eines Heimreisezertifikates gerechnet werden kann.

Die Verhängung eines gelinderen Mittels kommt daher weiterhin nicht in Betracht.

3.1.8. Die hier zu prüfende Schubhaft stellt daher nach wie vor eine "ultima ratio" dar, da sowohl Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung des BF zu gewährleisten.(...)"

Die Verwaltungsbehörde übermittelte am 06.02.2020 zum Zwecke der Überprüfung der Schubhaft im Sinne des § 22a Abs. 4 BFA-VG die Verwaltungsakten womit "die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht gilt".

Mit E-Mail vom 06.02.2020 übermittelte das BFA folgende Stellungnahme:

"(...) Das BFA erlaubt sich, folgende Stellungnahme abzugeben:

Der Fremde am 21.07.2019 in XXXX im Reisezug nach Italien einer Kontrolle unterzogen, wobei festgestellt wurde, dass er sich ohne Dokumente im Bundesgebiet aufhält, somit illegal. Eine ED Behandlung brachte keinerlei Eurodac-Treffer zum Vorschein. Seitens des BFA wurde vorerst ein FNA nach § 34 Abs 1 Z 2 BFA-VG erlassen (unrechtmäßiger Aufenthalt), er wurde idF ins PAZ XXXX eingeliefert. Durch den JD des BFA RD XXXX wurde um 08:09 Uhr ein FNA nach § 34 Abs 3 Z 1 (zur Prüfung von Sicherungsmaßnahmen) erlassen.

Er wurde in der Folge im PAZ XXXX befragt, wobei ihm auch mitgeteilt wurde, dass ein FNA nach § 34 Abs 3 Z 1 BFA-VG gegen Ihn erlassen wurde. Er gab vorerst an, gesund zu sein und nach Italien zu wollen, keine Anbindungen in Österreich zu haben, sowie 51 Euro zu besitzen und aus Marokko über die Türkei und Griechenland, Albanien, Mazedonien, Bosnien und Slowenien und Italien nach Österreich gekommen zu sein. Er wollte allerdings wieder zurück nach Italien, da in Österreich die Chancen für eine Asylgewährung schlecht seien, was ihm ein Freund geraten hätte. In seinem Handy konnte eine Kopie Ihres Reisepasses vorgefunden werden, welche er nach Aufforderung dem Mitarbeiter des BFA freiwillig zeigte. Am Ende der Befragung verweigerte er die Unterschrift und stellten einen Asylantrag.

Er stellte am 21.07.2019 im Stande der Anhaltung am Ende der BFA Befragung einen Antrag auf internationalen Schutz.

Er wurde am 21.07.2019 von der Polizei einer Erstbefragung unterzogen, wobei er angab, dass er sein Heimatland verlassen hätte müssen, da er konvertiert wäre.

Der AV nach § 40 Abs 5 BFA-VG wurde ihm im Zuge der Erstbefragung nachweislich am 21.07.2019 um 17:45 zugestellt.

Das Asylverfahren wurde vom BFA negativ entschieden, es wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt. Der Bescheid wurde am 26.07.2019 im AHZ XXXX zugestellt und ist in Rechtskraft erwachsen.

Das HRZ Verfahren mit Marokko wurde eingeleitet und ist auf Grund der Tatsache, dass es eine Kopie bzw. ein Foto seines marokkanischen Reisepasses gibt, mit einer Zeitnahen Ausstellung zu rechnen. Der Fremde hat sich für die freiwillige unterstützte Rückkehr angemeldet. Die letzte HRZ Urgenz erfolgte am 16.12.2019.

Der BVwG Graz entschied in mündlicher Verhandlung am 20.11.2019 unter G309 2225248-2/9E, schriftlich ausgefertigt am 05.12.2019, dass die maßgeblichen Voraussetzungen zur weiteren Aufrechterhaltung der Schubhaft vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. In weiterer Folge bestätigte der BVwG Graz die Aufrechterhaltung der Schubhaft am 23.12.2019. Zuletzt wurde die Schubhaft unter W250 2225248-4/2E vom BVwG Wien am 17.01.2020 bestätigt.

Somit sieht das BFA, Kärnten, die Verhältnismäßigkeit der Aufrechterhaltung der Schubhaft über einen längeren Zeitraum als vier Monate als gegeben, da er sich zwar zur freiwilligen Ausreise angemeldet hat, diese jedoch noch nicht erfolgt ist. Sollte er nicht freiwillig ausreisen, wird er nach Ausstellung des HRZ abgeschoben werden."

Das Bundesverwaltungsgericht hat von Amts wegen erwogen:

1. Feststellungen:

Der angeführte Verfahrensgang und die zitierten Entscheidungsgründe des Vorerkenntnisses werden übernommen und zu Feststellungen in der gegenständlichen Entscheidung erhoben; ebenso die von der Verwaltungsbehörde in ihrer Stellungnahme anlässlich der Aktenvorlage angeführten Ausführungen u. a. betreffend Bemühungen zur Erlangung eines Heimreisezertifikates.

Auf der Tatsachenebene liegt keine Änderung - die Fluchtgefahr betreffend - vor.

Der BF ist haftfähig, es sind keine Umstände hervorgekommen, dass die weitere Inschubhaftnahme unverhältnismäßig wäre.

2. Beweiswürdigung:

Verfahrensgang, die getroffenen Feststellungen und die Haftfähigkeit des BF ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der Behörde und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes, insbesondere dem zitierten Vorerkenntnis. Auch die Feststellungen des Vorerkenntnisses werden der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt.

Im Besonderen ist hervorzuheben, dass die Behörde dargetan hat, dass sie sich im vorliegenden Fall um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates bemüht und nach den Erfahrungswerten davon auszugehen ist, dass ein solches auch von der Marokkanischen Botschaft erlangt werden kann.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. - Fortsetzung der Schubhaft

Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG idgF die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

Gemäß § 76 Abs 1 FPG idgF können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

Die Schubhaft darf gemäß § 76 Abs 2 FPG idgF nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

§ 76 Abs. 3 FPG idgF lautet:

Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise - wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG - erreicht werden ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig.

§ 80 FPG idgF lautet:

(1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich

1. drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;

2. sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil

1. die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2. eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,

3. der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder

4. die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin-Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen.

(5a) In den Fällen des § 76 Abs. 2 letzter Satz ist auf die Schubhaftdauer gemäß Abs. 5 auch die Dauer der auf den Festnahmeauftrag gestützten Anhaltung anzurechnen, soweit sie nach Stellung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß § 40 Abs. 5 BFA-VG aufrechterhalten wurde. Die Anrechnung gemäß Abs. 5 letzter Satz bleibt davon unberührt.

(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.

(7) Das Bundesamt hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen.

Zur Judikatur:

Insbesondere ist in diesem Zusammenhang auf Art 1 Abs. 3 PersFrSchG 1988 hinzuweisen, aus dem sich das für alle Freiheitsentziehungen geltende Gebot der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit ergibt, deren Prüfung im Einzelfall eine entsprechende Interessenabwägung verlangt. Für die Schubhaft ergibt sich das im Übrigen auch noch aus der Wendung "... wenn dies notwendig ist, um ..." in Art 2 Abs. 1 Z 7 PersFrSchG 1988. Dementsprechend hat der VfGH - nachdem er bereits in seinem Erkenntnis vom 24.06.2006, B 362/06, die Verpflichtung der Behörden betont hatte, von der Anwendung der Schubhaft jedenfalls Abstand zu nehmen, wenn sie im Einzelfall nicht notwendig und verhältnismäßig ist - in seinem Erkenntnis vom 15.06.2007, B 1330/06 und B 1331/06, klargestellt, dass die Behörden in allen Fällen des § 76 Abs. 2 FrPolG 2005 unter Bedachtnahme auf das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit verpflichtet sind, eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen. Der VwGH hat dazu beginnend mit dem Erkenntnis vom 30.08.2007, 2007/21/0043, mehrfach festgehalten, dass die Schubhaft auch dann, wenn sie auf einen der Tatbestände des § 76 Abs. 2 FrPolG 2005 gestützt werden soll, stets nur ultima ratio sein dürfe." (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

Eine Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann stets nur dann rechtens sein, wenn eine Abschiebung auch tatsächlich infrage kommt. Die begründete Annahme, dass eine Aufenthaltsbeendigung erfolgen wird, ist dabei ausreichend. Dass die Effektuierung mit Gewissheit erfolgt, ist nicht erforderlich (vgl. dazu etwa VwGH 07.02.2008, Zl. 2006/21/0389; VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/21/0039). Steht hingegen von vornherein fest, dass diese Maßnahme nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden. Anderenfalls erwiese sich die Schubhaft nämlich als für die Erreichung des Haftzweckes (der Abschiebung) "nutzlos". Umgekehrt schadet es - wie sich aus den Verlängerungstatbeständen des § 80 FPG ergibt - nicht, wenn der ins Auge gefassten Abschiebung zeitlich befristete Hindernisse entgegenstehen. Den erwähnten Verlängerungstatbeständen liegt freilich zugrunde, dass die infrage kommenden Hindernisse längstens innerhalb der zulässigen Schubhaftdauer beseitigt werden. Ist hingegen bereits bei Beginn der Schubhaft absehbar, dass das Abschiebehindernis nicht binnen dieser Frist zu beseitigen ist, so soll die Schubhaft nach den Vorstellungen des Gesetzgebers von Anfang an nicht verhängt werden. Dasselbe gilt, wenn während der Anhaltung in Schubhaft Umstände eintreten, aus denen erkennbar ist, dass die Abschiebung nicht in der restlichen noch zur Verfügung stehenden Schubhaftdauer bewerkstelligt werden kann. (vgl. VwGH 11.06.2013, Zl. 2013/21/0024, zum Erfordernis einer Prognosebeurteilung, ob die baldige Ausstellung eines Heimreisezertifikates trotz wiederholter Urgenzen durch das Bundesministerium für Inneres angesichts der Untätigkeit der Vertretungsbehörde des Herkunftsstaates zu erwarten ist; vgl. VwGH 18.12.2008, Zl. 2008/21/0582, zur rechtswidrigen Aufrechterhaltung der Schubhaft trotz eines ärztlichen Gutachtens, wonach ein neuerlicher Versuch einer Abschiebung des Fremden in den nächsten Monaten aus medizinischen Gründen nicht vorstellbar sei).

Aufgrund der zitierten gesetzlichen Bestimmungen hat die Behörde nach § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht die Verwaltungsakten zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung, welche über die Viermonatsfrist gehen solle, vorzulegen. Dabei hat sie darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig wäre. Es ist Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichtes hierüber im Verfahren eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit durchzuführen und hat sich im Rahmen dieser Überprüfung auch im Hinblick auf die vorzunehmende Zukunftsprognose für das Gericht ergeben, dass eine weitere Anhaltung weiter als verhältnismäßig angesehen werden kann.

Der Verwaltungsgerichthof führte in seiner Entscheidung vom 30.08.2018 (Ra 2018/21/0111) Folgendes aus: "In einem gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG 2014 ergangenen Erkenntnis wird entsprechend dem Wortlaut der genannten Bestimmung (nur) ausgesprochen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist. Diese Entscheidung stellt - ebenso wie ein Ausspruch nach § 22a Abs. 3 BFA-VG 2014 - einen neuen Hafttitel dar. Über vor oder nach der Entscheidung liegende Zeiträume wird damit nicht abgesprochen. Ein Erkenntnis nach § 22a Abs. 4 BFA-VG 2014 steht daher einer Beschwerde nach § 22a Abs. 1 BFA-VG 2014, mit der die Überprüfung der Rechtmäßigkeit von vor oder nach der Erlassung des Erkenntnisses liegenden Haftzeiten begehrt wird, nicht entgegen."

Aufgrund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z 1, Z 3 und Z 9 FPG liegt weiterhin Fluchtgefahr vor und ist auch Sicherungsbedarf gegeben. Insbesondere zu berücksichtigen ist, ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert. Die Schubhaft ist jedenfalls wegen Fluchtgefahr aufrechtzuerhalten, weil aus dem vergangenen Verhalten des Beschwerdeführers mit Sicherheit geschlossen werden kann, dass der Beschwerdeführer seine Abschiebung zu verhindern oder jedenfalls zu erschweren beabsichtigt.

Der Beschwerdeführer hatte keine berücksichtigungswürdigen Umstände dargetan, wonach die Schonung seiner Freiheit das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung überwiegen würde. Die Schubhaft ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände und vor dem Hintergrund - dass sich die Behörde um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates bemüht - auch verhältnismäßig.

Das Verhalten des Beschwerdeführers in der Vergangenheit schließt auch die Anordnung gelinderer Mittel aus.

Die getroffenen Feststellungen und ihre rechtliche Würdigung lassen im Hinblick auf ihre Aktualität und ihres Zukunftsbezuges keine - die Frage der Rechtmäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft - ändernden Umstände erkennen.

Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Zu Spruchpunkt II. - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie ausgeführt, sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Fluchtgefahr, Fortsetzung der Schubhaft, Mittellosigkeit,
öffentliche Interessen, Rückkehrentscheidung, Schubhaft,
Sicherungsbedarf, Überprüfung, Untertauchen, Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W140.2225248.5.00

Zuletzt aktualisiert am

28.04.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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