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35 ZollrechtNorm
B-VG Art139 Abs6 erster SatzLeitsatz
Verletzung im Eigentumsrecht durch die in Ersatzbescheiden ohne Rechtsgrundlage erfolgte Festsetzung des allgemeinen Zollsatzes nach dem Zolltarif als Importausgleichssatz nach Aufhebung von ImportausgleichsVen durch den VerfassungsgerichtshofSpruch
Die beschwerdeführenden Parteien sind durch die angefochtenen Bescheide im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.
Die Bescheide werden aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, den Beschwerdeführern, zu Handen ihres Rechtsvertreters, die mit je 18.000 S bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.a) Das Hauptzollamt Linz schrieb mit zwei Bescheiden vom 8. Juli 1992 sowie mit Bescheiden, die zwischen dem 21. April 1992 und dem 11. August 1993 ergingen, den beschwerdeführenden Parteien für die Einfuhr bestimmter Mengen von verschiedenen Arten toten Geflügels Importausgleichsbeträge in bestimmter Höhe vor. Die Bescheide waren insbesondere auf die jeweils für den betreffenden Zeitraum und die in Betracht kommende Warengattung geltende, nach §3 Abs1 des Geflügelwirtschaftsgesetzes 1988, BGBl. 579/1987, (im folgenden kurz: GeflWG 1988), erlassene Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft (BMLF) gegründet.
Die Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (FLD OÖ) wies die dagegen erhobenen Berufungen mit zwei Bescheiden vom 6. Dezember 1993 sowie mit Bescheiden vom 18. September 1992 und 2. Dezember 1993 ab.
Aus Anlaß der dagegen nach Art144 B-VG zu B2177/93 u.a. Zlen. erhobenen Beschwerden leitete der Verfassungsgerichtshof gemäß Art139 Abs1 B-VG von Amts wegen Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der jeweils präjudiziellen Bestimmungen der erwähnten Verordnungen des BMLF ein. Mit Erkenntnis vom 29. September 1994, V97-138/93 u.a. Zlen., hob er diese Verordnungsstellen als gesetzwidrig auf. Mit Erkenntnissen vom selben Tag, B2177/93 u.a. Zlen., wurden die zitierten Berufungsbescheide der FLD OÖ aufgehoben; die beschwerdeführenden Parteien seien wegen Anwendung von gesetzwidrigen Verordnungen in ihren Rechten verletzt worden.
Näheres ergibt sich aus den bezeichneten Vorerkenntnissen.
b) Nunmehr erließ die FLD OÖ mit 21. September 1995 und 4. Oktober 1995 datierte Ersatzbescheide.
Sie wies die Berufungen, die die beschwerdeführenden Parteien gegen die in der vorstehenden lita (1. Absatz) angeführten Bescheide des Hauptzollamtes Linz eingebracht hatten, neuerlich ab. Sie stützte ihre - wiederum negativen - Entscheidungen diesmal auf §3 Abs9 GeflWG 1988 (Näheres s.u. II.2).
2. Gegen diese im zweiten Rechtsgang erflossenen Berufungsbescheide wenden sich die vorliegenden, auf Art144 B-VG gegründeten Beschwerden, in denen - mit eingehender Begründung (s.u. II.3) - die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte und die Verletzung in Rechten wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der bekämpften Bescheide beantragt wird. Zu B3484/95 und B3485/95 wird in eventu auch die Abtretung der Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof begehrt.
3. Die FLD OÖ erstattete Gegenschriften. Sie beantragt, die Beschwerden als unbegründet abzuweisen und ihr Prozeßkosten in bestimmter Höhe zuzusprechen.
II. 1. Um Wiederholungen zu vermeiden, wird auf die ausführliche Schilderung der Rechtslage in den Erkenntnissen vom 29. September 1994, V97-138/93 u.a. Zlen., und vom 2. Oktober 1995, V263-275/94 u.a. Zlen., verwiesen.
Im gegebenen Zusammenhang sind vor allem nachstehende Vorschriften des GeflWG 1988 von Belang:
Gemäß §1 Abs1 unterliegt die Einfuhr bestimmten lebenden und toten Geflügels einem Importausgleich.
Nach §3 Abs1 hat der BMLF durch Verordnung volkswirtschaftlich gerechtfertigte Importausgleichssätze (nach den näheren Bestimmungen der folgenden Abs2 bis 8) zu bestimmen.
§3 Abs9 lautet:
"(9) Ist für im §1 Abs1 angeführte Waren ein Importausgleichssatz nicht bestimmt, so gilt der allgemeine Zollsatz nach dem Zolltarif als Importausgleichssatz."
2. Die FLD OÖ begründet die zu B3484/95 bekämpfte abweisliche Berufungsentscheidung im wesentlichen wie folgt:
"Gemäß §1 Abs1 des Geflügelwirtschaftsgesetzes 1988, BGBl. Nr. 579/1987, unterlagen die in diesem Paragraphen genannten Waren (im konkreten Fall, Waren der TNr. 1602 39) anläßlich ihrer Einfuhr in das Zollgebiet anstelle des Zolles einem Importausgleich. Gemäß §3 Abs1 leg.cit. sind für die im §1 Abs1 genannten Waren durch den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft unter Erfüllung der in den Abs2 bis 7 geforderten Voraussetzungen durch Verordnung volkswirtschaftlich gerechtfertigte Importausgleichssätze in Schilling für 100 kg Eigengewicht oder mit einem Prozentsatz des Zollwertes zu bestimmen. Darüber hinaus normiert §3 Abs9 GeflWG, daß der allgemeine Zollsatz nach dem Zolltarif als Importausgleichssatz gilt, wenn für die im §1 Abs1 angeführten Waren ein Importausgleichssatz nicht bestimmt ist.
Entgegen der Argumentation der Berufungswerberin in der Vorhaltsbeantwortung ist in den mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes aufgehobenen Fällen die subsidiäre Bestimmung des §3 Abs9 GeflWG 1988 anzuwenden. Diese Regelung, wonach in dem Fall, daß ein Importausgleichssatz nicht nach §3 Abs1 leg.cit. verordnungsmäßig bestimmt ist, der allgemeine Zollsatz als Importausgleich gilt, bezieht sich auch auf die Lage nach Aufhebung einer solchen Verordnung.
Diese Rechtsmeinung, die sich aus den nachstehenden Überlegungen ergibt, deckt sich im übrigen auch mit jener des Bundesministeriums für Finanzen.
Nach der bisherigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach der Importausgleich eine Ausgleichsabgabe darstellt, müßte vor dessen Festsetzung ein Verfahren nach dem Subventionskodex durchgeführt werden. Damit wäre das Geflügelwirtschaftsgesetz in der jetzigen Form jedoch nicht anwendbar. Eine Ausgleichsabgabe darf nämlich maximal in der Höhe der gewährten Subvention erhoben werden (ArtIV GATT-Abkommen und Art2 Subventionskodex). Die Vorschreibung des Importausgleiches nach §3 Abs9 GeflWG in Höhe des allgemeinen Zollsatzes ist mit dieser Bestimmung jedenfalls nicht vereinbar. Daraus ergibt sich die Schlußfolgerung, daß es sich beim Importausgleich nach §3 Abs9 GeflWG auch nicht um eine Ausgleichsabgabe im Sinn des Subventionskodex handelt sondern um eine Abgabe, die bei der Einfuhr an Stelle und diesfalls auch in Höhe des Zolles erhoben wird. Dem Wesen nach ist der Importausgleich nach §3 Abs9 GeflWG mit dem Zoll ident und unterscheidet von diesem sich nur durch die Benennung.
Käme es bei der derzeitigen Rechtslage nach Aufhebung der Verordnungen nach §3 Abs1 GeflWG, die rückwirkend nicht saniert werden kann, nicht zur Erhebung des Importausgleiches nach der subsidiären Regelung des §3 Abs9 leg.cit., blieben alle diese Einfuhren ohne Erhebung eines Zolles oder eines Importausgleiches und würde zudem im Widerspruch zu §1 des Zolltarifgesetzes 1988, BGBl. Nr. 155/1987 in der zum maßgeblichen Zeitpunkt (§6 Zollgesetz) gültigen Fassung, stehen, wonach die Einfuhrzölle nach den im Zolltarif festgelegten allgemeinen Zollsätzen zu berechnen sind, soweit nicht günstigere Vertragszollsätze völkerrechtlich vereinbart sind.
Mit der aufgehobenen Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 27. April 1992, Zl. 39.001/02-III/B/7c/92, war für die mit dem angefochtenen Bescheid durch Verzollung zum freien Verkehr abgefertigten Waren der TNr. 1602 39 (Warennummer: 1602 39 000 B9) ein Importausgleichssatz von 30 % mindestens S 400,-- für 100 kg Eigengewicht festgesetzt. Durch die nach Aufhebung der in Rede stehenden Verordnung subsidiäre Anwendung des §3 Abs9 GeflWG wäre der bei der WNr. 1602 39 000 B9 vorgesehene allgemeine Zollsatz von 35 % mindestens S 470,-- für 100 kg bei der Festsetzung des Importausgleiches, der wie oben dargestellt mit dem Zoll ident ist und sich nur durch die Bezeichnung unterscheidet, heranzuziehen. Weil aber bei dieser Warennummer der GATT-Zollsatz (völkerrechtliche Vereinbarung) günstiger ist, ist im anhängigen Berufungsverfahren dieser günstigere Zollsatz in der Höhe von 30 % mindestens S 400,-- für 100 kg anzuwenden.
Durch die Anwendung dieses Zollsatzes tritt gegenüber dem im angefochtenen Bescheid angewandten Importausgleichssatz keine Schlechterstellung ein, weil im vorliegenden Fall der GATT-Zollsatz mit dem in der aufgehobenen Verordnung bestimmten Importausgleichssatz ident ist.
Da somit im angefochtenen Bescheid der Importausgleich in seiner richtigen Höhe festgesetzt worden ist, erweist sich die Berufung als unbegründet. Sie war daher abzuweisen."
Die anderen angefochtenen Bescheide werden ähnlich begründet.
3. In der zu B3484/95 erhobenen Beschwerde lautet es zur Begründung der Beschwerdebehauptungen:
"Das GeflWG 1988 hat dem BMLF einen gesetzlichen Auftrag erteilt, in welcher Art er den Importausgleich aus dem Unterschied zwischen dem Auslandspreis und dem höheren Inlandspreis einer gleichartigen Ware festzustellen hat. Diese Feststellung eines Importausgleiches ist mit der unter anderem in ihrem ZTNr. 1602 39 aufgehobenen Verordnung vom 27. April 1992, wenn auch gesetzwidrig, aber dennoch erfolgt. Nur dann, wenn ein Importausgleich nicht bestimmt worden wäre, könnte nach §3 Abs9 GeflWG 1988 der allgemeine Zolltarif als Importausgleichssatz herangezogen werden. Die gesetzwidrige Festsetzung des Importausgleiches kann den BMLF nicht von seiner gesetzlichen Verpflichtung der Festsetzung des Importausgleiches nach den Bestimmungen des §3 Abs1 - 8 GeflWG 1988 entbinden.
Eine allfällige tatsächliche Unmöglichkeit der Festsetzung dieses Importausgleiches für vergangene Zeiten rechtfertigt nicht die Anwendung des §3 Abs9 GeflWG 1988; dies würde gegen das Verbot der formal gesetzlichen Delegation verstoßen und überdies die Bestimmungen und den Zweck des GeflWG 1988 über die Festsetzung eines Importausgleiches außer Kraft setzen.
Die nunmehr im angefochtenen Bescheid faktisch erfolgte Festsetzung eines Importausgleiches in Höhe des allgemeinen Zolltarifes ist im Ergebnis wiederum als 'Ausgleichszoll' im Sinne des sogenannten 'Subventionskodex' zu qualifizieren. Das Ergebnis widerspricht weiters dem Antidumping-Kodex, BGBl. 327/1980.
Für die Berufungsentscheidung der belangten Behörde, die im Ergebnis wiederum zum bereits aufgehobenen Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 6. Dezember 1993, Zl. 6-1/L 27/1/1993/N, kommt, sind wir genauso in unseren Rechten verletzt, wie durch die seinerzeit angefochtene und aufgehobene Entscheidung."
Die anderen Beschwerden enthalten eine ähnliche Begründung.
III. Der Verfassungsgerichtshof
hat über die - zulässigen - Beschwerden erwogen:
1. Dem §3 Abs9 GeflWG 1988 zufolge gilt dann, wenn für die importierten Waren ein Importausgleichssatz nach den Vorschriften der vorangehenden Absätze 1 bis 8 nicht bestimmt wurde, der allgemeine Zollsatz nach dem Zolltarif als Importausgleichssatz. Diese - stark vereinfachende - Vorschrift ist nur so verständlich, daß sie bloß darauf abzielt, möglichen Schwierigkeiten beim Übergang auf das neue System (vgl. hiezu den Ausschußbericht zum GeflWG 1988, 333 BlgNR, 17. GP) zu begegnen. Keinesfalls erfaßt sohin §3 Abs9 GeflWG 1988 den hier vorliegenden Fall, daß nämlich der Verfassungsgerichtshof eine im Verfahren nach §3 Abs1 bis 8 leg.cit. erlassene Verordnung aufgehoben hat.
Die Aufhebung einer solchen Verordnung bewirkt (wie auch die Aufhebung jeder anderen Verordnung) dem Art139 Abs6 B-VG zufolge, daß der im Anlaßfall angefochtene Bescheid so zu beurteilen ist, als ob die aufgehobene Verordnung schon im Zeitpunkt der Bescheiderlassung nicht mehr dem Rechtsbestand angehört hätte (vgl. zB VfSlg. 4072/1961, 7289/1974, 8106/1977, 11024/1986). Nach dem Gesagten bedeutet das aber nicht, daß dann §3 Abs9 GeflWG 1988 anzuwenden wäre, sondern daß bei Erlassung der Ersatzbescheide davon auszugehen ist, es fehle eine gesetzliche oder verordnungsmäßige Regelung, wie bei der gegebenen Konstellation vorzugehen ist. Ob eine derartige Regelung verfassungskonform nachträglich getroffen werden könnte, war im gegebenen Zusammenhang nicht zu erörtern.
Die bekämpften (Ersatz-)Bescheide sind sohin ohne jede Rechtsgrundlage ergangen; die beschwerdeführenden Parteien sind dadurch im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden (vgl. zB VfSlg. 13789/1994).
Die Bescheide waren daher aufzuheben.
2. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG.
In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von je 3.000 S enthalten.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.
Schlagworte
Wirtschaftslenkung, Geflügelwirtschaft, Zollrecht, Importausgleich, VfGH / Aufhebung Wirkung, VfGH / Sachentscheidung Wirkung, ErsatzbescheidEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1996:B3484.1995Dokumentnummer
JFT_10039374_95B03484_00