Entscheidungsdatum
21.02.2020Norm
B-VG Art. 133 Abs4Spruch
W200 2219326-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ulrike SCHERZ als Vorsitzende und den Richter Dr. Kuzminski und den fachkundigen Laienrichter Mag. SVOBODA als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Salzburg vom 15.04.2019, Zl. 910-600415-006, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG)- abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1.1. Die Beschwerdeführerin stellte am 21.12.2018 einen Antrag auf Ersatz der Bestattungskosten nach dem Verbrechensopfergesetz (VOG).
Das Opfer - die Schwester der Beschwerdeführerin - sei am 25.06.2018 im Zuge eines häuslichen Streites, in dem ihr Mann sie mit einer Schreckschusspistole bedroht hätte, aus dem Fenster gestürzt und verstorben.
1.2. Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 07.02.2019 wurde ein namentlich genannter Täter zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt.
Der Täter hat am 25.06.2018 in XXXX
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das Opfer durch gefährliche Drohung mit dem Tod zur Mitteilung, wer der leibliche Vater der Kinder ist, genötigt, indem er ihr eine geladene funktionstüchtige Gasschreckschusspistole vorhielt und sie aufforderte zu sagen, wer der leibliche Vater der Kinder ist;
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das Opfer zur Abstandnahme von weiteren Versuchen ihm die Gasschreckschusspistole abzunehmen und ihn dazu ihn Ruhe zu lassen, indem er sie, während er die Waffe in der Hand hielt und vor ihr stand, aufforderte, wegzugehen und nicht näher zu kommen, andernfalls er sie umbringen werde und sich selber erschießen werde, sodass es die Kinder sehen könnten;
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vier Polizeibeamte durch gefährliche Drohung mit dem Tod an einer Amtshandlung, nämlich der Bergung bzw. Erste-Hilfe-Leistung des zuvor aus dem Fenster gestürzten Opfers sowie der in diesem Zusammenhang erforderlichen Sachverhaltserhebungen gehindert, indem er während er mit der Waffe in der Hand auf dem Fenstersims saß, zu den einschreitenden Polizeibeamten sagte, dass er sich selbst und die Beamten erschießen werde, wenn sie näherkommen würden;
Der Täter hat das Opfer gefährlich mit dem Tod bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen und zwar
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am 25.06.2018, indem er während er die Waffe in der Hand hielt und das Opfer damit durch die Wohnung verfolgte, mehrfach zu ihr sagte, dass er sie und die gemeinsamen Kinder umbringen werde;
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am 05.04.2018 in XXXX , indem er das Opfer, während es in dem von ihm gelenkten PKW mitfuhr und zwei der gemeinsamen Kinder auf dem Rücksitz saßen, zu ihr sagte, dass er sie, die gemeinsamen Kinder und sich selbst umbringen werde, er werde gegen ein anderes Auto oder eine Wand fahren und diese Drohung dadurch unterstrich, dass er das Fahrzeug auslenkte;
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am 24.02.2015 im Raum XXXX , indem er dem Opfer ein Messer an die Kehle hielt und zu ihm sagte, dass das Opfer auswählen könne, ob es ihr Leben oder ihre langen Haare verliere;
Der Täter hat das Opfer vorsätzlich am Körper verletzt und zwar
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am 25.06.2018 in XXXX , indem er dem Opfer eine Ohrfeige und Stöße versetzte, wodurch sie kleine Weichteilverletzungen im Gesicht und am linken Arm erlitt;
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am 02.04.2018 in XXXX , indem er das Opfer auf unbekannte Weise schlug, wodurch sie geschwollene Augen und Hämatome an den Armen und Beinen erlitt;
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im Juni 2017 in XXXX , indem er ihr ins Gesicht und in den Bauch schlug, wodurch sie ein Hämatom am Auge erlitt;
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am 24.02.2015 im Raum XXXX , indem sie durch das Messer Schnittverletzungen am Hals und an den Händen erlitt;
Der Täter hat am 05.04.2018 als Lenker eines PKWs dadurch grob fahrlässig eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit des Opfers und seiner beiden Kinder, welche sich alle im Fahrzeug befanden, sowie anderer Verkehrsteilnehmer herbeigeführt, dass er in Folge seiner Beeinträchtigung durch Alkohol und Suchtmittel sowie durch das Auslenken die Herrschaft über das Fahrzeug verlor, von der Straße abkam, einen Mauerabsatz streifte und noch etwa 60 Meter auf dem Gehsteig fahrend zurücklegte, wobei zwei andere Fahrzeuglenkerinnen ausweichen und ein Fußgänger auf dem Gehsteig zur Seite springen mussten, um nicht überfahren zu werden, nachdem er sich vor der Tat, wenn auch nur fahrlässig, durch den Genuss von Alkohol und Suchtmitteln in einem die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand versetzt hatte, obwohl er vorhergesehen hat bzw. hätte vorhersehen können, dass ihm die Lenkung eines Kraftfahrzeuges, mithin eine Tätigkeit bevorstehe, deren Vornahme in diesem Zustand eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit eines anderen herbeizuführen oder zu vergrößern geeignet war.
1.3. Der Abschlussbericht der Landespolizeidirektion Vorarlberg vom 29.11.2018 beschreibt grob zusammengefasst folgenden Tathergang:
Der namentlich genannte Täter geriet mit seiner Ehefrau, dem Opfer, in Streit. Der Täter holte im Zuge dieses Streites seine am Dachboden versteckte Schreckschusspistole. Er beabsichtigte damit, seiner Ehefrau Angst zu machen und sie unter Verwendung der Waffe zur Bekanntgabe des leiblichen Vaters der Kinder zu nötigen. Er zielte dann mit der Schreckschusspistole auf das Opfer und drohte zuerst sie und dann sich selbst umzubringen. In der selben Wohnung waren noch die Lebensgefährtin des Bruders des Täters anwesend. Diese versuchte beruhigend einzugreifen. Der Konflikt erstreckte sich über einen längeren Zeitraum, es kam zu Tätlichkeiten. Das Opfer versteckte sich im Kinderzimmer und drückte von innen gegen die Tür, die der Täter mit der Pistole in der Hand öffnete. Er bedrohte sie mit dem Umbringen. Der Täter betrat das Kinderzimmer. Zuvor war das Opfer entweder aus dem Fenster gesprungen oder aus dem Fenster neuneinhalb Meter in die Tiefe gefallen. Das Opfer lag auf dem Vorplatz des Hauses. Der Täter drohte den zwischenzeitlich angerückten Polizeieinsatzkräften aus dem offenstehenden Fenster unter Vorhalt der Pistole mit Suizid und dass er mit der Waffe gegen die Polizeibeamten vorgehen würde, sollten sie sich dem Opfer weiter nähern. Er verhinderte dadurch über einem Zeitraum von etwa 25 Minuten die Bergung der schwer verletzten reglosen Frau. Erst danach konnten die Polizisten sowie der Notarzt vorrücken. Der Notarzt konnte nur noch den Tod des Opfers feststellen. Das Opfer und das ungeborene Kind erlagen schließlich den schweren Verletzungen. Im Zuge der Spurensicherung konnten weder am Bett noch am Fenster objektive Spuren gesichert bzw. festgestellt werden, die auf ein Kampfgeschehen im Nahbereich zum Fenster hingewiesen hätten. Das gerichtsmedizinische Gutachten ergab, dass das Leben der Frau auch bei einem sofortigen notärztlichen Einsatz mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr gerettet werden hätte können. Rein theoretisch hätte ein unmittelbar nach dem Aufschlag des Körpers der Frau durchgeführter Notarztkaiserschnitt vielleicht das Leben des ungeborenen Kindes retten können.
Mit Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Salzburg, vom 15.04.2019 wurde der Antrag auf Ersatz der Bestattungskosten gemäß § 1 Abs. 1 und Abs. 6 iVm § 7 VOG abgewiesen.
In der Begründung wurde das Urteil des LG XXXX wiedergegeben und festgehalten, dass das Opfer am 25.06.2018 Opfer einer strafbaren Handlung im Sinne des § 1 Abs. 1 (Körperverletzung, gefährliche Drohung und Nötigung) wurde.
Weiters wurde ausgeführt, dass aus dem Abschlussbericht hervorgehe, dass sich der Täter zum Zeitpunkt des Sturzes aus der Dachgeschosswohnung nicht im selben Raum mit dem Opfer aufgehalten hätte und es auch laut Untersuchungen der Polizei keine Hinweise darauf gebe, dass es bei dem Fenster zu Gewaltanwendungen gegen das Opfer gekommen sei. Auch eine Zeugenaussage ergab, dass Opfer und Täter sich zum Zeitpunkt des Fallens nicht im selben Raum befunden haben. Ebenso wurde auf das eingeholte gerichtsmedizinische Gutachten und dessen Ergebnis hingewiesen. Ausgeführt wurde, dass im Rahmen des Strafverfahrens keine Anklage wegen eines Delikts, das den Tod des Opfers am 25.06.2018 zur Folge gehabt hätte, erfolgt sei. Die Handlung des Täters hätten somit nicht den Tod des Opfers zur Folge gehabt, weshalb spruchgemäß zu entscheiden gewesen wäre.
In der dagegen erhobenen Beschwerde wurde folgendes Relevantes ausgeführt:
"Würde der Rechtsansicht der Rechtsmittelgegnerin gefolgt, so könnte iSd § 1 Abs 1 iVm § 7 VOG niemals eine Erstattung der Bestattungskosten erfolgen, sofern durch die Handlung eines Straftäters nicht unmittelbar der Tod des Opfers eintritt (Beispiel:
Das Opfer stürzt rückwärts eine Treppe hinunter, nachdem es dem Schuss aus der Waffe des Täters ausgewichen ist und bricht sich mit tödlicher Folge das Rückgrat - nach dieser Rechtsansicht besteht dann kein Ersatzanspruch, da der Täter auf das Opfer ja nicht direkt eingewirkt hat).
Ebenso wäre es bei dieser Interpretation des Gesetzes unmöglich nach § 1 Abs 1 VOG schockgeschädigte Dritte als unmittelbar Geschädigte bzw. als Opfer anzusehen oder diese nach dem VOG zu entschädigen (obwohl dies seit Jahren und unstrittig erfolgt). Später wurde sogar ausdrücklich Z 2 in § 1 Abs 1 VOG eingefügt, um diesen (bereits zuvor rechtlich anerkannten) Anspruch festzuschreiben. Dieser Anspruch besteht, obwohl in den meisten Fällen diese Dritten (schockgeschädigten Opfer) die Tat nicht selbst miterlebten. Unstrittig ist gemäß Sachverhalt, dass der Straftäter gegenüber dem Opfer auch am 25.06.2018 erheblich gewalttätig war und auch auf das ungeborene Kind keine Rücksicht nahm.
Unstrittig ist auch, dass das Verbrechensopfer - auch aufgrund früherer Erfahrungen - panische Angst vor den Handlungen des Straftäters hatte. Das Opfer wusste auch, dass der Straftäter nur deswegen in einen anderen Raum gegangen war, um ein Magazin für seine Pistole zu holen und wiederum gegenüber ihr gewalttätig zu werden bzw. sie und das Kind zu töten, zu verletzen und/oder an der Gesundheit zu schädigen, da er sie zuvor schon krankhaft eifersüchtig beschuldigte, sie sei ihm fremdgegangen und er außer sich vor unkontrollierter Wut war.
Unstrittig ist auch, dass der Fluchtversuch des Opfers aus dem Fenster direkt mit den unmittelbar vorher stattgefundenen, gewalttätigen Handlungen des Täters zusammen zu sehen ist und sich nicht trennen lässt. Die Handlungen des XXXX waren somit für den Fluchtversuch des Opfers aus denn Fenster unmittelbar kausal. Die Handlungen waren auch iSd § 1 Abs 1 VOG rechtswidrig und hätten in jedem Fall eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung zur Folge gehabt. Für die anderen Handlungen wurde der Täter ja mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe wegen rechtswidrigen und vorsätzlichen Handlungen bestraft.
Aufgrund des Verhaltens des Straftäters war es auch keiner Person möglich zu helfen. Weder das Opfer vom Fluchtversuch durch das Fenster abzuhalten noch das Opfer oder das ungeborene Kind erst zu versorgen. Ob "mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit" feststeht, dass eine Erstversorgung auch das Leben des Ungeborenen nicht hätte retten können, sei dahingestellt, sicher ist jedenfalls, dass die im Nebenraum anwesende Zeugin, XXXX (Freundin des Bruders des Straftäters, XXXX ) nicht in der Lage war aufgrund des gewalttätigen Verhaltens des Straftäters, dem Opfer beizustehen und auch diese vom Fluchtversuch durch das Fenster nicht abhalten konnte. Auch der verantwortliche Täter selbst hat keine Anstalten unternommen das Opfer vor einem Fluchtversuch durch das Fenster abzuhalten.
Die Abweisung des Antrages durch Bescheid der Rechtsmittelwerberin kann daher nicht damit begründet und der Anspruch abgewiesen werden, weil im Rahmen des Strafverfahrens keine Anklage wegen eines Tötungsdeliktes erhoben wurde. Es ist unzweifelhaft, dass der Fluchtversuch ausschließlich und unmittelbar kausal aufgrund der kurz vorher gesetzten rechtswidrigen und vorsätzlichen Handlungen des Straftäters (die mit mehr als sechsmonatiger Freiheitsstrafe sanktioniert waren) gegen das Opfer und das Ungeborene erfolgte.
Dass der Fluchtversuch des Opfers auch nicht absolut untauglich war, zeigt sich daran, dass der Straftäter selbst wenig später durch dasselbe Fenster sprang, sich jedoch nur Frakturen zugezogen hat.
Da die verzweifelte Handlung des Opfers (Flucht durch das Fenster) daher unmittelbar mit den rechtswidrigen und vorsätzlichen Handlungen des Straftäters zusammenhängt (Gewalttätigkeit, Pistole), und dieser Fluchtversuch mit dem Tod des Opfers endete, ist somit iSd § 1 Abs 1 iVm § 7 VOG jedenfalls ein Anspruch auf Ersatz der Bestattungskosten dem Grunde nach gegeben.
Denn iSd § 7 VOG muss "eine Handlung im Sinne des § 1 Abs. 1 den Tod eines Menschen zur Folge" haben. Gemäß den Materialien 1971 zum VOG sind auch "Unterlassungen" als Handlungen zu verstehen. Nicht gefordert ist jedoch, dass diese Handlung oder Unterlassung iSd § 1 Abs 1 iVm § 7 VOG durch direktes Einwirken des Täters auf das Opfer zu erfolgen hat um einen Ersatzanspruch zu begründen. Dies ist dem Wortlaut des Gesetzes nicht zu entnehmen. Auch im Hinblick auf den Telos des Gesetzes, ist davon auszugeben, dass der Gesetzgeber den Schutz des Opfers des Verbrechens primär vor Augen hatte.
Gemäß den Materialien zu § 7 VOG (1971) ist Ziel des § 7 VOG, den Hinterbliebenen zu ermöglichen, wenigstens einen Teil der ihnen aus dem Todesfall erwachsenden Kosten zu decken. Grundausgangslage war zur Schaffung des VOG, dass der Täter - wie hier vorliegend - meistens nicht in der Lage ist, die Kosten für seine Handlungen gegenüber dem Opfer oder den Hinterbliebenen zu erfüllen und dass der Staat den Ersatz des Schadens sicherstellen soll (siehe Gesetzgebungsprozess seit 1969), und zwar rasch und unbürokratisch im Sinne einer ausgleichenden Gerechtigkeit.
Eine gewisse Mitverantwortung des Staates für manche Verbrechensfaktoren und Sicherheitsbedingungen ist gegeben, wiewohl niemand so weit gehen kann zu sagen, dass der Staat schuld sei, wenn ein Mord passiert ist. Aber die relative Wertlosigkeit des Zivilrechtsanspruches, von dem schon Herr Abgeordneter Dr. Kerstnig gesprochen hat, ferner die moralische Verpflichtung aus diesem Gleichgewichtsdenken heraus, wie ich es gesagt habe, begründet doch wohl eine Anstrengung des Staates in der Richtung. (...) Im Übrigen hat es der Staat ja in der Hand, sich durch die Eindämmung der Verbrechen, durch Anstrengungen zur Verbesserung der inneren Sicherheit auch diese Kosten (Anm.: nach dem VOG) zu ersparen, und ich glaube, er sollte nicht nachlassen in dem Bemühen zur Verbesserung der inneren Sicherheit. Insoweit es nicht gelingt - ganz wird es nie gelingen -, sind nun wenigstens die Opfer der Verbrechen nicht mehr im Stich gelassen.
(Nationalrat XIII. GP - 38. Sitzung vom 9. Juli 1972, S. 3415 f, Referent Dr. Häuser)."
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Das Opfer - die Schwester der Beschwerdeführerin - ist am 25.06.2018 im Zuge eines häuslichen Streites, in dem ihr Mann sie mit einer Schreckschusspistole bedroht hatte, aus dem Fenster gestürzt und verstorben.
Folgender Sachverhalt hat sich am 25.06.2018 ereignet:
Der Täter geriet mit seiner Ehefrau, dem Opfer, in Streit. Er holte im Zuge dieses Streites seine am Dachboden versteckte Schreckschusspistole. Er beabsichtigte damit, seiner Ehefrau Angst zu machen und sie unter Verwendung der Waffe zur Bekanntgabe des leiblichen Vaters der Kinder zu nötigen. Er zielte dann mit der Schreckschusspistole auf das Opfer und drohte zuerst sie und dann sich selbst umzubringen. In der selben Wohnung waren noch die Lebensgefährtin des Bruders des Täters anwesend. Diese versuchte beruhigend einzugreifen. Der Konflikt erstreckte sich über einen längeren Zeitraum, es kam zu Tätlichkeiten. Das Opfer versteckte sich im Kinderzimmer und drückte von innen gegen die Tür. Er bedrohte sie mit dem Umbringen. Der Täter betrat das Kinderzimmer. Zuvor war das Opfer entweder aus dem Fenster gesprungen oder aus dem Fenster neuneinhalb Meter in die Tiefe gefallen. Das Opfer lag auf dem Vorplatz des Hauses. Der Täter drohte den zwischenzeitlich angerückten Polizeieinsatzkräften aus dem offenstehenden Fenster unter Vorhalt der Pistole mit Suizid und dass er mit der Waffe gegen die Polizeibeamten vorgehen würde, sollten sie sich dem Opfer weiter nähern. Er verhinderte dadurch über einem Zeitraum von etwa 25 Minuten die Bergung der schwer verletzten reglosen Frau. Erst danach konnten die Polizisten sowie der Notarzt vorrücken. Der Notarzt konnte nur noch den Tod des Opfers feststellen. Das Opfer und das ungeborene Kind erlagen schließlich den schweren Verletzungen. Im Zuge der Spurensicherung konnten weder am Bett noch am Fenster objektive Spuren gesichert bzw. festgestellt werden, die auf ein Kampfgeschehen im Nahbereich zum Fenster hingewiesen hätten. Das gerichtsmedizinische Gutachten ergab, dass das Leben der Frau auch bei einem sofortigen notärztlichen Einsatz mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr gerettet werden hätte können. Rein theoretisch hätte ein unmittelbar nach dem Aufschlag des Körpers der Frau durchgeführter Notarztkaiserschnitt vielleicht das Leben des ungeborenen Kindes retten können.
Der Ehemann des Opfers wurde unter Zugrundelegung des Sachverhaltes vom 25.06.2018 entsprechend dem Strafantrag vom 05.12.2018 mit Urteil des LG XXXX vom 07.02.2019 wegen der Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 15, 105, Abs. 1 und 106 Abs. 1 Z. 1 StGB, des Verbrechens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs. 1
2. Fall StGB, des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und 2 StGB sowie des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB verurteilt.
Die Schwester des Opfers stellte am 21.12.2018 einen Antrag auf Ersatz der Bestattungskosten.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen gründen sich auf den vorliegenden Akten des Sozialministeriumsservice, insbesondere auf den darin befindlichen Abschlussbericht der Landespolizeidirektion Vorarlberg vom 29.11.2018, den Strafantrag der Staatsanwaltschaft XXXX vom 05.12.2018 sowie das zitierte Urteil des LG XXXX vom 07.02.2019.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 9d Abs.1 VOG entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide nach diesem Bundesgesetz das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat, dem ein fachkundiger Laienrichter angehört. Es liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Zu A)
§ 1 Abs. 1 Z. 1 VOG besagt:
Anspruch auf Hilfe haben österreichische Staatsbürger, wenn mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sie durch eine zum Entscheidungszeitpunkt mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohten rechtswidrigen und vorsätzlichen Handlung eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung erlitten haben und ihnen dadurch Heilungskosten erwachsen sind oder ihre Erwerbsfähigkeit gemindert ist.
Gemäß Abs. 6 Z. 1 leg. cit. ist Hilfe Unionsbürgern in gleicher Weise wie österreichischen Staatsbürgern zu leisten, wenn die Handlung nach Abs. 1 im Inland oder auf einem österreichischen Schiff oder Luftfahrzeug, unabhängig davon, wo sich dieses befindet, begangen wurde.
§ 7 1. Satz VOG besagt: Hatte eine Handlung im Sinne des § 1 Abs. 1 den Tod eines Menschen zur Folge, dann sind die Kosten der Bestattung demjenigen, der sie bestritten hat, bis zur Höhe des Betrages von 3 300 Euro zu ersetzen.
In § 7 VOG wird vom Gesetzgeber jedoch determiniert, dass eine Handlung im Sinne des § 1 Abs. 1 - d.h. eine mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohten rechtswidrigen und vorsätzlichen Handlung, die eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung nach sich ziehen muss - den Tod eines Menschen zur Folge haben muss, um die Bestattungskosten demjenigen, der sie bestritten hat, zu ersetzen.
Unstrittig ist für den erkennenden Senat, dass das Verhalten des Täters kausal für den Tod des Opfers war.
Die Staatsanwaltschaft XXXX hat jedoch - wie das SMS zurecht festgehalten hat - keine Anklage wegen eines Delikts erhoben, das den Tod des Opfers zur Folge hatte.
§ 210 1- Satz StPO besagt: Wenn auf Grund ausreichend geklärten Sachverhalts eine Verurteilung naheliegt und kein Grund für die Einstellung des Verfahrens oder den Rücktritt von Verfolgung vorliegt, hat die Staatsanwaltschaft bei dem für das Hauptverfahren zuständigen Gericht Anklage einzubringen.
D.h. dass die Staatsanwaltschaft im Zuge einer Anklageerhebung eine Art Vorfragenentscheidung zu treffen hat ("wenn eine Verurteilung naheliegt"), die der von § 1 Abs. 1 VOG geforderten "Wahrscheinlichkeit" entspricht, konkret, dass "erheblich mehr dafür als dagegen spricht".
Das VOG 1972 knüpft den Anspruch des Geschädigten an das Vorliegen einer zumindest bedingten vorsätzlichen Handlung iSd. § 1 Abs. 1 VOG 1972. Eine ausreichende Wahrscheinlichkeit iSd. § 1 Abs. 1 VOG 1972 ist erst gegeben, wenn erheblich mehr für als gegen das Vorliegen einer Vorsatztat spricht (Hinweis E vom 6. März 2014, 2013/11/0219, mwN).
Im konkreten Fall hat sich das LG XXXX auch der Beurteilung der Staatsanwaltschaft angeschlossen, da es sich sonst in der Form für unzuständig erklären hätte müssen (Einzelrichter).
Konkret schließt sich der erkennende Senat der Beurteilung der zuständigen Strafverfolgungsbehörden an, dass die Handlungen, die zur Anklage und Verurteilung wegen der Delikte der schweren Nötigung, der Widerstand gegen die Staatsgewalt, die gefährliche Drohung und die Körperverletzung nicht mit Wahrscheinlichkeit den Tod des Opfers zur Folge hatte.
Dies führt im konkreten Fall zu dem äußerst unbefriedigenden Ergebnis, dass mangels Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 7 VOG - trotz Kausalität - der Beschwerdeführerin die Kosten der Bestattung nicht zu ersetzen sind.
2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)
Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)
Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. (§ 24 Abs. 5 VwGVG)
Im konkreten Fall ist der Sachverhalt völlig geklärt. Da der Sachverhalt geklärt ist, und es sich bei der Entscheidung um eine reine Rechtsfrage handelt, konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die gegenständliche Entscheidung nicht von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A) wiedergegeben.
Schlagworte
Bestattungskosten, Kausalität, Tod, VerbrechensopferG,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W200.2219326.1.00Zuletzt aktualisiert am
28.04.2020