TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/21 W154 2228492-1

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Veröffentlicht am 21.02.2020
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Entscheidungsdatum

21.02.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art. 133 Abs4
Dublin III-VO Art. 28

Spruch

W154 2228492-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. KRACHER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , nigerianischer Staatsangehöriger, im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft zu Recht erkannt:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF bezeichnet) wurde am 21.10.2019, um 17:15 Uhr, am Busbahnhof Wien Erdberg einer Personenkontrolle unterzogen. Infolge wurde der BF festgenommen und in das Polizeianhaltezentrum Wien, Hernalser Gürtel, überstellt.

Am 22.10.2019 wurde der BF zur beabsichtigten Anordnung der Schubhaft sowie zur beabsichtigten Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme niederschriftlich einvernommen. Dabei gab der BF an, am Vortag mit dem Bus angekommen zu sein und das Ticket auch der Polizei gezeigt zu haben, die Polizei habe auch das Ticket für die Rückfahrt haben wollen. Die Polizei hätte das Ticket genommen und er habe es nicht mehr zurückbekommen. Er habe auch eine Bestätigung ausgehändigt, dass sein neuer Reisepass in Bearbeitung sei. Er sei im Mai schon einmal in Österreich gewesen und habe hier seinen Reisepass beantragt. Nunmehr sei er gekommen, um mit jener Bestätigung den Reisepass abzuholen. Den Reisepass habe er deswegen in Österreich beantragt, weil eine Ausstellung in Italien viel länger dauern würde. Auf die Frage, wo er seit der Einreise im Bundesgebiet genächtigt habe, beantwortete der BF dahingehend, dass er noch am selben Tag habe nach Italien zurückfahren wollen, da er seitens der Botschaft erfahren habe, dass der Reisepass noch nicht fertig sei. Sein Bruder sei in Abuja und sei bei der Behörde gewesen und habe ihm mitgeteilt, dass keine Daten angekommen seien. Er habe daher fragen wollen, ob er neuerlich den Pass beantragen müsse.

Einer Anmerkung im Einvernahmeprotokoll vom 22.10.2019 ist zu entnehmen, dass seitens des BF den Beamten des Polizeianhaltezentrums die Effekten des BF sowie ein Busticket vom 21.10.2019 sowie auch die Bestätigung der Botschaft vom 9.8.2019 vorgelegt wurden.

Der BF gab weiters an, in Italien auf einer Farm "auf Vertrag" zu arbeiten. Bei der Einreise habe er € 475 bei sich gehabt, nunmehr verfüge er noch über € 470. In Italien sei er sozial- und krankenversichert. In Österreich sei er weder einer legalen noch einer illegalen Beschäftigung nachgegangen. Er sei ledig und habe keine Sorgepflichten. In Deutschland habe er einen Cousin. Seine Mutter lebe in Nigeria, sein Vater sei verstorben, sein Bruder lebe ebenfalls in Nigeria. Er werde weder in Italien noch in Nigeria strafrechtlich oder politisch verfolgt. Die Frage, ob etwas gegen eine Rückkehr nach Italien spreche, beantwortete er dahingehend, dass er gerne selber nach Italien zurück möchte, er werde keine Probleme machen, wenn er nach Italien zurückgebracht werde.

Mit Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 22.10.2019 wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz, BGBl I Nr. 100/2005 (FPG) iVm. § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Der Bescheid wurde dem BF persönlich am 22.10.2019, um 15:00 Uhr, zugestellt.

Die belangte Behörde begründete die Fluchtgefahr im Wesentlichen damit, dass sich der BF wissentlich unrechtmäßig im Bundesgebiet befinde. Er sei ohne gültiges Reisedokument gereist, weshalb es ihm nicht möglich sei, Österreich legal und aus eigenem zu verlassen. Er habe auch keine Unterkunft nennen können und somit sei die Greifbarkeit seiner Person für die Behörde nicht gegeben. Die Behörde gehe zu Recht davon aus, dass der BF versuchen werde, seinen Aufenthalt in Österreich zu erzwingen und weiterzuführen. Es sei offensichtlich, dass sich der BF nicht an die Rechtsordnung halte. Die Entscheidung sei auch verhältnismäßig und notwendig. Die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung sei erforderlich, da sich der BF aufgrund seines Vorverhaltens als nicht vertrauenswürdig erwiesen habe. Aus der Wohn- und Familiensituation des BF, aus seiner fehlenden sonstigen Verankerung in Österreich sowie aufgrund seines bisherigen Verhaltens könne geschlossen werden, dass bezüglich des BF ein beträchtliches Risiko des Untertauchens vorliege. Die Anordnung eines gelinderen Mittels gemäß § 77 FPG sei aufgrund der finanziellen Situation des BF sowie aufgrund der Tatsache, dass sich der BF bisher als wenig vertrauenswürdig erwiesen habe, nicht zielführend. Auch lägen keine Gründe einer Haftunfähigkeit vor.

Am 04.12.2019, 20.12.2019 und am 07.01.2020 sind amtswegige Überprüfungen gemäß § 80 Abs. 6 FPG aktenmäßig dokumentiert.

Am 24.10.2020 wurde seitens der Behörde ein Verfahren zur Rücküberstellung des BF mit den italienischen Behörden eingeleitet.

Am 28.01.2020 stellte der BF einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Mandatsbescheid des BFA vom 29.01.2020 wurde über den BF nunmehr gemäß Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung i.V.m. § 76 Abs. 2 Z 3 Fremdenpolizeigesetz, BGBl I Nr. 100/2005 (FPG) iVm. § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung des Überstellungsverfahrens angeordnet. Der Bescheid wurde dem BF persönlich am 29. 01.2020 zugestellt.

Am 12.02.2020 legte das Bundesamt den Verwaltungsakt gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit vor.

Anlässlich der Aktenvorlage führte das Bundesamt in einer Stellungnahme nach Darlegung des Sachverhaltes im Wesentlichen aus, dass der BF über keinen Wohnsitz in Österreich verfüge und auch über keine Möglichkeiten der Unterkunftnahme im Bundesgebiet. Des Weiteren stehe fest, dass der BF kein gültiges Reisedokument besitze und Österreich nicht legal verlassen könne. Der Sicherungsbedarf sei noch immer gegeben, da der BF jede Gelegenheit nützen würde, um sich dem Verfahren zur Sicherung der Überstellung zu entziehen. Dies sei durch den Beginn eines Hungerstreiks am 12.2.2020 nochmals deutlich geworden. Weiters habe der BF schon in der Vergangenheit gezeigt, dass er nicht vertrauenswürdig sei, zumal er am 15.9.2014 zu einer Ladung nicht erschienen sei, zumeist über keine aufrechte Meldung verfügt habe, zeitweise lediglich über eine Obdachlosenmeldung, und daher für die Behörden nicht greifbar gewesen sei. Weiters habe er sich bereits in seinem ersten Asylverfahren am 24.3.2013 trotz zugewiesenem Quartier dem Verfahren durch Untertauchen entzogen. Eine Überstellung nach Italien sei absehbar, da gemäß Dublin-Verordnung das nicht Tätigwerden der italienischen Behörden nach Ablauf der zweiten Frist automatisch zu einer Zustimmung ergehe. Zusammenfassend sei festzuhalten, dass das Risiko, dass der BF untertauche, um sich dem Verfahren zur Sicherung des Verfahrens und der Überstellung nach Italien zu entziehen, als schlüssig anzusehen sei. Der Sicherungsbedarf sei noch immer gegeben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der volljährige BF ist Staatsangehöriger von Nigeria und nicht österreichischer Staatsangehöriger. Seine Identität steht fest.

Der BF verfügt über einen abgelaufenen nigerianischen Reisepass (Gültigkeit bis 30.07.2019), über einen bis 25.05.2023 gültigen italienischen Personalausweis, der ihn nicht zur Ausreise aus Italien ermächtigt, sowie über einen gültigen italienischen Aufenthaltstitel ("permesso di soggiorno"; "motivi umanitari").

Der BF ist unter Verwendung dieser Dokumente am 21.10.2019 per Bus von Italien kommend in das österreichische Bundesgebiet eingereist. Der Aufenthalt des BF in Österreich diente dem Zweck, sich seinen am 30.07.2019 abgelaufenen nigerianischen Reisepass verlängern zu lassen.

Der BF befindet sich seit 22.10.2019 durchgehend in Schubhaft.

Der BF war unmittelbar vor seiner Festnahme in Österreich nicht behördlich gemeldet.

Der BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Der BF verfügt über Barmittel in der Höhe von ca. € 470.-.

Der BF verfügt über keine familiäre und berufliche Anbindung in Österreich.

Am 24.10.2019 wurde seitens der Behörde ein Verfahren zur Rücküberstellung des BF mit den italienischen Behörden eingeleitet. Die Behörde hat das Verfahren zur Rücküberstellung des BF mit den italienischen Behörden nur unzureichend geführt.

2. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität und zur Staatsangehörigkeit des BF getroffen wurden, beruhen diese auf den vom BFA im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen aufgrund der im Verfahren vorliegenden Dokumente des BF nicht entgegengetreten wird.

Die Feststellungen über den Reisepass des BF, den italienischen Personalausweis und den aufrechten Aufenthaltstitel des BF in Italien ergeben sich aus den im Verfahren vor der Behörde vorgelegten Dokumenten des BF, die im Verfahrensakt dokumentiert sind.

Die Feststellung hinsichtlich der Anhaltung des BF in Schubhaft ergibt sich aus einem Auszug aus der Haftevidenz.

Die Feststellung hinsichtlich der Einreise des BF in Österreich ergibt sich aus dem Verfahrensakt. Die Angaben des BF, er sei nach Österreich gekommen, um seinen am 30.07.2019 abgelaufenen nigerianischen Reisepass verlängern zu lassen, sind plausibel, zumal der am 30.07.2019 abgelaufene Reisepass des BF am 31.07.2014 in Österreich ausgestellt wurde und der BF auch eine Bestätigung der Botschaft vom 9.8.2019 vorgelegen konnte.

Die Feststellung hinsichtlich der amtlichen Meldung in Österreich ergibt sich aus einer Anfrage zum Zentralen Melderegister.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus dem im Akt einliegenden Auszug aus dem Strafregister.

Die Feststellung hinsichtlich des verfügbaren Bargeldbetrages des BF ergibt sich aus der Einvernahme des BF am 22.10.2019 sowie aus einem Auszug aus der Haftevidenz.

Die Feststellung hinsichtlich der familiären und beruflichen Anbindung des BF in Österreich ergibt sich aus der expliziten Aussage des BF im Verfahren.

Die Feststellung hinsichtlich der Einleitung des Rücküberstellungsverfahrens ergibt sich aus dem Verfahrensakt.

Die Feststellung hinsichtlich der unzureichenden Verfahrensführung mit den italienischen Behörden betreffend das Rücküberstellungsverfahren ergibt sich aus dem Verfahrensakt. So findet sich im gesamten Verfahrensakt außerhalb der Einleitung des Verfahrens am 24.10.2019 lediglich eine Anfragebeantwortung der Behörde vom 18.11.2019 an den zuständigen Rechtsberater des BF, die Bezug auf das Überstellungsverfahren nimmt. In dem Schreiben wird dem Rechtsberater des BF mitgeteilt, dass bereits eine "Konversation" mit den italienischen Behörden eingeleitet worden sei, ein Überstellungstermin konnte jedoch zum damaligen Zeitpunkt noch nicht mitgeteilt werden. Darüber hinaus findet sich im gesamten, dem Gericht seitens der Behörde vorgelegten Verfahrensakt keinerlei Hinweis, dass die Behörde sich um einen (raschen) Überstellungstermin bemüht hätte, noch findet sich im gesamten Verfahren eine Begründung, warum es der Behörde nicht möglich war, dem BF die rasche Überstellung nach Italien zu ermöglichen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A. - Fortsetzung der Schubhaft

3.1. Gesetzliche Grundlagen

§ 22a Abs. 4 BFA-VG lautet:

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

Dauer der Schubhaft

§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich

1. drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;

2. sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrechterhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil

1. die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2. eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,

3. der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder

4. die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin-Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen.

(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.

(7) Das Bundesamt hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen.

3.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Schubhaft darf stets nur "ultima ratio" sein (vgl. VwGH 26. 08.2010, 2010/21/0234). Daraus ergibt sich nicht nur die in § 80 Abs. 1 FrPolG 2005 ausdrücklich festgehaltene behördliche Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert, vielmehr ist daraus auch abzuleiten, dass die Behörde schon von vornherein angehalten ist, im Fall der beabsichtigten Abschiebung eines Fremden ihre Vorgangsweise nach Möglichkeit so einzurichten, dass Schubhaft überhaupt unterbleiben kann. Unterlässt sie das, so erweist sich die Schubhaft als unverhältnismäßig (vgl. VwGH 27.01.2011, 2008/21/0595). Demzufolge erweist sich die Verhängung von Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung im Anschluss an eine Strafhaft regelmäßig als unverhältnismäßig, wenn die Fremdenpolizeibehörde (das BFA) auch zum absehbaren Ende einer Strafhaft hin mit der (versuchten) Beschaffung eines Heimreisezertifikats untätig bleibt. Eine sich aus den Umständen des Einzelfalles ergebende andere Sicht wäre nachvollziehbar zu begründen (VwGH 25.04.2014, 2013/21/0209).

3.3. Voraussetzung für die Anordnung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung ist das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft.

3.4. Im gegenständlichen Verfahren sind Umstände eingetreten, aus denen erkennbar ist, dass das Kriterium der Verhältnismäßigkeit nicht erfüllt ist. Das Verfahren mit den italienischen Behörden zur Rücküberstellung des BF wurde seitens der Behörde am 24.10.2019 eingeleitet. Hätte die belangte Behörde im verfahrensgegenständlichen Fall das Überstellungsverfahren des BF nach Italien zügig geführt, hätte zumindest die Anhaltedauer des BF in Schubhaft wesentlich verkürzt werden könne. Eine sich aus den Umständen des Einzelfalles ergebende andere Sicht wäre nachvollziehbar zu begründen. Eine solche Begründung hat sich im Verfahren nicht ergeben.

Daraus ergibt sich, dass die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft nicht gegeben ist. Die Interessen des BF an der Schonung seiner persönlichen Freiheit überwiegen gegenwärtig die öffentlichen Interessen an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung.

Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festzustellen, dass die maßgeblichen Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung nicht vorliegen.

Zu Spruchpunkt B. - Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Da keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen sind, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen, war die Revision daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Begründungsmangel, Rechtswidrigkeit, Schubhaft, Überprüfung,
Überstellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W154.2228492.1.00

Zuletzt aktualisiert am

28.04.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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