TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/21 G310 2228744-1

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Veröffentlicht am 21.02.2020
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Entscheidungsdatum

21.02.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs2 Z1
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z5
FPG §55 Abs4

Spruch

G310 2228744-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Gaby WALTNER über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, serbischer Staatsangehöriger, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung (Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH), gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX.01.2020, Zahl: XXXX, betreffend die Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot, zu Recht:

A) Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte V. und VI. des

angefochtenen Bescheids wird als unzulässig zurückgewiesen.

B) Im Übrigen wird der Beschwerde teilweise Folge gegeben und Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids dahingehend abgeändert, dass es zu lauten hat: "Gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 5 FPG wird gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen".

C) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF) wurde am XXXX.08.2019 in XXXX verhaftet und in Untersuchungshaft genommen.

Mit dem Schreiben des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 02.08.2019 wurde dem BF die Möglichkeit gegeben, zur beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbots Stellung zu nehmen. Er erstattete keine Stellungnahme.

Mit dem seit XXXX.12.2019 rechtskräftigen Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX.12.2019, XXXX, wurde der BF wegen Suchtgiftdelikten zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid erteilte das BFA dem BF keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt I.), erließ gegen ihn gemäß § 10 Abs 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG (Spruchpunkt II.), stellte gemäß § 52 Abs 9 FPG die Zulässigkeit seiner Abschiebung nach Serbien fest (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 5 FPG ein unbefristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt IV.), legte gemäß § 55 Abs 4 FPG keine Frist zur freiwilligen Ausreise fest (Spruchpunkt V.), und erkannte einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VI.). Dies wurde mit der strafgerichtlichen Verurteilung des BF und dem Fehlen familiärer, sozialer oder beruflicher Bindungen in Österreich begründet.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des BF gegen die Spruchpunkte IV., V. und VI. mit den Anträgen, eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen, den angefochtenen Bescheid hinsichtlich Spruchpunkt IV. zu beheben bzw. die Dauer des Einreiseverbotes angemessen zu befristen, in eventu den angefochtenen Bescheid zu beheben und zurückzuverweisen. Begründend wird zusammengefasst ausgeführt, dass keine ordnungsgemäße Gefährdungsprognose durchgeführt worden sei. Es handle sich beim BF um einen Ersttäter, und sei der Strafrahmen bei weitem nicht ausgeschöpft worden. Ein unbefristetes Einreiseverbot sei daher unverhältnismäßig. Darüber hinaus lebe seine Schwester in Griechenland, mit welcher er regelmäßig in Kontakt stehe. Auch lebe eine Tante von ihm in Schweden.

Das BFA legte die Beschwerde und die Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) vor, wo sie am 20.02.2020 einlangten.

Feststellungen:

Der BF wurde am XXXX im serbischen Ort XXXX geboren. Er spricht Serbisch. Er ist ledig und kinderlos. Zuletzt ging der BF in Serbien einer Beschäftigung als Verkäufer nach, wobei er EUR 700,00 verdiente. Er verfügt über kein Vermögen und hat Schulden in der Höhe von EUR 10.000,00. Seine Schwester lebt in Griechenland und eine Tante in Schweden.

Abgesehen von Aufenthalten in Justizanstalten weist er im Inland keine Wohnsitzmeldungen auf.

Im Herbst 2018 fasste der selbst regelmäßig Kokain, Heroin und Cannabiskraut konsumierende Angeklagte aufgrund seiner tristen finanziellen Lage den Entschluss, sich durch die Beteiligung an einer auf den Handel mit Heroin befassten kriminellen Vereinigung, eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.

Seiner Verurteilung mit dem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX.12.2019, XXXX, liegt zugrunde, dass er in XXXX als Mitglied einer kriminellen Vereinigung vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 25-fache der Grenzmenge übersteigende Menge, nämlich Heroin mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 5,64 % Heroin, 1,93 % Monoacetylmorphin und 0,4 % Acetylcodein, anderen erstens durch gewinnbringenden Verkauf überlassen und zwar zwischen XXXX.10.2018 und XXXX.07.2019 einer männlichen Person eine konkret nicht mehr festzustellende Menge, einer weiteren männlichen Person in zahlreichen Angriffen insgesamt 40 Gramm brutto und einer dritten männlichen Person 2 Gramm brutto, sowie zweitens verschafft bzw. zu verschaffen versucht hat, indem er im Zeitraum von XXXX.10.2018 bis XXXX.05.2019 und im Zeitraum von XXXX.07.2019 bis XXXX.08.2019 telefonisch die Suchtgiftbestellungen der Abnehmer entgegen nahm, die Übergabemodalitäten vereinbarte und die wechselnden Läufer der gegenständlichen Vereinigung, nämlich sechs namentlich im Urteil genannte sowie weitere unbekannt gebliebene Läufer anwies, die mit den Abnehmern telefonisch akkordierten Suchtgiftmengen an diese zu übergeben, und zwar insgesamt eine konkret nicht mehr feststellbare Menge von jedenfalls mehr als 1.414 Gramm netto (entspricht 2.020 Gramm brutto).

Der BF hat hiedurch das Verbrechen des Suchtgifthandels nach §§ 28a Abs 1 fünfter und sechster Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3 SMG, 15 StGB begangen und wurde hiefür unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 28a Abs 4 SMG, ausgehend von einem Strafrahmen von einem bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe, zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.

Bei der Strafzumessung wurden die teilweise Sicherstellung des Suchtgifts, das umfassende Geständnis und der bisher ordentliche Lebenswandel mildernd berücksichtigt. Der BF zeigte sich schuldeinsichtig und übernahm Verantwortung für sein Handeln. Die doppelte Qualifikation und die wiederholte Tatbegehung wirkten sich hingegen erschwerend aus. Es wurde darauf Bedacht genommen, dass das Verhalten des BF keinesfalls auf einem spontanen, sondern vielmehr einem reiflich überlegten und sorgfältig vorbereiteten Entschluss beruhte, er seine Handlungen über einen mehrmonatigen Zeitraum fortsetzte und dies auch auf eine durchdachte, die Rechtsordnung ablehnende Einstellung zurückzuführen war. Auch dem Umstand, dass der Angeklagte in eine gut funktionierende Organisation eingebunden war und im Zuge dessen mehrere Angriffe setzte sowie der damit verbundenen Gefahr für das Leben und die Gesundheit von Menschen in besonders großem Ausmaß, kam erhebliche Bedeutung zu. Überdies hat das Strafgericht nicht außer Acht gelassen, dass sich der Angeklagte aus rein finanziellen Motiven zu seinen Tathandlungen entschloss, worin sich insgesamt ein massives Charakterdefizit und eine geringe Hemmschwelle, die eigene finanzielle Situation durch kriminelle Machenschaften aufzubessern, manifestiert.

Der BF ist gesund und erwerbsfähig. Ihm wurde nie ein österreichischer Aufenthaltstitel erteilt; er war hier nie legal erwerbstätig und hat keine in Österreich lebenden Bezugspersonen. Das urteilsmäßige Strafende ist am XXXX.08.2023.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich widerspruchsfrei aus dem unbedenklichen Inhalt der Verwaltungsakten und des Gerichtsakts des BVwG.

Die Feststellungen zur Identität des BF sowie zu seinen persönlichen, familiären, beruflichen und finanziellen Verhältnissen beruhen auf dem Strafurteil. Serbischkenntnisse des BF sind aufgrund seiner Herkunft plausibel.

Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich, dass eine Schwester in Griechenland und eine Tante in Schweden lebt.

Im Zentralen Melderegister (ZMR) scheinen nur Wohnsitzmeldungen des BF in Justizanstalten auf. Die Feststellungen zu seinem Aufenthalt in Österreich und seine Suchtgiftaktivitäten hier beruhen auf den entsprechenden Konstatierungen im Strafurteil.

Die Feststellungen zu den vom BF begangenen Straftaten, zu seinen Verurteilungen und zu den Erschwerungs- und Milderungsgründen basieren auf dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX. Die Rechtskraft der Verurteilung wird durch den entsprechenden Eintrag im Strafregister belegt, in dem keine weiteren Verurteilungen des BF in Österreich aufscheinen. Dafür spricht, dass seine Unbescholtenheit als Milderungsgrund berücksichtigt wurde.

Die Festnahme des BF und seine anschließende Anhaltung in Haft ergeben sich aus der Vollzugsinformation, der Vorhaftanrechnung laut Strafurteil und der Wohnsitzmeldung in der Justizanstalt laut ZMR. Der Strafvollzug ergibt sich aus den von den Justizanstalten bekannt gegebenen Anhaltezeiten, das voraussichtliche Strafende aus der Vollzugsinformation.

Anhaltspunkte für nennenswerte familiäre oder private Bindungen des BF im Bundesgebiet sind nicht aktenkundig. Aus dem Versicherungsdatenauszug ergibt sich, dass er in Österreich nie legal erwerbstätig war. Dies deckt sich mit dem Umstand, dass er über keinen Aufenthaltstitel in Österreich verfügt, was aus dem Fremdenregister folgt, in dem kein Aufenthaltstitel dokumentiert ist.

Die Feststellung, dass der BF gesund und erwerbsfähig ist, beruht auf dem Fehlen aktenkundiger Anhaltspunkte für gesundheitliche Probleme, seinem erwerbsfähigen Alter und dem Umstand, dass er in Serbien erwerbstätig war.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Zu den Spruchpunkten V. und VI. des angefochtenen Bescheids:

Gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist.

Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG hat das BVwG der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen.

Gemäß § 55 Abs 4 FPG hat das BFA von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs 2 BFA-VG aberkannt wurde.

Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung laut Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheids baut auf der Rückkehrentscheidung laut Spruchpunkt II. auf und ist ihrerseits Grundlage für das Absehen von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise laut Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids. Da die Rückkehrentscheidung nicht angefochten wurde und somit bereits rechtskräftig ist, kommt eine gesonderte Anfechtung der Spruchpunkte V. und VI. nicht in Betracht. Da keine Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung vorliegt, kann einer solchen auch nicht die aufschiebende Wirkung zuerkannt werden. Damit ist aber auch der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise der Boden entzogen.

Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte V. und VI. des angefochtenen Bescheids ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

Zu Spruchteil B):

Zu Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids:

Gemäß § 53 FPG kann mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot, also die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der EU (außer Irlands) sowie Islands, Norwegens, der Schweiz und Liechtensteins einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten, verbunden werden, wenn der Drittstaatsangehörige die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet. Die Dauer des Einreiseverbots ist abhängig vom bisherigen Verhalten des Drittstaatsangehörigen. Geht von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit oder ein anderes in Art 8 Abs 2 EMRK genanntes öffentliches Interesse aus, kann gemäß § 53 Abs 3 FPG ein Einreiseverbot für bis zu zehn Jahre verhängt werden. Dies ist (soweit hier relevant) insbesondere dann der Fall, wenn der Drittstaatsangehörige von einem Gericht rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten verurteilt wurde (§ 53 Abs 3 Z 1 erster Fall FPG). Bei einer Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren kann gemäß § 53 Abs 3 Z 5 FPG sogar ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen werden.

Ein Einreiseverbot ist nicht zwingend mit jeder Rückkehrentscheidung zu verbinden, sondern steht im Ermessen der Behörde (vgl VwGH Ra 2016/21/0207). Es ist dann zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen sei eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Dabei ist sowohl für die Frage, ob überhaupt ein Einreiseverbot zu verhängen ist, als auch für die Bemessung seiner Dauer eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose vorzunehmen, in die das Gesamtverhalten des Betroffenen einzubeziehen ist. Aufgrund konkreter Feststellungen ist eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick worauf die Annahme einer schwerwiegenden Gefährdung öffentlicher Interessen gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung und Bestrafung des Betroffenen abzustellen, sondern auf die Art und Schwere der zugrunde liegenden Straftaten und das Persönlichkeitsbild, das sich daraus ergibt. Es ist im Rahmen einer Interessenabwägung zu prüfen, ob private oder familiäre Interessen des Betroffenen der Verhängung eines Einreiseverbots in der konkreten Dauer entgegenstehen (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht § 53 FPG K 10, 12; VwGH Ra 2016/21/0289).

Obwohl hier der Tatbestand des § 53 Abs 3 Z 5 FPG erfüllt ist und gegen den BF grundsätzlich ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen werden könnte, ist dieses aus folgenden Erwägungen auf die Dauer von zehn Jahren zu beschränken:

Der BF handelte über einen langen Zeitraum mit beträchtlichen Mengen gefährlicher Suchtgifte. Er wollte dadurch seine finanzielle Situation verbessern und nahm dafür die Schädigung der Gesundheit anderer Personen in Kauf. Er handelte aus reiner Gewinnsucht. Sein Aufenthalt stellt somit eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar, die ein zehnjähriges Einreiseverbot erforderlich macht, zumal er sich überdies nicht rechtmäßig, ohne Anmeldung und ohne ausreichende Mittel zur legalen Bestreitung seines Lebensunterhalts in Österreich aufhielt.

Aufgrund der schwerwiegenden und professionell organisierten Suchtmitteldelinquenz ist in Verbindung mit der finanziellen Situation des BF, welcher Schulden in der Höhe von EUR 10.000,00 aufweist, Wiederholungsgefahr anzunehmen. Es kann auch nicht von einem Wegfall oder einer wesentlichen Minderung der von ihm ausgehenden Gefährlichkeit ausgegangen werden. Dazu bedarf es grundsätzlich eines längeren Zeitraums des Wohlverhaltens, wobei in erster Linie das gezeigte Wohlverhalten in Freiheit - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - maßgeblich ist (siehe VwGH 20.12.2018, Ra 2018/21/0112). Da der BF derzeit noch in Strafhaft ist, kann von einem längeren Zeitraum des Wohlverhaltens in Freiheit keine Rede sein.

Die Verhinderung strafbarer Handlungen, insbesondere von Suchtgiftdelikten, ist vor dem Hintergrund der verheerenden Schäden und Folgen in der Gesellschaft, zu denen der Konsum von Suchtgiften führt, ein Grundinteresse der Gesellschaft (Schutz und Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit).

Straftaten wie die in Art 83 Abs 1 AEUV angeführten (Terrorismus, Menschenhandel, sexuelle Ausbeutung von Frauen und Kindern, illegaler Drogen- und Waffenhandel, Geldwäsche, Korruption, Fälschung von Zahlungsmitteln, Computerkriminalität, organisierte Kriminalität) können als besonders schwere Beeinträchtigung eines grundlegenden gesellschaftlichen Interesses angesehen werden, die geeignet ist, die Ruhe und die physische Sicherheit der Bevölkerung unmittelbar zu bedrohen.

Es ist aber zu berücksichtigten, dass das Strafgericht den Strafrahmen bei weitem nicht ausschöpfte, dass der BF erstmals strafgerichtlich verurteilt wurde und zum ersten Mal in Haft ist, wobei dem Erstvollzug im Allgemeinen eine erhöhte spezialpräventive Wirksamkeit zukommt. Ein unbefristetes Einreiseverbot steht daher außer Relation zu der über ihn verhängten Freiheitsstrafen und dem Unrechtsgehalt der von ihm begangenen Straftaten unter Berücksichtigung aller Milderungs- und Erschwerungsgründe. Dabei sollen sein Geständnis, die Sicherstellung eines Teils des Suchtgifts und der bisher ordentliche Lebenswandel nicht unberücksichtigt bleiben.

Demgemäß ist die Dauer des Einreiseverbots entsprechend dem darauf gerichteten Eventualantrag in der Beschwerde auf zehn Jahre zu reduzieren. Ein Einreiseverbot in dieser Dauer ist notwendig, aber auch ausreichend, um der vom BF ausgehenden Gefährlichkeit wirksam zu begegnen und eine nachhaltige Änderung seines Verhaltens und seiner Einstellung zu den rechtlich geschützten Werten zu bewirken. Eine weitere Reduktion scheitert an der Schwere der vom BF begangenen Straftat. Auch in der Beschwerde wurde kein zusätzliches substantiiertes Vorbringen erstattet, das eine weitere Reduktion des Einreiseverbotes bewirken könnte. Die mit dem Einreiseverbot einhergehende zeitweilige Unmöglichkeit Familienmitglieder in Griechenland bzw. in Schweden zu besuchen ist im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen sowie an der Verhinderung weiterer Suchtmittelkriminalität in Kauf zu nehmen. Es ist dem BF zumutbar, die bestehenden Kontakte zu seiner Schwester bzw. Tante, die derzeit ohnehin haftbedingt eingeschränkt sind, durch gegenseitige Besuche in den nicht vom räumlichen Geltungsbereich des Einreiseverbots umfassenden Staaten sowie durch Telefonate, Briefe und elektronische Kommunikation aufrechtzuerhalten.

Der angefochtene Spruchpunkt IV. des Bescheids ist daher in teilweiser Stattgebung der Beschwerde in diesem Sinn abzuändern.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann bei Vorliegen der dort umschriebenen Voraussetzungen von der Durchführung einer Beschwerdeverhandlung abgesehen werden. Von einem geklärten Sachverhalt iSd § 21 Abs 7 BFA-VG bei der Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen kann allerdings im Allgemeinen nur in eindeutigen Fällen ausgegangen werden, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des oder der Fremden sprechenden Fakten auch dann kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das BVwG von ihm oder ihr einen persönlichen Eindruck verschafft (vgl. zuletzt VwGH 16.01.2019, Ra 2018/18/0272).

Da hier ein eindeutiger Fall vorliegt, der Sachverhalt anhand der Aktenlage und dem Beschwerdevorbringen geklärt werden konnte und auch bei einem positiven Eindruck vom BF bei einer mündlichen Verhandlung keine andere Entscheidung denkbar ist, kann die ohnedies nicht beantragte Beschwerdeverhandlung unterbleiben. Von deren Durchführung ist keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten, zumal ohnehin von der Richtigkeit der vom BF in der Beschwerde ergänzend vorgebrachten Tatsachen ausgegangen wird.

Zu Spruchteil B):

Die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose und die Bemessung der Dauer eines Einreiseverbots sind im Allgemeinen nicht revisibel (VwGH Ra 2016/21/0284). Die Revision ist nicht zuzulassen, weil sich das BVwG an bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientieren konnte und keine darüber hinausgehende grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen war.

Schlagworte

Einreiseverbot, individuelle Verhältnisse, Interessenabwägung,
öffentliche Interessen, strafrechtliche Verurteilung,
Suchtgifthandel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G310.2228744.1.00

Zuletzt aktualisiert am

28.04.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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