Entscheidungsdatum
21.02.2020Norm
B-VG Art. 133 Abs4Spruch
G310 2220597-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Gaby WALTNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. am XXXX, StA. Serbien, vertreten durch Dr. Peter PHILIPP, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.04.2019, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:
A) Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt III. des
angefochtenen Bescheides stattgegeben und dieser ersatzlos aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Verfahrensgang:
Am XXXX.01.2019 wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom Verdacht der Überschreitung der visumsfreien Aufenthaltsdauer durch die Beschwerdeführerin (BF) von der Polizeiinspektion XXXX in Kenntnis gesetzt.
Am selben Tag wurde die BF vom BFA schriftlich aufgefordert, sich zur deshalb beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot zu äußern. Eine entsprechende Stellungnahme wurde von der BF gegenüber den Beamten der Polizeiinspektion XXXX erstattet und per Mail an das BFA weitergeleitet.
Die BF reiste am XXXX.01.2019 freiwillig aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Serbien aus.
Mit Strafverfügung vom XXXX.02.2019, GZ. XXXX, der Landespolizeidirektion XXXX wurde gegen die BF wegen Überschreitung des erlaubten Aufenthaltes um vier Tage gemäß § 120 Abs 1a FPG iVm § 31 Abs 1 FPG eine Geldstrafe von EUR 500,00 verhängt.
Mit dem oben angeführten Bescheid wurde gemäß § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Serbien zulässig ist (Spruchpunkt II.) und gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 3 FPG ein einjähriges Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.). Begründend wurde ausgeführt, dass die BF die sichtvermerkfreie Zeit um vier Tage überschritten habe, kein schützenswertes Familienleben bestehe und keine berufliche oder soziale Verfestigung vorliege. Das Einreiseverbot stützt sich auf eine Strafverfügung der Landespolizeidirektion XXXX wegen einer Übertretung nach § 120 Abs 1a FPG.
Dagegen richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde, mit den Anträgen, den bekämpften Bescheid zu beheben, in eventu eine mündliche Verhandlung anzuberaumen und hiernach der Beschwerde Folge zu geben und den Bescheid ersatzlos zu beheben. Begründend wird zusammengefasst ausgeführt, dass die BF sehr wohl über ein berücksichtigungswürdiges Familienleben in Österreich verfüge, da sich ihr Ehemann hier aufhalte. Die BF habe den sichtvermerksfreien Zeitraum um lediglich vier Tage überschritten und das Bundesgebiet unverzüglich nach Aufforderung verlassen.
Das BFA legte die Beschwerde und die Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) vor, wo sie am 01.07.2019 einlangten.
Feststellungen:
Die BF ist Staatsangehörige von Serbien, wo auch ihre Eltern und ihr Bruder leben. Die BF spricht serbisch und besitzt einen Universitätsabschluss der Wirtschaftsuniversität in XXXX. Sie ist gesund und arbeitsfähig.
Ihr Ehemann, ebenfalls ein serbischer Staatsbürger, hält sich seit 1999 in Österreich auf, wo auch seine Familie lebt. Er verfügt über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt-EU", gültig bis XXXX.05.2024. Derzeit ist er seit XXXX.07.2018 bis dato bei einem Unternehmen in XXXX als Angestellter beschäftigt und betrug sein monatliches Bruttoeinkommen im Jänner 2020 EUR 3.502,13.
Die BF reist immer wieder nach Österreich, um ihren Ehemann zu besuchen. Sie war von 10.07.2018 bis 21.01.2019, von 24.06.2019 bis 01.07.2019, von 22.07.2019 bis 24.07.2019, von 21.08.2019 bis 22.08.2019, von 04.09.2019 bis 06.09.2019 und zuletzt von 16.12.2019 bis 21.01.2020 im Bundesgebiet melderechtlich erfasst.
Während ihrer Aufenthalte im Bundesgebiet, lebt die BF bei ihrem Ehemann und ist mit ihm mitversichert. Im Bundesgebiet ist sie bislang keiner Beschäftigung nachgegangen, sie wird von ihrem Ehemann finanziell unterstützt. Die BF wurde in Österreich noch nie strafgerichtlich verurteilt.
Am XXXX.05.2019 wurde ihr Antrag vom XXXX.07.2018 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" als Familienangehörige von ihrem Ehemann abgewiesen. Eine erneute Antragstellung erfolgte am XXXX.09.2019.
Der BF verfügt im Bundesgebiet über keine weiteren maßgeblichen privaten oder familiären Bindungen.
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten. Entscheidungsrelevante Widersprüche liegen nicht vor.
Die Feststellungen zur Identität und Staatsangehörigkeit der BF beruhen auf den im Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde. Belegt wird dies auch durch den im Akt in Kopie aufliegenden serbischen Reisepass.
Die Feststellungen zu den privaten und familiären Lebensverhältnissen der BF in Serbien basieren auf ihren Angaben anlässlich der Einvernahme vor dem BFA. Die Serbischkenntnisse der BF sind aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit plausibel. Die Arbeitsfähigkeit der BF kann aufgrund des Fehlens von Anhaltspunkten für gesundheitliche Beeinträchtigungen und aufgrund ihres erwerbsfähigen Alters festgestellt werden.
Die Feststellungen zum Aufenthaltstitel des Ehemannes der BF, zu seinem Aufenthalt in Österreich und seiner beruflichen Tätigkeit basieren auf den dazu eingeholten Registerauszügen (Fremdenregister, ZMR, Abfrage beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger). Da die BF immer wieder Wohnsitzmeldungen an der Adresse des Ehemanns aufweist, ist davon auszugehen, dass sie sich bei ihren Inlandsaufenthalten bei ihm aufhielt.
Die strafgerichtliche Unbescholtenheit der BF wird durch die Einsicht in das Strafregister, in dem keine Verurteilungen aufscheinen, belegt. Die Beschäftigungszeiten und die Im Versicherungsdatenauszug sind keine Beschäftigungszeiten angeführt. Die Wohnsitzmeldungen ergeben sich aus dem Zentralen Melderegister. Die Anträge der BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels und die Entscheidung darüber sind im Fremdenregister dokumentiert.
Es gibt keine aktenkundigen Anhaltspunkte für weitere familiäre, soziale oder berufliche Anbindungen der BF in Österreich. Integrationsbemühungen sind - auch wegen der kurzen Dauer ihrer Aufenthalte im Bundesgebiet - nicht nachvollziehbar.
Rechtliche Beurteilung:
Die BF ist als Staatsangehörige von Serbien Fremde iSd § 2 Abs 4 Z 1 FPG und Drittstaatsangehörige iSd § 2 Abs 4 Z 10 FPG.
Der Aufenthalt eines Fremden in Österreich ist gemäß § 31 Abs 1a FPG nicht rechtmäßig, wenn kein Fall des § 31 Abs 1 FPG vorliegt. Gemäß § 31 Abs 1 Z 1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während ihres Aufenthalts Befristungen und Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthalts oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer eingehalten haben. Die übrigen Fälle des rechtmäßigen Aufenthalts nach § 31 Abs 1 FPG (Aufenthaltsberechtigung nach dem NAG, Aufenthaltstitel eines anderen Vertragsstaates, asylrechtliches Aufenthaltsrecht, arbeitsrechtliche Bewilligung) kommen hier nicht in Betracht, weil keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass einer dieser Tatbestände erfüllt sein könnte.
Die BF ist als serbische Staatsangehörige mit einem noch bis zum XXXX.2028 gültigen biometrischen Reisepass gemäß Art 1 Abs 2 iVm Anhang II Visumpflichtverordnung (§ 2 Abs 4 Z 20 FPG) von der Visumpflicht für einen Aufenthalt, der 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreitet, befreit. Zu den Voraussetzungen für die Einreise und den Aufenthalt der BF im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten gehört weiters, dass sie Dokumente vorzeigen kann, die ihren Aufenthaltszweck und die Umstände ihres Aufenthalts belegen, und über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts sowohl für die Dauer des Aufenthalts als auch für die Rückreise in den Herkunftsstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat, in dem ihre Zulassung gewährleistet ist, verfügt oder in der Lage ist, diese Mittel auf legale Weise zu erwerben (Art 6 Abs 1 lit c Schengener Grenzkodex [Verordnung [EU] 2016/399 ABl. Nr. L 77 vom 9.3.2016 idgF]; Art 5 Abs 1 lit c SDÜ [Schengener Durchführungsübereinkommen; vgl § 2 Abs 4 Z 6 FPG]). Außerdem darf sie keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die internationalen Beziehungen eines Mitgliedstaats darstellen und darf insbesondere nicht in den nationalen Datenbanken der Mitgliedstaaten zur Einreiseverweigerung aus denselben Gründen ausgeschrieben worden sein (Art 6 Abs 1 lit e Schengener Grenzkodex; Art 5 Abs 1 lit e SDÜ).
Im 180-Tage-Zeitraum von 22.07.2018 bis 17.01.2019 hielt sich die BF - wie die Grenzkontrollstempel in ihrem Reisepass belegen - von 19.09.2010 bis 19.10.2018 (31 Tage), von 21.10.2018 bis 26.10.2018 (6 Tage), von 02.11.2018 bis 14.12.2018 (43Tage) und von 04.01.2019 bis zur Kontrolle am 17.01.2019 (14 Tage), somit insgesamt 94 Tage, im Schengenraum auf. Das Verlassen des Schengenraums erfolgte am XXXX.01.2019.
Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:
Gemäß § 52 Abs 1 FPG hat das BFA gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (Z 1) oder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde (Z 2).
Wird durch eine Rückkehrentscheidung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (§ 9 Abs 1 BFA-VG). Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (§ 9 Abs 2 BFA-VG).
Gemäß § 9 Abs 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
Die Anwendung dieser Rechtslage auf den hier maßgeblichen Sachverhalt ergibt Folgendes:
Die BF durfte sich im Rahmen des visumfreien Aufenthalts maximal 90 Tage in 180 Tagen im Schengen-Raum aufhalten. Da sie diesen Zeitraum überschritt, war ihr Aufenthalt ab XXXX.01.2019 nicht rechtmäßig. Die Rückkehrentscheidung wurde im angefochtenen Bescheid aufgrund der am XXXX.01.2019 erfolgten Ausreise zutreffend auf § 52 Abs 1 Z 2 FPG gestützt.
Bei der Beurteilung der Frage, ob die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme aus dem Blickwinkel des § 9 BFA-VG iVm Art 8 EMRK zulässig ist, ist eine gewichtende Gegenüberstellung des öffentlichen Interesses an der Aufenthaltsbeendigung mit dem Interesse des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich vorzunehmen.
Auch wenn das persönliche Interesse am Verbleib in Österreich grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthalts des Fremden zunimmt, so ist die bloße Aufenthaltsdauer nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles vor allem zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen, die eine Aufenthaltsbeendigung auf die familiären und sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 15.12.2015, Ra 2015/19/0247).
Die Rückkehrentscheidung greift in das Familienleben der BF ein. Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, dass sie ein erhebliches Interesse an einem Verbleib in Österreich hat, weil ihr Ehemann hier lebt und erwerbstätig ist. Ihrem Interesse an einer Fortsetzung dieses Familienlebens steht aber das große öffentliche Interesse am geordneten Vollzug fremdenrechtlicher Vorschriften gegenüber. Das Gewicht des Familienlebens der BF im Inland wird dadurch entscheidend gemindert, dass es zu einer Zeit entstand, zu der sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, zumal die BF über keine über die erlaubte visumfreie Aufenthaltsdauer hinausgehende Aufenthaltsgenehmigung in Österreich verfügte und ihr dies - insbesondere aufgrund der vorangegangenen aufenthaltsrechtlichen Verfahren - zweifellos bekannt war.
Die BF hat bis auf ihren in Österreich lebenden Ehemann, der serbischer Staatsangehöriger ist, und dessen Familie im Bundesgebiet keine familiären oder privaten Anknüpfungen, zumal sich ihr eigener Lebensmittelpunkt stets in Serbien befand, sie in Österreich nie erwerbstätig war, die deutsche Sprache nicht beherrscht und Mitglieder ihrer Herkunftsfamilie in Serbien leben. Im Hinblick auf die kurze Dauer ihrer Aufenthalte im Inland liegt zum Entscheidungszeitpunkt keine berücksichtigungswürdige Integration der BF in Österreich in sprachlicher, beruflicher oder sozialer Hinsicht vor. Dagegen bestehen starke Bindungen an ihren Herkunftsstaat, wo die BF den Großteil ihres Lebens verbrachte. Sie ist mit den dortigen Gepflogenheiten vertraut und sprachkundig; sie verfügt auch über private Bindungen, zumal ihre Eltern und ihr Bruder dort leben.
Ihre strafrechtliche Unbescholtenheit vermag weder ihr Interesse an einem längerfristigen Verbleib in Österreich zu verstärken noch das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung abzuschwächen (vgl. VwGH 19.04.2012, Zl. 2011/18/0253). Die BF kann die Beziehung zu ihrem Ehemann wie schon bisher über diverse Kommunikationsmittel (wie Telefon oder Internet) und bei Besuchen in Serbien oder in anderen Staaten aufrecht halten. Ihr Ehemann kann sie von Österreich aus auch in Serbien finanziell unterstützen.
Eine Trennung von einem in Österreich dauerhaft niedergelassenen Ehepartner ist dann gerechtfertigt, wenn dem öffentlichen Interesse an der Vornahme einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme ein sehr großes Gewicht beizumessen ist, etwa bei einer von Anfang an beabsichtigten Umgehung der Regelungen über eine geordnete Zuwanderung und den "Familiennachzug" (VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0130). Die Ehe der BF führt nicht dazu, dass eine Rückkehrentscheidung unter dem Gesichtspunkt von Art 8 EMRK unzulässig wäre, zumal das Familienleben in Kenntnis des unsicheren Aufenthaltsstaus begründet wurde.
Den Behörden zurechenbare überlange Verfahrensverzögerungen liegen nicht vor.
Im Lichte der nach § 9 BFA-VG iVm Art 8 Abs 2 EMRK gebotenen Abwägung hat sich somit insgesamt nicht ergeben, dass die familiären oder privaten Bindungen der BF in Österreich das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts überwiegen. Das BFA ging somit im Ergebnis zu Recht davon aus, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts der BF im Bundesgebiet das persönliche Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, die eine Rückkehrentscheidung (auf Dauer oder vorübergehend) unzulässig erscheinen ließen.
Da die Voraussetzungen für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorliegen, war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids als unbegründet abzuweisen.
Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids:
Gleichzeitig mit einer Rückkehrentscheidung ist gemäß § 52 Abs 9 FPG festzustellen, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
Gemäß § 50 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art 2 EMRK oder Art 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre (Abs 1), wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Abs 2) oder solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den EGMR entgegensteht (Abs 3).
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist die Abschiebung der BF in ihren Herkunftsstaat zulässig. Es sind keine konkreten Umstände dahingehend hervorgekommen, dass - auch unter dem Gesichtspunkt des Familienlebens der BF in Österreich - unter Berücksichtigung ihrer konkreten Situation in Serbien die Abschiebung in den Herkunftsstaat unzulässig wäre (vgl VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119). Daher ist Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides nicht korrekturbedürftig.
Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids:
Gemäß § 53 FPG kann das BFA mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot, also die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der EU (außer Irlands) sowie Islands, Norwegens, der Schweiz und Liechtensteins einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten, erlassen, wenn der Drittstaatsangehörige die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet. Die Dauer des Einreiseverbots ist abhängig vom bisherigen Verhalten des Drittstaatsangehörigen. Dabei ist zu berücksichtigen, inwieweit sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art 8 Abs 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Das Vorliegen einer für die Verhängung eines Einreiseverbots relevanten Gefahr ist nach der demonstrativen Aufzählung des § 53 Abs 2 Z 1 bis 9 FPG (soweit hier relevant) z.B. dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige wegen der Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt (§ 53 Abs 2 Z 3 FPG). In diesem Fall kann ein Einreiseverbot für höchstens fünf Jahre erlassen werden.
Ein Einreiseverbot ist nicht zwingend mit jeder Rückkehrentscheidung zu verbinden (vgl VwGH Ra 2016/21/0207). Es ist dann zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Aufenthalt stelle eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar. Dabei ist sowohl für die Frage, ob überhaupt ein Einreiseverbot zu verhängen ist, als auch für die Bemessung seiner Dauer eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose vorzunehmen, in die das Gesamtverhalten des Betroffenen einzubeziehen ist. Aufgrund konkreter Feststellungen ist eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick worauf die Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gerechtfertigt ist. Es ist weiters in Rahmen einer Interessenabwägung zu prüfen, ob private oder familiäre Interessen des Betroffenen der Verhängung eines Einreiseverbots in der konkreten Dauer entgegenstehen (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht § 53 FPG K 10, 12; vgl auch VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0289).
Der bloße unrechtmäßige Aufenthalt ist noch keine derartige Störung der öffentlichen Ordnung, dass dies immer die Erlassung eines Einreiseverbots gebietet. Wenn sich das Fehlverhalten darauf beschränkt und ausnahmsweise nur eine geringfügige Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens vorliegt, ist überhaupt kein Einreiseverbot zu verhängen (VwGH 15.05.2012, 2012/18/0029).
Trotz Missachtung fremdenrechtlicher Vorschriften liegt noch keine allzu gravierende Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung vor, dies auch angesichts der strafrechtlichen Unbescholtenheit der BF, so dass das Einreiseverbot laut Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids in teilweiser Stattgebung der Beschwerde ersatzlos aufzuheben ist.
§ 21 Abs 7 BFA-VG erlaubt das Unterbleiben einer Verhandlung sogar dann, wenn deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Diese Regelung steht im Einklang mit Art 47 Abs 2 GRC. Bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen kommt der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zwar besondere Bedeutung zu, und zwar sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art 8 EMRK sonst relevanten Umstände. Daraus ist aber noch keine generelle Pflicht zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Verfahren über aufenthaltsbeendende Maßnahmen abzuleiten. In eindeutigen Fällen, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das BVwG von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, kann auch eine beantragte Verhandlung unterbleiben (VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0233).
Da der Sachverhalt aus der Aktenlage und dem Beschwerdevorbringen geklärt erscheint und auch bei einem positiven Eindruck von der BF bei einer mündlichen Verhandlung kein Entfall der Rückkehrentscheidung möglich wäre, kann eine Beschwerdeverhandlung entfallen. Von deren Durchführung ist keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten, zumal ohnehin von der Richtigkeit der in der Beschwerde aufgestellten Tatsachenbehauptungen der BF ausgegangen wird.
Die im Zusammenhang mit der Erlassung eines Einreiseverbots anzustellende Gefährdungsprognose und die dabei vorzunehmende Interessenabwägung können jeweils nur im Einzelfall erstellt bzw. vorgenommen werden. Die Revision war nicht zuzulassen, weil sich das BVwG dabei an bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientieren konnte und keine darüber hinausgehende grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen war.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Einreiseverbot, Interessenabwägung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:G310.2220597.1.00Zuletzt aktualisiert am
28.04.2020