Entscheidungsdatum
26.02.2020Norm
ASVG §67 Abs4Spruch
I401 2143113-1/33E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard AUER über die Beschwerde der XXXX Gesellschaft m.b.H., vertreten durch Dr. Meinrad EINSLE, Rechtsanwalt, Römerstraße 19, 6900 Bregenz, gegen den Bescheid der Vorarlberger Gebietskrankenkasse vom 24.08.2016 (in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 04.11.2016) betreffend "Haftung für Beitragsschuldigkeiten gemäß § 67 Abs. 4 ASVG" nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird Folge gegeben und der Bescheid vom 24.08.2016 behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
1. Mit Bescheid vom 24.08.2016 sprach die Vorarlberger Gebietskrankenkasse (in der Folge als VGKK bezeichnet) aus, dass die von der XXXX Gesellschaft m.b.H. (in der Folge als Beschwerdeführerin bezeichnet) als Betriebsnachfolgerin gemäß §§ 67 Abs. 4 und 83 ASVG für die rückständigen Sozialversicherungsbeiträge, Verzugszinsen und Verwaltungskostenersätze der XXXX GesmbH (in der Folge: L GmbH) als Betriebsvorgängerin für die Beitragszeiträume Juli 2013 bis Juli 2014 (Haftungszeitraum 01.08.2013 bis 01.08.2014) in der Höhe von €
43.569,76 hafte (Spruchpunkt 1.) und die Beschwerdeführerin verpflichtet sei, diesen Betrag zuzüglich Verzugszinsen an die VGKK zu bezahlen (Spruchpunkt 2.).
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.09.2019, I401 2143113-1/24E, wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung der von der Beschwerdeführerin erhobenen Beschwerde teilweise Folge gegeben und der von ihr zu leistende Haftungsbetrag auf € 14.629,91 herabgesetzt.
Diese Entscheidung hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 29.01.2020, Ra 2019/08/0153, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Verwaltungsgerichtshof führte nach Wiedergabe des wesentlichen Inhaltes des bekämpften Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts aus:
"20 Ausschlaggebend für die Betriebsnachfolgehaftung ist, ob vom Nachfolger eine organisierte Erwerbsgelegenheit als Objekt im Rechtsverkehr erworben wurde, die als solche geeignet ist, unabhängig von den im Zeitpunkt des Erwerbs gegebenen Gewinnchancen oder Verlustgefahren, wirtschaftlich werthafte Leistungen auf dem für sie in Betracht kommenden Markt zu erbringen. Wurden vom Nachfolger nicht ein Betrieb als solcher, sondern nur Betriebsmittel erworben, so kommt es für die Qualifizierung als Betriebserwerb im Sinne des § 67 Abs. 4 ASVG darauf an, ob jene Betriebsmittel erworben wurden, die nach der Betriebsart und dem Betriebsgegenstand die wesentliche Grundlage des Betriebes des Vorgängers, also die Grundlage für die Erbringung wirtschaftlich werthafter Leistungen im genannten Sinn, gebildet haben und den Erwerber mit ihrem Erwerb objektiv in die Lage versetzten, den Betrieb (in dem Umfang, mit dem Betriebsgegenstand und in der Betriebsart wie der Vorgänger) - unter Einsatz weiterer, nicht die wesentliche Grundlage des Betriebes bildender Betriebsmittel - fortzuführen (VwGH 21.11.1989, 88/08/0130, mwN). Welche Betriebsmittel in diesem Sinne wesentlich sind, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles und hängt im Besonderen von Art und Gegenstand des Betriebes ab (VwGH 30.9.1997, 95/08/0248, mwN).
21 Unter dem im Gesetz verwendeten Begriff "Übereignung" ist die "Verschaffung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht" anzusehen, wobei es dabei nicht auf eine besondere zivilrechtliche Gestaltung ankommt. Maßgebend ist somit der - wenn auch nicht unmittelbare - auf Rechtsgeschäft beruhende Übergang der wirtschaftlichen Verfügungsmacht vom Vorgänger auf den Erwerber. Für die Verschaffung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht kommt es nach der Judikatur auf eine bestimmte zivilrechtliche Ausgestaltung nicht an, daher auch nicht auf eine bestimmte sachenrechtliche Zuordnung der Betriebsmittel (VwGH 19.2.2003, 98/08/0104).
22 Nach den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes hat die bei der revisionswerbenden Partei verschuldete L. GmbH (im Rahmen eines Finanzierungsleasings) ihren Maschinenpark an diese verkauft und ihn zugleich von dieser zurückgemietet. Dieses Geschäft hat es der L. GmbH ermöglicht, ihr Unternehmen fortzuführen. Die revisionswerbende Partei hat damit im maßgeblichen Zeitraum nicht die wirtschaftliche Verfügungsmacht über wesentliche Betriebsmittel erlangt, die es ihr erlaubt hätten, das Unternehmen auf eigene Rechnung und Gefahr fortzuführen. Anders als in dem dem genannten Erkenntnis (98/08/0104) zu Grunde liegenden Fall hat die revisionswerbende Partei nicht etwa einen Maschinenpark von einer Leasingfirma in einem rechtsgeschäftlich zu deutenden Einvernehmen mit einer Betriebsvorgängerin erworben, sondern sie hat - auch zur Absicherung der von ihr gewährten Kredite - zugleich mit der Eigentumsübertragung die Funktion einer Vermieterin bzw. Leasinggeberin übernommen (vgl. VwGH 17.10.2012, 2012/08/0208)."
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zu Spruchpunkt A):
§ 67 Abs. 4 ASVG lautet:
"Wird ein Betrieb übereignet, so haftet der Erwerber für Beiträge, die sein Vorgänger zu zahlen gehabt hätte, unbeschadet der fortdauernden Haftung des Vorgängers sowie der Haftung des Betriebsnachfolgers nach § 1409 ABGB unter Bedachtnahme auf § 1409a ABGB und der Haftung des Erwerbers nach § 38 des Unternehmensgesetzbuches (UGB), dRGBl. S. 219/1897, für die Zeit von höchstens zwölf Monaten vom Tag des Erwerbes zurückgerechnet. Im Fall einer Anfrage beim Versicherungsträger haftet er jedoch nur mit dem Betrag, der ihm als Rückstand ausgewiesen worden ist."
Durch den im Rahmen eines Finanzierungsleasings erfolgten Verkauf des Maschinenparks durch die Betriebsvorgängerin bzw. die L GmbH an die Beschwerdeführerin, die ihn zugleich an diese wieder vermietet hat, wurde die L GmbH in die Lage versetzt, ihr Unternehmen fortzuführen. Die Beschwerdeführerin erlangte damit im maßgeblichen Zeitraum nicht die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die wesentlichen Betriebsmittel, die es ihr ermöglicht hätten, das Unternehmen auf eigene Rechnung und Gefahr fortzuführen.
Auf Grund des im Oktober 2013 abgeschlossenen Kaufvertrages und der gleichzeitig erfolgten Vermietung des Maschinenparks durch die Beschwerdeführerin wieder an die Betriebsvorgängerin bzw. die L GmbH hat eine Übereignung eines Betriebes iSd § 67 Abs. 4 ASVG nicht stattgefunden.
Der Beschwerde war daher (zur Gänze) Folge zu geben und der bekämpfte Bescheid vom 24.08.2016 (in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 04.11.2016) zu beheben.
Zu Spruchpunkt B) - Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil sich die gegenständliche Entscheidung auf die vom Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis vom 29.01.2020 vertretene Rechtsansicht stützt.
Schlagworte
Beitragsschuld, Betriebsmittel, Betriebsnachfolge, Haftung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:I401.2143113.1.00Zuletzt aktualisiert am
28.04.2020