TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/26 G310 2224266-6

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Veröffentlicht am 26.02.2020
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Entscheidungsdatum

26.02.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §76

Spruch

G310 2224266-6/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Gaby WALTNER als Einzelrichterin in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren zur Überprüfung der Anhaltung in Schubhaft von XXXX, geb. XXXX, Staatsangehörigkeit: Marokko, vertreten durch ARGE Rechtsberatung (Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH), IFA-Zl.

XXXX, zu Recht erkannt:

A) Es wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die

für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Mit Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 19.06.2019, Zl. XXXX wurde über XXXX (BF), gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme sowie zur Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Am 16.10.2019, 12.112019, 10.12.2019, 07.01.2020 und am 31.01.2020 haben jeweils Verhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht zur amtswegigen Überprüfung der Anhaltung in Schubhaft stattgefunden. Mit mündlich verkündeten Erkenntnissen wurde jeweils festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft wegen Vorliegens von Fluchtgefahr (auf Grund des § 76 Abs. 2 Z 2 iVm. Abs. 3 FPG) vorliegen würden und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig sei.

Am 25.02.2020 wurde vom BFA neuerlich der Akt gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zur amtswegigen Überprüfung der Anhaltung gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG vorgelegt.

Feststellungen:

Der volljährige BF ist marokkanischer Staatsbürger. Der BF verfügt über kein gültiges Reisedokument und über keine Berechtigung zur Einreise in das österreichische Bundesgebiet und zum Aufenthalt in diesem.

Er reiste spätestens am XXXX.06.2019 über Slowenien auf dem Landweg in das österreichische Bundesgebiet ein und wollte nach Deutschland weiterreisen. Am selben Tag wurde ihm die dortige Einreise wegen Bestehens eines schengenweiten Einreiseverbotes, das bis XXXX.03.2020 im SIS gespeichert ist, verweigert. Am XXXX.06.2019 wurde gegen ihn die Dublin-Schubhaft verhängt. Ein am XXXX.06.2019 eingeleitetes Konsultationsverfahren mit Deutschland führte zu keinem Ergebnis, weil der BF laut der dortigen Fremdenbehörde am XXXX.09.2017 nach Marokko abgeschoben wurde, nachdem sein in Deutschland gestellter Asylantrag abgelehnt wurde.

Dem im Gerichtsakt des BVwG G307 XXXX aufliegenden Schreiben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 19.06.2019, Z. XXXX ist zu entnehmen, dass der BF unter mehreren Alias-Daten registriert ist.

Am XXXX.06.2019 wurde ein HRZ-Verfahren mit Marokko eingeleitet. In der Folge wurde dieses am 12.07.2019, 18.07.2019, 14.08.2019, 11.09.2019, 09.10.2019, 16.10.2019, 12.11.2019, am 06.12.2019, 10.01.2020 und zuletzt am 17.02.2020 urgiert. Auf die einzelnen Urgenzen erfolgte seitens der marokkanischen Botschaft keine Rückmeldung und wurde auch noch kein Heimreisezertifikat ausgestellt. Der BF wurde der marokkanischen Botschaft bislang noch nicht vorgeführt.

Am 11.11.2019 wurde seitens des BFA bei den deutschen Behörden das im Jahr 2017 ausgestellte Laissez-Passer-Dokument angefordert und der Urgenz vom 12.11.2019 beigelegt.

Abgesehen von seiner derzeitigen Anhaltung im Anhaltezentrum XXXX seit 19.06.2019, weist der BF keine Wohnsitzmeldung im Bundesgebiet auf. Der BF ist strafrechtlich unbescholten.

Der BF hat in Österreich keine familiären, beruflichen oder sonstigen sozialen Bindungen. Er verfügt weder über eine eigene gesicherte Unterkunft noch über ausreichende Existenzmittel zur Sicherung seines Lebensunterhaltes.

Der BF ist nicht bereit, nach Marokko zurückzukehren. Es ist davon auszugehen, dass er in Europa verbleiben möchte.

Am 07.01.2020 stellte der BF im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des BFA vom XXXX.02.2020, Zl. XXXX, hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sowie des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung mit zulässiger Abschiebung in dessen Herkunftsstaat Marokko erlassen wurde. Einer Beschwerde dagegen wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Die Rechtsmittelfrist ist noch laufend.

Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA, des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG und aus der Einsichtnahme in die Gerichtsakte des BVwG zu den GZ. G307 XXXX, G306 XXXX, G309 XXXX, G314 XXXX und G314 XXXX.

Die gegenständlichen Feststellungen konnten aufgrund der vorliegenden Aktenlage getroffen werden und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:

Die im Spruch angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum) und die angeführte Staatsangehörigkeit beruhen auf den eigenen Angaben des BF.

Seine Weigerung, nach Marokko zurückzukehren, ergibt sich aus seinen Angaben im Zuge seiner Niederschrift der fremden- und grenzpolizeilichen Abteilung des Polizeianhaltezentrums (PAZ) XXXX am XXXX.06.2019, wonach er sich nach Frankreich begeben wollte und würde, sollte er aus der Schubhaft entlassen werden, dorthin (nach Frankreich) weiterreisen. Dafür sprechen auch seine Angaben zu seiner bisherigen Reisebewegung innerhalb Europas vor seiner Abschiebung 2017 anlässlich der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG vom 31.01.2020, G314 XXXX, und seine Rückkehr nach Europa im Jahr 2019.

Die weiteren Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestritten gebliebenen Akteninhalt sowie aus den Ermittlungsergebnissen in den bis dato durchgeführten mündlichen Verhandlungen.

Zudem konnten diese aufgrund der Einsichtnahme des erkennenden Gerichtes in das ZMR, IZR, Strafregister und die Anhaltedatei getroffen werden.

Rechtliche Beurteilung

Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 87/2012 lautet:

§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 lautet:

§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß

Der mit "Dauer der Schubhaft" betitelte § 80 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 lautet:

§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich

1. drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;

2. sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil

1. die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2. eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,

3. der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder

4. die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin-Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen.

(5a) In den Fällen des § 76 Abs. 2 letzter Satz ist auf die Schubhaftdauer gemäß Abs. 5 auch die Dauer der auf den Festnahmeauftrag gestützten Anhaltung anzurechnen, soweit sie nach Stellung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß § 40 Abs. 5 BFA-VG aufrechterhalten wurde. Die Anrechnung gemäß Abs. 5 letzter Satz bleibt davon unberührt.

(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.

(7) Das Bundesamt hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen.

Zu Spruchteil A.)

Das BVwG hat aufgrund der seit acht Monaten durchgehenden Anhaltung des BF in Schubhaft gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG zu überprüfen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

Das erkennende Gericht geht weiterhin davon aus, dass beim BF Fluchtgefahr besteht, da dieser zumindest vier Tatbestände des § 76 Abs. 3 FPG erfüllt.

Der Tatbestand nach § 76 Abs. 3 Z. 2 FPG ist gegeben, weil der BF trotz eines für den gesamten Schengenraum aufrechten Einreiseverbots in das österreichische Bundesgebiet eingereist ist.

Weiters liegt eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung im Sinne des § 76 Abs. 3 Z 3 FPG vor.

Der BF ist in Österreich im Sinne des § 76 Abs. 3 Z 9 FPG nicht sozial verankert und verfügt selbst über keine ausreichenden Mittel zur Finanzierung seines Lebensunterhaltes bzw. geht einer Erwerbstätigkeit nach. Auch verfügt der BF über keinen gesicherten Wohnsitz.

Auch ergibt sich aus dem bisherigen Verfahren, dass der BF nicht bereit ist, nach Marokko zurückkehren zu wollen, weswegen im Sinne des § 76 Abs. 3 Z 1 FPG davon auszugehen ist, dass er an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nicht mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert.

Im Hinblick auf die bisherige Dauer der Schubhaft ist zu sagen, dass hier unzweifelhaft ein Sachverhalt im Sinne des § 80 Abs. 4 Z 1 und auch 2 FPG vorliegt, weshalb die gegenständliche Schubhaft aus derzeitiger Sicht auch über die sechs Monate hinaus fortgesetzt werden kann.

Die zur Beschleunigung des Verfahrens beitragenden Unterlagen aus Deutschland wurden der Vertretungsbehörde am 12.11.2019 übermittelt. Laut Angaben des Vertreters des BFA anlässlich der Verhandlung am 07.01.2020 zu GZ. G314 XXXX dauert es im Hinblick auf Marokko in der Regel vier bis sechs Monate, manchmal aber auch bis zu 15 Monaten, bis ein HRZ ausgestellt wird. Es werden regelmäßig HRZs, und zwar zwei bis vier pro Woche für Österreich ausgestellt. Im Hinblick auf diese Zeitspanne und dem Umstand, dass nun auch die Unterlagen von Deutschland vorliegen, ist derzeit nach wie vor davon auszugehen, dass Aussicht besteht, die Klärung der Identität - und damit verbunden die Erlangung eines Heimreisezertifikats - innerhalb der zulässigen Schubhafthöchstdauer bewirken zu können (vgl. VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0348).

Die Forstsetzung der Schubhaft ist wegen des Vorliegens von Fluchtgefahr weiterhin erforderlich und wegen des Überwiegens des öffentlichen Sicherungsinteresses im Vergleich zum Recht des BF auf persönliche Freiheit auch als verhältnismäßig anzusehen. Ein gelinderes Mittel ist im Hinblick auf sämtliche Umstände des vorliegenden Falles, insbesondere aufgrund des Vorliegens von Fluchtgefahr, zur Erreichung des Sicherungszwecks nicht geeignet.

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG ist daher auszusprechen, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die weitere Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.

Zu Spruchteil B.)

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen.

Schlagworte

Fluchtgefahr, Interessenabwägung, öffentliche Interessen, Schubhaft,
Schubhaftbeschwerde, Sicherungsbedarf, Verhältnismäßigkeit,
Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G310.2224266.6.00

Zuletzt aktualisiert am

28.04.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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