TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/26 G307 2223744-4

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Veröffentlicht am 26.02.2020
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Entscheidungsdatum

26.02.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §76

Spruch

G307 2223744-4/7E

Schriftliche Ausfertigung des am 18.02.2020 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus MAYRHOLD in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren zur Überprüfung der Anhaltung in Schubhaft des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: Elfenbeinküste alias Mali, BFA-Zahl XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.02.2020 zu Recht erkannt:

A) Es wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die

für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom XXXX.2019 wurde gegen den betroffenen Fremden (im Folgenden: BF) die Schubhaft verhängt. Die dagegen an das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis dessen mündlich verkündetem Erkenntnis vom 27.09.2019, Zahl G311 2223744-1/6Z vom 27.09.2019 als unbegründet abgewiesen.

2. Am 23.09.2019 wurde seitens des BFA die erste amtswegige Schubhaftprüfung zum Verfahren XXXX durchgeführt und mittels Aktenvermerk festgehalten, dass die die Schubhaftgründe sowie die Rechtmäßigkeit der Schubhaft unverändert vorlägen. Dem folgten amtliche Überprüfungen seitens des BVwG am 16.12.2019, 20.01.2020 und 18.02.2020.

3. Mit dem in Rede stehenden, mündlich verkündeten Erkenntnis des BVwG wurde festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen und, dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig sei.

4. Mit Schreiben vom 21.02.2020, beim BVwG eingelangt am selben Tag, wurde die Erstellung einer schriftlichen Ausfertigung dieser Entscheidung beantragt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF reiste spätestens am 19.07.2015 unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein und stelle - letztlich unbegründet - einen Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes. Mit Bescheid des BFA vom 29.06.2017 wurde dieser Antrag in allen Spruchpunkten abgewiesen, die Abschiebung des BF in die Elfenbeinküste gem. § 46 FPG für zulässig erklärt und diesem gleichzeitig eine Frist zur freiwilligen Ausreise von 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt.

Nach Erlassung des unter I.1. erwähnten Schubhaftbescheides wurde der BF am XXXX.2019 dem Konsulat der Republik Elfenbeinküste vorgeführt. Im Zuge einer Befragung durch einen dortigen Mitarbeiter gab der BF an, er sei im Viertel XXXX, in XXXX geboren und aufgewachsen, seine Eltern stammten jedoch aus Mali. Der BF habe zwar Dokumente gehabt, welche ihn als ivorischen Staatsangehörigen ausgewiesen hätten, diese habe er jedoch verloren. Des Weiteren gab der BF dort an, er habe sich diese Dokumente durch falsche Angaben erschlichen.

1.2. Das ivorische Konsulat lehnte in der Folge die Ausstellung eines Heimreisedokuments ab, weil es sich beim BF nicht um einen ivorischen Staatsangehörigen, sondern vermutlich um einen solchen aus Mali handle. Am XXXX.2019 wurde mit der Botschaft von Mali ein Verfahren zu Erlangung eines Ersatzreisedokumentes seitens des Bundesamtes eingeleitet.

1.3. Am 07.11.2019 fand im XXXX eine Einvernahme der des BF statt, um dessen Herkunft zwecks Erlangung eines Ersatzreisedokumentes abzuklären. Am XXXX.2019 wurden die diesbezüglichen Ermittlungsunterlagen an die malische Botschaft in XXXX weitergeleitet. Dieses Verfahren ist noch im Laufen. Urgenzen an die Botschaft von Mali sind nur alle 2 Monate möglich.

1.4. Am 16.12.2019 und 20.01.2020 fanden vor dem BVwG mündliche Verhandlungen zur Überprüfung der andauernden Anhaltung in Schubhaft statt. In deren Zuge wurde deren Aufrechterhaltung für recht- und verhältnismäßig befunden.

1.5. Am XXXX.2018 wurden der BF mit Urteil des Landesgerichtes XXXX, Zahl XXXX, wegen Sachbeschädigung und Körperverletzung gemäß §§ 125 und 83 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Monaten, bedingt unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren, rechtskräftig verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX.2018, Zahl XXXX, wurde der BF wegen versuchter und vollendeter Sachbeschädigung, Körperverletzung, versuchter und vollendeter Nötigung gemäß §§ 15, 125, 83 Abs. 2, §§ 15, 105 Abs. 1, § 105 Abs. 1 StGB und § 125 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten, bedingt unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren, rechtskräftig verurteilt.

Mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX.2019, Zahl XXXX, wurden der BF erneut wegen Sachbeschädigung gemäß § 125 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von vier Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren rechtskräftig verurteilt.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX.2019, Zahl XXXX, wurde der BF wegen versuchten Diebstahls gemäß §§ 15, 127 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Monat rechtskräftig verurteilt.

1.6. Der BF verfügt über keinen privaten, gesicherten Wohnsitz, keine ausreichenden Mittel zur Sicherung seines Lebensunterhalts und keine familiären oder gesellschaftlichen Bindungen im Bundesgebiet.

1.7. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF über Deutschkenntnisse eines bestimmten Niveaus verfügt. Er war bis dato noch nicht legal im Bundesgebiet beschäftigt.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

Die getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht in der mündlichen Verhandlung und auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt.

Der Verlauf des Schubhaftverfahrens, die Erlassung des Mandatsbescheides, dessen erfolglose Bekämpfung sowie die Einleitung und der bisherigen Gang der HRZ-Verfahren mit Mali und der Elfenbeinküste ergeben sich zudem aus der chronologisch gegliederten Aktenvorlage des Bundesamtes. Die Verurteilungen des BF decken sich mit dem Amtswissen des erkennenden Gerichtes durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich. Das Fehlen finanzieller Mittel, von gesellschaftlichen oder familiären Bindungen im Bundesgebiet sowie einer privaten gesicherten Unterkunft wurden zudem vom BF nicht bestritten, wobei er selbst in der mündlichen Verhandlung vermeinte, er habe wegen seines (wohlgemerkt bloß) einmonatigen Haftaufenthaltes gar keine Möglichkeit gehabt, in Österreich persönliche Kontakte aufzubauen.

Dass der BF bis dato keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, folgt dem Inhalt des auf ihn lautenden Sozialversicherungsdatenauszuges.

Wenn die RV des BF in der mündlichen Verhandlung vermeint, es gäbe keinen nachvollziehbaren oder belegbaren Grund, dass der BF malischer Staatsbürger sei, so geht dieses Vorbringen ins Leere. Das Bundesamt hat nämlich gerade deshalb, weil die ivorische Botschaft festgehalten hat, der BF sei nicht deren Staatsbürger und er selbst angegeben hat, seine Eltern stammten aus Mali, ein Verfahren mit der dortigen Botschaft eingeleitet. Die Verfahrensdauer von 4 bis 7 Monaten von der Stellung eines Antrages auf Erlassung eines HRZ bis zu dessen Erlangung an sich, berechtigt nicht zur Annahme, das Verfahren sei zu lange. Hier ist immer auch das sich ergebende Gesamtbild zu betrachten. So hat der BF - wie vom BFA hervorgehoben - selbst zugegeben, seine ivorischen Dokumente durch falsche Angaben erschlichen zu haben. Hinzu tritt, dass es für Mali keine eigene Botschaft in Österreich gibt und somit der Weg über Berlin beschritten werden muss. Der Lebenserfahrung entsprechend verlängert sich dadurch auch die zeitliche Dauer zur Erlangung eines HRZ. Weshalb diese Dauer als zu lang und äußerst unverhältnismäßig gelten soll, ließ die RV in der mündlichen Verhandlung offen.

Das Leugnen seiner wahren Identität, seine fehlenden Bindungen zu Österreich und der eindeutig erkennbare Wille, nicht freiwillig ausreisen zu wollen, sprechen für die dem BF zuzuschreibende Fluchtgefahr.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt I. (Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft):

§22a Abs. 4 BFA-VG lautet wie folgt:

"Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde."

§22a Abs. 4 bildet im gegenständlichen Fall die formelle Grundlage, weil der Beschwerdeführer seit 26.08.2019 in Schubhaft angehalten wird.

Die in diesem Zusammenhang maßgeblichen (innerstaatlichen) verfassungsrechtlichen Bestimmungen des Art 5 Abs. lit. f EMRK und des Art 2 Abs. 1 Z. 7 PersFrBVG sowie einfachgesetzlichen Normen des mit 20. Juli 2015 im Rahmen des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2015 - FrÄG 2015 in Kraft getretenen Fremdenpolizeigesetzes 2005 lauten:

Gemäß Art 5 Abs. 1 lit. f EMRK hat jedermann hat ein Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf einem Menschen nur entzogen werden, wenn er rechtmäßig festgenommen worden ist oder in Haft gehalten wird, um ihn daran zu hindern, unberechtigt in das Staatsgebiet einzudringen oder, weil er von einem gegen ihn schwebenden Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren betroffen ist.

Gemäß Art 2 Abs. 1 Z. 7 PersFrBVG darf die persönliche Freiheit einem Menschen in auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden, wenn dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung oder Auslieferung zu sichern.

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 FPG lautet:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

Der mit "Dauer der Schubhaft" betitelte § 80 FPG lautet:

"§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich

1. drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;

2. sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil

1. die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2. eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,

3. der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder

4. die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin-Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen.

(5a) In den Fällen des § 76 Abs. 2 letzter Satz ist auf die Schubhaftdauer gemäß Abs. 5 auch die Dauer der auf den Festnahmeauftrag gestützten Anhaltung anzurechnen, soweit sie nach Stellung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß § 40 Abs. 5 BFA-VG aufrechterhalten wurde. Die Anrechnung gemäß Abs. 5 letzter Satz bleibt davon unberührt.

(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.

(7) Das Bundesamt hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen."

Wie bereits in dem gegenständlich zu G311 2223744-1/6Z vom 27.09.2019 erlassenen Erkenntnis des BVwG festgehalten, leugnete der BF bis dato seine wahre Identität, was er durch die Behauptung, er habe seine ivorischen Dokumente durch falsche Angaben erschlichen, unterstrich. Er reiste bisher nicht freiwillig aus, wurde innerhalb kürzester Zeit 4 Mal rechtskräftig verurteilt, hat keinerlei sprachliche, persönliche, berufliche oder sonstige Bindungen ins Bundesgebiet vorzuweisen und erfüllt somit die in Z 5 und Z 9 des § 76 Abs. 3 FPG erwähnten Annahmen für das Vorliegen von Fluchtgefahr.

Gemessen an § 76 Abs. 3 FPG, konkret an dessen ersten Satz liegt eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 - immer noch - vor, weil "bestimmte Tatsachen", nämlich die bereits im Rahmen der angeführten Beweiswürdigung relevierten, indizieren, dass sich der BF nach Entlassung einer drohenden Abschiebung in den Herkunftsstaat entziehen werde.

Die Gründe, aus denen das BFA die Schubhaft anordnete, haben sich seither nicht geändert und erweisen sich als grundsätzlich nachvollziehbar. Eine eigenständige Beschwerde gegen den Bescheid oder die Anhaltung in Schubhaft wurde seit der letzten Entscheidung des BVwG nicht mehr erhoben. Hinsichtlich des HRZ-Verfahrens wurde die erwartbare Dauer oben nachvollziehbar begründet. Die übliche Ermittlungszeit von einigen Monaten (bezüglich des in Frage kommenden Herkunftsstaates) muss der BF gegen sich gelten lassen, weil er die dahingehende Verzögerung selbst zu verantworten hat.

Mit der Anordnung gelinderer Mittel kann dementsprechend weiterhin nicht das Auslangen gefunden werden. Neben der dafür erforderlichen hinreichenden persönlichen Vertrauenswürdigkeit - siehe dazu das unstrittige Vorleben des BF in Österreich - fehlt es dem BF überdies an hinreichenden finanziellen Mitteln für einen nunmehr erforderlichen Aufenthalt von mehreren Wochen (allenfalls wenigen Monaten), weshalb eine Sicherheitsleistung auch aus diesem Grund nicht in Betracht kommt.

Der BF war bei Anordnung der Schubhaft haftfähig und ist dies auch weiterhin.

Im Ergebnis stützt sich die RV im Hinblick auf die Rechtswidrigkeit der Anhaltung des BF einzig auf die angebliche Überschreitung der 4wöchigen Prüfungsfrist seit der letzten Verhandlung am 20.01.2020. Diese sei ihre Ansicht nach am 17.02.2020 abgelaufen. Der Akt wurde vom BFA am 12.02.2020 an das BVwG vorgelegt, wodurch das Ende der Wochenfrist auf den 19.02.2020 fiel. Die Verhandlung vor dem BVwG wurde am 18.02.2020 durchgeführt und das gegenständliche Erkenntnis mündlich verkündet.

Wirft man einen Blick auf den Gesetzeswortlaut des § 22a Abs. 4 BFA-VG, hat das Bundesamt die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Diese Bestimmung kann jedoch weder isoliert im Raum stehen gelassen werden, noch ergibt sich daraus im Falle einer Entscheidung außerhalb der 4wöchigen Frist ab dem Zeitpunkt der letzten Verhandlung eine dem Gesetzestext entnehmbare Rechtswidrigkeit. Die zitierte Passage ist nämlich im Zusammenhang mit § 22a Abs. 2 BFA-VG zu lesen, wonach die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft binnen einer Woche zu ergehen hat.

Abgesehen davon hätte die von der RV gewählte Interpretation, die sie im Übrigen nicht näher kommentiert, zur Folge, dass in jenen Fällen, in denen die Aktenvorlage schon knapp vor Ende der 4wöchigen Frist ab der letzten Überprüfung (iSd § 22a Abs. 4 BFA-VG) erfolgt, dem BVwG de facto kein zeitlicher Spielraum mehr offen stünde und der "Zugang" zur einwöchigen Entscheidungsfrist verwehrt wäre.

Zudem kann es in Fällen wie dem vorliegenden nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen, dass die Anhaltung straffälliger Fremder, die ihre Identität verschleiern, sich rechtswidrig im Bundesgebiet aufhalten und nichts zu ihrer Integration beigetragen haben,

wegen einer Überschreitung der erwähnten 4wöchigen Frist um lediglich einen Tag beendet werden muss, auch wenn die übrigen Komponenten der Fluchtgefahr zweifelsfrei gegeben sind.

Zu beachten ist ferner, dass die Prüfung des gegenständlichen Sachverhalts anhand der Aktenlage bereits ab Eingang der Aktenvorlage stattgefunden hat und im Zuge einer schon am 17.02.2020 ergangenen Entscheidung zum gleichen Ergebnis geführt hätte.

Schließlich lässt selbst der VwGH "schlichte" Überschreitungen der Entscheidungsfristen zu (siehe VwGH vom 24.10.2019, Zahl Ra 2019/21/0181).

Aus diesen Gründen ist festzustellen, dass im Zeitpunkt der Entscheidung die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorliegen und sich diese zudem weiterhin als verhältnismäßig erweist.

3.4. Zur Unzulässigkeit der Revision (Spruchpunkt B.):

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen.

Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der einschlägigen Erkenntnisse des VwGH jeweils vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021 und Ra 2016/21/0144, insbesondere zur geltenden Rechtslage des § 76 FPG (im Zusammenhalt mit unionsrechtlichen Bestimmungen) und der Zulässigkeit eines Kostenzuspruchs und eines "Kostenrisikos" nach § 35 VwGVG. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH teilweise zu früheren Rechtslagen ergangen ist, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Fluchtgefahr, Interessenabwägung, öffentliche Interessen, Schubhaft,
Schubhaftbeschwerde, Sicherungsbedarf, Verhältnismäßigkeit,
Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G307.2223744.4.00

Zuletzt aktualisiert am

28.04.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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