TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/27 W137 2205394-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.02.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

27.02.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §76
FPG §76 Abs2 Z2
VwGVG §35

Spruch

W137 2205394-2/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Peter HAMMER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Tunesien (tatsächlich ungeklärt), vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst - ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.01.2020, Zl. 830907907 - 191008320, sowie die Anhaltung in Schubhaft seit 17.02.2020 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde gegen den Bescheid vom 10.01.2020 wird gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen und die Anhaltung in Schubhaft seit 17.02.2020 für rechtmäßig erklärt.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 FPG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

III. Der Beschwerdeführer hat gemäß § 35 VwGVG dem Bund (Bundesminister für Inneres) den Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

IV. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Ersatz des Verfahrensaufwands wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

1. Der Beschwerdeführer stellte am 29.06.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Er gab dabei die im angeführte tunesische Verfahrensidentität an. Dieser Antrag wurde gemäß §§ 3 und 8 AsylG abgewiesen und mit einer Rückkehrentscheidung in Bezug auf Tunesien verbunden. Diese Entscheidung erwuchs - mangels Ergreifung eines Rechtsmittels - mit 02.04.2015 in Rechtskraft. Am 25.08.2016 erwuchs ein hinsichtlich des Beschwerdeführers erlassenes Einreiseverbot (für die Dauer von 7 Jahren) in Rechtskraft. Dieses war aufgrund mehrerer strafrechtlicher Verurteilungen des Beschwerdeführers erlassen worden. Auch hier wurde kein Rechtsmittel ergriffen.

2. Seitens der tunesischen Botschaft wurde bekannt gegeben, dass der Beschwerdeführer unter der im Spruch angeführten Verfahrensidentität unbekannt sei und es wurde die Ausstellung eines Heimreisezertifikats abgelehnt. Das Bundesamt unternahm in weiterer Folge Nachforschungen und Anfragen bei den Botschaften Libyens, Marokkos, Ägyptens und Algeriens auf. Diese blieben teils erfolglos, teils sind sie noch nicht abgeschlossen.

3. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 14.05.2018 wurde über den Beschwerdeführer die Schubhaft angeordnet und ab 20.05.2018 auch vollzogen.

4. Am 14.09.2018 erklärte der Beschwerdeführer in einer niederschriftlichen Einvernahme, weder Tunesier, noch Marokkaner, noch Algerier zu sein. Die Angabe seines tatsächlichen Herkunftsstaates verweigerte er ausdrücklich. Ebenso verweigerte er anschließend die Unterschrift unter das Einvernahmeprotokoll. Einer internen Notiz ist zu entnehmen, dass der Dolmetscher dieser Einvernahme von einer algerischen Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers ausgehe.

Hinsichtlich der Erlangung eines algerischen Heimreisezertifikats (HRZ) wurde neuerlich agiert.

5. Am 11.09.2018 legte das Bundesamt den Verwaltungsakt zur amtswegigen Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 22a Abs. 4 BFA-VG vor. Nach Aufforderung im Rahmen eines schriftlichen Parteiengehörs wurde die Vorlage seitens des Bundesamtes unter anderem um das Einvernahmeprotokoll vom 14.09.2018 ergänzt.

6. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Erkenntnis vom 18.09.2018, W137 2205394-1/5E, im Rahmen einer amtswegigen Verhältnismäßigkeitsprüfung festgestellt, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vorliegen würden und diese auch verhältnismäßig sei.

7. Am 05.10.2018 wurde der Beschwerdeführer aus der Schubhaft entlassen, weil zum damaligen Zeitpunkt nicht mehr von der Erlangung eines Heimreisezertifikats ausgegangen werden konnte.

8. Am 21.02.2019 wurde der Beschwerdeführer zu einer (unbedingten) Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt. Am 15.07.2019 wurde ein neuerliches HRZ-Verfahren mit Tunesien eingeleitet, das am 10.10.2019 mit einer Ablehnung seitens Tunesiens endete. Am 29.11.2019 wurde der Beschwerdeführer einer algerischen Delegation vorgeführt. Diese hielt eine algerische Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers für realistisch möglich und veranlasste Ermittlungen im Herkunftsstaat.

9. Am 13.01.2020 wurde dem Beschwerdeführer der gegenständliche Schubhaftbescheid (noch während der Anhaltung in Strafhaft) zugestellt. Unmittelbar nach Entlassung aus der Strafhaft (am 17.01.2020) wurde der Beschwerdeführer in Schubhaft genommen.

10. Am 21.02.2020 langte beim Bundesverwaltungsgericht die nunmehr verfahrensgegenständliche Beschwerde (samt Vollmachtsbekanntgabe) ein. Darin wird im Wesentlichen vorgebracht, dass die Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers nicht feststehe und für den Beschwerdeführer - einen tunesischen Staatsangehörigen - nicht mit der Ausstellung eines Heimreisezertifikats zu rechnen sei. Auch habe das Bundesamt während der Anhaltung des Beschwerdeführers in Strafhaft nicht auf die kürzest mögliche Schubhaftdauer hingewirkt. Damit sei die Schubhaft auch Unverhältnismäßig. Der Beschwerdeführer würde sich zudem im Falle einer Haftentlassung an die Haftentlassenenhilfe des Vereins Neustart wenden, die ihn bei der Suche nach einer Unterkunft unterstützen würde. Im Übrigen sei die Anwendung des gelinderen Mittels nicht hinreichend geprüft worden.

Beantragt werde daher a) die Schubhaftanordnung und die bisherige Anhaltung als rechtswidrig zu beurteilen; b) auszusprechen, dass die Voraussetzungen für eine weitere Anhaltung nicht vorliegen; c) der belangten Behörde den Ersatz der Aufwendungen aufzuerlegen.

6. Am 24.02.2020 langte der Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein. Mit der Beschwerdevorlage verwies das Bundesamt in einer ausführlichen Stellungnahme vom 25.02.2020 im Wesentlichen auf das Vorverhalten des Beschwerdeführers, insbesondere den Abbruch einer Sprachanalyse durch einen Spezialisten für Algerien (am 08.10.2019), Umstrukturierungen der Botschaft von Algerien und die Begehung einer weiteren Straftat (samt daraus resultierender Freiheitsstrafe).

Aufgrund der Aktenlage wird folgender Sachverhalt der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt:

Betreffend den Beschwerdeführer liegt eine Rückkehrentscheidung hinsichtlich Tunesien vor. Diese basiert auf jenen Angaben, die der Beschwerdeführer in seinem Asylverfahren unter Wahrheitspflicht erstattet hat. Diese Angaben sind jedenfalls zum Teil bewusst tatsachenwidrig gewesen. Insbesondere betrifft dies auch die Staatsangehörigkeit.

Der Beschwerdeführer verhält sich im Verfahren seit Jahren in höchstem Maße nicht kooperativ, er betreibt reine Verfahrensobstruktion und verweigert bewusst entscheidende korrekte Angaben zu seiner Person, insbesondere (auch) zu seiner Staatsangehörigkeit. Eine Sprachanalyse - zur Prüfung einer vom Bundesamt nunmehr vermuteten algerischen Staatsangehörigkeit - in diesem Zusammenhang hat er abgebrochen und verweigert. Er ist in keiner Form vertrauenswürdig.

Die behauptete tunesische Staatsangehörigkeit hat der Beschwerdeführer nie belegt. Sie konnte im Zuge von Verfahren zur Ausstellung eines Heimreisezertifikats auch nicht verifiziert werden. Es gibt stichhaltige Hinweise für eine algerische Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers. Das Bundesamt steht im Kontakt mit der algerischen Botschaft. Derzeit laufen auch entsprechende Ermittlungen der algerischen Behörden. Überdies läuft aktuell auch ein Verfahren zur Ausstellung eines Heimreisezertifikats mit Marokko als weiterem potenziellen Herkunftsstaat.

Der Beschwerdeführer wurde in Österreich seit 2014 mehrfach strafrechtlich (insbesondere wegen Delikten nach dem Suchtmittelgesetz) verurteilt, die unbedingt ausgesprochenen Freiheitsstrafen beliefen sich schon vor 2019 bereits auf 31 Monate (darunter 11 Monate im April 2017), wobei der Beschwerdeführer stets als "junger Erwachsener" geführt wurde. Aus diesem Grunde wurde auch ein (rechtskräftiges) Einreiseverbot für die Dauer von 7 Jahren erlassen.

Seit 2019 ist eine weitere unbedingte Freiheitsstrafe wegen (qualifizierter) Körperverletzung - 12 Monate unbedingt - hinzugekommen. Der Beschwerdeführer ist in Österreich seit April 2015 ausschließlich in Polizeianhaltezentren und (vorwiegend) Justizanstalten gemeldet; er hielt sich in dieser Zeit (knapp 5 Jahre) insgesamt nur wenige Monate in Freiheit auf.

Die realistische Möglichkeit einer Überstellung des Beschwerdeführers (innerhalb der gesetzlich normierten Zeitspanne für die Anhaltung in Schubhaft) in seinen Herkunftsstaat besteht ungeachtet der faktisch ungeklärten Staatsangehörigkeit zum Zeitpunkt dieser Entscheidung in hinreichendem Maße. Die alleinige Verantwortung für die Dauer der Anhaltung liegt im Verhalten des Beschwerdeführers und der von ihm betriebenen Obstruktion des Verfahrens.

Der Beschwerde ist nicht Asylwerber; es kommt ihm kein faktischer Abschiebeschutz zu. Er ist in Österreich in keiner Form integriert, spricht nicht Deutsch und verfügt über keine substanziellen sozialen oder familiären Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet. Der Beschwerdeführer ist grundsätzlich gesund und arbeitsfähig sowie jedenfalls haftfähig.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Beweiswürdigung:

1.1. Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes zur Zl. 830907907 - 191008320 (Schubhaft) sowie den Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichts bezüglich des Beschwerdeführers.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und dem bisherigen Verfahren ergeben sich aus der Aktenlage - hinsichtlich der bewussten Verfahrensobstruktion, der fehlenden Vertrauenswürdigkeit und der tatsachenwidrigen Angaben insbesondere aus dem Einvernahmeprotokoll vom 14.09.2018, wo der Beschwerdeführer ausdrücklich verneinte, Tunesier zu sein obwohl er genau diese Staatsbürgerschaft seinem Asylverfahren zu Grunde gelegt hatte. Dazu kommt der mutwillige - in der Beschwerde nicht bestrittene - Abbruch einer Sprachanalyse.

1.2. Die strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers sind aus einem rezenten Auszug aus dem Strafregister ersichtlich und im Übrigen auch unstrittig. Die fehlende Vertrauenswürdigkeit ergibt sich aus dem bisherigen Verhalten des Beschwerdeführers, insbesondere der Entziehung vor dem behördlichen Zugriff (durch Aufenthalt im Verborgenen), den strafrechtlichen Verurteilungen sowie der offenkundigen laufenden Verfahrensobstruktion.

1.3. Das Fehlen substanzieller sozialer und beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet ergibt sich aus der Aktenlage. Substanzielle Deutschkenntnisse wurden in der Beschwerde nicht behauptet; Befragungen des Beschwerdeführers erfolgten in Arabisch. Im Verfahren sind auch keine legalen Beschäftigungsverhältnisse oder Fähigkeiten hervorgekommen, die zu einer mittelfristigen Sicherung der eigenen Existenz in Österreich beitragen würde. Gegenwärtig ist der Beschwerdeführer auch mittellos; die Unterkunftsmöglichkeit bei der Lebensgefährtin wird nicht in Zweifel gezogen. Die Feststellungen bezüglich der Wohnsitzmeldungen des Beschwerdeführers ergeben sich aus einer Nachschau im Zentralen Melderegister.

1.4. Die realistische Möglichkeit der Rücküberstellung ergibt sich aus der diesbezüglich grundsätzlich problemlosen Zusammenarbeit mit den Vertretungen und Behörden der als Herkunftsstaat in Frage kommenden Staaten. Der Beschwerdeführer hat zudem keinen weiteren Antrag auf internationalen Schutz gestellt und seit März 2015 sind hinsichtlich der Beurteilung des Privatlebens in Österreich (im Zusammenhang mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung) vorrangig fünf weitere strafrechtliche Verurteilungen (zu mehrmonatigen Freiheitsstrafen; zuletzt 12 Monate unbedingt) wegen Suchtmittel- und Körperverletzungsdelikten hinzugekommen. Die alleinige Verantwortung für die Länge der Anhaltedauer liegt beim Beschwerdeführer und dessen fast gänzlicher Kooperationsverweigerung.

1.5. Substanzielle gesundheitliche Probleme des Beschwerdeführers wurden in der Beschwerde nicht behauptet und sind auch aus der Aktenlage nicht ersichtlich. Aus dem oben Dargestellten ergibt sich die Haftfähigkeit des Beschwerdeführers. Eine grundsätzliche Haftunfähigkeit wurde in der Beschwerde ebenfalls nicht behauptet.

1.6. Der rechtskräftige Abschluss des Asylverfahrens, der fremdenrechtliche Status des Beschwerdeführers und die Feststellungen zu seiner fehlenden Integration ergeben sich aus der Aktenlage. Eine Integration wurde in der Beschwerde nicht einmal behauptet. Hinweise für ein Fehlen der Haftfähigkeit sind im Verfahren nicht hervorgetreten, zumal der Beschwerdeführer in den letzten Jahren mehrfach (und zudem zuletzt unmittelbar für Schubhaftantritt) mehrmonatige Freiheitsstrafen verbüßt hat.

2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs. 1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: "Der vorgeschlagene § 27 legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. § 66 Abs. 4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein."

2.2. Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, lautet:

"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig."

Das Bundesverwaltungsgericht ist somit gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG für die Entscheidung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.

Zu Spruchteil A)

2.3. Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

2.4. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

3. Zur Frage der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides und der Anhaltung in Schubhaft

3.1. Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann immer nur dann verhältnismäßig sein, wenn mit dem der Möglichkeit einer Abschiebung auch tatsächlich zu rechnen ist. Ergibt sich, dass diese fremdenpolizeiliche Maßnahme innerhalb der Schubhafthöchstdauer nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden bzw. ist - wenn sich das erst später herausstellt - umgehend zu beenden (VwGH 28.08.2012, 2010/21/0517; vgl. VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).

Die "Fluchtgefahr" ist in Österreich im § 76 Abs. 3 FPG (oben unter Punkt II.2. wiedergegeben) gesetzlich definiert. Über den Beschwerdeführer wurde nach seiner Rückkehr aus Frankreich und der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung im Asylfolgeverfahren die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet.

3.3. Die belangte Behörde begründete die festgestellte Fluchtgefahr im Wesentlichen mit der fehlenden Kooperation des Beschwerdeführers, dem mehrfachen Aufenthalt im Verborgenen sowie dem Fehlen substanzieller sozialer Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet und dem fehlenden faktischen Abschiebeschutz samt Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme. Das Bundesamt stützte sich dabei erkennbar auf die Ziffern 1, 3 und 9 des § 76 Abs. 3 FPG. Dem Vorliegen der Kriterien der Ziffer 1 und 3 wurde in der Beschwerde nicht substanziell entgegengetreten; vielmehr erweist sich deren Vorliegen auch in Zusammenschau mit dem Inhalt der Beschwerde als unstrittig.

3.4. Die belangte Behörde stützt den angefochtenen Bescheid auch auf § 76 Abs. 3 Z 9 FPG, wonach der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen sind und kommt zutreffend zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer weder eine legale Erwerbstätigkeit ausübt, noch über substanzielle soziale oder berufliche Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet verfügt. Auch eine gesicherte Unterkunft liege nicht vor. Ebenso wurden keine substanziellen Integrationsschritte während des nunmehr fast sieben Jahre andauernden Aufenthalts im Bundesgebiet vorgebracht.

Für das Bestehen familiärer Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet gibt es keinen Hinweis und wurde dies auch nie behauptet. Gleiches gilt für das Fehlen einer beruflichen Integration und einer gesicherten Unterkunft. Soweit der Beschwerdeführer auf Unterstützungsmöglichkeiten des Verein Neustart verweist, hat er diese nach Verbüßung seiner bisherigen Freiheitsstrafen nie in Anspruch genommen. Im Übrigen bedingt diese Unterstützungsleistung nicht schon per se einen gesicherten Wohnsitz.

Die Behörde geht auch richtigerweise von einer aufgrund strafrechtlicher Verurteilungen des Beschwerdeführers abgeleiteten nahezu vollständig fehlenden Vertrauenswürdigkeit und einem besonderen Interesse des Staates an der Sicherstellung der Abschiebung aus.

3.5. Auf Grund dieser Erwägungen ging das Bundesamt im Ergebnis zutreffend davon aus, dass im Falle des Beschwerdeführers insgesamt Fluchtgefahr in einem die Anhaltung in Schubhaft rechtfertigenden Ausmaß besteht.

Dem konnte auch in der Beschwerde nicht wirkungsvoll entgegengetreten werden. Festzuhalten ist insbesondere, dass nach wie vor eine realistische Chance der Erlangung eines Heimreisezertifikats für den Beschwerdeführer innerhalb der zulässigen Anhaltedauer besteht - die diesbezüglichen Schwierigkeiten sind wie dargelegt ausschließlich dem Beschwerdeführer und seinem Verhalten zuzurechnen. Aus eben diesem Grunde ist auch eine vergleichsweise lange (derzeit aber bei weitem noch nicht erreichte) Anhaltung und eine Anhaltung während längerer Ermittlungen eines (potenziellen) Herkunftsstaates verhältnismäßig und zulässig.

Das Bundesamt hat - entgegen dem Vorwurf in der Beschwerde - auch nicht die Erlangung eines Heimreisezertifikats verzögert betrieben. Vielmehr hat der Beschwerdeführer diesbezügliche Schritte - etwa die Durchführung einer Sprachanalyse - während der Strafhaft (und im Hinblick auf die absehbare Haftentlassung) erneut bewusst obstruiert. Vor diesem Hintergrund kann der Vorwurf, das Bundesamt habe nicht auf die kürzest mögliche Anhaltedauer hingewirkt, nicht einmal ansatzweise nachvollzogen werden.

3.6. Auf Grund der festgestellten Fluchtgefahr konnte auch nicht mit der Anwendung gelinderer Mittel das Auslangen gefunden werden: Dem Bundesamt ist darin beizupflichten, dass sich im Falle des Beschwerdeführers weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen, da sich der Beschwerdeführer insbesondere durch sein vor Anordnung der Schubhaft gezeigtes kriminelles Verhalten, die laufende Verfahrensobstruktion und den Aufenthalt im Verborgenen als nicht vertrauenswürdig erwiesen hat - was aber Voraussetzung für die Anordnung des gelinderen Mittels ist. Auf Grund dieser Umstände und der bestehenden Fluchtgefahr, überwogen daher - wie im angefochtenen Bescheid richtig dargelegt - die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und eines geordneten Fremdenwesens die Interessen des Beschwerdeführers an der Abstandnahme von der Verhängung der Schubhaft und ist diese als ultima-ratio-Maßnahme notwendig.

3.7. Das Bundesamt konnte aus den oben dargelegten Gründen zudem davon ausgehen, dass die Überstellung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat in zumutbarer Frist und innerhalb der zulässigen Anhaltedauer möglich ist. Auch die absehbare Dauer der Schubhaft war vor diesem Hintergrund nicht unverhältnismäßig. Abschiebungen nach Tunesien und Algerien (ebenso nach Marokko) finden statt; Heimreisezertifikate werden grundsätzlich unproblematisch und regelmäßig ausgestellt.

Überdies gab es bei Anordnung der Schubhaft - die unmittelbar an eine Strafhaft anschloss - keine erkennbaren Hinweise auf eine Haftunfähigkeit des Beschwerdeführers und wurde sie auch im Beschwerdeverfahren nicht behauptet.

3.8. Aus diesen Gründen ist die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid und die Anhaltung in Schubhaft abzuweisen.

4. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ist festzustellen, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen:

4.1. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Der VwGH hat zum Fortsetzungsausspruch gemäß § 83 Abs. 4 erster Satz FPG in der bis 31.12.2013 geltenden Fassung ausgesprochen, dass der Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) im Rahmen seines Ausspruchs gemäß § 83 Abs. 4 FPG aF nicht an die im Schubhaftbescheid herangezogenen Rechtsgrundlagen gebunden ist, sondern die Zulässigkeit der Fortsetzung der Schubhaft nach allen Richtungen zu prüfen hat; er ist auch nicht nur "ermächtigt", einen "weiteren bzw. neuen Anhaltegrund für die Fortsetzung der Schubhaft zu schaffen", sondern bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens zu einem positiven und (nur) bei deren Fehlen zu einem negativen Fortsetzungsausspruch verpflichtet. Verneint der UVS daher das Vorliegen der Voraussetzungen für die weitere Anhaltung in Schubhaft, so bedeutet dieser Ausspruch von Gesetzes wegen die Unzulässigkeit der (Fortsetzung der) Schubhaft auf Grund jeglichen zum Bescheiderlassungszeitpunkt geltenden Schubhafttatbestandes, unabhängig davon, ob der UVS dessen Voraussetzungen (erkennbar) geprüft und dies seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat (VwGH 15.12.2011, Zl. 2010/21/0292; 28.08.2012, Zl. 2010/21/0388 mwN). Diese Rechtsprechung des VwGH ist unverändert auf den Fortsetzungsausspruch des Bundesverwaltungsgerichtes nach der inhaltlich gleichlautenden Bestimmung des § 22a Abs. 3 BFA-VG übertragbar.

4.2. Für die Durchsetzung der Rückkehrentscheidung (Abschiebung), die Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikats und allenfalls die Erlassung einer neuerlichen Rückkehrentscheidung ist die Anwesenheit des Beschwerdeführers erforderlich. Es ist angesichts seines bisherigen Verhaltens jedoch davon auszugehen, dass er sich dem behördlichen Zugriff durch Untertauchen erneut entziehen würde, sobald sich eine Gelegenheit dazu bietet. Da er zudem über keine feststellbaren beruflichen und familiären sowie substanziellen sozialen Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet verfügt, ist nicht ersichtlich, was den Beschwerdeführer im Falle einer Entlassung aus der Schubhaft von einem Untertauchen abhalten sollte. Dies umso mehr, als sich seinen Haftentlassungen während der Vergangenen fast sieben Jahre bisher stets ein Aufenthalt im Verborgenen angeschlossen. Überdies hat er sich durch sein sonstiges Vorverhalten - etwa die unstrittige Suchtmittelkriminalität und die laufende Obstruktion der fremdenrechtlichen Verfahren - als in höchstem Maße nicht vertrauenswürdig erwiesen hat.

4.3. Im gegenständlichen Fall sind die Kriterien der Ziffern 1 und 3 wie dargelegt weiterhin gegeben. Für Ziffer 1 gilt das im Übrigen in mehrfacher Hinsicht und in besonders intensiver Ausprägung (regelmäßiger Aufenthalt im Verborgenen, massive wiederholte Verfahrensobstruktion). Hinsichtlich Ziffer 9 wurde in der Beschwerde kein substanzielles Vorbringen erstattet. In diesem Zusammenhang ist überdies festzuhalten, dass schon nach dem Wortlaut der Bestimmung (einzelne) "soziale Anknüpfungspunkte" für sich alleine nicht ausreichen, der Anordnung einer Schubhaft entgegenzustehen. Vielmehr geht es um den "Grad der sozialen Verankerung in Österreich", wobei familiäre Beziehungen, eine legale Erwerbstätigkeit, Existenzmittel und gesicherter Wohnraum exemplarisch genannt werden. Im gegenständlichen Fall sind diese Anknüpfungspunkte allerdings praktisch vollständig nicht gegeben.

Die Inanspruchnahme allfälliger staatlicher Unterstützungsleistungen für Straftäter nach Haftentlassung stellt im Übrigen nicht einmal ansatzweise eine integrative Leistung des (potenziellen) Leistungsempfängers oder gar einen Hinweis auf eine "soziale Verankerung" im Bundesgebiet dar.

In Zusammenschau mit den obigen Ausführungen besteht damit aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts kein Zweifel, dass im gegenständlichen Fall (weiterhin) eine zur Schubhaftanordnung hinreichende Fluchtgefahr seitens des Beschwerdeführers sowie ein hohes staatliches Interesse an der Sicherstellung einer Abschiebung zu bejahen ist.

Aus diesen Erwägungen ergibt sich auch, dass im gegenständlichen Fall die Anordnung des gelinderen Mittels nicht ausreichend ist, um den Sicherungsbedarf zu erfüllen. Damit liegt auch die geforderte "ultima-ratio-Situation" für die Anordnung/Fortsetzung der Schubhaft vor und erweist sich diese zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch als verhältnismäßig.

4.4. Hinsichtlich der absehbaren Dauer der Schubhaft ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt davon auszugehen, dass diese in zumutbarer Zeit beendet werden kann.

Für die Annahme einer (zukünftigen) unverhältnismäßig langen Anhaltung gibt es gegenwärtig keinen Anhaltspunkt. Aus heutiger Sicht ist weiter davon auszugehen, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers jedenfalls innerhalb der gesetzlich zulässigen Anhaltedauer - mit hoher Wahrscheinlichkeit aber binnen einiger Wochen - erfolgen kann. Darüber hinaus trägt allein er selbst - durch sein obstruktives Verhalten (einer faktisch gänzlich fehlenden Kooperationsbereitschaft) und teils bewusst tatsachenwidrige Behauptungen - die Verantwortung für lange und umständliche HRZ-Verfahren, weshalb die dadurch bedingte (längerfristige) Anhaltung im gegenständlichen Einzelfall auch als verhältnismäßig und ihm zumutbar anzusehen ist.

Der Beschwerdeführer kann im Übrigen die Anhaltedauer in Schubhaft massiv verkürzen, sollte er sich entschließen, im Zusammenhang mit den laufenden HRZ-Verfahren kooperatives Verhalten zu zeigen. Insbesondere behauptete der Beschwerdeführer schon 2013, seine Familie lebe in Tunis und sein Reisepass befinde sich im Herkunftsstaat. Dass er in diesem Zusammenhang keinerlei Schritte zur Erlangung eines Identitätsnachweises gesetzt hat, ist jedoch der offenkundige Beleg, dass er tatsächlich nur das Interesse hat, jegliches Verfahren in Österreich zu obstruieren und zu unterlaufen.

4.5. Es ist daher gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

5. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.

In der Beschwerde finden sich auch keine substanziellen Hinweise auf einen sonstigen möglicherweise unvollständig ermittelten entscheidungsrelevanten Sachverhalt. Eine substanzielle Kooperationsbereitschaft wurde auch in der Beschwerde nicht einmal behauptet.

Im Übrigen wurde in der Beschwerde die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung nicht einmal beantragt.

6. Kostenersatz

6.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

6.2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Die belangte Behörde hat als (vollständig) obsiegende Partei Anspruch auf Kostenersatz im beantragten Umfang. Dem Beschwerdeführer gebührt als unterlegener Partei hingegen kein Kostenersatz.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Dies liegt im gegenständlichen Fall nicht vor. Die Berücksichtigung eines unstrittigen oder zweifelsfrei belegten Vorverhaltens entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.

Es kann dem Verwaltungsgerichtshof auch nicht unterstellt werden, seine Judikatur zu HRZ-Verfahren und der Verantwortung des Bundesamtes für kurze Anhaltedauer in Schubhaft solle Beschwerdeführer geradezu dazu anspornen, Verfahrensobstruktion zu betreiben. Vielmehr ist auch hier eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen und dementsprechend belegtes Vorverhalten in die Entscheidung einzubeziehen. Die Ausführungen des bevollmächtigten Vertreters in der gegenständlichen Beschwerde würden aber genau eine solche Privilegierung krimineller und/oder nicht kooperationswilliger Beschwerdeführer hinauslaufen.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Einreiseverbot, Fluchtgefahr, Identität, öffentliche Interessen,
Rückkehrentscheidung, Schubhaft, Sicherungsbedarf, strafrechtliche
Verurteilung, Untertauchen, Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W137.2205394.2.00

Zuletzt aktualisiert am

28.04.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten