Entscheidungsdatum
04.03.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
G305 2190311-1/21E
G305 2190309-1/17E
G305 2190332-1/19E
G305 2190325-1/18E
G305 2190329-1/18E
G305 2190320-1/18E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Einzelrichter über die Beschwerden der irakischen Staatsangehörigen 1.) des XXXX, geb. XXXX (BF1), 2.) der XXXX, geb. XXXX (BF2), 3.) des mj. XXXX, geb. XXXX (mj. BF3), 4.) der mj. XXXX, geb. XXXX (mj. BF4), 5.) der mj. XXXX, geb. XXXX (mj. BF5) und 6.) der mj. XXXX, geb. XXXX, (mj. BF 6), die minderjährigen beschwerdeführenden Parteien vertreten durch die Mutter XXXX, geb. XXXX, alle vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, gegen die jeweils zum XXXX.02.2018 datierten Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, RD Steiermark, Zlen. XXXX (BF1), XXXX (BF2), XXXX (mj. BF3), XXXX (mj. BF4), XXXX (mj. BF5) und XXXX (mj. BF6), nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 03.04.2019, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerden werden gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3 und § 57 AsylG iVm. § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1.1. Am 17.09.2015 stellten die jeweils zum Aufenthalt im Bundesgebiet nicht berechtigten XXXX, geb. XXXX (in der Folge: Erstbeschwerdeführer oder kurz: BF1), XXXX, geb. XXXX (in der Folge: Zweitbeschwerdeführerin oder kurz: BF2), XXXX, geb. XXXX (in der Folge: minderjähriger Drittbeschwerdeführer oder kurz: mj. BF3), mj. XXXX, geb. XXXX (in der Folge: minderjährige Viertbeschwerdeführerin oder kurz: mj. BF4), XXXX, geb. XXXX (in der Folge: minderjährige Fünftbeschwerdeführerin oder kurz: mj. BF5) und XXXX, geb. XXXX (in der Folge: minderjährige Sechstbeschwerdeführerin oder kurz: mj. BF6), alle irakische Staatsangehörige, vor Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörden einen Antrag auf internationalen Schutz.
1.2. Am 17.09.2015 wurden der BF1 und die BF2 von Organen der Polizeiinspektion XXXX (im Folgenden PI XXXX) niederschriftlich einvernommen.
Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der BF1 an, dass er am 03.06.2015 von der schiitischen Miliz "Asa'ib Ahl al-Haqq" einen Drohbrief erhalten habe, worin er aufgefordert worden sei, dass er wegen seines sunnitischen Glaubens binnen drei Tagen seine Arbeit aufgeben und mit seiner Familie den Wohnort verlassen soll. Da er von Seiten des Arbeitgebers keine Unterstützung erhalten habe und auch eine Anzeige bei der Polizei sowie die Einschaltung eines Gerichtes erfolglos gewesen seien, habe er sich zur Flucht entschlossen, zuvor jedoch den irakischen Polizeiakt zerstört [BF1, AS 13].
Die BF2 gab an, dass die steigenden religiösen Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten Grund für die Ausreise gewesen seien. Ihr Mann habe schriftliche Drohungen erhalten. Da sie selbst Schiitin sei und ihr Mann und ihm folgend, die vier minderjährigen Kinder BF 3-6, Sunniten seien, wäre die Flucht der einzige Ausweg gewesen [BF2, AS 33].
Für ihre vier minderjährigen Kinder, die mj. BF3-6, gab die BF2 als deren Mutter und gesetzliche Vertreterin an, dass diese keine eigenen Fluchtgründe hätten und ihre Fluchtgründe ausschließlich auf jene der BF2 gründen würden [BF2, AS 29].
Zur Reiseroute befragt, gab der BF1 an, dass er am 14.08.2015 ausgehend von XXXX mit dem Flugzeug nach Erbil geflogen und in der Folge legal mittels Bus in die Türkei ausgereist sei. Von dort sei er mit dem Boot nach Samos (Griechenland) übergesetzt und von hier teils zu Fuß, teils mit dem Bus nach Mazedonien weitergereist. Über die Balkanroute sei er nach Österreich gekommen und im Inland mit dem Zug von Wien nach Salzburg gefahren [BF1, AS 11]. Die BF2 bestätigte die Reiseroute sowohl für sich, als auch für die minderjährigen bfP [BF2, AS 31].
1.3. Am 29.08.2018 wurden die BF2 ab 08:30 Uhr und der BF1 ab 10:50 Uhr durch Organe des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA oder belangte Behörde) einvernommen.
Bei dieser Einvernahme wiederholte die BF2 die von ihr bei der Erstbefragung erwähnten Probleme ob der interkonfessionellen Ehe mit dem BF1 und erweiterte das Fluchtvorbringen dahingehend, als dass der BF1 am 04.06.2015 bedroht worden sei, was die gesamte Familie gefährdet und zur Flucht veranlasst habe. Nähere Informationen über die Hintergründe der Drohung seien ihr zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt gewesen [BF2, AS 71f].
Der BF1 wiederholte die bei der Erstbefragung vorgebrachten Fluchtgründe und fügte hinzu, dass er am 02.06.2015 bei der Arbeit Probleme mit einem schiitischen Offizier gehabt habe und dies vielleicht mit ein Grund für den Drohbrief gewesen sei. Auch legte er bei seiner Befragung die von ihm im Irak zurückbehaltenen Beweisdokumente, Arbeitsbestätigungen und ein Kündigungsschreiben vor [Anzeige, Anzeigeprotokoll, Untersuchungsprotokoll, Drohbrief, Kündigungsschreiben AS 213ff].
1.4. Mit jeweils zum 20.02.2018 datierten Bescheiden der belangten Behörde, wies das BFA die Anträge der beschwerdeführdenden Parteien (im der Folge auch: Beschwerdeführer oder kurz: bfP) hinsichtlich des Antrages auf internationalen Schutz vom 17.09.2015 bezüglich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status eines/einer subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.) und sprach aus, dass ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt werde (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt werde, dass die Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.). Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass den bfP im Heimatstaat keine Verfolgung ob der Religion drohen würde und der BF1 und die BF2 widersprüchliche Angaben gemacht hätten.
1.5. Gegen die zum 20.02.2018 datierten Bescheide erhoben der BF1, die BF2 sowie die mj. BF3-6 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin erklärten sie, dass sie den Bescheid - gestützt auf die Beschwerdegründe "inhaltliche Rechtswidrigkeit" und "Verletzung von Verfahrensvorschriften" - vollumfänglich anfechten würden und die Beschwerde mit den Anträgen verbinden, dass 1.) falls nicht alle zu Lasten der BF geltend gemachten Rechtswidrigkeiten im angefochtenen Bescheid in der Beschwerde geltend gemacht wurden, diese amtswegig aufgegriffen würden, 2) die angefochtenen Bescheide zur Gänze behoben und ihnen der Status des/der Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG zuerkannt werden möge, 3.) in eventu die angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit zur Gänze behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt zurückverwiesen werden mögen (§ 66 Abs. 2 AVG, § 28 Abs. 3 und 4 VwGVG); 4.) für den Fall der Abweisung des obigen Beschwerdeantrages möge gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG festgestellt werden, dass ihnen der Status eines/einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat zukomme, 5.) in eventu möge festgestellt werden, dass die erlassene Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist und die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung (plus) gemäß § 55 AsylG vorliegen und ihnen daher gemäß § 58 Abs. 2 AsylG ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG von Amtswegen erteilt werden möge oder 6.) möge in eventu festgestellt werden, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG vorliegen und ihnen daher eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 Abs. 1 AsylG von Amts wegen zu erteilen ist; 7.) möge gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchgeführt werden. In der Beschwerde wurde vorgebracht, das BFA hätte veraltete Länderinformationen verwendet und auch keine Feststellungen zu der interreligiösen Ehe der erwachsenen bfP gemacht.
1.6 Am 26.03.2018 wurde die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt dem BVwG vorgelegt.
1.7 Anlässlich einer am 03.04.2019 vor dem BVwG durchgeführten mündlichen Verhandlung wurden der BF1, die BF2 und die mj. BF3 und BF4 im Beisein ihrer Rechtsvertreterin (im Folgenden: RV), eines Behördenvertreters (im Folgenden: BehV) und eines Dolmetschers für die arabische Sprache einvernommen. Für die unmündigen mj. BF5 und BF6 war deren Anwesenheit nicht erforderlich. In der Niederschrift der mündlichen Verhandlung scheinen die mj. BF3 und BF4 als BF6 und BF4 auf.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Identitätsfeststellungen:
Der BF1 führt die im Spruch angegebene Identität XXXX, geb. am XXXX und ist irakischer Staatsangehöriger. Er gehört der Ethnie der irakischen Araber an und bekennt sich zur sunnitisch-islamischen Religionsgemeinschaft. Seine Muttersprache ist arabisch. [BF1, AS5; Kopien von Reisepass, Personalausweis und Führerschein des BF1, AS37ff].
Er ist mit der BF2, die die im Spruch angegebene Identität XXXX, geb. XXXX, führt, verheiratet. Sie gehört der Ethnie der Kurden an und bekennt sich zur islamischen Religionsgemeinschaft der schiitischen Glaubensrichtung, ihre Muttersprache ist arabisch [BF2, AS25; Kopien von Reisepass und Personalausweis der BF2, AS 4ff].
Der BF1 und die BF2 heirateten im November 2001 traditionell und im Jänner 2002 vor dem Personenstandsgericht in AL Kharkh [BF1 NS-BFA, AS 75f; PV des BF1 und der BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 03.04.2019 S.6].
Das Paar hat vier Kinder, und zwar den mj. BF3 (XXXX, geb. am XXXX), die mj. BF4 (XXXX, geb. am XXXX), die mj. BF5 (XXXX, geb. am XXXX) und die mj. BF6 (XXXX, geb. am XXXX), alle StA. Irak [Reisepasskopien in den Akten der BF3-6].
Wie der BF1 gehören auch die mj. BF3 - BF6 der Ethnie der Araber an und sind auch diese Muslime, die sich zur sunnitischen Glaubensrichtung bekennen.
Die beschwerdeführenden Parteien haben ihren Hauptwohnsitz seit dem 16.10.2015 im Bundesgebiet (seit dem 27.03.2017 an der Anschrift XXXX) [Auszug aus dem Zentralen Melderegister - ZMR].
1.2. Zur Ausreise, Reise, Einreise der beschwerdeführenden Parteien in Österreich und ihrer darauffolgenden Asylantragstellung:
Die bfP lebten zuletzt in XXXX; dort leben vorwiegend von Sunniten bewohnt und zählt dieser Bezirk ungefähr 100.000 Einwohner (Stand März 2019 https://en.wikipedia.org/wiki/XXXX Zugriff am: 23.03.2020) [BF2 in Niederschrift-BFA vom 29.08.2017 AS 69; PV der BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 03.04.2019 S. 8].
Die bfP sind am 14.08.2015, ausgehend von XXXX, mit dem Flugzeug nach Erbil geflogen und in der Folge legal mit dem Bus vom Herkunftsstaat in die Türkei ausgereist und im Anschluss über Griechenland und die "Balkanroute" nach Österreich gelangt und am 13.09.2015 im Besitz von Reisepässen, jedoch ohne Einreisebewilligung und sohin illegal, ins Bundesgebiet eingereist [BF1, AS 11 oben; PV der bfP in Verhandlungsniederschrift vom 03.04.2019 S. 9f].
1.3. Zur individuellen Situation der beschwerdeführenden Parteien im Heimatstaat:
Im Herkunftsstaat besuchte der BF1 9 Jahre die Grundschule, 3 Jahre eine AHS und von 1999 bis 2005 die Universität in XXXX, wo er XXXX studierte. Vor seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit als XXXX arbeitete der BF1 u.a. als XXXX und mit seinem Vater als XXXX. Er war zuletzt im XXXX tätig [BF1 bei Erstbefragung am 17.09.2015, AS 5-7; BF1 in Niederschrift-BFA vom 29.08.2017, AS 75; PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 03.04.2019 S. 7f].
Die BF2 hat im Herkunftsstaat nach dem Besuch der Grundschule und weiterführenden Schulen die Universität besucht und ein Studium für XXXX abgeschlossen. Bis zu ihrer Flucht war XXXX tätig [PV der BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 03.04.2019 S. 8].
Der mj. BF3 besuchte in XXXX 6 Jahre die Grundschule und ein Jahr die Mittelschule, die minderjährige BF4 besuchte in XXXX 5 Jahre die Grundschule [PV der mj. BF3 und BF4 in Verhandlungsniederschrift vom 03.04.2019 S. 8]. Über die mj. BF5 und mj. BF6 liegen keine Informationen über Schulbesuche in ihrer Heimat vor.
Die im Herkunftsstaat lebende Kernfamilie des BF1 besteht aus seinem etwa 70 Jahre alten Vater XXXX und seiner etwa 40-jährigen Schwester XXXX, beide wohnhaft in XXXX. Die Mutter des BF1 verstarb im Jahr 2007 eines natürlichen Todes.
Ebenso lebt ein Großteil der Kernfamilie der BF2 in Bagdad. Diese besteht aus deren Vater, XXXX, geb. XXXX, und zwei Brüdern, XXXX und XXXX, geb. XXXX und XXXX. Eine Schwester der BF2, XXXX, geb. XXXX lebt im Süden des Irak in XXXX. Eine weitere Schwester, XXXX, geb. XXXX, lebt in XXXX. Die im Irak lebenden Geschwister der BF2 sind jeweils verheiratet und haben drei Kinder, die XXXX lebende Schwester ist ebenfalls verheiratet und hat vier Kinder [BF2, AS 29; PV der BF2 in der Verhandlungsniederschrift vom 03.04.2018 S. 11]. Die Mutter der BF2 verstarb 2016.
Der BF1 hat ab 2010 bis zwei Monate vor seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat als XXXX bei der XXXX gearbeitet. [BF1; AS 75-93]. Die BF2 arbeitete bis zu ihrer Ausreise für das XXXX.
Mit den Einkünften aus ihren beruflichen Tätigkeiten konnten der BF1 und die BF2 den Lebensunterhalt für die Familie bestreiten und die Miete für das von ihnen bewohnte Haus begleichen [PV der bfP in vom 03.04.2019 S. 10].
Vor ihrer Flucht war es den bfP möglich, Lebensmittel, Wasser und andere Dinge des täglichen Bedarfs durch nahegelegene Märkte zu decken. Gleiches gilt für die in Bagdad lebenden Mitglieder der Kernfamilien der bfP. Laut Aussage der erwachsenen bfP hatten deren im Irak verbliebenen Familien keine Probleme mit den jeweiligen Nachbarn [PV der BF1 und BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 03.04.2019 S. 10ff].
Die von den mj. BF3 und 4 besuchten Schulen haben sich in der Nähe des Wohnhauses der bfP befunden. Die mj. BF3 und mj. BF4 gaben im Rahmen ihrer Befragung vor dem Bundesverwaltungsgericht an, von Bombendetonationen in der Näher ihrer jeweiligen Schulen gehört zu haben, welche die Zerstörung nahegelegener "Checkpoints" oder Brücken zum Ziel hatten. Der BF 3 gab hierbei an, dass seine Eltern mit den Nachbarn keine Schwierigkeiten gehabt hätten [PV der mj. BF3 und mj. BF4 in der Verhandlungsniederschrift vom 03.04.2019AS 12f].
1.4. Zu den Fluchtgründen der beschwerdeführenden Parteien:
Der BF1 war bis zum Fall Sadam Husseins (im Jahr 2003) Mitglied der Baath-Partei. Seit diesem Zeitpunkt gehörte er keiner politischen Bewegung mehr an. Die BF2 bezeichnet sich selbst als "unabhängig" und keiner politischen Partei zugehörig. Die bfP hatten weder mit der Polizei noch mit den Verwaltungsbehörden noch mit den Gerichten des Herkunftsstaates ein Problem. Keiner von ihnen wurde von staatlichen Organen oder von einer bewaffneten Gruppierung wegen ihrer Zugehörigkeit zur Glaubensrichtung der Sunniten und Schiiten oder aus politischen Gründen, etwa wegen einer Zugehörigkeit zu einer politischen Partei des Herkunftsstaates verfolgt [PV des BF1, der BF2, der BF4 und des BF6 in Verhandlungsniederschrift 03.04.2019 S. 8f].
Das Fluchtvorbringen des BF1, nach Erhalt eines Drohbriefes vom 03.06.2015 aus dem Irak ausgereist zu sein, erweist sich als unglaubwürdig [BF1; AS 13 und AS 81f].
Festgestellt wird, dass die bfP aufgrund der allgemeinen Lage vor Ort ihren Herkunftsstaat verlassen haben.
Entgegen seiner Behauptungen vor der belangten Behörde ist der BF1 wegen seines Glaubens nicht ins Visier der schiitischen Miliz "Asa'ib Ahl al-Haqq" geraten [BF1, AS 13 und AS 81f].
Weitere Fluchtgründe hat der BF1 nicht vorgebracht.
Zwar führen der BF1 und die BF2 seit dem 2002 eine interkonfessionelle Ehe, doch erweist sich das Fluchtvorbringen der BF2, wegen steigender religiöser Spannungen und der Drohung gegen den Ehemann aus dem Herkunftsstaat geflohen zu sein, als nicht glaubwürdig [BF2, AS 33]. Weitere Fluchtgründe brachte die BF2 nicht vor.
Insgesamt vermochten die beschwerdeführenden Parteien nicht glaubhaft zu machen, dass sie im Herkunftsstaat einer asylrelevanten Bedrohung oder Verfolgung durch eine (schiitische) Miliz aus religiösen und/oder politischen Gründen ausgesetzt gewesen wären.
1.5. Zu etwaigen Integrationsschritten der bfP im Bundesgebiet:
Die BF1 und BF2 haben nachweislich von September 2018 bis Dezember 2019 einen Deutschkurs B 1.2 besucht. Im Mai 2017 hat der BF1 an einem Werte- und Orientierungskurs teilgenommen. Die mj. Beschwerdeführer haben nachweislich an Sprachkursen teilgenommen [AS 37-39 der jeweiligen Akten]. Für den BF1 liegt eine Bestätigung über eine freiwillige Mitarbeit bei der Caritas sowie eine Bestätigung über gemeinnützige Hilfstätigkeiten XXXX vor. Weiters langten mehrere Unterstützungsschreiben für die bfP ein, welche deren gesellschaftliche Integration in die Nachbarschaft bestätigen [AS 95ff; OZ 14]. Die BF2 absolvierte von Mai bis Juni 2019 ein unentgeltliches Arbeitstraining bei der XXXX [Bestätigung XXXX].
Der mj. BF3 besucht die XXXX, die mj. BF4 die XXXX, die mj. BF5 besucht derzeit die XXXX und die mj. BF6 die XXXX. Im September 2018 absolvierte die mj. BF4 ein Praktikum in der XXXX [Schulbestätigungen und Zeugnisse der mj. BF3-6, AS 29ff; Bestätigung der XXXX im Akt des BF1].
1.6. Zur Lage im Irak wird festgestellt:
Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) gemeinsam mit schiitischen Milizen, den sogenannten Popular Mobilisation Forces (PMF), mit Unterstützung durch die alliierten ausländischen Militärkräfte im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, die Einheiten der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz Al Anbar bzw. deren Metropolen Fallouja und Ramadi als auch aus den nördlich an Bagdad anschließenden Provinzen Diyala und Salah al Din zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet in der Folge auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw. seines "Kalifats" in der Stadt Mossul, Provinz Ninava, sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze. Ab November 2016 wurden die Umgebung von Mossul sowie der Ostteil der Stadt bis zum Ufer des Tigris sukzessive wieder unter die Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte gebracht, im Westteil wurde der IS von den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, die aus dem Süden, Norden und Westen in das Zentrum der Stadt vordrangen, in der Altstadt von Mossul eingekesselt. Der sunnitische IS wiederum versuchte parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in Bagdad und anderen Städten im Süd- sowie Zentralirak seine wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren. Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premier Abadi Mossul für vom IS befreit. In der Folge wurden auch frühere Bastionen des IS westlich von Mossul in Richtung der irakisch-syrischen Grenze wie die Stadt Tal Afar durch die Militärallianz vom IS zurückerobert. Zuletzt richteten sich die Operationen der Militärallianz gegen den IS auf letzte Überreste seines früheren Herrschaftsgebiets im äußersten Westen der Provinz Anbar sowie eine Enklave um Hawija südwestlich von Kirkuk.
Die Sicherheitslage innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, nämlich Dohuk, Erbil und Suleimaniya, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte wie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen als stabil anzusehen. Seit Oktober 2017 befindet sich die kurdische Regionalregierung in Konflikt mit der irakischen Zentralregierung in der Frage der Kontrolle über die von kurdischen Sicherheitskräften bislang besetzt gehaltenen Grenzregionen südlich der Binnengrenze der Autonomieregion zum übrigen irakischen Staatsgebiet, insbesondere die Region um die Stadt Kirkuk betreffend. Zuletzt kam es zu einer Besetzung dieser Region sowie weiterer Landstriche entlang der Binnengrenze durch die irakische Armee und der Zentralregierung nahestehende Volksmobilisierungseinheiten, während sich die kurdischen Sicherheitskräfte aus diesen Bereichen zurückzogen. Eine Einreise in die drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion ist angesichts eines Luftraumembargos der Nachbarstaaten Türkei und Iran gegen die kurdische Regionalregierung auf direkte Weise aktuell nur auf dem Landweg möglich.
Die Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen, insbesondere in der Provinz Basra, war, als Folge einer Sicherheitsoffensive staatlicher Militärkräfte im Gefolge interkonfessioneller Gewalt im Jahr 2007, ab 2008 stark verbessert und bis 2014 insgesamt stabil. Auch war die Region nicht unmittelbar von der Invasion der Truppen des IS im Irak in 2013 und 2014 betroffen. Die Gegenoffensive staatlicher Sicherheitskräfte und deren Verbündeter gegen den IS in Anbar und den nördlicher gelegenen Provinzen bedingte zuletzt eine Verlagerung von Militär- und Polizeikräften in den Norden, die wiederum eine größere Instabilität im Süden, verbunden vor allem mit einem Anstieg an krimineller Gewalt mit sich brachte.
Die Sicherheitslage im Großraum Bagdad war durch die genannten Ereignisse im Wesentlichen ebenfalls nicht unmittelbar beeinträchtigt. Es waren jedoch vereinzelte Anschläge bzw. Selbstmordattentate auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern zu verzeichnen, die, ausgehend vom Bekenntnis des - als sunnitisch zu bezeichnenden - IS dazu, sich gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte richteten, um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden. Hinweise auf eine etwaig religiös motivierte Bürgerkriegssituation finden sich in den Länderberichten nicht, ebenso auch nicht in Bezug auf die Säuberung von ethnischen oder religiösen Gruppierungen bewohnte Gebiete.
Anlassbezogen ist jedoch nicht hervorgekommen, dass die Beschwerdeführer einer asylrelevanten Bedrohung durch schiitische Milizen oder durch die Polizei des Herkunftsstaates ausgesetzt gewesen wären. Es ist auch nicht hervorgekommen, dass es ihnen - selbst bei Wahrunterstellung einer allfälligen asylrelevanten Verfolgung - nicht möglich gewesen wäre, eine innerstaatliche Fluchtalternative zu wählen.
1.6.1. Die Asa'ib Ahl al-Haqq (Liga der Rechtschaffenen oder Khaz'ali-Netzwerk, League of the Righteous, kurz: AAH) ist eine der unter der PMF zusammengefassten schiitischen Milizen. Diese Miliz wurde 2006 von Qais al-Khaz'ali gegründet und bekämpfte zu jener Zeit die US-amerikanischen Truppen im Irak. Ausgegangen wird von einer Truppengröße von mindestens 3.000 Mann; einige Quellen sprechen von 10.000 bis 15.000 Kämpfern. Die Miliz erhält starke Unterstützung vom Iran und ist, wie die Badr-Organisation und Kata'ib Hizbullah, vor allem westlich und nördlich von Bagdad aktiv. Seitens der Regierung wurde 2016 der Versuch unternommen, Teile der PMF in die staatliche Sicherheitsstruktur einzugliedern und unter die Kontrolle des Premierministers zu stellen - ein Projekt, dessen Ausgang noch immer unklar ist.
Eine landesweite und systematische Verfolgung von Angehörigen der sunnitischen Glaubensgemeinschaft durch diese Miliz besteht nicht. Den Berichten zum Herkunftsstaat der bfP lässt sich nicht entnehmen, dass staatliche Organe wegen einer korrekten Amtsführung ins Visier dieser Miliz gelangt wären. Auch lässt sich den Berichten zum Herkunftsstaat der Beschwerdeführer nicht entnehmen, dass diese Miliz Angehörige der schiitischen Glaubensrichtung verfolgen und vertreiben würden. Die schiitische Glaubensgemeinschaft in BAGDAD stellt gegenüber der sunnitischen Gemeinschaft die Mehrheit dar und ist sie in der Gesellschaft und in der Regierung präsent. Die Angehörigen der schiitischen Glaubensgemeinschaft spielen überdies eine große Rolle im irakischen Parlament.
Quellen:
- Australian Government, DFAT COUNTRY INFORMATION REPORT IRAQ, 26.06.2017, http://dfat.gov.au/about-us/publications/Documents/country-information-report-iraq.pdf (Letzter Zugriff am 16.07.2018)
- ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zum Irak: Aktivitäten der Asa'ib Ahl al-Haqq, insbesondere Verhalten gegenüber sunnitischen MuslimInnen 02.02.2018, https://www.ecoi.net/de/dokument/1424853.html (Letzter Zugriff am 16.07.2018)
- UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, 06/2017 https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf (Letzter Zugriff am 16.07.2018)
- UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: Iraq: Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA); Ability of Persons Originating from (Previously or Currently) ISIS-Held or Conflict Areas to Legally Access and Remain in Proposed Areas of Relocation, 12.04.2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1397131/1930_1492501398_58ee2f5d4.pdf (Letzter Zugriff am 16.07.2018)
- UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, 06/2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf (Letzter Zugriff am 18.07.2018)
- BFA Staatendokumentation: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Irak: Von schiitischen Milizen dominierte Gebiete (Ergänzung zum Länderinformationsblatt), 04.01.2018 https://www.ecoi.net/en/file/local/1422124/5618_1516263925_irak-sm-von-schiitischen-milizen-dominierte-gebiete-2018-01-04-ke.doc (Letzter Zugriff am 18.07.2018)
1.6.2. Kinder:
Art. 29 und 30 der irakischen Verfassung enthalten Kinderschutzrechte. Irak ist dem Zusatzprotokoll zur VN-Kinderrechtskonvention zum Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten beigetreten (AA 12.2.2018). Das Gesetz verbietet die kommerzielle Ausbeutung von Kindern, sowie Pornografie jeglicher Art, einschließlich Kinderpornografie (USDOS 20.4.2018).
Im Falle einer Nichtregistrierung der Geburt eines Kindes werden diesem staatliche Leistungen wie Bildung, Lebensmittelbeihilfe und Gesundheitsversorgung vorenthalten. Alleinstehende Frauen und Witwen hatten oft Probleme bei der Registrierung ihrer Kinder. Kinder, die nicht die irakische Staatsbürgerschaft besitzen, haben ebenfalls keinen Anspruch auf staatliche Leistungen. Humanitäre Organisationen berichten von einem weit verbreiteten Problem bezüglich Kindern, die im IS-Gebiet geboren worden sind und keine von der Regierung ausgestellte Geburtsurkunden erhalten (USDOS 20.4.2018).
Die Grundschulbildung ist für Kinder, die die irakische Staatsbürgerschaft besitzen, in den ersten sechs Schuljahren verpflichtend und wird für diese kostenfrei angeboten. In der kurdischen Autonomieregion besteht die Schulpflicht bis zum Alter von 15 Jahren; auch dort kostenfrei. Der gleichberechtigte Zugang von Mädchen zu Bildung bleibt eine Herausforderung, insbesondere in ländlichen und unsicheren Gebieten. Der Zugang zu Bildung von Kindern, die aufgrund des Konfliktes intern vertrieben wurden, ist stark einschränkt (USDOS 20.4.2018). Die Sicherheitslage und die große Zahl zerstörter Schulen verhindern mancherorts den Schulbesuch, sodass die Alphabetisierungsrate in den letzten 15 Jahren drastisch gefallen ist (aktuell bei 79,7 Prozent), besonders in ländlichen Gebieten. Im Unterschied dazu sind in der Autonomen Region Kurdistan fast alle Menschen des Lesens und Schreibens mächtig. In den vom IS beherrschten Gebieten fand kein regulärer Schulunterricht statt (AA 12.2.2018).
Über ein Viertel aller Kinder im Irak lebt in Armut. Dabei waren, über die letzten Jahrzehnte, Kinder im Süden des Landes und in ländlichen Gebieten am stärksten betroffen (UN News 19.1.2018; vgl. UNICEF 31.1.2017). Armut wirkt sich nicht nur negativ auf die Bildung, sondern auch auf die Gesundheit von Kindern aus (UNICEF 31.1.2017). 22,6 Prozent der Kinder im Irak sind unterernährt (AA 12.2.2018). Ein Viertel aller Kinder unter fünf Jahren sind physisch unterentwickelt bzw. im Wachstum zurückgeblieben (UNICEF 31.1.2017).
Die Zahl der Fälle von Kindesmissbrauch nimmt zu. Soziale Medien helfen verstärkt bei der Aufdeckung von Missbrauch und Folter (Al Monitor 2.5.2017). Berichten zufolge verkaufen Menschenhandelsnetze irakische Kinder zur kommerziellen sexuellen Ausbeutung. Letztere erfolgt im In- und Ausland. Verbrecherbanden sollen Kinder zwingen, im Irak zu betteln und Drogen zu verkaufen (USDOS 28.6.2018).
Die Verfassung und das Gesetz verbieten Kinderarbeit. In den Gebieten, die unter die Zuständigkeit der Zentralregierung fallen, beträgt das Mindestbeschäftigungsalter 15 Jahre. Das Gesetz begrenzt die Arbeitszeit für Personen unter 18 Jahren auf sieben Stunden pro Tag und verbietet Beschäftigungen, die der Gesundheit, Sicherheit oder Moral von Personen unter 18 Jahren schaden. Trotzdem gibt es im ganzen Land Fälle von Kinderarbeit, auch in ihren schlimmsten Formen. Es gibt dokumentierte Fälle von durch den Konflikt intern vertriebenen Kindern, die gezwungen wurden Kinderarbeit zu leisten. Versuche der Regierung Kinderarbeit z.B. durch Inspektionen zu überwachen, blieben erfolglos (USDOS 20.4.2018).
Anlassbezogen ist nicht hervorgekommen, dass die minderjährigen Beschwerdeführer bei einer Rückkehr der sich aus den Länderberichten unsubstantiiert beschriebenen Lage von Kindern im Herkunftsstaat ausgesetzt sein könnte, zumal die bfP vor ihrer Ausreise aus dem Herkunftsstaat ein Haus mit einer Nutzfläche von ca. 120 m² bewohnten. Ihre Beziehung zu den Nachbarn wird als gut beschrieben. Gegenüber dem Wohnhaus der Familie befinden sich eine Volksschule und dahinter eine militärische Einheit, di für die Sicherheit in der Gegend sorgt. Die Versorgung mit Lebensmitteln und Trinkwasser ist intakt. Der Vater und die Schwester des BF1 wohnen in der Nähe der Märkte in XXXX, wo sie Waser und Lebensmittel einkaufen und so ihren essentiellen Bedarf decken [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift, S. 11 oben]. Auch lebt die gesamte Familie der BF2 in XXXX. Deren in XXXX aufhältigen Geschwister sind verheiratet und haben mehrere Kinder. Eine Schwester der BF2, eine Tierärztin, die in der Verwaltung XXXX arbeitet, lebt in XXXX, das ca. 400 km südlich von XXXX entfernt liegt. Die in XXXX lebenden Brüder der BF2 sind teils gut situiert; so ist der ältere Bruder der BF2 selbständig erwerbstätig, der zweite Bruder ist an der XXXX tätig [PV der BF2 in Verhandlungsniederschrift, S. 11 Mitte]. Der Wohnort ihrer in XXXX aufhältigen Eltern und Geschwister liegt nah an den Märkten im Bezirk XXXX. Dort decken sie ihren Bedarf an Lebensmitteln und Trinkwasser. Das Haus ihrer Familie verfügt über Leitungswasser, das für die Körperwäsche und die Reinigung der Kleidung verwendet wird. In unmittelbarer Nähe des Hauses ihrer Eltern befinden sich Schulen [PV der BF2 in Verhandlungsniederschrift, S. 12 oben]. Ein Teil der minderjährigen Beschwerdeführer hat im Herkunftsstaat die Volksschule besucht [PV der mj. BF4 und mj. BF6 in Verhandlungsniederschrift, S. 12].
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598 1531143225 deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-
- stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf. Zugriff 5.9.2018
- Al Monitor (2.5.2017): How can Iraq address child abuse, torture?, https://www.al-monitor.com/ pulse/originals/2017/05/child-abuse-iraq-domestic-violence.html. Zugriff 20.9.2018
- UNGASC - United Nations General Assembly Security Council (16.5.2018): Children and armed conflict, https://www.ecoi.net/en/file/local/1436649/1930_1530169188_n1815109.pdf. Zugriff 18.7.2018
- UN News - United Nations News (19.1.2018): One in four Iraqi children impacted by conflict, poverty; education key for lasting peace - UNICEF, https://news.un.org/en/storv/2018/01/1000811. Zugriff 20.9.2018
- UNICEF - United Nations International Children's Emergency Fund (31.1.2017): Child Poverty in Iraq: An Analysis of Child Poverty Trends and Policy Recommendations for the National
- Poverty Reduction Strategy 2017-202, https://reliefweb.int/report/iraq/child-poverty-iraq- analysis-child-poverty-trends-and-policy-recommendations-national, Zugriff 20.9.2018
- USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 5.9.2018
- USDOS - United States Department of State (28.6.2018): Trafficking in Persons Report 2018 - Country Narratives - Iraq, https://www.state.gov/j/tip/rls/tiprpt/countries/2018/282675.htm. Zugriff 14.9.2018
1.6.3. Berufsgruppen:
Aus den Länderinformationen zum Herkunftsstaat der bfP geht hervor, dass Polizisten, Soldaten, Journalisten, Menschenrechtsverteidiger, Intellektuelle, Richter und Rechtsanwälte und alle Mitglieder des Sicherheitsapparats besonders gefährdet seien (AA 12.2.2018).
Jedoch lässt sich den Länderinformationen nicht entnehmen und ist auch sonst nicht hervorgekommen, dass XXXX, welche nur beschränkten Zugang zu sensiblen Daten haben, einer besonderen Gefährdung, konkret der Miliz "ASA'IB AHL AL HAQQ", ausgesetzt wären.
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 27.9.2018
- IWPR - Institute for War and Peace Reporting (25.11.2009): Fear chokes Nasiriya's Song, https://iwpr.net/global-voices/fear-chokes-nasiriyas-song, Zugriff 2.10.2009
- USDOS - United States Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1394979.html, Zugriff 2.10.2018
- USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 21.9.2018
1.6.4. Medizinische Versorgung:
Das Gesundheitswesen besteht aus einem privaten und einem öffentlichen Sektor. Grundsätzlich sind die Leistungen des privaten Sektors besser, zugleich aber auch teurer. Ein staatliches Krankenversicherungssystem existiert nicht. Alle irakischen Staatsbürger, die sich als solche ausweisen können, haben Zugang zum Gesundheitssystem. Fast alle Iraker leben etwa eine Stunde vom nächstliegenden Krankenhaus bzw. Gesundheitszentrum entfernt. In ländlichen Gegenden lebt jedoch ein bedeutender Teil der Bevölkerung weiter entfernt von solchen Einrichtungen (IOM 13.6.2018).
Auf dem Land kann es bei gravierenden Krankheitsbildern problematisch werden. Die Erstversorgung ist hier grundsätzlich gegeben; allerdings gilt die Faustformel: Je kleiner und abgeschiedener das Dorf, umso schwieriger die medizinische Versorgung. Staatliche wie private Krankenhäuser sind fast ausschließlich in den irakischen Städten zu finden. Dort ist die Dichte an praktizierenden Ärzten, an privaten und staatlichen Kliniken um ein Vielfaches größer. Gleiches gilt für Apotheken und medizinische Labore (GIZ 11.2018).
Bei der Inanspruchnahme privatärztlicher Leistungen muss zunächst eine Art Praxisgebühr bezahlt werden. Diese beläuft sich in der Regel zwischen 15.000 und 20.000 IQD. Für spezielle Untersuchungen und Laboranalysen sind dann noch zusätzliche Kosten zu veranschlagen. Außerdem müssen Medikamente, die man direkt vom Arzt bekommt, gleich vor Ort bezahlt werden. In den staatlichen Zentren zur Erstversorgung entfällt zwar in der Regel die Praxisgebühr, jedoch nicht die Kosten für eventuelle Zusatzleistungen. Darunter fallen etwa Röntgen- oder Ultraschalluntersuchungen (GIZ 11.2018).
In Bagdad arbeiten viele Krankenhäuser nur mit deutlich eingeschränkter Kapazität. Die Ärzte und das Krankenhauspersonal gelten generell als qualifiziert, viele haben aber aus Angst vor Entführungen oder Repressionen das Land verlassen. Korruption ist verbreitet. Die für die Grundversorgung der Bevölkerung besonders wichtigen örtlichen Gesundheitszentren (ca. 2.000 im gesamten Land) sind entweder geschlossen oder wegen baulicher, personeller und Ausrüstungsmängel nicht in der Lage, die medizinische Grundversorgung sicherzustellen (AA 12.2.2018). Laut Weltgesundheitsorganisation ist die primäre Gesundheitsversorgung nicht in der Lage, effektiv und effizient auf die komplexen und wachsenden Gesundheitsbedürfnisse der irakischen Bevölkerung zu reagieren (WHO o.D.).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf. Zugriff 12.10.2018
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (11.2018): Irak - Alltag, https://www.liportal.de/irak/alltag/#c37767. Zugriff 20.11.2018
- IOM - International Organization for Migration (13.6.2018): Länderinformationsblatt Irak (2017),https://www.bamf.de/SharedDocs/MILo-DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfs_irak-dl de.pdf:isessionid=0E66FF3FBC9BF77D6FB52022F1A7B611.1 cid294?blob=publicationFile. Zugriff 16.10.2018
- WHO - World Health Organization (o.D.): Iraq: Primary Health Care,
- http://www.emro.who.int/irq/programmes/primary-health-care.html. Zugriff 16.10.2018
1.7. Aus den Angaben der beschwerdeführenden Parteien lassen sich keine Anhaltspunkte dahin entnehmen, dass sie mit den Behörden, der Polizei oder den Gerichten des Herkunftsstaates etwa wegen ihres Religionsbekenntnisses, ihrer ethnischen Zugehörigkeit zur Mehrheitsbevölkerung der Araber oder aus politischen Gründen Probleme gehabt hätten. Es gibt auch keinerlei Hinweise in die Richtung, dass sie oder die Angehörigen ihrer Kernfamilie politisch aktiv gewesen wären oder als Mitglied einer politisch aktiven Bewegung oder einer bewaffneten Gruppierung des Herkunftsstaates angehört hätten.
Im Beschwerdeverfahren, das auch der Ermittlung ihrer Lebensumstände vor ihrer Ausreise aus dem Herkunftsstaat diente, kam hervor, dass die bfP ein eher zurückgezogenes Leben führten und sich primär zu Hause im eigenen Einfamilienhaus aufhielten. Mit ihren Nachbarn kamen sie gut aus [PV des BF1, der BF2 sowie der mj. BF4 und BF6 in Verhandlungsniederschrift, S. 10ff].
Die beschwerdeführenden Parteien, allen voran der BF1, hatten zu keinem Zeitpunkt Kontakt mit Angehörigen einer Miliz, namentlich der Miliz ASA¿IB AHL AL-HAQQ. Auch wurde kein Mitglied der beschwerdeführenden Familie je dazu angeworben, für diese oder eine andere (schiitische) Miliz zu kämpfen. Auch sind keine Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die bfP (weitere) Berührungspunkte mit dieser oder einer anderen, im Herkunftsstaat aktiven Miliz gehabt hätten.
Ebenso konnte nicht festgestellt werden, dass auch nur einer der Beschwerdeführer mit Angehörigen derselben Glaubensrichtung oder einer anderen im Herkunftsstaat beheimateten Glaubensrichtungen Probleme gehabt hätte.
In der Beschwerdeschrift haben die bfP angegeben, ob der "interreligiösen und interethnischen Ehe" bereits erheblichen Problemen ausgesetzt gewesen zu sein, weshalb asylrelevante Verfolgung bei ihrer Rückkehr drohen würde. Dies konnten sie weder im Rahmen verwaltungsbehördlichen Ermittlungsverfahrens vor der belangten Behörde, noch in der am 03.04.2019 durchgeführten mündlichen Verhaltung glaubhaft machen.
Abschließend konnte nicht festgestellt werden, dass die beschwerdeführenden Parteien bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat aus in ihrer Person gelegenen Gründen oder aufgrund der allgemeinen Lage vor Ort der realen Gefahr einer Verletzung seiner durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention geschützten Rechte, oder dass sie als Zivilpersonen einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt wären.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang und die in der Folge getroffenen (sachverhaltsbezogenen) Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes, sowie aus den niederschriftlich protokollierten Angaben des BF1 und der BF2 anlässlich ihrer Befragung durch die Organe der belangten Behörde.
2.2. Zur Person der beschwerdeführenden Partei:
Soweit in der gegenständlichen Rechtssache zur Identität des Erstbeschwerdeführers (XXXX, geb. XXXX, StA. Irak), Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit (Araber muslimisch sunnitischer Glaubensrichtung), der Zweitbeschwerdeführerin (XXXX, geb. XXXX, StA. Irak), Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit (Kurdin mit muslimisch schiitischer Glaubensrichtung) sowie des minderjährigen Beschwerdeführers und der minderjährigen Beschwerdeführerinnen, und zwar des Drittbeschwerdeführers (XXXX, geb. XXXX), der mj. BF4 (XXXX, geb. XXXX), der mj. BF5 (XXXX, geb. XXXX) und der mj. BF6 (XXXX, geb. XXXX) alle StA. Irak und muslimisch sunnitischer Glaubensrichtung, Feststellungen getroffen wurden, beruhen diese im Wesentlichen auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, die auf den Angaben des BF1 und der BF2 vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde, andererseits vor den Organen der belangten Behörde getätigt wurden sowie den im Akt befindlichen Kopien der vorgelegten Reisedokumente.
Diese Feststellungen gelten ausschließlich für die Identifizierung der Person der bfP im gegenständlichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren.
Die zu ihrer Ausreise aus dem Irak, zur weiteren Reiseroute und zur Einreise ins Bundesgebiet getroffenen Konstatierungen ergeben sich aus den glaubhaften Angaben der beschwerdeführenden Parteien anlässlich ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor den Organen der Sicherheitsbehörde, die im Wesentlichen unstrittig geblieben sind und der gegenständlichen Entscheidung daher im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu Grunde gelegt werden konnten [BF1, AS 11; BF2, AS 31].
2.3. Zum Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien:
Das Vorbringen des BF1 und des BF2 zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates und zu ihrer Situation im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat beruht einerseits auf deren Angaben vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde, sowie auf den vor den Organen der belangten Behörde gemachten Angaben.
Vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde hatte der BF1 am 19.05.2015 zu seinen Fluchtgründen befragt, angegeben, den Herkunftsstaat deshalb verlassen zu haben, weil er Angst hatte, als er einen Drohbrief der Miliz "Asa'ib Ahl al-Haqq" erhalten habe. Diesem Drohschreiben zufolge hätten er und seine Familie binnen drei Tagen den Wohnort und der BF1 sowie die BF2 die Arbeit verlassen sollen, da sie sonst getötet würden. Da ihm von Seiten der Sicherheitsbehörden und des Gerichts nicht habe geholfen werden können, habe er sich zur Flucht entschlossen [BF1; AS 13 und 79].
Die BF2 gab anlässlich ihrer Einvernahme durch die Organe der öffentlichen Sicherheitsbehörde zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates für sich und die mj. BF3-6 an, dass sie den Irak deshalb verlassen habe, weil die interkonfessionelle Ehe mit ihrem sunnitischen Ehemann ob der gestiegenen Religiösen Spannungen die Familie gefährde. Auch sei ihr Ehemann bedroht worden [BF2; AS 33 und31f]. Weitere Fluchtgründe führte sie nicht ins Treffen.
Anlässlich seiner am 29.08.2017 vor der belangten Behörde stattgehabten mündlichen Einvernahme hatte der BF1 angegeben, dass er am Tag vor Erhalt des Drohbriefes am 03.06.2015 - sohin am 02.06.202015 - eine Auseinandersetzung mit einem vorgesetzten Offizier hatte und er nicht ausschließen könne, dass der Streit mit dem kurz darauf erhaltenen Drohbrief in Zusammenhang gestanden wäre [BF1; AS 79]. Daraufhin sei der BF1 nicht mehr bei der Arbeit erschienen, was in einer Kündigung resultierte. Arbeitskollegen hätten das Kündigungsschreiben abgelichtet und der Schwester des BF1 mittels Handy übermittelt [BF1; AS 79-81]. Den Drohbrief habe er am 03.06.2015 erhalten und am folgenden Tag Anzeige bei der Polizei erstattet, da ihm sein Dienstgeber nicht schützen konnte. Nachdem er erfahren habe, dass eine weitere Verfolgung der Täter nicht aussichtsreich sei, habe er die irakischen Akten zerstört, die bereits ausgestellten Dokumente (Anzeigeprotokolle, Untersuchungsberichte und den Drohbrief) jedoch behalten. Diese wurden dem Verwaltungsakt beigefügt und übersetzt.
Davon abgesehen gebe es keine weiteren Fluchtgründe [BF1; AS 87 Mitte].
Anlässlich ihrer niederschriftlich dokumentierten Einvernahme durch die belangte Behörde hatte die BF2 zu ihren Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates angegeben, dass die religionsspezifischen Probleme und die Drohung gegen ihren Ehegatten fluchtauslösend gewesen wären. Weitere Gründe schloss die BF2 aus, erwähnte jedoch, ob der Ehe von ihren Brüdern unter Druck gesetzt worden zu sein [BF2; AS 74].
Während die Fluchtroute und der Ablauf vom BF1 und der BF2 glaubhaft geschildert wurden und auch die letzten Arbeitstage des BF1 sowie dessen Kündigung von diesem plausibel geschildert werden konnten, kam es zu Widersprüchen darin, wann die BF2 genau über den Grund der Flucht informiert wurde. Während der BF1 angab, seine Frau noch im Heimatstaat, also vor der Ausreise, über den Drohbrief informiert zu haben [BF1, AS 83] gab die BF2 an, erst in der Türkei genauere Details über den Grund der Flucht erfahren zu haben [BF2, AS 72]. Es erscheint hier als nicht glaubhaft, dass ein so wichtiger Aspekt der Ausreise, der Grund dafür, und das Kenntniserlangen dessen, nicht in Erinnerung blieb.
Der BF1 verstrickte sich bei seinen Angaben zu den jeweiligen Zeitpunkten, an denen er den Drohbrief erhalten habe wollen, in Widerspruch. So hatte er einerseits angegeben, dass er den Brief am 03.06.2015 auf seinem Stromkasten gefunden haben will und er daraufhin am 04.06.2015 Anzeige erstattet habe [BF1; AS 79]. Laut Übersetzung der Anzeige und des Vernehmungsprotokolls jedoch sei zwar der Brief mit 03.06.2015 datiert, gefunden sei dieser jedoch am 04.06.2015 worden [Anzeige AS 213, Akt des BF1, Vernehmungsprotokoll AS 217 und OZ 16].
Berücksichtigt man die Angaben des BF1 und das im Drohbrief ausgesprochene Ultimatum, dass er und seine Familie ihr Haus und den Wohnort binnen drei Tagen hätten verlassen müssen, so scheint es gleichfalls nicht glaubhaft, dass die bfP ab dem Erhalt des Briefes noch etwa zwei Monate Zeit hatten, den Hausrat unbehelligt zu verkaufen. Bei Wahrunterstellung der behaupteten Bedrohung und Vertreibung wären das Haus und dessen Umgebung von der Miliz überwacht worden, um das Verlassen der Gegend durch die bfP zu überprüfen.
Die von der BF2 vorgebrachten Probleme wegen der zwischen ihr und dem BF1 geschlossenen Ehe konnten ebenfalls nicht glaubhaft gemacht werden. Wenn die RV der beschwerdeführenden Parteien in der Beschwerde vorbringt, es habe bereits "erhebliche Probleme" wegen der Ehe gegeben [BF1, AS 477], so ergeben sich weder aus den Angaben der BF2, noch aus den Angaben des BF1 Anhaltspunkte in diese Richtung. Vielmehr gaben beide an, ihre Ehe ohne Probleme geführt zu haben, lediglich von Seiten der Brüder der BF2 habe es einen gewissen Druck gegeben, den BF1 zu verlassen. Die BF2 gab vielmehr vor der belangten Behörde auf Nachfrage, ob sie ihre Mischehe normal leben konnten, an [BF2, AS 74]:
"Seine Familie hat sich damit abgefunden, nur ein paar Tanten sind dann nicht mehr gekommen.
F: Gab es außer den Problemen Ihres Mannes weitere Fluchtgründe?
A: Nein, nur meine Brüder haben mich unter Druck gesetzt, meinen Mann zu verlassen.
F: Ihr Vater steht noch immer in Kontakt, für ihn war es kein Problem?
A: Ich telefoniere über die Schwägerin."
Dass der BF1 in seinen Befragungen keinerlei Hinweise auf Probleme ob der interkonfessionellen Ehe nannte, lässt diesen Fluchtgrund ebenso als zweifelhaft erscheinen. Zusätzlich weisen zwei Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation darauf hin, dass im Irak sehr häufig interkonfessionelle Ehen geschlossen werden, wobei ein Partner sunnitischen und der andere schiitischen Glaubens ist [Akt der BF2, AS 43ff].
Wenn der BF1 befürchtet, seitens der Regierung vielleicht Repressalien ausgesetzt zu werden, da vielleicht angenommen werde, er habe Informationen weitergegeben [BF1, AS 87f], so sei dem entgegengehalten, dass der BF1 selbst angab, keinen Zugriff auf geheime Daten gehabt zu haben [BF1, AS 77]. Im Kündigungsschreiben [BF1, AS 221] wird darüber hinaus "davon ausgegangen, dass er aus dem Dienst ausgetreten ist", da der BF1 die gesetzliche Abwesenheitsdauer überschritten habe. Wäre der BF1 im Besitz geheimer sensibler Daten ist anzunehmen, dass das zuständige Ministerium bzw. die Luftwaffe weitere, offizielle Schritte zur Verfolgung gesetzt hätten.
Kurzum vermögen auch die zur Vorlage gebrachten Schreiben, welche der BF1 bei der Polizeiinspektion XXXX erhielt bzw. zur Anzeige brachte [BF1; AS 213ff] das Vorbringen des BF1, das er vor der belangten Behörde erstattete, nicht in einem Ausmaß zu stützen, als dass die von den bfP vorgebrachten Fluchtgründe als durchgehend glaubhaft gehalten werden konnten.
In Anbetracht der angeführten Widersprüche und Inkonsistenzen erscheinen die Angaben des BF1 und der BF2, die sie als Grund für ihre Ausreise aus dem Herkunftsstaat nannten, als unglaubwürdig und erscheinen diese als tatsachenwidriges Gedankenkonstrukt.
Die getroffenen Konstatierungen waren somit im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu treffen.
2.4. Zur Lage im Herkunftsstaat:
Die länderkundlichen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Irak gründen auf dem Amtswissen des erkennenden Gerichtes und auf den als notorisch zu qualifizierenden aktuellen Ereignissen im Herkunftsstaat der bfP in Verbindung mit den dazu ergänzend eingesehenen länderkundlichen Informationsquellen. Diesen war auch kein über die oben erörterten, vom BF selbst dargebotenen Verfolgungsgründe hinausgehender Sachverhalt zu entnehmen, der allenfalls Anhaltspunkte für eine aus sonstigen Gründen der BfP drohende individuelle Gefährdung beinhaltet hätte.
2.5. Zur Integration der bfP in Österreich:
Die Feststellungen zu den von den Beschwerdeführern in Österreich gesetzten Integrationsschritten (Deutschkursbesuch, ehrenamtliche Tätigkeit, Schulbesuche Volontariate) ergaben sich aus den diesbezüglichen glaubhaften Nachweisen im Akt. Die Integration der beschwerdeführenden Parteien wird auch durch die im Akt befindlichen glaubhaften Unterstützungsschreiben bestätigt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht
3.1.1. Die gegen die Bescheide der belangten Behörde vom 20.02.2018 erhobenen Beschwerden der bfP sind rechtzeitig und legte die belangte Behörde die Beschwerdesachen dem Bundesverwaltungsgericht vor.
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF., entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) das Bundesverwaltungsgericht.
3.1.2. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt die Entscheidung in der gegenständlichen Rechtssache dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte, mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.1.3. Der mit "Familienverfahren im Inland" betitelte § 34 AsylG lautet wie folgt:
"Familienverfahren im Inland
§ 34. (1) Stellt ein Familienangehöriger von
1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;
2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder
3. einem Asylwerber
einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.
(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist und
(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)
3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).
(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist;
(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)
3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und
4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.
(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.
(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.
(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:
1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;
2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;
3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG)."
3.1.4. Zum Zeitpunkt der Asylantragstellung der bfP am 17.09.2015 waren die BF3-6 noch minderjährig, weshalb nicht von ihnen selbst, sondern von der BF2, ihrer Mutter, als deren gesetzlichen Vertreterin für sie die verfahrensgegenständlichen Anträge der BF3-6 auf internationalen Schutz gestellt wurden.
Bezüglich der Verfahren der BF2 und deren zum Zeitpunkt der Asylantragstellung noch minderjährigen Kinder liegt somit jedenfalls ein Familienverfahren iSv § 34 Abs. 4 AsylG vor.
3.2. Zu Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide:
3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge,