Entscheidungsdatum
05.03.2020Norm
B-VG Art. 133 Abs4Spruch
W209 2195620-2/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Reinhard SEITZ als Einzelrichter betreffend den Antrag des XXXX , XXXX , XXXX , vertreten durch Dr. Candidus CORTOLEZIS, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Hauptplatz 14, vom 17.05.2019 auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.03.2019, GZ: W209 2195620-1/5E, abgeschlossenen Verfahrens betreffend Einbeziehung in die Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 Gewerbliches Sozialversicherungsgesetz (GSVG) beschlossen:
A)
Dem Wiederaufnahmeantrag wird stattgegeben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Mit zu W209 2195620-1/5E ergangenem Erkenntnis vom 18.03.2019 wurde der Antragsteller - gestützt auf dessen rechtskräftigen Einkommensteuerbescheid 2014, der Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von € 4.563,36 auswies, und die dem Antragsteller im Jahr 2014 vorgeschriebenen Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von €
1.240,44 - wegen Überschreitung der maßgeblichen Versicherungsgrenze des § 4 Abs. 1 Z 6 GSVG im Zeitraum von 01.01.2014 bis 31.12.2014 in die Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG einbezogen und ausgesprochen, dass die Revision gegen das Erkenntnis nicht zulässig sei.
2. Am 20.05.2019 langte beim Bundesverwaltungsgericht der gegenständliche Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 32 VwGVG ein. Begründet wurde dieser damit, dass über Antrag des Einschreiters die Wiederaufnahme des Veranlagungsverfahrens betreffend die Einkommensteuer der Jahre 2014 und 2015 angeordnet worden sei und am 08.05.2019 die Einkommensteuerbescheide für die Veranlagungsjahre 2014 und 2015 neu gefasst worden seien. Der für das gegenständliche Verfahren relevante, berichtigte Einkommensteuerbescheid 2014 weise nunmehr € 909,36 an Einkünften aus selbstständiger Arbeit aus. Dadurch ergebe sich eine abweichende Vorfragenbeurteilung der jährlichen Beitragsgrundlage und die daraus folgende Nichtüberschreitung der Versicherungsgrenze des § 4 Abs. 1 Z 6 GSVG. Der Antragsteller habe erst mit Zustellung des geänderten Einkommensteuerbescheids 2014 am 09.05.2019 vom Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt. Demgemäß erfolge der vorliegende Antrag auch fristgerecht iSd § 32 Abs. 2 VwGVG.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen und Beweiswürdigung:
Der entscheidungswesentliche Sachverhalt, vorliegend der maßgebliche Inhalt des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.03.2019 sowie der geltend gemachte Wiederaufnahmegrund, ergibt sich aus dem unter Punkt I. dargestellten Verfahrensgang.
2. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
Gegenständlich gelangt folgende maßgebende Bestimmung des VwGVG zur Anwendung:
"Wiederaufnahme des Verfahrens
§ 32. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn
1. das Erkenntnis durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder
2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten, oder
3. das Erkenntnis von Vorfragen (§ 38 AVG) abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde oder
4. nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren des Verwaltungsgerichtes die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.
(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.
(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.
(4) Das Verwaltungsgericht hat die Parteien des abgeschlossenen Verfahrens von der Wiederaufnahme des Verfahrens unverzüglich in Kenntnis zu setzen.
(5) Auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes sind die für seine Erkenntnisse geltenden Bestimmungen dieses Paragraphen sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse."
Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:
Der verfahrensgegenständliche Wiederaufnahmeantrag wurde im Wesentlichen damit begründet, dass sich durch den abgeänderten Einkommensteuerbescheid 2014 eine abweichende Vorfragenbeurteilung der für die Überschreitung der Versicherungsgrenze des § 4 Abs. 1 Z 6 GSVG maßgeblichen jährlichen Beitragsgrundlage ergebe. Während der ursprüngliche Einkommensteuerbescheid 2014 zunächst noch Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von € 4.563,36 ausgewiesen habe, weise der nunmehr abgeänderte Einkommensteuerbescheid 2014 nur mehr Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von € 909,36 aus, wodurch die Versicherungsgrenze des § 4 Abs. 1 Z. 6 GSVG nicht überschritten werde und daher keine Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG bestehe.
Damit wird das Vorliegen des Wiederaufnahmsgrundes des § 32 Abs. 1 Z. 3 VwGVG geltend gemacht.
Die Bestimmungen über die Wiederaufnahme entsprechen weitgehend den Bestimmungen der §§ 69 und 70 AVG (RV 2009 BlgNR XXIV. GP 7), die gemäß § 17 im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten nicht anwendbar sind (Grabenwarter/Fister, NZ 2013/148, 353). Die Wiederaufnahmegründe des Abs. 1 Z. 1 bis 3 sind jenen des § 69 Abs. 1 Z. 1 bis 3 AVG nachgebildet, weshalb auf das bisherige Verständnis zurückgegriffen werden kann (VwGH 31.08.2015, Ro 2015/11/0012; 23.02.2016, Ra 2015/01/0116; 28.06.2016, Ra 2015/10/0136).
Der Tatbestand der abweichenden Vorfrageentscheidung setzt voraus, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von einer Vorfrage iSd § 38 AVG abhängig war und diese Vorfrage von einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde, in deren Verfahren diese Frage die Hauptfrage darstellte, nachträglich anders entschieden wurde (Hengstschläger/Leeb, § 69 Rz 16). Ob eine anderslautende Entscheidung im wiederaufgenommenen Verfahren zu erwarten ist, spielt im Gegensatz zu Z 2 keine Rolle (VwGH 31.08.2015, Ro 2015/11/0012).
Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme aufgrund einer abweichenden Vorfragenentscheidung sind daher:
Das Verwaltungsgericht hat eine Vorfrage iSd § 38 AVG - mangels Vorliegens einer Entscheidung der zuständigen Behörde oder des zuständigen Gerichts - selbst beurteilt oder unter Bindung an eine Entscheidung des zuständigen Gerichts oder der zuständigen Behörde entschieden.
Die zuständige Behörde oder das zuständige Gericht hat diese Vorfrage nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts abweichend entschieden.
Das Verwaltungsgericht ist an die neue Entscheidung gebunden (VwGH 31.08.2015, Ro 2015/11/0012).
Diese Voraussetzungen liegen im gegenständlichen Fall vor.
Die Versicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG richtet sich nach der Einkommensteuerpflicht, sodass bei Vorliegen eines rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides, aus dem die die Versicherungsgrenzen übersteigenden Einkünfte der in § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG genannten Art hervorgehen, Versicherungspflicht nach dieser Bestimmung besteht, sofern die zu Grunde liegende Tätigkeit im betreffenden Zeitraum weiter ausgeübt wurde und auf Grund dieser Tätigkeit nicht bereits eine Pflichtversicherung nach anderen Bestimmungen des GSVG oder nach einem anderen Bundesgesetz eingetreten ist (VwGH 24.01.2006, Zl. 2003/08/0231).
Damit war das Bundesverwaltungsgericht im vorangegangenen Verfahren an die im Einkommensteuerbescheid 2014 ausgewiesenen Einkünfte aus selbstständiger Arbeit des Antragstellers gebunden.
Der berichtigte Einkommensteuerbescheid 2014 weist nunmehr € 909,36 an Einkünften aus selbstständiger Arbeit aus. Unter Berücksichtigung der im Jahr 2014 vorgeschriebenen Beiträge in Höhe von € 1.240,44 beträgt die Beitragsgrundlage somit € 2.149,80 und unterschreitet diese die Versicherungsgrenze des Jahres 2014 (€ 4.743,72), weswegen auch die Voraussetzung einer abweichenden Vorfrageentscheidung zu bejahen ist.
Schließlich wird das Bundesverwaltungsgericht - wie bereits oben dargelegt - auch im wiederaufzunehmenden Verfahren bei der Ermittlung der Beitragsgrundlage an die im abgeänderten Einkommensteuerbescheid 2014 ausgewiesene Höhe der Einkünfte aus selbstständiger Arbeit gebunden sein.
Der Antrag war auch rechtzeitig. Der im vorliegenden Fall maßgebliche abgeänderte Einkommensteuerbescheid 2014 wurde am 08.05.2019 erlassen. Der verfahrensgegenständliche Wiederaufnahmeantrag langte am 20.05.2010 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Demgemäß erfolge der vorliegende Antrag auch fristgerecht iSd § 32 Abs. 2 VwGVG.
Damit war dem Antrag stattzugeben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Beitragsgrundlagen, Einkommenssteuerbescheid, Versicherungsgrenze,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W209.2195620.2.00Zuletzt aktualisiert am
28.04.2020