TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/5 W137 2224558-3

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Veröffentlicht am 05.03.2020
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Entscheidungsdatum

05.03.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W137 2224558-3/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Peter Hammer als Einzelrichter im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl 780373707 / 191014397, über die weitere Anhaltung von XXXX (Verfahrensidentität), geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Nigeria, in Schubhaft zu Recht erkannt:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Der Beschwerdeführer (BF) ist nigerianischer Staatsangehöriger. Er reiste zu einem unbekannten Zeitpunkt illegal ins Bundesgebiet ein und stellte am 28.04.2008 unter falscher Identität einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid der Behörde vom 26.06.2008 wurde der Asylantrag als unzulässig zurückgewiesen und eine Ausweisung nach Deutschland für zulässig erklärt. Die dagegen eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 28.07.2008 als unbegründet abgewiesen. Der BF wurde am 13.08.2008 nach Deutschland überstellt.

2. Der BF reiste in der Folge erneut illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 09.06.2016 mit einer anderen Identität einen Folgeantrag. Mit Bescheid der Behörde vom 28.09.2017 wurde der Folgeantrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung erlassen. Die Abschiebung in den Heimatland Nigeria wurde für zulässig erklärt. Weiters wurde dem BF eine Frist für die freiwillige Ausreise nach Rechtskraft der Entscheidung gewährt. Der Bescheid erwuchs am 19.10.2017 in Rechtskraft.

3. Der BF stellte in der Folge ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist ein. Mit Bescheid des BFA vom 17.05.2018 wurde der Antrag abgewiesen. Die Beschwerde dagegen wurde vom BVwG am 17.08.2018 als unbegründet abgewiesen, der VwGH wies die dagegen erhobene Revision am 05.12.2018 zurück. In der Folge reiste der BF trotz Verpflichtung nicht freiwillig aus dem Bundesgebiet aus.

4. Der BF wurden am 02.02.2018 und am 11.01.2019 an seiner Meldeadresse zwecks Identitätsfeststellung geladen. Der BF leistete beiden Ladungen unentschuldigt nicht Folge. Der BF ist seit 01.04.2019 im Bundesgebiet nicht mehr polizeilich gemeldet. Er hielt sich seither im Verborgenen auf und war für die Behörde nicht mehr greifbar.

5. Am 24.07.2019 wurden der BF auf Grund einer Zufallskontrolle angehalten und festgenommen. Dabei wies sich der BF mit fremden Dokumenten aus. Deshalb wurden in der Folge strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet.

6. Mit Mandatsbescheid vom 24.07.2019 verhängte die Behörde über den BF Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung. In der vorangehenden Einvernahme gab der BF an. dass er lieber nach Italien als nach Nigeria gehen wolle. Der BF wurden am 08.08.2019 aus der Schubhaft entlassen und ins LKH Leoben verbracht, wo er operiert wurden. Der BF entwich in der Folge aus dem LKH, tauchten unter und war für die Behörden im Verfahren zur Außerlandebringung nicht mehr greifbar. Die Behörde erließ daher einen Festnahmeauftrag hinsichtlich des BF.

7. Der BF wurde am 06.10.2019 wieder im Zuge einer Zufallskontrolle angehalten. Dabei versuchte der BF zu flüchten. Nachdem er über einen Zaun gesprungen war, konnte er festgenommen und der Behörde vorgeführt werden.

Anlässlich seiner Einvernahme gab der BF an, dass er gesund sei, nach einer Operation jedoch Medikamente einnehmen würde, deren Namen er allerdings nicht wisse. Er wohne unangemeldet bei einer Freundin, deren Namen und Adresse er jedoch nicht angeben wolle.

8. Mit Mandatsbescheid vom 06.10.2019 wurde über den BF nach Einvernahme durch die Behörde zur Sicherung der Abschiebung gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG Schubhaft angeordnet. Die Behörde erkannt Fluchtgefahr im Sinne von § 76 Abs. 3 Z 1, 3, 6c und 9 FPG sowie Sicherungsbedarf und Verhältnismäßigkeit der Anhaltung. Im Hinblick auf das bisherige Verhalten des BF sah die Behörde die Voraussetzungen für die Anordnung eines gelinderen Mittels als nicht gegeben an. Der BF weigerte sich, die Zustellung des Mandatsbescheides (die am selben Tag durch persönliche Übergabe erfolgte) zu bestätigen.

9. Der Fremde wurde im Stande der Schubhaft am 18.10.2019 den nigerianischen Behörden vorgeführt und es wurde seine nigerianische StA bestätigt. Die Botschaft regte an, vor Ausstellung eines Heimreisezertifikats (HRZ) ein Verfahren zur freiwilligen Rückkehr zu versuchen. Sollte der BF diesem nicht nähertreten, würde ein HRZ ausgestellt werden.

10. Gegen den Mandatsbescheid, die Anordnung der Schubhaft und die fortdauernde Anhaltung erhob der Rechtsvertreter des BF Beschwerde. Beantragt wurde, den angefochtenen Bescheid zu beheben und auszusprechen, dass die Anordnung der und die Anhaltung in Schubhaft rechtswidrig sei und die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung nicht vorlägen.

Die Behörde legte die Akten vor, erstattete eine Stellungnahme im Sinne des Akteninhalts und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde sowie den Ausspruch, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Die Behörde legte ein Gutachten des Amtsarztes vor, wonach der BF haftfähig sei und teilte weiters mit, dass sie für den Fall, dass sich der BF nicht binnen 14 Tagen zur freiwilligen Ausreise entschließe, bei der nigerianische Botschaft die Ausstellung eines HRZ beantragen werde.

11. Mit Erkenntnis vom 24.10.2019, GZ W197 2224558-1/8E, wies das BVwG die Beschwerde als unbegründet ab und stellte gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG fest, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

12. Am 30.01.2020 legte das Bundesamt den Verwaltungsakt gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des BF in Schubhaft vor. Ergänzend wurde ausgeführt, dass bei der nigerianischen Vertretungsbehörde die Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF beantragt und zwischenzeitlich urgiert worden sei.

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Erkenntnis vom 06.02.2020, W186 2224558-2/2E, festgestellt, dass die Voraussetzungen zur Fortsetzung der Schubhaft vorliegen und diese auch verhältnismäßig ist. Besonders betont wurde in diesem Zusammenhang die substanziell fehlende Kooperationsbereitschaft und Vertrauenswürdigkeit des Beschwerdeführers.

13. Am 27.02.2020 legte das Bundesamt neuerlich den Verwaltungsakt gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des BF in Schubhaft vor. Ergänzend wurde ausgeführt, dass die Zusammenarbeit mit Nigeria grundsätzlich funktioniere und laufend bezüglich der HRZ-Ausstellung urgiert werde.

14. Am 02.03.2020 gab der Beschwerdeführer bekannt, die ARGE-Rechtsberatung zu seiner Vertretung bevollmächtigt zu haben. Diese ersuchte um Übermittlung der Stellungnahme des BFA zur Gewährung des Parteiengehörs. Dies wurde vom Bundesverwaltungsgericht umgehend ermöglicht.

15. Mit Stellungnahme vom 04.03.2020 wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Schubhaft den Charakter einer Beugehaft zur Erzwingung einer "freiwilligen" Ausreise aufweise, weil die Ausstellung eines Heimreisezertifikats nur spekulativ angenommen werde. Zudem erweise sich die Anhaltung in Schubhaft aufgrund der gesundheitlichen Probleme - insbesondere einer "psychiatrischen Beeinträchtigung" als unverhältnismäßig.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter I.1. bis I.15. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.

Der BF ist volljährig und verfügt über keine Dokumente, die seine Identität bescheinigen. Er machte in seinen bisherigen Asylverfahren unterschiedliche Angaben zu seiner Identität. Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht, er ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter. Der BF ist grundsätzlich gesund und haftfähig. Er wird seit 06.10.2019 in Schubhaft angehalten.

Es liegt eine rechtskräftige und durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria vor. Der Beschwerdeführer wurde bereits einer nigerianischen Delegation vorgeführt; seine Staatsangehörigkeit wurde bestätigt. Es liegt auch eine grundsätzliche Zusage zur Ausstellung eines Heimreisezertifikats vor. Das Bundesamt hat diesbezüglich bereits urgiert. Mit der Ausstellung eines Heimreisezertifikats ist nicht nur grundsätzlich und realistisch, sondern auch binnen überschaubarer Zeit (allenfalls weniger Monate) zu rechnen. Diese Zeitspanne liegt auch deutlich unter der gesetzlich zulässigen Anhaltedauer.

Der BF ist in Österreich seit 02.04.2019 nicht mehr gemeldet und hielt sich bis zu seiner Festnahme im Oktober 2019 im Verborgenen auf. In dieser Zeit hat er eine fehlende medizinische Betreuung und potenzielle Verschlechterung seiner gesundheitlichen Situation dadurch bewusst in Kauf genommen. Er verfügt über keine Familienangehörigen und über kein soziales Netz in Österreich. Über nennenswerte Deutschkenntnisse verfügt der BF ebenso wenig. Insgesamt besteht keine substanzielle soziale oder berufliche Verankerung des BF im Bundesgebiet. Er unternahm bereits aktenkundig einen Fluchtversuch während einer polizeilichen Anhaltung.

Der Beschwerdeführer ist grundsätzlich gesund und jedenfalls haftfähig. Seit Oktober 2020 erhält er wegen Schlafstörungen Seroquel und nach Bedarf weitere Medikation. Überdies wird er laufend psychologisch und medizinisch betreut. Er ist mittellos und verfügt über keine gesicherte Unterkunft. Der Beschwerdeführer ist in besonderem Ausmaß nicht vertrauenswürdig.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus dem Verfahrensakt des Bundesamtes, dem vorliegenden Akt des Bundesverwaltungsgerichtes und den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes die oben angeführten Schubhaftverfahren des Beschwerdeführers betreffend.

2.2. Aus den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes das Asylverfahren des Beschwerdeführers betreffend ergibt sich, dass der Beschwerdeführer keine Dokumente vorgelegt hat, die seine Identität bescheinigen. Dass er bisher in seinen Verfahren unterschiedliche Angaben zu seiner Identität gemacht hat, ergibt sich aus der diesbezüglich unbestrittenen Aktenlage.

2.3. Aus den bisherigen Verfahren ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer an substanziellen gesundheitlichen Beeinträchtigungen leidet. Auch in der Anhaltedatei finden sich keine Einträge, die auf gesundheitliche Probleme des BF hindeuten.

Dass der BF seit 06.10.2019 in Schubhaft angehalten wird ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und den damit übereinstimmenden Eintragungen in der Anhaltedatei.

2.4. Die Feststellungen zur rechtskräftigen Rückkehrentscheidung ergeben sich aus der Aktenlage. Gleiches gilt für das laufende HRZ-Verfahren. Hinweise, dass die Ausstellung eines Heimreisezertifikats für Nigeria aussichtslos erscheinen würde, liegen nicht vor. Da solche Zertifikate regelmäßig ausgestellt werden und die Zusammenarbeit mit der Botschaft und den nigerianischen Behörden grundsätzlich funktioniert. Die diesbezüglichen Zweifel des Vertreters beruhen ihrerseits auf Spekulation. Eine allfällige umständliche (und längerfristige) Identitätsprüfung im Herkunftsstaat - bedingt durch das Fehlen von Identitätsdokumenten und nachweislich unterschiedlicher Angaben zur eigenen Identität hat der Beschwerdeführer selbst zu verantworten.

2.5. Die Feststellung zur fehlenden Meldeadresse des BF beruht auf einer Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister. Aus der Aktenlage ergeben sich auch keine Hinweise auf familiäre oder substanzielle soziale und berufliche Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet. Zu seiner "Freundin" konnte er keine näheren Angaben machen. Ebenso fehlen Hinweise für substanzielle Deutschkenntnisse oder sonstige vom Beschwerdeführer gesetzte Integrationsschritte. Ein Fluchtversuch des Beschwerdeführers am 06.10.2019 ist aktenkundig (Polizeibericht vom 07.10.2019).

2.6. Eine Änderung der Umstände für die Aufrechterhaltung der Schubhaft seit 06.02.2020 ist dem Verwaltungsakt nicht zu entnehmen. Gegenteiliges ist auch im durchgeführten Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen. Seine grundsätzliche Gesundheit und Haftfähigkeit sind weiterhin gegeben - es gibt keinerlei Hinweis für diesbezügliche Änderungen. Insbesondere erfolgt die psychologische Betreuung und medikamentöse Behandlung von Schlafstörungen/Albträumen bereits seit Oktober 2019, wobei eine substanzielle Verschlechterung seit der letzten amtswegigen Verhältnismäßigkeitsprüfung aus der Aktenlage nicht ersichtlich und in der Stellungnahme auch nicht dargelegt worden ist.

Die in besonderem Maß fehlende Vertrauenswürdigkeit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dessen Aufenthalt im Verborgenen sowie dem Fluchtversuch aus dem Stande der Anhaltung und der unterschiedlichen Angaben zur Identität.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt I. (Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft):

Entsprechend dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2015 - FrÄG 2015 vom 18.06.2015, BGBl. I Nr. 70/2015, lautet §22a Abs. 4 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) wie folgt:

"§ 22a. (4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde."

§22a Abs. 4 bildet im gegenständlichen Fall die formelle Grundlage, da der Beschwerdeführer seit 06.10.2019 in Schubhaft angehalten wird.

Die in diesem Zusammenhang maßgeblichen (innerstaatlichen) verfassungsrechtlichen Bestimmungen des Art 5 Abs. lit. f EMRK und des Art 2 Abs. 1 Z. 7 PersFrBVG sowie einfachgesetzlichen Normen des mit 20. Juli 2015 im Rahmen des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2015 - FrÄG 2015 in Kraft getretenen Fremdenpolizeigesetzes 2005 lauten:

Art 5 Abs. 1 lit. F EMRK

(1) Jedermann hat ein Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf einem Menschen nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:

f) wenn er rechtmäßig festgenommen worden ist oder in Haft gehalten wird, um ihn daran zu hindern, unberechtigt in das Staatsgebiet einzudringen oder weil er von einem gegen ihn schwebenden Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren betroffen ist.

Art 2 Abs. 1 Z. 7 PersFrBVG

(1) Die persönliche Freiheit darf einem Menschen in folgenden Fällen auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:

7. wenn dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung oder Auslieferung zu sichern.

§ 76 FPG (in der nunmehr gültigen Fassung)

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

Gemessen also an § 76 Abs. 3, konkret an dessen ersten Satz "liegt eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 2 - immer noch - vor, da "bestimmte Tatsachen", nämlich jene bereits im Rahmen der angeführten Beweiswürdigung relevierten, indizieren, dass sich der Beschwerdeführer einer drohenden Abschiebung in den Herkunftsstaat entziehen wird.

Die Gründe, aus denen das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Schubhaft anordnete (Ziffern 1 und 3 des § 76 Abs. 1 FPG), haben sich seither nicht geändert und erweisen sich als grundsätzlich nachvollziehbar. Insbesondere hat der Beschwerdeführer das Kriterium der Ziffer 1 des § 76 Abs. 3 FPG durch bewusstes Entziehen vor einem behördlichen Zugriff durch den Aufenthalt im Verborgenen und einen Fluchtversuch im Stande der Anhaltung erfüllt.

Mit der Anordnung gelinderer Mittel kann dementsprechend weiterhin nicht das Auslangen gefunden werden. Angesichts deutlich reduzierter persönlicher Vertrauenswürdigkeit kommen diese schon aus grundsätzlichen Erwägungen nicht in Betracht.

Der Beschwerdeführer war bei Anordnung der Schubhaft haftfähig und ist dies auch weiterhin.

Die mit der Erlangung eines Heimreisezertifikats verbundene Dauer der Anhaltung in Schubhaft ist zumutbar, zumal er sich in hohem Maße unkooperativ zeigte und bewusst falsche und irreführende Angaben zu seiner Identität machte. Die damit verbundenen Umstände und Verzögerungen bei der Erlangung eines Heimreisezertifikats sind daher allein vom Beschwerdeführer zu verantworten. Verzögerungen, die in der Sphäre des Bundesamtes liegen würden, sind nicht zu erkennen.

Die nunmehr noch zu erwartende Anhaltedauer ist derzeit nicht exakt abschätzbar, liegt allerdings voraussichtlich bei nicht mehr als wenigen Monaten und somit weit unter der gesetzlich zulässigen (maximalen) Anhaltedauer - der Beschwerdeführer wird seit etwa sechs Monaten angehalten, was erst rund ein Drittel der möglichen Anhaltedauer ausmacht. Dies ist unter Berücksichtigung des Vorverhaltens des Beschwerdeführers jedenfalls auch verhältnismäßig.

Daran können auch seine unstrittigen gesundheitlichen Probleme (die in unveränderter Form seit Oktober 2019 aktenkundig sind) nichts ändern. Der Beschwerdeführer steht aus diesen Gründen seit Oktober/November 2019 in medikamentöser Behandlung und wird umfassend medizinisch betreut. Für eine substanzielle Verschlechterung in jüngster Zeit (insbesondere seit der letzten gerichtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung) gibt es keinen Hinweis und wurde dies auch in der Stellungnahme des Vertreters nicht behauptet. Eine Haftunfähigkeit wurde im Übrigen ebenfalls nicht behauptet.

Aus diesen Gründen ist festzustellen, dass im Zeitpunkt der Entscheidung die Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft gegeben ist. Eine über die Frage der Verhältnismäßigkeit hinausgehende Prüfung der Schubhaft ist nach dem eindeutigen Wortlaut von § 22a Abs. 4 BFA-VG nicht vorgesehen.

Zu Spruchpunkt II. (Revision):

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Im vorliegenden Akt findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Fluchtgefahr, Fortsetzung der Schubhaft, Identität, Mittellosigkeit,
Rückkehrentscheidung, Schubhaft, Sicherungsbedarf, Überprüfung,
Untertauchen, Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W137.2224558.3.00

Zuletzt aktualisiert am

28.04.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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