TE Vwgh Erkenntnis 1998/4/22 98/03/0035

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.04.1998
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §58 Abs2;
StVO 1960 §16 Abs1 litc;
StVO 1960 §16 Abs2 litb;
VStG §22 Abs1;
VStG §31 Abs1;
VStG §32 Abs2;
VStG §44a Z1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ungersböck, über die Beschwerde des A B in Güssing, vertreten durch D Rechtsanwaltspartnerschaft in G, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 5. November 1997, Zl. UVS 30.8-56/97-12, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchteil II. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das gegen den Beschwerdeführer ergangene Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Murau vom 10. März 1997 enthielt folgende Spruchteile gemäß § 44a Z. 1 und 2 VStG:

"Sie haben am 17.07.1996 um 12.06 Uhr im Gemeindegebiet Niederwölz, Bezirk Murau, auf der Bundesstraße 96, auf Höhe StrKm 23,5, von Scheifling kommend in Richtung Murau als Lenker des Fahrzeuges mit dem Kennzeichen (PKW)

1)

ein Fahrzeug überholt, wodurch der Lenker eines entgegenkommenden Fahrzeuges behindert wurde. (Bei km. 23,5 auf der B 96 im Gemeindegebiet von Niederwölz)

2)

ein Fahrzeug überholt, obwohl nicht einwandfrei erkennbar war, ob das Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr eingeordnet werden kann, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern (bei km 24,3 auf der B 96 in Teufenbach).

3)

dieses gelenkt und dabei vor einer unübersichtlichen Stelle (Kurve, Fahrbahnkuppe) ein mehrspuriges Fahrzeug überholt (bei km 24,3 auf der B 96 in Teufenbach).

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

1)

§ 16 Abs. 1 lit a StVO

2)

§ 16 Abs. 1 lit c StVO

3)

§ 16 Abs. 2 lit b StVO"

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurden über den Beschwerdeführer Geldstrafen von je S 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafen je 2 Tage) verhängt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung des Beschwerdeführers im Punkt 1. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG eingestellt (Spruchteil I.); in Ansehung der Punkte 2. und 3. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen (Spruchteil II.).

Gegen den die Berufung abweisenden Teil des angefochtenen Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

In der Begründung des angefochtenen Bescheides ging die belangte Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführer nicht bloß - wie in dem von ihr übernommenen Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses angeführt - ein Fahrzeug (nämlich einen "Lkw-Hängerzug"), sondern auch das vor diesem fahrende Fahrzeug (einen "Lkw mit Kipperaufbau") überholt habe. Die zu Beginn des Überholmanövers gegebene Sichtstrecke von ca. 275 m habe unter Berücksichtigung der Fahrgeschwindigkeiten des überholten Lkws von 50km/h und des Fahrzeuges des Beschwerdeführers von 100 km/h für das Überholen eines Lkws ausgereicht (Überholstrecke ca. 211 m), nicht aber für das Überholen von zwei Lkws.

Zu Recht macht der Beschwerdeführer geltend, daß die zitierten Ausführungen im Spruch einerseits und in der Begründung andererseits zueinander im Widerspruch stehen. Dieser Widerspruch ist insofern wesentlich, als der Beschwerdeführer - hätte er nur das unmittelbar vor ihm fahrende Fahrzeug überholt - nach den Feststellungen der belangten Behörde und deren in diesem Punkt zutreffender rechtlichen Beurteilung nicht rechtswidrig gehandelt hätte. Allein schon dieser Widerspruch bewirkt die Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. März 1991, Zl. 86/18/0189). Ferner ist von Bedeutung, daß zur Beurteilung, ob es sich beim Überholen von zwei Fahrzeugen um einen einzigen Überholvorgang gehandelt hat, die nachvollziehbar begründete Feststellung erforderlich ist, daß dem Überholmanöver der Willensentschluß zugrundelag, beide Fahrzeuge in einem Zug zu überholen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. September 1997, Zl. 97/03/0095). Auch daran fehlt es im Beschwerdefall.

Der angefochtene Bescheid war daher - im bekämpften Umfang - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Ergänzend sei bemerkt, daß dem Tatvorwurf, den Bestimmungen des § 16 Abs. 1 lit. c und Abs. 2 lit. b StVO 1960 zuwider zwei Fahrzeuge überholt zu haben, entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers die Verfolgungsverjährung nicht entgegensteht, weil die Anzahl der überholten Fahrzeuge kein wesentliches Tatbestandsmerkmal dieser Übertretungen darstellt.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatbild Beschreibung (siehe auch Umfang der Konkretisierung) Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998030035.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten