TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/11 W171 2229336-1

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Veröffentlicht am 11.03.2020
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Entscheidungsdatum

11.03.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
VwGVG §35 Abs3

Spruch

W171 2229336-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gregor MORAWETZ, MBA, als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Indien, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl: XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG i.V.m. § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG i.V.m. § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG wird festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

III. Gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG i.V.m. § 1 Z. 3 und Z. 4 VwG-AufwErsV hat die beschwerdeführende Partei dem Bund Aufwendungen in Höhe von € 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

IV. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (in Folge: BF) reiste im Mai 2012 in Österreich ein und stellte am 14. Mai 2012 einen Antrag auf internationalen Schutz. Das Asylverfahren wurde mit 05.02.2013 in zweiter Instanz rechtskräftig negativ abgeschlossen. Gegen den BF wurde im Rahmen dieses Verfahrens eine mit 05.02.2013 rechtskräftige Ausweisung erlassen. Dieser Ausreiseverpflichtung kam der BF in der Folge nicht nach.

1.2. Im Zuge einer Schwerpunktstreife wurde der BF am 27.02.2020 in Wien aufgegriffen und festgenommen.

1.3. In weiterer Folge wurde der BF am 27.02.2020 zweimal einvernommen. Dabei sagte der BF im Wesentlichen aus, er sei gesund und nehme keine Medikamente. Er sei nicht ausreisewillig und würde sich einer Abschiebung widersetzen. In Österreich arbeite er illegal als Zeitungsbote. Er sei zwar an einer Adresse obdachlos gemeldet, doch würde er sich an dieser Adresse nur gelegentlich aufhalten. Er nächtige bei einem Freund, aber auch in anderen Wohnungen. "Mal so, mal so."

1.4. Daraufhin verhängte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: BFA) mit Bescheid vom 27.02.2020 über den BF die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung gemäß

§ 76 Abs. 2 Z 2 FPG. Zur Begründung der Fluchtgefahr stützte sich das BFA auf die Verwirklichung der Tatbestände gemäß § 76 Abs. 3 Z 1 und Z 9 FPG. Der BF sei trotz rechtskräftiger Ausweisung nicht ausgereist und habe seinen Aufenthalt im Verborgenen fortgesetzt. Er verfüge nicht über Barmittel zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes und habe keine behördliche Meldung eines ordentlichen Wohnsitzes in Österreich. Die als Kontaktadresse im ZMR angegebene Obdachlosenunterkunft werde vom BF nur selten frequentiert und sei der BF in Wahrheit bei diversen Bekannten aufhältig. Der BF sei nicht gewillt, Österreich zu verlassen und bestehe daher die begründete Annahme, dass der BF alles tun würde, um seinen illegalen Aufenthalt im Bundesgebiet zu prolongieren. Die Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF sei wahrscheinlich und aufgrund des geschilderten Vorverhaltens des BF die gegenständliche Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens bzw. zur Sicherung der Abschiebung erforderlich. Die Schubhaft sei verhältnismäßig und stelle eine Ultima-Ratio-Maßnahme dar. Die Verhängung eines gelinderen Mittels erkäme nicht in Betracht, da damit nicht das Auslangen gefunden werden könne. Der BF sei behördlich nicht gemeldet und habe gegen das Meldegesetz verstoßen. In Österreich seien keine Familienangehörigen wohnhaft und habe der BF keine legale Beschäftigung nachweisen können. Die Verhängung der Schubhaft sei daher verhältnismäßig und angemessen. Die Abschiebung nach Indien werde zeitnah erfolgen.

1.5. Mit Beschwerdeschriftsatz vom 06.03.2020 erhob der BF durch seine Rechtsvertretung die verfahrensgegenständliche Beschwerde gem. § 22 a BFA-VG. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, der BF sei an der Adresse eines Vereins obdachlos gemeldet gewesen. Er sei bisher der indischen Botschaft zur Erlangung eines Heimreisezertifikates nicht vorgeführt worden und habe die Behörde die Möglichkeit eines gelinderen Mittels nicht geprüft. Die tatsächliche Möglichkeit, den BF nach Indien abzuschieben werde bezweifelt. Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung komme jedoch nur dann in Betracht, wenn die Möglichkeit einer Abschiebung auch tatsächlich im Raum stehe. Der BF verfüge nicht über einen gültigen Reisepass und sei daher die Abschiebung ohne ein Heimreisezertifikat nicht möglich. Es bestehe kein Hinweis darauf, dass für den BF ein Heimreisezertifikat ausgestellt würde und habe bisher keine Vorführung vor die Botschaft stattgefunden.

Der BF habe zwar keinen ordentlichen Wohnsitz begründet, er habe aber sehr wohl über eine Obdachlosenmeldung verfügt. Behördliche Schreiben hätten ihm daher dort zugestellt werden können. Hauptsächlich sei der BF jedoch über Nacht bei einem Freund an einer Adresse in Wien gewesen. Der BF sei daher für die Behörde greifbar gewesen. Aus der Judikatur des VwGH und des BVwG ergebe sich, dass auch obdachlose Beschwerdeführer, deren Aufenthaltsort der Behörde bekannt gewesen sei, als greifbar anzusehen sind. Die Tatsache eines fehlenden ordentlichen Wohnsitzes sei daher im gegenständlichen Fall auch nicht entscheidungserheblich.

Schubhaft dürfe nie als Standardmaßnahme gegenüber Asylwerbern angewandt werden und habe der BF stets richtige Angaben im Verfahren gemacht.

Die Anwendung gelindere Mittel sei nicht ausreichend geprüft worden und führe diese unzureichende Prüfung nach der Rechtsprechung des BVwG zur Rechtswidrigkeit der Schubhaftverhängung. Beantragt werde neben dem Ersatz der Kosten die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zur Klärung der Kooperationsbereitschaft des BF.

1.6. Das BFA legte den gegenständlichen Schubhaftakt dem Gericht am 06. und am 09.03. vor. Eine Stellungnahme erreichte das Gericht bereits am 06.03.2020. Unter Hinweis auf die Ausführungen im gegenständlichen Bescheid wurde weiter ausgeführt, dass der BF zur Regelung seiner Ausreise mehrmals von der Behörde geladen worden sei, jedoch aufgrund seiner Obdachlosenmeldung und des unbekannten Aufenthalts nicht erreicht werden habe können. Der BF sei seiner Verpflichtung, seine Ausreise zu organisieren, nicht nachgekommen. Er habe selbst angegeben, nur gelegentlich an seiner Obdachlosenadresse in Wien aufhältig zu sein und zumeist bei Bekannten an verschiedenen Adressen Unterkunft zu nehmen. Die vorliegende Schubhaft sei nicht als Standardmaßnahme zu sehen. Aufgrund des bisherigen Verhaltens des BF seien keine Gründe gefunden worden, welche eine Abstandnahme von dieser Sicherungsmaßnahme rechtfertigen würden. Aufgrund des langfristigen unbekannten Aufenthalts des BF sei die Verhängung einer periodischen Meldeverpflichtung nicht als verfahrenssichernd angesehen worden. Der BF habe darüber hinaus keine Adresse für einen gesicherten Wohnsitz bekannt gegeben. Er sei nicht ausreisewillig und habe angegeben, sich einer Abschiebung zu widersetzen. Mit der indischen Botschaft sei rechtzeitig Kontakt aufgenommen und die Ausstellung eines Heimreisezertifikates beantragt worden. Eine Identifizierung durch die Botschaft sei bald zu erwarten und stelle die indische Botschaft laufend Heimreisezertifikate aus.

Beantragt werde der Ersatz der Kosten für den Vorlageaufwand sowie für den Schriftsatz.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person:

1.1. Der BF reiste illegal in das Bundesgebiet ein und ist indischer Staatsangehöriger. Er ist Fremder i.S.d. Diktion des FPG.

1.2. Er stellte am 14.05.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bisher hat der BF keinen gültigen dauerhaften Aufenthaltstitel in Österreich erhalten und wurden eine durchsetzbare Ausweisung seiner Person betreffend ausgesprochen.

1.3. Der BF ist gesund.

1.4. Er besitzt kein gültiges Reisedokument und hat sich bis zu seinem Aufgriff am 27.02.2020 nicht um die Erlangung von Papieren für seine Ausreise gekümmert.

Zu den allgemeinen Voraussetzungen der Schubhaft:

2.1. Seit dem 05.02.2013 besteht gegen den BF eine rechtskräftige und durchsetzbare Ausweisung.

2.2. Ein Heimreisezertifikat (HRZ) für den BF wurde bei der indischen Botschaft beantragt. Heimreisezertifikate werde von der indischen Botschaft laufend ausgestellt. Bis zur Mitteilung der Botschaft, dass kein HRZ ausgestellt wird, kann von einer Ausstellung eines Zertifikates ausgegangen werden.

2.3. Der BF ist haftfähig.

Zum Sicherungsbedarf:

3.1. Gegen den BF liegt eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.

3.2. An der Kontaktadresse seiner Obdachlosenmeldung war der BF für die Behörde in der Vergangenheit nicht greifbar. Andere Unterkunftsadressen waren den Behörden nicht bekannt.

3.3. Er ist nicht vertrauenswürdig.

3.4. Er ist nicht rückreisewillig.

3.5. Der BF ist bisher nicht kooperativ gewesen, hat jedoch im Zuge der Einvernahmen erstmals Papiere für die indische Botschaft ausgefüllt.

Zur familiären/sozialen Komponente:

4.1. In Österreich leben keine Verwandten und auch keine nennenswerten Freunde.

4.2. Der BF ging im Inland keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und weist keine besonderen Integrationsmerkmale auf. Er ist weder beruflich, noch sozial in Österreich verankert.

4.3. Der BF verfügt über keine ausreichenden finanziellen Mittel zur Existenzsicherung.

4.4. Er verfügt über keinen gesicherten Wohnsitz.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Person und zum Verfahrensgang (1.1.-1.4.):

Die Feststellungen zum Verfahrensgang und zur Person des BF ergeben sich im Wesentlichen aus den vorgelegten Verwaltungsakten der Behörde und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes. Die Feststellungen zu 1.3. und 1.4. ergeben sich im Wesentlichen aus den Einvernahmeprotokollen des BF vom 27.02.2020. Darin gibt der BF an, gesund zu sein, keinen Reisepass zu besitzen und sich auch nicht um derartige Papiere bemüht zu haben, sowie sich nicht um seine Ausreise gekümmert zu haben.

2.2. Zu den allgemeinen Voraussetzungen der Schubhaft (2.1.-2.3.):

Die Durchsetzbarkeit der Ausweisung ergibt sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten und wurde seitens des Beschwerdeführers nicht in Zweifel gezogen (2.1.). Aus dem Aktenmaterial ist auch ersichtlich, dass das BFA die Ausstellung eines Heimreisezertifikates bei der indischen Botschaft bereits 2013 beantragt und nunmehr neuerlich betrieben hat. Aus der Stellungnahme des BFA vom 06.03.2020 ergibt sich, dass im Allgemeinen laufend Heimreisezertifikate von der indischen Botschaft ausgestellt werden und derzeit dem Amt keine negative Meldung hinsichtlich der Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF vorliegt. Es besteht daher nach Ansicht des Gerichtes zum Entscheidungszeitpunkt kein begründeter Zweifel daran, dass die zeitnahe Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF möglich ist. Gerichtsbekannt ist, dass Identitätsfeststellungen in regelmäßigen Abständen (ca. alle acht Wochen) stattfinden und die durchschnittliche Dauer für die Ausstellung eines Heimreisezertifikates (wenn keine Dokumente vorliegen) in der Regel drei bis vier Monate in Anspruch nimmt (2.2.).

Die Feststellungen zur Haftfähigkeit (2.3.) ergibt sich aus den Angaben im Akt und liegen diesbezüglich dem Gericht zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung keine anderslautenden Informationen vor.

2.3. Zum Sicherungsbedarf (3.1.-3.5.):

Das Vorliegen einer durchsetzbaren Ausweisung (3.1.) ergibt sich im Wesentlichen bereits aus dem Akteninhalt. Hiezu wird auf die Ausführungen zu 2.1. verwiesen.

Die Feststellungen zu 3.2. ergibt sich aus den Angaben des BF im Rahmen der Einvernahmen am 27.02.2020 und der Stellungnahme des BFA vom 06.03.2020. Der BF gibt selbst an, nur sporadisch an seiner Kontaktadresse gewesen zu sein und zumeist bei einem Freund bzw. an anderen Adressen jeweils für kurze Zeit Unterkunft bezogen zu haben. Gleichlautend hiezu ist der Stellungnahme des BFA vom 06.03.2020 zu entnehmen, dass in der Vergangenheit mehrfach der Versuch unternommen wurde, den BF unter der von ihm im ZMR angegebenen Kontaktadresse zu erreichen, was misslang. Aus dem Akteninhalt ergibt sich auch kein Hinweis darauf, dass die Behörde in Kenntnis einer Adresse einer anderen Unterkunft des BF gewesen sein könnte. Das Gericht konnte daher für die Vergangenheit nicht von einer Greifbarkeit des BF für die Behörde ausgehen.

Das Gesamtverhalten des BF, in dem er die bestehende Ausweisung gänzlich ignorierte und in der Folge über mehrere Jahre für die Polizei nicht greifbar war, stellt sich für das Gericht so dar, dass der BF nicht als vertrauenswürdig angesehen werden konnte (3.3.). Der BF ist auch nicht rückreisewillig, was er sowohl in der ersten Einvernahme, als auch in der zweiten Einvernahme vom 27.02.2020 verbal klar zum Ausdruck brachte (3.4.). Er war bisher auch nicht kooperativ (3.5.), da er für die Behörde über mehrere Jahre unerreichbar im Verborgenen lebte und bisher auch keinerlei Anstalten gemacht hat, sich auch nur irgendwelche Dokumente für eine geordnete Ausreise von der Botschaft zu besorgen. Es konnte jedoch festgestellt werden, dass der BF im Zuge der Einvernahme vom 27.02.2020 nunmehr erstmals Papiere für die indische Botschaft ausgefüllt hat, was die Identifizierung und die Ausstellung eines Heimreisezertifikates an sich beschleunigen sollte. Es zeigt sich jedoch diesbezüglich klar, dass der BF dies lediglich deswegen getan hat, da er im Rahmen seiner Anhaltung durch die Behörde hiezu auch konkret angeleitet worden ist.

2.4. Familiäre/soziale Komponente (4.1.-4.4.):

Die Feststellung zu 4.1. ergibt sich im Wesentlichen aus den bereits im Zuge des Asylverfahrens getroffenen Feststellungen über die familiären oder sonstigen sozialen Kontakte des BF. Der BF hat zwar in den letzten Einvernahmen am 27.02.2020 angegeben, bei einem nicht näher genannten Freund zu übernachten und auch andere Adressen hierzu zur Verfügung zu haben. Daraus lässt sich jedoch noch keine nennenswerte soziale Integration in Österreich ableiten, da der BF nicht in der Lage war, auch nur ansatzweise konkretere Angaben zu machen. Aus der letzten Einvernahme und den Angaben im Akt ergibt sich zudem, dass der BF illegal gearbeitet hat, jedoch dennoch beruflich nicht als integriert bezeichnet werden kann. Eine soziale Verankerung des BF kam auch im Schubhaftverfahren nicht zu Tage (4.2.).

Nach den Angaben in der Anhaltedatei verfügt der BF über € 10,--, was keine ausreichenden finanziellen Mittel zur Existenzsicherung darstellt (4.3.).

Schließlich konnte der BF zwar im Verfahren eine Adresse nennen, an der er sich manchmal aufhält (Adresse eines nicht namentlich genannten Freundes) als gesicherter Wohnsitz kann diese Adresse jedoch nicht angesehen werden, zumal der BF über keine Wohnungsschlüssel verfügte (4.4.).

2.5. Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht mehr aufzunehmen.

Von einer Anberaumung einer mündlichen Verhandlung konnte im Hinblick auf die geklärte Sachlage Abstand genommen werden.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. - Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft:

3.1.1. Gesetzliche Grundlage:

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.

Zur Judikatur:

3.1.2. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

Schubhaft darf stets nur "ultima ratio" sein (vgl. VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0054; VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, VwGH 24.02.2011, Zl. 2010/21/0502; VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/21/0542; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043). Daraus leitete der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527, unter Hervorhebung der in § 80 Abs. 1 FPG 2005 ausdrücklich festgehaltenen behördliche Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert, insbesondere auch ab, "dass die Behörde schon von vornherein angehalten ist, im Fall der beabsichtigten Abschiebung eines Fremden ihre Vorgangsweise nach Möglichkeit so einzurichten, dass Schubhaft überhaupt unterbleiben kann. Unterlässt sie das, so erweist sich die Schubhaft als unverhältnismäßig"(VwGH vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527). Bereits im Erkenntnis des VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595, wurde dazu klargestellt, dass der Schubhaft nicht der Charakter einer Straf- oder Beugehaft zu kommt, "weshalb ohne besondere Anhaltspunkte für eine absehbare Änderung der Einstellung des Fremden die Haft nicht allein im Hinblick darauf aufrechterhalten werden darf, diese 'Einstellungsänderung' durch Haftdauer zu erwirken. (Hier: Der Fremde hatte, nachdem er nach zwei Monaten nicht aus der Schubhaft entlassen worden war, seine vorgetäuschte Mitwirkungsbereitschaft aufgegeben und zu erkennen gegeben, dass er nicht in den Kamerun zurückkehren wolle und auch nicht an einer Identitätsfeststellung mitwirken werde. Die mangelnde Kooperation des Fremden gipfelte schließlich in der Verweigerung jeglicher Angaben. Die belangte Behörde hat in Folge bis zu einem neuerlichen Einvernahmeversuch zugewartet ohne zwischenzeitig auf Basis der vorhandenen Daten zwecks Erstellung eines Heimreisezertifikates an die Botschaft von Kamerun heranzutreten oder sonst erkennbare Schritte in Richtung Bewerkstelligung einer Abschiebung zu setzen. In diesem Verhalten der belangten Behörde ist eine unangemessene Verzögerung zu erblicken)." (VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595; vgl. dazu etwa auch VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).

3.1.3. Aufgrund des gerichtlichen Beweisverfahrens sieht das Gericht Sicherungsbedarf für gegeben an. Dies deshalb, da der BF nicht rechtmäßig im Inland aufhältig ist und gegen ihn seit geraumer Zeit eine durchsetzbare Ausweisung besteht. Er war in der Vergangenheit für die Behörde an seiner Kontaktadresse (Obdachlosenmeldeadresse) nicht greifbar und hat selbst zugestanden, zumeist an mehreren anderen Adressen seinen Aufenthalt gehabt zu haben. Sein Aufenthalt ist daher als "unstet" zu bezeichnen und hat das Verfahren auch keine Anhaltspunkte dafür hervorgebracht, dass der BF sein diesbezügliches Verhalten zu ändern bereits wäre. Der BF gibt selbst klar in den Einvernahmen vom 27.02.2020 an, nicht in seinen Herkunftsstaat zurückkehren zu wollen und sich auch einer allfälligen Abschiebung zu widersetzen. Auch hat sich der BF in der Vergangenheit nicht als kooperativ erwiesen. Lediglich unter der Drucksituation im Rahmen seiner Anhaltung war er bereit, Papiere für seine Ausreise auszufüllen. Für das Gericht besteht daher kein Zweifel daran, dass der BF sich einer bereits seit langem im Raum stehenden Abschiebung seiner Person in der Vergangenheit entziehen wollte und sich auch nicht für eine Abschiebung bereithalten würde. Er ist, wie das Beweisverfahren ergeben hat, weder kooperativ, noch vertrauenswürdig und auch in keinem Falle ausreisewillig. Das Verhalten des BF in der Vergangenheit zeigt nach Ansicht des Gerichtes klar, dass der BF unter keinen Umständen freiwillig das Land verlassen will, zumal er bisher erfolgreich untergetaucht war.

In Österreich leben auch keine Verwandten und hat das Verfahren auch keine nennenswerten sozialen Kontakte ergeben, die dem BF in der Zeit bis zu seiner Abschiebung derartigen sozialen Halt geben könnten, dass der BF sich ab nun für die Behörde greifbar halten würde. Der BF vollführte in der Vergangenheit lediglich illegale Tätigkeiten und war nicht in der Lage, sich durch legale Tätigkeit eine Existenzsicherung zu verschaffen. Ein allfälliger gesicherter Wohnsitz kam im gesamten Schubhaftverfahren nicht heraus.

Es ist zwar richtig, dass der BF seit 04.09.2017 bis zu seinem Aufgriff obdachlos an einer Kontaktadresse gemeldet war, doch hat das Verfahren ergeben, dass die Behörde trotz dieser Kontaktadresse in der Vergangenheit dennoch keinen Kontakt zum Beschwerdeführer herstellen konnte. Dies ist auch nicht verwunderlich, folgt man den glaubwürdigen Aussagen des BF, dass er an dieser Kontaktadresse nur spärlich anzutreffen gewesen ist, da er überwiegend bei einem Freund bzw. an anderen Adressen Unterkunft bezogen hatte. Das Verfahren hat diesbezüglich ergeben, dass den Behörden andere Adressen, an denen der BF Unterkunft genommen hatte, nicht bekannt bzw. auch nicht bekannt gegeben worden sind. Der BF war daher an seiner Kontaktadresse der Obdachlosenmeldung für die Behörde dennoch nicht greifbar. Aus diesem Grunde sind die beiden auf Seite 4 der Beschwerdeschrift angegebenen Judikate (VwGH und BWvG) mit der vorliegenden Fallkonstellation nicht vergleichbar. Während in der Fallkonstellation VwGH 20.10.2016, Ra 2015/21/0091 tatsächlich eine regelmäßige Übernachtung an einer namentlich genannten Notschlafstelle stattgefunden hatte und sich aus dem fremdenpolizeilichen Akt ergeben hat, dass dies der Behörde bekannt war, konnte im gegenständlichen Fall nicht festgestellt werden, dass die Behörde irgendeinen Anhaltspunkt hatte, an welcher Adresse der BF greifbar gewesen wäre. Ebenso ist ein Vergleich mit dem Judikat BVwG vom 08.06.2017, W117 2159949-1, nicht gegeben. In diesem Falle wurde der Beschwerdeführer von Exekutivorgangen regelmäßig am gleichen Platz angetroffen und war sohin bei der Exekutive wohl bekannt, wie man den BF habhaft werden konnte. Im vorliegenden Fall hatte das BFA keine Kenntnis vom tatsächlichen Aufenthaltsort des BF. Eine Vergleichbarkeit der aufgezeigten Judikatur mit dem vorliegenden Fall war daher nicht zu sehen.

Es kann gerichtlicherseits nicht erkannt werden, weshalb man beim BF davon ausgehen sollte, dass er sich nunmehr den behördlichen Anordnungen zu fügen gewillt wäre und sich für die Behörde bereithalten sollte. Der BF ist, wie festgestellt, nicht vertrauenswürdig. Im Rahmen einer Gesamtsicht ergibt sich für das Gericht, dass der BF aufgrund seines Vorverhaltens in Zusammensicht mit den Ergebnissen des gerichtlichen Verfahrens zur Überprüfung des vorliegenden Bescheids, als weiterhin fluchtgefährlich zu qualifizieren war. Das Gericht sieht daher im Einklang mit der Behörde, Sicherungsbedarf im Sinne der Erfüllung der Tatbestandsmerkmale des § 76 Abs. 3 Z 1 und 9 FPG für gegeben an.

3.1.4. Darüber hinaus ist die Verhältnismäßigkeit der Schubhaftnahme nach Ansicht des erkennenden Gerichtes ebenso gegeben. Betrachtet man die Interessen des BF an den Rechten seiner persönlichen Freiheit in Bezug auf seine familiären bzw. sozialen Verhältnisse im Inland zeigt sich, dass der Beschwerdeführer im Ergebnis mit Ausnahme eines nicht namentlich bekannten Freundes keine nennenswerten Kontakte im Inland hat und diese in der Vergangenheit auch nicht in der Lage waren, ihm einen fundierte Halt zu geben. Ein notwendiges soziales Netz besteht nicht und konnte daher diesem Punkt bei der Abwägung der Verhältnismäßigkeit kein entscheidungwesentliches Gewicht beigemessen werden. Auf der anderen Seite hat der BF gegen verwaltungsrechtliche Bestimmungen verstoßen und damit zum Ausdruck gebracht, dass er ganz klar keine Unterordnung unter das im Inland bestehende Rechtssystem beabsichtigt. Er hat in Österreich einen unbegründeten Antrag auf internationalen Schutz gestellt und wurde über ihn eine Ausweisung verhängt. Der BF hat dies völlig ignoriert. Die Republik Österreich hat aber damit nach Ansicht des Gerichts ausreichend klar dargestellt, dass ein Verbleib des BF im Inland zumindest derzeit rechtlich nicht gedeckt ist und sohin auch ein erhöhtes Interesse an einer Außerlandesbringung des BF kundgetan. Das Gericht geht daher - wie oben angeführt - von der Verhältnismäßigkeit der Verhängung der Schubhaft aus, zumal die Bemühungen des BFA eine baldige Abschiebung durchführen zu können, im Rahmen des Verfahrens deutlich hervorgekommen sind. Es ist daher dem BF nach Ansicht des Gerichtes zuzumuten, bis zu einer baldigen Abschiebung in Schubhaft zuzubringen.

Die Argumentation in der Beschwerdeschrift, dass bisher keine Vorführung des Beschwerdeführers vor die indischen Botschaft stattgefunden habe und daher auch nicht mit der Ausstellung eines Einreisezertifikats zu rechnen sei, überzeugt nicht. Aufgrund der Stellungnahme des BFA vom 06.03.2020 ergibt sich, dass die indischen Vertretungsbehörden in Österreich an sich laufend Heimreisezertifikate ausstellen und sohin auch eine diesbezügliche Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF nach einer Botschaftsvorführung durchaus anzunehmen ist. Diese Information deckt sich auch mit dem hiezu korrespondierenden Gerichtswissen und ergibt sich daraus auch, dass derartige Vorgänge wie die Vorführung vor eine Delegation und die danach liegende Ausstellung von Heimreisezertifikaten sich im Länderbereich Indien in der Regel über mehrere Monate erstreckt. Das Vorbringen, dass sich bereits jetzt ersehen ließe, dass kein Heimreisezertifikat innerhalb der gesetzlichen Fristen ausgestellt werde, entbehrt daher jeglicher Grundsubstanz.

3.1.5. Die Anordnung eines gelinderen Mittels führt nach Ansicht des Gerichts nicht zu einer ausreichenden Sicherung der Durchführbarkeit einer konkreter werdenden Abschiebung. Die Kriterien, die bereits unter dem Punkt "Sicherungsbedarf" erörtert wurden, zeigen eindeutig, dass eine jederzeitige Erreichbarkeit des Beschwerdeführers nicht mit der erforderlichen Sicherheit gewährleistet wäre. Es ist nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer, der ein evidentes Interesse daran hat, dass er im Inland verbleiben kann (Ausreiseunwilligkeit), nicht abermals für die Behörde unerreichbar sein und nicht wieder erfolgreich untertauchen würde. Auch eine familiäre Bindung, die unter Umständen Halt bieten könnte, ist nicht vorhanden und waren in der Vergangenheit allfällige, nicht nachgewiesene Kontakte in Inland auch nicht im Stande, den Beschwerdeführer vom Untertauchen abzuhalten. Unter Berücksichtigung aller Umstände ist die Behörde daher zutreffend davon ausgegangen, dass mit der Anordnung gelinderer Mittel das Auslangen nicht gefunden werden kann.

Das in der Beschwerdeschrift zitierte Judikat der erkennenden Gerichtsabteilung W171 zur Verhängung eines gelinderen Mittels wird in vielen Schubhaftbeschwerden gerne beispielhaft herangezogen, aber zumeist missinterpretiert. So auch in diesem Fall, da der gegenständliche Fall gänzlich anders gelagert ist. Wie sich bereits aus den Aussagen des BF und der Information in der behördlichen Stellungnahme ergibt, konnte der BF an seiner Kontaktadresse gerade nicht erreicht werden. Die Kontaktadresse hatte daher auch nicht die Qualität einer Zustelladresse i.S.d. ZustellG. Weder die behördliche- noch die gerichtliche Entscheidung stützt sich auf ein Meldevergehen des BF (was sich auch aus dem Akteninhalt ergibt), sondern stellt auf die faktische Unerreichbarkeit des BF ab. Das angeführte Judikat ist daher schon aus diesem Grund nicht einschlägig.

3.1.6. Die gegenständlich verhängte Schubhaft erweist sich daher auch als "ultima ratio" und wird die Schubhaft auch bis zur Entscheidung über die Ausstellung eines Heimreisezertifikates und der darauffolgenden Abschiebung weiterzuführen sein. Auf Grund des zuvor Ausgeführten ergibt sich, dass sowohl Sicherungsbedarf, als auch Verhältnismäßigkeit gegeben sind und die Anwendung eines gelinderen Mittels nicht als erfolgversprechend zu beurteilen war. In diesem Sinne ist auch das Kriterium der "ultima ratio" im vorliegenden Schubhaftverfahren gegeben.

3.1.7. Die Behörde hat im gegenständlich bekämpfen Schubhaftbescheid die Beweggründe für die Erforderlichkeit der Verhängung der Haft erkennbar aufgezeigt und sich mit der konkreten Situation des BF auseinandergesetzt. Wie oben näher ausgeführt wird, gelangt die gerichtliche Überprüfung der laufenden Schubhaft nicht zu einer Unrechtmäßigkeit der bescheidmäßigen Verhängung.

3.1.8. Im vorliegenden Fall konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung und der Einvernahme des BF Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens hinreichend geklärt werden konnte. Der Sachverhalt konnte aus den Akten (in Zusammensicht mit den gerichtlichen Feststellungen im Asylverfahren) abschließend ermittelt und beurteilt werden und wurde in der Beschwerdeschrift unter Verwendung von vorgefertigten Ausführungen nicht näher ausgeführt, weshalb die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung im konkreten Fall zwingend sein soll. Der BF hat bereits durch sein bisheriges Verhalten klar gezeigt, dass er nur unter Druck der Anhaltesituation kooperationsbereit ist. Gründe für die zwingende Abhaltung einer mündlichen Verhandlung liegen daher nicht vor. Das Gericht weicht nicht von der Beweiswürdigung der Behörde ab und hat sich bereits aus dem vorliegenden Akteninhalt klar ergeben, dass zur Klärung der Rechtmäßigkeit der vorliegenden Schubhaft die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung nicht erforderlich gewesen ist.

3.1.9. Für einen allfälligen Ersatz der Eingabengebühr besteht keine Rechtsgrundlage.

Zu Spruchpunkt II. - Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft:

Die getroffenen Feststellungen und ihre rechtliche Würdigung lassen im Hinblick auf ihre Aktualität und ihres Zukunftsbezuges keine, die Frage der Rechtmäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft ändernde Umstände erkennen. Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Zu Spruchpunkt III. und IV. - Kostenbegehren

Beide Parteien begehrten den Ersatz ihrer Aufwendungen entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen. Da die Verwaltungsbehörde vollständig obsiegte, steht ihr nach den angeführten Bestimmungen dem Grunde nach der Ersatz ihrer Aufwendungen zu. Die Höhe der zugesprochenen Verfahrenskosten stützt sich auf die im Spruch des Erkenntnisses genannten gesetzlichen Bestimmungen.

Zu Spruchpunkt B. - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie zu Spruchpunkt I. und II. ausgeführt sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher in Bezug auf beide Spruchpunkte nicht zuzulassen. Im Hinblick auf die eindeutige Rechtslage in den übrigen Spruchpunkten war die Revision gleichfalls nicht zuzulassen.

Schlagworte

Ausreisewilligkeit, Fluchtgefahr, Mittellosigkeit, öffentliche
Interessen, Rückkehrentscheidung, Schubhaft, Sicherungsbedarf,
Untertauchen, Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W171.2229336.1.00

Zuletzt aktualisiert am

28.04.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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