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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1968 §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Schick und Dr. Pelant als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des Bekim Ramadani, geboren am 13. Mai 1971, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. Oktober 1996, Zl. 4.333.630/7-III/13/96, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der "Jugosl. Föderation", der am 20. Februar 1992 in das Bundesgebiet eingereist ist, beantragte am 24. Februar 1992 die Gewährung von Asyl. Er wurde am 26. Februar 1992 niederschriftlich einvernommen.
Hiebei gab er an, er stamme aus dem Kosovo, gehöre der albanischen Volksgruppe an und sei moslemischen Glaubens.
Zu seinen Fluchtgründen brachte er vor:
"Ich bin Mitglied der LDK Partei in Kosovo. Ich gehöre keiner pol. Organisation in YU. an. Ich werde auch nicht religiös verfolgt. Im Dezember 1991 hat mir die Militärpolizei die Einberufung gebracht. Meine Mutter hat diese entgegengenommen, da ich nicht zu Hause war. Weil ich im sinnlosen Bürgerkrieg in meiner Heimat gegen meine eigenen Landsleute nicht kämpfen will, habe ich mich entschlossen, aus YU zu flüchten. Von Dez. 91 - 20.2.92 versteckte ich mich bei einem Freund. Ich möchte in Österreich eine Arbeit finden und ein neues Leben beginnen. Ich möchte hier in Ö. abwarten, bis sich die Lage in YU beruhigt."
Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark stellte mit Bescheid vom 12. Oktober 1992 fest, daß beim Beschwerdeführer die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge nicht zuträfen.
Die dagegen erhobene Berufung hat folgenden Wortlaut:
"Ich bin aus Kosova - Albanien und bin Moslem. Ich war 1 Jahr Soldat, anschließend kam ich nach Hause zurück. Ich erhielt einen Brief als Reservesoldat und übersiedelte nach Posuselje. Von Dezember bis Februar verblieb ich in dieser Stadt. Am 20. Februar bin ich mit dem Auto nach Spielfeld gefahren und dann illegal über die Grenze geflüchtet. Im Februar bin ich in Traiskirchen angelangt. Bei einer Rückkehr ist mit einer schweren Bestrafung wegen Fahnenflucht zu rechnen. Das mindeste was mir passieren kann, ist die Einbeziehung in eine Strafkompanie und Kriegsdienst oder sofortige Erschießung.
Daher ersuche ich bis zur Beendigung der Kriegshandlungen in meiner Heimat in Österreich Asyl zu erhalten."
Daraufhin erließ die belangte Behörde den Bescheid vom 15. Dezember 1993, welcher aufgrund der dagegen erhobenen Beschwerde vom Verwaltungsgerichtshof mit dem Erkenntnis vom 14. Dezember 1994, Zl. 94/01/0689, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben wurde, denn die belangte Behörde hatte in Verkennung der Rechtslage (irrtümliche Anwendung des Asylgesetzes 1991) vom Asylausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 Gebrauch gemacht.
Im fortgesetzten Verfahren hielt die belangte Behörde dem Beschwerdeführer vor, das Parlament der Jugoslawischen Föderation habe am 18. Juni 1996 ein Amnestiegesetz erlassen, das am 22. Juni 1996 in Kraft getreten sei. Danach würden Personen, die bis zum 14. Dezember 1995 Straftaten begangen haben, indem sie ihre Einberufung in die Armee vermieden haben (Art. 214 des Strafgesetzes der Jugoslawischen Föderation) oder aus der jugoslawischen Armee desertiert sind (Art. 217 des Strafgesetzes der Jugoslawischen Förderation), amnestiert. Die Amnestie umfasse die Befreiung von strafrechtlicher Verfolgung, die Befreiung von der Ableistung einer Strafe und die Streichung der Verurteilung. Soferne bisher kein strafrechtliches Verfahren eingeleitet worden sei, werde ein derartiges auch nicht mehr eingeleitet, bereits anhängige strafrechtliche Verfahren würden eingestellt. Bereits Verurteilten werde die Strafe erlassen bzw. würden sie unverzüglich aus dem Gefängnis entlassen.
Der Beschwerdeführer nahm unter Hinweis auf die allgemeinen Verhältnisse im Kosovo dahingehend Stellung, es sei davon auszugehen, daß das Amnestiegesetz der Jugoslawischen Föderation nicht entsprechend bei Angehörigen der albanischen Minderheit in der Praxis angewendet werde.
Hierauf erließ die belangte Behörde den (Ersatz-)Bescheid vom 29. Oktober 1996, mit welchem sie die Berufung des Beschwerdeführers neuerlich abwies und feststellte, daß er nicht Flüchtling sei.
Sie begründete den Bescheid damit, daß aufgrund des Amnestiegesetzes vom 18. Juni 1996 dem Beschwerdeführer nicht Verfolgung aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen gedroht habe bzw. derzeit für den Fall einer etwaigen Rückkehr in seine Heimat drohe. Bei der Annahme in der Stellungnahme des Beschwerdeführers, daß davon auszugehen sei, das Amnestiegesetz der Jugoslawischen Föderation werde nicht entsprechend bei Angehörigen der albanischen Minderheit in der Praxis angewendet, handle es sich um eine bloße Vermutung ohne objektiv nachvollziehbare Grundlage, da keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß in der Jugoslawischen Föderation in Kraft getretene Gesetze nicht auch vollzogen würden, zumal sich die Stellungnahme nahezu ausschließlich auf die allgemeine Lage im Kosovo beziehe, ohne daß hiebei ein konkreter Zusammenhang mit den früheren Ausreisegründen des Beschwerdeführers bestehe.
Des weiteren führte die belangte Behörde bezüglich einer eventuellen neuerlichen Einberufung zum Militärdienst aus, daß sich die Jugoslawische Föderation nicht im Kriegszustand befinde, sodaß auch die ursprüngliche Befürchtung, gegen Landsleute kämpfen zu müssen, weggefallen sei. Überdies stelle die Einberufung zur Militärdienstleistung keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention dar, da die erforderliche Verfolgungsmotivation nicht gegeben sei, wenn die staatlichen Maßnahmen der Durchsetzung staatsbürgerlicher Pflichten dienten. Dem Beschwerdeführer komme daher die Flüchtlingseigenschaft nicht zu.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Hinsichtlich der Einberufung zur Militärdienstleistung ist dem Vorbringen des Beschwerdeführers vor der Behörde erster Instanz, aber auch in der Berufung kein asylrechtlich relevanter Sachverhalt zu entnehmen. Die belangte Behörde ist zu Recht davon ausgegangen, daß die Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes - sei es durch Nichtbefolgung eines Einberufungsbefehls, sei es durch Desertion - für sich allein grundsätzlich nicht die Anerkennung eines Asylwerbers als Flüchtling rechtfertigt. Der Verwaltungsgerichtshof geht von einer asylrechtlich relevanten Furcht vor Verfolgung nur in solchen Fällen aus, in denen die Einberufung aus einem der in Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Gründe erfolgt, in denen der Asylwerber damit rechnen müßte, daß er hinsichtlich seiner Behandlung oder seines Einsatzes während des Militärdienstes aus diesen Gründen im Vergleich zu Angehörigen anderer Volksgruppen in erheblicher, die Intensität einer Verfolgung erreichender Weise benachteiligt würde oder in denen davon auszugehen ist, daß dem Asylwerber eine im Vergleich zu anderen Staatsangehörigen härtere Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung droht (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Juni 1994. Zl. 93/01/0377, Slg. Nr. 14.089/A). Der Beschwerdeführer hat aber in erster Instanz nur vorgebracht, er wolle nicht in den Krieg ziehen, was aufgrund der unwiderspochenen Ausführungen der belangten Behörde zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides - daß sich die Jugoslawische Föderation nicht im Kriegszustand befinde, weshalb die ursprüngliche Befürchtung, gegen Landsleute kämpfen zu müssen, weggefallen sei - nicht mehr aktuell ist. In der Berufung brachte der Beschwerdeführer zwar seine Furcht vor strenger Bestrafung vor, behauptet aber nicht, daß Angehörige der albanischen Nationalität strenger bestraft würden als sonstige Staatsangehörige. Die in Beantwortung der Bekanntgabe des Amnestiegesetzes erstmalig erstattete Behauptung des Beschwerdeführers in der Stellungnahme vom 21. Oktober 1996, es sei davon auszugehen, daß das Amnestiegesetz in der Praxis nicht entsprechend bei Angehörigen der albanischen Minderheit angewendet werde, umfaßt zwar auch die Behauptung einer Schlechterstellung durch härtere Bestrafung durch Aufrechterhaltung strafrechtlicher Verfolgung nur gegen Angehörige einer bestimmten Volksgruppe. Die belangte Behörde ist aber damit im Recht, daß angesichts eines vorliegenden Gesetzes selbst in der Jugoslawischen Föderation zunächst solange von dessen Umsetzung in die Praxis ausgegangen werden kann, als nicht konkret Gegenteiliges hervorkommt. Die auf die allgemeine Lage im Kosovo gestützte Vermutung des Beschwerdeführers zeigt jedoch keine konkreten Fälle der Nichtanwendung des Amnestiegesetzes auf Angehörige albanischer Nationalität auf, weshalb der belangten Behörde zuzustimmen ist, daß die Vermutung des Beschwerdeführers objektiv nicht nachvollziehbar ist. Die belangte Behörde war demnach auch nicht zu weiterführenden Ermittlungen verpflichtet. Auch in der Beschwerde führt der Beschwerdeführer wieder nur die allgemeine Lage in der Heimat ins Treffen, zitiert Aussagen und Berichte aus der Zeit vor Kundmachung des Amnestiegesetzes, zeigt aber keinen konkreten Fall der Mißachtung dieses Gesetzes auf.
Der Schluß der belangte Behörde, es sei davon auszugehen, daß dem Beschwerdeführer aufgrund seiner Wehrdienstverweigerung in der Heimat keine Nachteile drohen, ist somit nicht als rechtswidrig zu erkennen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1996011218.X00Im RIS seit
20.11.2000