TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/16 G310 2229554-1

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Veröffentlicht am 16.03.2020
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Entscheidungsdatum

16.03.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs4

Spruch

G310 2229554-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Gaby WALTNER über die Beschwerde von XXXX, geb. am XXXX, StA. Albanien, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX.02.2020, Zl. XXXX, betreffend die Erlassung eines Einreiseverbots zu Recht:

A) Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids

wird Folge gegeben und dieser Spruchpunkt ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF) wurde am 19.02.2020 einer fremdenpolizeilichen Kontrolle unterzogen und wegen nicht rechtmäßigem Aufenthalts festgenommen. Am 20.02.2020 wurde er vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zur beabsichtigten Erlassung eines Einreiseverbots und einer Rückkehrentscheidung befragt. Mittels Mandatsbescheid des BFA vom XXXX.2020, Zl. XXXX, wurde die Schubhaft über den BF angeordnet.

Mit dem oben angeführten Bescheid wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gegen ihn gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Albanien festgestellt (Spruchpunkt III.), gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG gegen den BF ein fünfjähriges Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.). gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für eine freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt V.) und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.). Dies wurde im Wesentlichen mit dem unrechtmäßigen Aufenthalt, dem Nichtbestehen von familiären oder privaten Anknüpfungspunkten und der Mittellosigkeit des BF begründet.

Der BF reiste freiwillig am 28.02.2020 über den Luftweg nach Albanien aus.

Gegen den Spruchpunkt IV. dieses Bescheides richtet sich die Beschwerde mit den Anträgen, das Einreiseverbot ersatzlos zu beheben, in eventu die Dauer des Einreiseverbotes zu verkürzen und Spruchpunkt VI. des Bescheides zu beheben und festzustellen, dass dem BF eine Frist zur freiwilligen Ausreise eingeräumt werden hätte müssen. Zusammengefasst wird vorgebracht, dass man keine individuelle Gefährdungsprognose vorgenommen habe. Der BF habe bereits anlässlich seiner Einvernahme angegeben, bereit zu sein, nach Albanien auszureisen. Er habe Barmittel in der Höhe von EUR 10,00 und 180 englische Pfund bei sich gehabt. Des Weiteren verfüge er über eine Kreditkarte sowie ein Girokonto mit einem Guthaben von EUR 1.500,00.

Die Beschwerde und die Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vorgelegt, wo sie am 13.03.2020 einlangten.

Feststellungen:

Der BF ist Staatsangehöriger von Albanien. Der BF spricht albanisch und ist gesund wie auch arbeitsfähig. Familiäre, soziale, berufliche oder gesellschaftliche Bindungen des BF in Österreich können nicht festgestellt werden. In Albanien leben seine Eltern, sein Bruder und seine Großmutter. Seine Schwester lebt in Italien. Der BF besuchte in Albanien die Grundschule und zwei Jahre lang das Gymnasium. Es folgten Ausbildungskurse zum XXXX und XXXX.

Seit 2017 lebt der BF in Italien, wo er auch einer Arbeit nachging, und wurde ihm ein bis zum 20.02.2020 gültiger Aufenthaltstitel ausgestellt, dessen Verlängerung er beantragt hat.

Es kann nicht festgestellt werden, wie lange und zu welchem Zweck der BF vorhatte, im Bundesgebiet zu bleiben.

Er verfügte nie über einen österreichischen Aufenthaltstitel und ging hier keiner Erwerbstätigkeit nach. Er wurde in Österreich noch nie strafgerichtlich verurteilt und wies hier, abgesehen von seinem Aufenthalt im Polizeianhaltezentrum XXXX von 20.02.2020 bis 28.02.2020, nie eine Wohnsitzmeldung auf.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt der vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens und des Gerichtsakts des BVwG.

Die Rückkehr des BF in seinen Herkunftsstaat ergibt sich aus der im Akt aufliegenden Ausreisebestätigung.

Die Feststellungen zu den privaten und familiären Lebensverhältnissen des BF basieren auf seinen glaubhaften Angaben bei seiner Einvernahme durch das BFA. Seine Identität wird auch durch die im Akt erliegende Kopie seines italienischen Aufenthaltstitels belegt.

Die Arbeitsfähigkeit des BF kann aufgrund des Fehlens von Anhaltspunkten für gesundheitliche Beeinträchtigungen und aufgrund seines erwerbsfähigen Alters festgestellt werden.

Albanischkenntnisse des BF sind aufgrund seiner Herkunft plausibel und können auch deshalb festgestellt werden, weil eine Verständigung mit dem Dolmetscher für diese Sprache problemlos möglich war. Anhaltspunkte für Deutschkenntnisse des BF liegen nicht vor.

Im Fremdenregister ist weder die Beantragung noch die Erteilung eines Aufenthaltstitels dokumentiert. Der Aufenthalt im Polizeianhaltezentrum XXXX geht aus dem Zentralen Melderegister hervor. Dem Versicherungsdatenauszug sind keine Beschäftigungszeiten im Bundesgebiet zu entnehmen. Die Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus dem Strafregister.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Zu Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids:

Gemäß § 53 Abs. 1 und 2 FPG kann das BFA mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot, also die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der EU (außer Irlands), Islands, Norwegens, der Schweiz und Liechtensteins einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten, erlassen, wenn der Drittstaatsangehörige die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet. Die Dauer des Einreiseverbots ist abhängig von seinem bisherigen Verhalten. Dabei ist zu berücksichtigen, inwieweit sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. § 53 Abs. 2 FPG enthält eine demonstrative Aufzählung von Tatbeständen, deren Vorliegen eine Gefährdung öffentlicher Interessen indiziert. Dies ist demnach z.B. dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag (§ 53 Abs. 2 Z 6 FPG). In diesem Fall kann ein Einreiseverbot für die Dauer von höchstens fünf Jahren erlassen werden.

Ein Einreiseverbot ist nicht zwingend mit jeder Rückkehrentscheidung zu verbinden, sondern steht im Ermessen der Behörde. Es soll bestimmte, mit dem Aufenthalt des betroffenen Fremden potentiell verbundene Gefährdungen öffentlicher Interessen hintanhalten. Dabei ist im Rahmen einer Interessensabwägung zu prüfen, inwiefern private und familiäre Interessen des Fremden der Verhängung des Einreiseverbots in der konkreten Dauer allenfalls entgegenstehen. Ein Einreiseverbot ist dann zu verhängen, wenn die Gefährdungsprognose eine zukünftige Gefährdung relevanter öffentlicher Interessen ergibt und eine Interessensabwägung nach Art 8 EMRK zu Lasten des betroffenen Drittstaatsangehörigen ausgeht (vgl Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht § 53 FPG K 10 ff).

Bei der Erstellung der für jedes Einreiseverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamt(fehl)verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 53 Abs. 2 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei dieser Beurteilung kommt es nicht auf die bloße Tatsache einer allfälligen Verurteilung oder Bestrafung des Fremden an, sondern auf das dieser zugrunde liegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild (vgl VwGH 19.2.2013, 2012/18/0230).

Wenn sich das Fehlverhalten des Drittstaatsangehörigen auf den unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet beschränkt und fallbezogen ausnahmsweise (etwa auf Grund seiner kurzen Dauer oder der dafür maßgebenden Gründe) nur eine geringfügige Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens darstellt, ist überhaupt kein Einreiseverbot zu verhängen (vgl VwGH 04.08.2016, Ra 2016/21/0207).

Das BFA kam zu dem Schluss, dass der BF aufgrund seiner Mittellosigkeit eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle, die eine Erlassung eines Einreiseverbotes erforderlich mache, ohne eine auf sein konkretes Verhalten abstellende Gefährdungsprognose anzustellen.

Der fehlende Nachweis betreffend den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt, vermag zwar eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch seinen Aufenthalt gemäß

§ 53 Abs. 2 Z 6 FPG indizieren. Dem BF fällt jedoch nur ein geringfügiges Fehlverhalten zur Last. Da von ihm keine gravierende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ausgeht, weil er allenfalls bloß einen der Tatbestände des § 53 Abs. 2 Z 1 bis 9 FPG erfüllt und sich nur kurz im Bundesgebiet aufhielt, kann von der Erlassung eines Einreiseverbots Abstand genommen werden. Durch den Aufenthalt des BF ist es bislang weder zu einer finanziellen Belastung für eine Gebietskörperschaft noch zu einer unrechtmäßigen Mittelbeschaffung durch den BF gekommen. Die allfällige Mittellosigkeit der BF erfordert (auch in Verbindung mit seinem unrechtmäßigen Aufenthalt) angesichts seiner sonstigen straf- und verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit nicht die Erlassung eines Einreiseverbots zusätzlich zur Rückkehrentscheidung, zumal der BF bereits in seine Heimat zurückkehrte und sich die mit einer Mittellosigkeit verbunden Gefahren beim BF noch nicht realisiert haben.

Daher ist das Einreiseverbot laut Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids in Stattgebung der Beschwerde ersatzlos aufzuheben.

Zu Spruchpunkt V. und VI. des angefochtenen Bescheids:

Gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist.

Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das BVwG der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen.

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG ist gleichzeitig mit einer Rückkehrentscheidung eine Frist für die freiwillige Ausreise festzulegen. Entscheidungen, in denen der Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, sind gemäß § 55 Abs. 1a FPG nicht mit einer Frist für die freiwillige Ausreise zu verbinden. Gemäß § 55 Abs. 4 FPG ist von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde.

Da hier über die Beschwerde bereits innerhalb der in § 18 Abs. 5 BFA-VG normierten Wochenfrist entschieden werden konnte, ist weder die Aufhebung des Spruchpunkt V. noch die Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise erforderlich.

§ 21 Abs. 7 BFA-VG erlaubt das Unterbleiben einer Verhandlung sogar dann, wenn deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Diese Regelung steht im Einklang mit Art 47 Abs. 2 GRC. Bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen kommt der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zwar besondere Bedeutung zu, und zwar sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art 8 EMRK sonst relevanten Umstände. Daraus ist aber noch keine generelle Pflicht zur Durchführung einer

mündlichen Verhandlung in Verfahren über aufenthaltsbeendende Maßnahmen abzuleiten. In eindeutigen Fällen, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das BVwG von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, kann auch eine beantragte Verhandlung unterbleiben (VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0233).

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage und dem Beschwerdevorbringen geklärt erscheint und auch bei einem positiven Eindruck vom BF bei einer mündlichen Verhandlung keine andere Entscheidung möglich wäre, kann die beantragte Beschwerdeverhandlung entfallen. Von deren Durchführung ist keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten, zumal ohnehin von der Richtigkeit der in der Beschwerde aufgestellten Behauptungen des BF ausgegangen wird.

Zu Spruchteil B):

Die bei Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung ist im Allgemeinen nicht revisibel. Das gilt sinngemäß auch für die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose und für die Bemessung der Dauer des Einreiseverbots (siehe VwGH 29.05.2018, Ra 2018/20/0259). Die Revision ist nicht zuzulassen, weil sich das BVwG dabei an bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientieren konnte und keine darüber hinausgehende grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs. 4 B-VG zu lösen war.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Voraussetzungen, Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G310.2229554.1.00

Zuletzt aktualisiert am

28.04.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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