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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
StbG 1985 §10 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Schick und Dr. Pelant als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des K in S, vertreten durch Dr. Hubert
Maier, Rechtsanwalt in Mauthausen, Vormarktstraße 17, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 21. Oktober 1997, Zl. Gem(Stb)-400001/7-1997/Ste, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft und Erstreckung derselben, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.010,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung (der belangten Behörde) vom 21. Oktober 1997 wurden der Antrag des Beschwerdeführers - eines Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina - vom 2. Mai 1996 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft und der damit verbundene Antrag auf Erstreckung der Verleihung auf seine Ehegattin und seinen mj. Sohn gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 3 iVm §§ 16 Abs. 1 und 17 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311 in der Fassung BGBl. Nr. 505/1994 (StbG), abgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde aus, daß der Beschwerdeführer nachweislich seit 4. September 1972 - mit Unterbrechungen durch Aufenthalte in Bosnien von Jänner bis September 1986 sowie von April 1987 bis Juli 1990 - seinen ordentlichen Wohnsitz (nunmehr Hauptwohnsitz) in Österreich habe. Im Hinblick auf die Unterbrechungen erfülle er nicht die Verleihungsvoraussetzung des mindestens zehnjährigen ununterbrochenen inländischen Hauptwohnsitzes nach § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG. Daß der Beschwerdeführer vor den Auslandsaufenthalten 1986 und 1987 bis 1990 mehr als zehn Jahre ununterbrochen in Österreich gelebt habe, sei unerheblich, weil die genannte Verleihungsvoraussetzung im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen müsse. Die Wohnsitzfrist habe mit dem Wegfall des Unterbrechungsgrundes (5. Juli 1990) neu zu laufen begonnen.
Der längere ununterbrochene Voraufenthalt in Österreich stelle aber auch keinen besonders berücksichtigungswürdigen Grund für eine vorzeitige Verleihung der Staatsbürgerschaft im Sinne des § 10 Abs. 3 StbG dar. Die Anwendung dieser Bestimmung setze nämlich besondere, weit über das Normalausmaß hinausgehende berücksichtigungswürdige Gründe voraus, die durch einen bloß längeren ununterbrochenen Voraufenthalt in Österreich nicht erfüllt würden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist nicht mehr strittig, daß der Beschwerdeführer die Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG nicht erfüllt, weil er bei Bescheiderlassung nicht seit mindestens zehn Jahren ununterbrochen seinen Hauptwohnsitz im Gebiet der Republik hat. Fraglich ist allein, ob von dieser Voraussetzung wegen des Vorliegens eines besonders berücksichtigungswürdigen Grundes für die Verleihung der Staatsbürgerschaft abgesehen werden kann (§ 10 Abs. 3 StbG; das zeitliche Kriterium dieser Bestimmung erfüllt der Beschwerdeführer). Soweit in der Beschwerde außerdem - erstmals - auf § 10 Abs. 4 leg. cit. Bezug genommen wird, steht dem das Neuerungsverbot entgegen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 28. Jänner 1998, Zl. 96/01/1140) handelt es sich bei der Beurteilung der Frage, ob ein "besonders berücksichtigungswürdiger Grund" im Sinn des § 10 Abs. 3 StbG vorliegt, um eine zwingende Verleihungsvoraussetzung, weshalb eine nach § 11 StbG vorzunehmende Ermessensentscheidung erst dann in Betracht kommt, wenn - zusätzlich zu den weiters erforderlichen Verleihungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 2 bis 8 StbG - jene nach § 10 Abs. 3 StbG gegeben ist. Die belangte Behörde hat den Antrag gemäß ihrer Rechtsansicht bereits aufgrund des Fehlens der zwingenden Verleihungsvoraussetzung gemäß § 10 Abs. 3 StbG abgewiesen. Da es sich hiebei um keine Ermessensentscheidung handelt, geht das Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde habe das Ermessen nicht richtig ausgeübt und es verabsäumt, sich mit § 11 StbG auseinanderzusetzen, ins Leere (vgl. abermals das vorzitierte Erkenntnis vom 28. Jänner 1998, Zl. 96/01/1140).
Dessen ungeachtet ist die Beschwerde im Ergebnis berechtigt. Zutreffend verweist sie nämlich auf den langen Voraufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich. Ein solcher ist als Beispiel eines "besonders berücksichtigungswürdigen Grundes" ausdrücklich in den insoweit aktuellen Materialien zum Staatsbürgerschaftsgesetz 1965 (875 BlgNR 10.GP, 4) genannt. Nach dem Regelungsgehalt des StbG stellt die vorwiegend aus einem langjährigen Aufenthalt in Österreich ableitbare Integration einen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft ganz wesentlich ins Gewicht fallenden Umstand dar. Dies ergibt sich nicht nur aus § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG, sondern etwa auch aus den §§ 12 und 14 StbG (vgl. zuletzt das Erkenntnis vom 28. Jänner 1998, Zl. 97/01/0193).
Nach den Feststellungen der belangten Behörde kam der Beschwerdeführer 1972 nach Österreich und verbrachte dann mehr als 13 Jahre im Inland. Nach einer zunächst rund neunmonatigen und dann knapp mehr als dreijährigen Unterbrechung hat er nunmehr bereits wieder seit mehr als sieben Jahren seinen Wohnsitz in Österreich. Der Beschwerdeführer hat daher seit 1972 mehr als 20 Jahre und damit den weitaus überwiegenden Teil seines Erwerbslebens in Österreich zugebracht. Dies stellt eine derart intensive Nahebeziehung zu Österreich dar, daß nur dann kein besonders berücksichtigungswürdiger Grund für die Verleihung der Staatsbürgerschaft vorläge, wenn der Beschwerdeführer ungeachtet seines langjährigen Aufenthaltes im Bundesgebiet nicht integriert wäre, also etwa die deutsche Sprache nicht beherrschte oder in seiner Lebensart den inländischen Verhältnissen in keiner Weise angeglichen wäre (siehe wiederum das zuvor zitierte Erkenntnis vom 28. Jänner 1998, Zl. 97/01/0193). In diese Richtung liegen jedoch keine Feststellungen vor, sodaß der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997011147.X00Im RIS seit
11.07.2001