RS Vfgh 2020/2/25 E4470/2019

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Veröffentlicht am 25.02.2020
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
AsylG 2005 §3
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Asylstatus und des subsidiären Schutzstatus betreffend einen homosexuellen irakischen Staatsangehörigen

Rechtssatz

Wenn der EuGH und ihm folgend der VfGH davon ausgehen, dass "von Personen mit homosexueller Orientierung nicht erwartet werden [dürfe], dass sie ihre Homosexualität in ihrem Herkunftsland geheim halten oder Zurückhaltung beim Leben ihrer sexuellen Ausrichtung ('l'expression de son orientation sexuelle') üben, um die Gefahr einer Verfolgung zu vermeiden" (VfSlg 20170/2017 unter Verweis auf EuGH 07.11.2013, verbRs C-199-201/12, X ua, und, im vorliegenden Verfahren, VfGH 11.06.2019, E291/2019), wird unmittelbar einsichtig und offenkundig darauf abgestellt, dass es Menschen mit gleichgeschlechtlicher Orientierung ohne daraus resultierender Gefahr einer Verfolgung iSd §3 Abs1 AsylG 2005 iVm Art1 Abschnitt A Z2 GFK möglich sein muss, auch in der Öffentlichkeit zu ihrer geschlechtlichen Orientierung zu stehen und sich zu entsprechenden Beziehungen zu bekennen. Damit soll das einschlägige Diskriminierungsverbot sicherstellen, dass Menschen mit gleichgeschlechtlicher Orientierung insbesondere in Gesellschaften, in denen heterosexuelle Beziehungen als gesellschaftliche Norm gesehen werden, homosexuell orientierte Menschen im Hinblick auf dieses für die Anerkennung ihrer Identität so bedeutsamen Merkmals heterosexuell orientierten in der öffentlichen Anerkennung gleichgestellt und in diesem Sinn nicht gezwungen werden, ihre sexuelle Orientierung geheim halten zu müssen (es genügt, dafür auf die genannten Entscheidungen des EuGH und des VfGH zu verweisen).

Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) sieht demgegenüber die gebotene Gleichbehandlung homosexuell und heterosexuell orientierter Menschen im vorliegenden Fall dadurch gewährleistet, dass ihnen im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers gleichermaßen Zurückhaltung bei sexuellen Handlungen in der Öffentlichkeit auferlegt sei. Damit erachtet das BVwG, weil eine Privilegierung homosexuell orientierter Menschen nicht geboten sein könne, die oben dargestellten Anforderungen an die Möglichkeit für den Beschwerdeführer, zu seiner sexuellen Orientierung in seinem Herkunftsstaat auch öffentlich stehen zu können, für erfüllt. Dass der Beschwerdeführer seine sexuelle Orientierung auch nicht "geheim" - im Verständnis des BVwG im Sinne von "für sich" - halten müsse, zeige im Übrigen, dass er entsprechende Beziehungen ausgeübt habe. Damit unterstellt das BVwG aber bei seiner Prüfung, ob der Beschwerdeführer auf Grund seiner homosexuellen Orientierung im Herkunftsstaat einer im Hinblick auf seinen Antrag auf internationalen Schutz maßgeblichen Verfolgung oder Bedrohung ausgesetzt ist, nicht nur einen das einschlägige Diskriminierungsverbot des BVG zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, verletzenden und daher verfassungswidrigen Maßstab, sondern verkennt auch die Rechtslage in einer Weise, die als willkürliches Verhalten des BVwG in die Verfassungssphäre eingreift.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Asylrecht, Entscheidungsbegründung, Ermittlungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2020:E4470.2019

Zuletzt aktualisiert am

28.04.2020
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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