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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des David Deng Bol, geboren am 15. Juli 1967, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. Jänner 1997, Zl. 4.333.138/6-III/13/97, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Sudan, der am 16. Februar 1992 in das Bundesgebiet eingereist ist, beantragte am 17. Februar 1992 die Gewährung von Asyl. Er wurde am 8. April 1992 niederschriftlich einvernommen.
Er gab zu seinen Fluchtgründen an:
Ich komme aus dem Süden des Sudan und bin Christ. Obwohl die Christen im Sudan in der Mehrheit sind, wird die Regierung von Moslems gebildet. Die Christen werden seit Jahrzehnten von den Moslems unterdrückt. Im Jahre 1982 wurden meine Mutter und zwei Brüder von Armeesoldaten erschossen. 1985 mußte ich zur sudanesischen Armee einrücken. Nach der Grundausbildung wurde ich zuerst im Norden des Landes eingesetzt. Man wollte mich dann in den Süden schicken und mich gegen die christlichen Freischärler einsetzen. Da ich jedoch selbst Christ bin, wollte ich nicht gegen die eigenen Leute kämpfen. Ich flüchtete in weiterer Folge am 02.10.1987 nach Beirut. In meinem Land wird die Desertation mit der Todesstrafe geahndet. Mir würde daher bei einer Rückkehr der sichere Tod drohen."
Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark stellte mit Bescheid vom 1. Juni 1992 fest, daß die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Genfer Flüchtlingskonvention auf den Beschwerdeführer nicht zuträfen.
Aufgrund der dagegen erhobenen Berufung erließ die belangte Behörde den Bescheid vom 31. Mai 1994.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, welcher den Bescheid mit dem Erkenntnis vom 15. Dezember 1994, Zl. 94/19/1171, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufhob. Die belangte Behörde hatte in Verkennung des Umstandes, daß von ihr das Asylgesetz (1968) anzuwenden ist, vom Asylausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 Gebrauch gemacht.
Mit dem Bescheid vom 28. Jänner 1997 wies die belangte Behörde die Berufung neuerlich ab. Sie begründete den Bescheid damit, daß die "Flucht" eines Asylwerbers vor einem drohenden Militärdienst ebensowenig einen Grund für die Anerkennung als Flüchtling darstelle, wie die Furcht vor einer wegen Desertion oder Wehrdienstverweigerung drohenden, unter Umständen auch strengen Bestrafung. Gründe dafür, daß die Flucht wegen einer Einberufung zum Militärdienst oder Desertion aus einem der in der Flüchtlingskonvention genannten Gründe erfolgt wäre, habe der Beschwerdeführer nicht vorgebracht.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes - sei es durch Nichtbefolgung eines Einberufungsbefehls, sei es durch Desertion - rechtfertigt für sich allein grundsätzlich nicht die Anerkennung eines Asylwerbers als Flüchtling. Der Verwaltungsgerichtshof geht von einer asylrechtlich relevanten Furcht vor Verfolgung nur in solchen Fällen aus, in denen die Einberufung aus einem der in Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Gründe erfolgt, in denen der Asylwerber damit rechnen müßte, daß er hinsichtlich seiner Behandlung oder seines Einsatzes während des Militärdienstes aus diesen Gründen im Vergleich zu Angehörigen anderer Volksgruppen in erheblicher, die Intensität einer Verfolgung erreichenden Weise benachteiligt würde oder in denen davon auszugehen ist, daß dem Asylwerber eine im Vergleich zu anderen Staatsangehörigen härtere Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung droht (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377, Slg. Nr. 14.089/A). Der Beschwerdeführer hat anläßlich seiner Einvernahme vor der Behörde erster Instanz ausgeführt, er werde als Christ - die Christen würden von den Moslems seit Jahrzehnten unterdrückt - in den mehrheitlich von Christen bewohnten Süden seines Heimatlandes versetzt und dort gegen die christlichen Freischärler eingesetzt. Er wolle als Christ jedoch nicht gegen seine christlichen Landsleute kämpfen. Er behauptet somit eine aufgrund der Zugehörigkeit zur christlichen Religion erfolgende Behandlung während des Militärdienstes, die ihn einem vorprogrammierten Gewissenskonflikt aussetzt. Träfen die Behauptungen des Beschwerdeführers zu, so könnte ihnen nicht ohne Durchführung von Ermittlungen (etwa darüber, welche Praxis seitens der sudanesischen Behörden betreffend die Verwendung von Wehrpflichtigen christlicher Religion im Vergleich zur Verwendung von Angehörigen der moslemischen Glaubensgemeinschaft im Sudan gepflogen wird) die asylrechtliche Relevanz abgesprochen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. September 1996, Zl. 95/20/0297).
Dadurch, daß die belangte Behörde dies verkannte, erweist sich der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weil sie die erforderlichen Ermittlungen aufgrund einer unrichtigen Rechtsansicht unterließ (sekundärer Verfahrensmangel), weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997010146.X00Im RIS seit
20.11.2000