TE OGH 2020/4/7 13Os18/20a

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Veröffentlicht am 07.04.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. April 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in der Strafsache gegen Lukas K***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Lukas K***** und Merlin O***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 4. Dezember 2019, GZ 64 Hv 52/19x-34, und über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Absehen vom Widerruf bedingter Strafnachsicht und bedingter Entlassung nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo 2019) den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Lukas K***** und Merlin O***** jeweils eines Verbrechens des Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB (I), Merlin O***** überdies mehrerer Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (II) schuldig erkannt.

Danach haben sie in V*****

I) am 13. Februar 2019 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Gewalt gegen eine Person oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) Manuel P***** verschreibungspflichtige Medikamente (Anxiolyt oder Morphium) mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz abzunötigen versucht, indem sie ihm einen heftigen (US 3) Stoß und einen Faustschlag gegen die Brust versetzten und ankündigten, ihn zu erstechen, sollte er diese nicht herausgeben,

II) Merlin O***** zudem am 4. Oktober 2019 Hannes-Christian W*****, Carina Kö***** und Kevin G***** durch im Urteil beschriebene Äußerungen wiederholt mit einer Verletzung am Körper gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden stützen die Angeklagten Lukas K***** und Merlin O***** jeweils auf Z 10, Merlin O***** überdies auf Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Merlin O*****:

Feststellungen sind nur insoweit mit Mängelrüge und Tatsachenrüge anfechtbar, als sie (für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage) entscheidend sind (RIS-Justiz RS0117499).

Einen solchen Aspekt sprechen die Mängelrüge (Z 5) und die Tatsachenrüge (5a) mit Kritik am vom Erstgericht hinsichtlich des Schuldspruchs I angenommenen Motiv nicht an (RIS-Justiz RS0088761).

Dem Vorwurf der Unvollständigkeit (nominell Z 5a, der Sache nach Z 5 zweiter Fall) zuwider hat sich das Erstgericht beim Ausspruch über entscheidende Tatsachen auch mit den Aussagen der Zeugen Kö*****, G***** und (richtig) L***** in der Hauptverhandlung auseinandergesetzt, folgte aber dem Versuch der Genannten, ihre im Ermittlungsverfahren getätigten Angaben zu relativieren oder als falsch darzustellen, nicht (US 8).

Soweit die Tatsachenrüge (Z 5a) auf das Vorbringen der Mängelrüge verweist, verkennt sie den wesensmäßigen Unterschied der Nichtigkeitsgründe, welcher deren gesonderte Ausführung im Rechtsmittel erfordert (RIS-Justiz RS0115902). Mit den Behauptungen, der Inhalt einer Aussage sei „absurd“ oder eine Vorgangsweise „widersinnig“, wird bloß unzulässig die Beweiswürdigung des Schöffengerichts angegriffen (RIS-Justiz RS0099649).

Bei der Glaubwürdigkeitsbeurteilung ließ das Gericht die Divergenzen in den Angaben des Belastungszeugen Manuel P***** nicht unberücksichtigt (US 5 f). Soweit die Tatsachenrüge daraus anhand eigener Beweiswerterwägungen für den Beschwerdeführer günstige Schlüsse ableitet, wendet sie sich erneut nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).

Im Weiteren verfehlt die Beschwerde ohne Herstellung eines Bezugs zur Feststellung über eine entscheidende Tatsache den gesetzlichen Bezugspunkt der Anfechtung. Gleiches gilt für ihre von Verfahrensergebnissen losgelösten Spekulationen (RIS-Justiz RS0118780).

Indem die Subsumtionsrüge (Z 10) eine Verurteilung nach § 142 Abs 1 und 2 StGB anstrebt, aber weder darlegt, weshalb das zum Schuldspruch I konstatierte Versetzen eines heftigen Stoßes und eines Faustschlags gegen die Brust des Manuel P***** keine erhebliche Gewalt darstellen sollte, noch erklärt, aus welchen Gründen die Belastung des in seiner Wohnung Überfallenen (US 3 f) im Vergleich zu Durchschnittsfällen nur geringfügig gewesen sein sollte (RIS-Justiz RS0094365 und RS0093906; vgl zum Gewaltbegriff des § 142 StGB auch Eder-Rieder in WK² StGB § 142 Rz 19 ff mwN), bringt sie den materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrund nicht zu prozessförmiger Darstellung (RIS-Justiz RS0116565). Da die Voraussetzungen des § 142 Abs 2 StGB nach dem Gesetz kumulativ vorliegen müssen, erübrigt sich ein Eingehen auf das Vorbringen zu den weiteren Prämissen dieser Privilegierung.

Nach den Feststellungen zum

Bedeutungsinhalt der vom Schuldspruch II umfassten Äußerungen wollte Merlin O***** bei den Anwesenden jeweils die Vorstellung erwecken, er sei willens und in der Lage, das angekündigte Übel, und zwar sie zumindest am Körper zu verletzen, herbeizuführen (US 4 f). Deren Ableitung aus dem objektiven Tatgeschehen (US 8) begegnet unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) keinen Bedenken (RIS-Justiz RS0098671).

Soweit die Subsumtionsrüge (Z 10, der Sache nach Z 9 lit a) den Schuldspruch II bekämpft, dabei aber nicht vom dargestellten Urteilssachverhalt ausgeht, verfehlt sie den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Lukas K*****:

Die Subsumtionsrüge (Z 10) kritisiert das Unterbleiben der Subsumtion nach § 142 Abs 2 StGB. Indem sie ohne argumentatives Substrat behauptet, dass die festgestellte Gewalt, nämlich das Versetzen eines heftigen Stoßes und eines Faustschlags gegen die Brust des Raubopfers, als nicht erheblich zu beurteilen sei, bringt sie den angesprochenen Nichtigkeitsgrund nicht zu prozessförmiger Darstellung (vgl RIS-Justiz RS0116565 und RS0116569). Da die Voraussetzungen des § 142 Abs 2 StGB nach dem Gesetz kumulativ vorliegen müssen, erübrigt sich ein Eingehen auf das Vorbringen zu den weiteren Prämissen dieser Privilegierung.

Hinzugefügt sei, dass erhebliche

Gewalt dann anzunehmen ist, wenn der Täter bei einem Angriff auf die Person des Opfers beachtliche physische Kraft in vehementer Weise einsetzt, wobei die Belastung des Opfers im Vergleich zu Durchschnittsfällen nicht als geringfügig einzustufen ist. Ob dies zutrifft, ist nach einem objektiv-individualisierenden (strengen) Maßstab unter Berücksichtigung aller konkreten Fallgegebenheiten, wie etwa auch des körperlichen Zustands des Angegriffenen, zu beurteilen (RIS-Justiz RS0094427). Das hier festgestellte (US 3) Versetzen eines heftigen Stoßes und eines Faustschlags gegen die Brust eines in der eigenen Wohnung überfallenen Opfers liegt jedenfalls über jener Erheblichkeitsschwelle, welche § 142 Abs 2 StGB als Privilegierungskriterium normiert. Auf den Eintritt einer Verletzung kommt es nicht an (RIS-Justiz RS0094427 [T12]).

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufungen und der Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E127841

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0130OS00018.20A.0407.000

Im RIS seit

28.04.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.04.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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