TE Vwgh Beschluss 2020/3/5 Ra 2020/19/0051

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Veröffentlicht am 05.03.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens und den Hofrat Dr. Pürgy sowie die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache des A R in W, vertreten durch Dr. Eva Jana Messerschmidt, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Salztorgasse 2/6, und Dr. Christian Schmaus, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Chwallagasse 4/11, als Einvernehmensrechtsanwalt gemäß § 14 EIRAG, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. August 2019, Zl. W241 2181226-2/13E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans aus Kabul, stellte am 22. November 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er vor, eine voreheliche sexuelle Beziehung zu einer jungen Frau gehabt zu haben und aus diesem Grund von deren Familie bedroht worden zu sein. In Österreich sei er überdies zum Christentum konvertiert. Während des anhängigen Asylverfahrens sei er getauft worden und aus der islamischen Glaubensgemeinschaft ausgetreten. Auch aus diesem Grund könne er nicht nach Afghanistan zurückkehren. 2 Mit Bescheid vom 27. November 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers im zweiten Rechtsgang zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung. 3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 Das BVwG erachtete weder die behauptete Verfolgung in Afghanistan als glaubhaft noch ging es davon aus, dass sich der Revisionswerber aus innerer Überzeugung zum Christentum hingewendet und den Entschluss gefasst hätte, nach dem christlichen Glauben zu leben. Ebensowenig sei anzunehmen, dass der Revisionswerber im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan nach dem christlichen Glauben leben und dies nach außen zur Schau tragen würde.

5 Mit Beschluss vom 28. November 2019, E 3734/2019-9, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis gerichteten Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG ab und trat die Beschwerde über nachträglichen Antrag gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG mit Beschluss vom 20. Dezember 2019, E 3734/2019-12, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 9 Die Revision bezieht sich inhaltlich nur mehr auf die behauptete Konversion des Revisionswerbers. Zur Begründung ihrer Zulässigkeit stützt sie sich auf mehrere, näher dargelegte Verfahrensmängel.

10 Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 9.1.2020, Ra 2019/19/0394 sowie - ausdrücklich auf das Überraschungsverbot abstellend - etwa VwGH 25.6.2019, Ra 2018/19/0534, je mwN). Eine solche Relevanzdarlegung gelingt der Revision im vorliegenden Fall - wie in der Folge näher dargestellt wird - nicht:

11 Zunächst rügt die Revision zwar zutreffend eine Verletzung des Überraschungsverbots durch die Einbeziehung eines - nach der mündlichen Verhandlung vorgelegten - Schreibens des Pastors der Gemeinde des Revisionswerbers, ohne dieses dem Revisionswerber vorgehalten zu haben. Der Revisionswerber übersieht dabei aber, dass das Schreiben des Pastors vom BVwG nur als einer von mehreren Gesichtspunkten herangezogen wurde und nicht tragend für die Beurteilung des Nichtvorliegens einer Konversion aus innerer Überzeugung herangezogen wurde.

12 Soweit die Revision vermeint, das BVwG habe seine Begründungspflicht verletzt, weil es ohne Quellenangabe festgestellt habe, es sei die Pflicht eines jeden Gläubigen, den Gottesdienst zu besuchen und es die diesbezüglichen Unterschiede der katholischen und evangelischen Kirche nicht hinreichend ermittelt habe, stößt sie sich im Ergebnis lediglich an einer Formulierung des BVwG. Der Begründung ist nicht zu entnehmen, dass das BVwG von einer (kirchenrechtlichen) Pflicht zum Gottesdienstbesuch ausgeht, sondern unzweifelhaft die seltene Anwesenheit des Revisionswerbers als Indiz für die fehlende Verinnerlichung und Ernsthaftigkeit seiner Konversion wertete. Ein relevanter Ermittlungs- oder Begründungsmangel wird mit diesem Vorbringen jedenfalls nicht aufgezeigt.

13 Soweit sich die Revision mit verschiedenen Argumenten gegen die Beweiswürdigung wendet, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach dieser als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. nochmals VwGH 9.1.2020, Ra 2019/19/0394, mwN).

14 Das BVwG hat sich im vorliegenden Fall nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in welcher zusätzlich zum Revisionswerber der Pastor seiner Gemeinde und eine weitere Zeugin einvernommen wurden, mit den religiösen Aktivitäten bzw. der aktuell bestehenden Glaubensüberzeugung des Revisionswerbers beschäftigt. Es ist aufgrund einer umfassenden Beweiswürdigung unter Beachtung der Aussagen der Zeugen und des Revisionswerbers zur Auffassung gelangt, dass eine Scheinkonversion vorliege. Der Revision gelingt es nicht, eine Unvertretbarkeit dieser Beweiswürdigung aufzuzeigen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass das BVwG einzelne Aspekte übergewichtet hätte, sich von unsachlichen Erwägungen hätte leiten lassen oder entscheidungswesentliches Vorbringen ignoriert hätte. Soweit die Revision die unterlassene Einvernahme weiterer Zeugen rügt, ist zunächst festzuhalten, dass eine solche dem Inhalt des Verwaltungsaktes nach nicht beantragt wurde. Soweit die Revision das Unterbleiben einer amtswegigen Einvernahme rügen möchte, ist darauf zu verweisen, dass die Frage, ob auf Basis eines konkret vorliegenden Standes eines Ermittlungsverfahrens ein ausreichend ermittelter Sachverhalt vorliegt oder ob weitere amtswegige Erhebungen erforderlich sind, regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern eine jeweils einzelfallbezogen vorzunehmende Beurteilung darstellt (vgl. abermals VwGH 28.11.2019, Ra 2019/19/0494, sowie 30.9.2019, Ra 2019/01/0329, je mwN). Gründe dafür, dass die unterbliebene Einvernahme weiterer Zeugen nach Lage des vorliegenden Falles einen krassen, die Rechtssicherheit beeinträchtigenden und daher eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufwerfenden Verfahrensfehler darstellen könnte, sind nicht ersichtlich. 15 Soweit die Revision vermeint, das angefochtene Erkenntnis lasse Feststellungen zur Situation von Konvertiten bzw. Apostaten in Afghanistan vermissen, welche auch für den Fall des Vorliegens einer Scheinkonversion heranzuziehen gewesen wären, legt sie nicht dar, inwiefern entsprechende Feststellungen Einfluss auf das Verfahrensergebnis haben könnten, zumal das BVwG ausdrücklich nicht davon ausging, dass der Revisionswerber im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan nach dem christlichen Glauben leben würde und dies nach außen wahrnehmbar praktizieren würde. Dass seine (Schein)Konversion in Afghanistan bekannt werden würde und ihm deshalb Verfolgungen im Herkunftsstaat drohen würde, hat der Revisionswerber im Verfahren nicht vorgebracht.

16 Der behaupteten Nicht-Berücksichtigung der UNHCR-Richtlinien vom 30. August 2018 betreffend die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul ist zu entgegnen, dass sich das BVwG mehrfach ausdrücklich inhaltlich mit den Positionen des UNHCR (gemeint: mit dessen Richtlinien) auseinandersetzte. Zudem handelt es sich bei Kabul um die Herkunftsprovinz des Revisionswerbers und ging das BVwG überdies unter Berücksichtigung der vom Verwaltungsgerichtshof aufgestellten Leitlinien von der Möglichkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Mazar-e Sharif aus. Letztere wird in der Revision aber nicht beanstandet. 17 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 5. März 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020190051.L00

Im RIS seit

05.05.2020

Zuletzt aktualisiert am

05.05.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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