TE Vwgh Beschluss 2020/3/5 Ra 2019/19/0524

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Veröffentlicht am 05.03.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

BFA-VG 2014 §9 Abs1
BFA-VG 2014 §9 Abs2
B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache der A H, vertreten durch Mag. Franz Szyszkowitz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntner Straße 10, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. November 2019, Zl. W192 2209369- 1/7E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 7. Mai 2018 war ein von der Revisionswerberin, einer Staatsangehörigen der Ukraine, am 9. Jänner 2018 im Inland gestellter und mit der Familienzusammenführung mit ihrem in Österreich asylberechtigten Ehegatten begründeter Antrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Karte plus" abgewiesen worden. Am 10. Juli 2018 stellte die Revisionswerberin den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz, den sie wiederum mit dem Wunsch nach Aufrechterhaltung des Familienlebens mit ihrem in Österreich asylberechtigten Mann begründete.

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Antrag mit Bescheid vom 12. Oktober 2018 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten ab. Die Behörde erteilte der Revisionswerberin keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass ihre Abschiebung in die Ukraine zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.

3 Am 4. Februar 2019 wurde die Tochter der Revisionswerberin in Österreich geboren. Diese erhielt einen von ihrem Vater abgeleiteten Status einer Asylberechtigten.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 20. November 2019 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die gegen den unter Rn 2 zitierten Bescheid vom 12. Oktober 2018 erhobene Beschwerde als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 8 In der vorliegenden außerordentlichen Revision, die sich nur gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 und die Rückkehrentscheidung wendet, wird zur Zulässigkeit zunächst vorgebracht, die Annahme des BVwG, die üblichen Kommunikationsvorgänge im Zusammenhang mit der Beziehung zwischen einer Mutter und einem etwa einjährigen Kind, vor allem körperliche Nähe und nonverbale Interaktion, könnten durch elektronische Medien oder Kurzbesuche ersetzt werden, sei lebensfremd.

9 Mit diesem Vorbringen entfernt sich die Revision vom festgestellten Sachverhalt, sodass schon deshalb keine fallbezogene Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt wird (vgl. etwa VwGH 23.1.2019, Ra 2018/19/0712, mwN). Das BVwG hat nämlich seine Annahme, der Kontakt zwischen der Revisionswerberin und ihrer Familie könne für die Dauer eines ordnungsgemäß geführten Niederlassungsverfahrens auch im Falle der Rückkehr der Revisionswerberin in ihren Herkunftsstaat aufrechterhalten werden, nicht nur auf die Möglichkeit des Rückgriffs auf elektronische Medien oder Kurzbesuche gestützt. Vielmehr ging es von der für die Familienmitglieder vor dem Hintergrund der Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen sowohl Österreichs als auch der Ukraine bestehenden Möglichkeit wechselseitiger, regelmäßiger und längerfristiger Besuche aus. Eine Unvertretbarkeit dieser Annahme zeigt die Revision nicht auf. 10 Soweit die Revision ferner vorbringt, das BVwG hätte die weitere Entwicklung einzubeziehen und darauf Bedacht zu nehmen gehabt, dass ein Kind grundsätzlich Anspruch auf verlässliche Kontakte zu beiden Elternteilen hat, beziehungsweise begründen müssen, warum fallbezogen das Kind der Revisionswerberin einen solchen Anspruch hinsichtlich seiner Mutter nicht besäße, ist ihr entgegenzuhalten, dass das BVwG diesen Anspruch gerade nicht verneinte. Es verkannte nicht die zentrale Funktion der Revisionswerberin bei der Kindererziehung und -betreuung ihrer Tochter, sah das Kindeswohl jedoch vor dem Hintergrund der faktischen Möglichkeit regelmäßiger gegenseitiger Besuche für die Dauer eines ordnungsgemäßen Niederlassungsverfahrens gewahrt (vgl. etwa VwGH 4.8.2016, Ra 2016/18/0123). Davon ausgehend bewertete es das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen höher als das im Bundesgebiet bestehende Familienleben sowie das Interesse der Revisionswerberin am Verbleib im Bundesgebiet. Dass das BVwG in seiner Beurteilung von den Leitlinien des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre, legt die Revision nicht dar. Ob die einzelfallbezogene Abwägung, welche zu einem zumindest vertretbaren Ergebnis gelangt ist, in jeder Hinsicht zutrifft, stellt keine grundsätzliche Rechtsfrage dar. 11 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen. Wien, am 5. März 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019190524.L00

Im RIS seit

05.05.2020

Zuletzt aktualisiert am

05.05.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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