TE Vwgh Beschluss 2020/3/12 Ra 2019/14/0179

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Veröffentlicht am 12.03.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte

Norm

B-VG Art133 Abs4
MRK Art2
MRK Art3
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Mag. Eder sowie die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, in der Revisionssache des A B in C, vertreten durch Dr. Christian Lutz LL.M., Rechtsanwalt in 4600 Wels, Eisenhowerstraße 40, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. März 2019, L504 2185986-2/5E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein staatenloser Palästinenser, der im Irak geboren und aufgewachsen ist, stellte am 7. September 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu den Gründen seiner Flucht gab er an, dass es Milizen gebe, die junge Männer als Geiseln nähmen. Sein Onkel sei vor seinen Augen entführt worden. Zudem habe er als Palästinenser im Irak keine Rechte. Aufgrund seiner Ausreise aus dem Irak könne er nicht wieder dorthin zurückkehren.

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies mit Bescheid vom 17. Oktober 2018 den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde mit vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht - ohne Durchführung einer Verhandlung - die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 7 In der Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit geltend gemacht, dass keine Beschwerdeverhandlung anberaumt worden sei. Das Bundesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wonach eine mündliche Verhandlung insbesondere dann durchzuführen sei, wenn es um die Beurteilung der Glaubwürdigkeit gehe oder eine Erörterung besonderer Umstände des Falles in einem kontradiktatorischen Setting zur Wahrheitsfindung notwendig sei. Weiters wendet sich die Revision gegen die Beweiswürdigung. Zudem habe das Bundesverwaltungsgericht weder geprüft, noch bei seiner Entscheidung berücksichtigt, dass man nach Verlassen des Iraks nur drei Monate Zeit habe, um das Aufenthaltsrecht zu verlängern. Diese Frist sei im Fall des Revisionswerbers abgelaufen, weshalb eine Rückkehr in den Irak rechtlich unmöglich sei. Weiters habe sich das Bundesverwaltungsgericht nicht damit befasst, dass der Revisionswerber als staatenloser Palästinenser der sunnitischen Glaubensrichtung angehöre, der von der schiitischen Mehrheit im Irak ein Naheverhältnis zu Saddam Hussein und dem IS unterstellt werde und aufgrund der Benachteiligungen in allen Lebensbereichen von einer Verfolgung aus ethnischen Gründen auszugehen sei. 8 Soweit die Revision einen Verstoß des Bundesverwaltungsgerichts gegen die Verhandlungspflicht geltend macht, gelingt es ihr mit ihrem bloß allgemein gehaltenen Vorbringen nicht darzulegen, weshalb die Voraussetzungen des § 21 Abs. 7 BFA-Verfahrensgesetz, wonach von der Durchführung einer Verhandlung Abstand genommen werden kann, fallbezogen nicht gegeben gewesen wären (vgl. zu diesen Voraussetzungen grundlegend VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018).

9 Insofern sich die Revision gegen die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichtes wendet, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach dieser - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 29.5.2019, Ra 2019/14/0136, mwN). Eine solche Unvertretbarkeit der Beweiswürdigung wird in der Revision nicht aufgezeigt. 10 Soweit die Revision rügt, das Bundesverwaltungsgericht habe sich nicht mit der vom Revisionswerber vorgebrachten Verfolgung aus ethnischen Gründen, der rechtlichen Unmöglichkeit seiner Rückkehr in den Irak sowie dem Umstand, dass der Revisionswerber staatenloser Palästinenser der sunnitischen Glaubensrichtung sei und ihm als Sunnit eine vermeintliche Unterstützung des IS unterstellt werde, auseinandergesetzt, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach es nicht ausreicht, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der Verfahrensmängel in konkreter Weise darzulegen (vgl. etwa VwGH 10.4.2017, Ra 2017/01/0088). Dieser Anforderung wird die Revision mit ihrem allgemeinen Zulässigkeitsvorbringen nicht gerecht.

11 Entgegen den Ausführungen im Zulässigkeitsvorbringen hat sich das Bundesverwaltungsgericht überdies sowohl mit der Frage des Verlusts der Aufenthaltsberechtigung als auch der behaupteten Verfolgung aus ethnischen Gründen sowie dem Umstand, dass der Revisionswerber staatenloser Palästinenser der sunnitischen Glaubensrichtung ist, auseinandergesetzt. Es hat Feststellungen insbesondere auch zur Situation von staatenlosen Palästinensern im Irak getroffen, welchen die Revision nicht substantiiert entgegentritt, und ist davon ausgehend in nicht unvertretbarer Weise zum Schluss gekommen, dass dem Revisionswerber die Wiedereinreise in den Irak möglich sei und ihm bei einer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine asylrelevante Verfolgung und auch keine Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK gewährleisteten Rechte drohe oder er als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts ausgesetzt wäre.

12 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 12. März 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019140179.L00

Im RIS seit

19.05.2020

Zuletzt aktualisiert am

19.05.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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