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001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
AVG §10 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, sowie die Hofräte Dr. Doblinger und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Hotz, über die außerordentliche Revision des Bundesdenkmalamtes in 1010 Wien, Hofburg, Säulenstiege, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 7. Oktober 2019, Zl. W195 2196482-1/31E, betreffend Teilunterschutzstellung gemäß § 1 Abs. 8 DMSG (mitbeteiligte Parteien: 1. E F in G, und 2. H I in J), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird im bekämpften Umfang des Spruchpunktes A (Ausnahme des angeführten Wohnhauses samt Freiflächen von der Teilunterschutzstellung) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Antrag auf Aufwandersatz wird abgewiesen.
Begründung
1 Die revisionswerbende Partei stellte mit - ihren Mandatsbescheid vom 18. Jänner 2016 bestätigenden - Bescheid vom 13. März 2018 fest, dass die Erhaltung einer näher bezeichneten - im Wesentlichen aus zwölf Wohnhäusern samt Freiflächen bestehenden - Villenanlage in Graz gemäß §§ 1 und 3 des Bundesgesetzes vom 25. September 1923, BGBl. Nr. 533/1923 idF BGBl. I Nr. 2/2008 (Denkmalschutzgesetz, DMSG), im Sinne einer Teilunterschutzstellung gemäß § 1 Abs. 8 DMSG im öffentlichen Interesse gelegen sei. Der Bescheid stützte sich dabei wesentlich auf die Ausführungen der Amtssachverständigen DI A, wonach der Villenanlage auf den sogenannten "Königsmühlgründen" - bestehend aus zwölf Einfamilienhäusern (einige davon durch Nebengebäude ergänzt) mit Gärten in lockerer Bebauung und teilweise noch erhaltenen bauzeitlichen Einfriedungen - geschichtliche, künstlerische und kulturelle Bedeutung zukomme.
2 Der gegen die Teilunterschutzstellung betreffend eines näher bezeichneten Wohnhauses samt Freiflächen von den mitbeteiligten Parteien (und Eigentümern dieses Hauses) erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis dahingehend Folge, dass dieses Wohnhaus mit umgebenden Freiflächen von der Unterschutzstellung nicht umfasst werde. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.
3 In seinen Entscheidungsgründen stellte das Verwaltungsgericht nach Darstellung des Verfahrensganges im Wesentlichen fest, dass das beschwerdegegenständliche Objekt benachbart einer mittlerweile rechtskräftig unter Denkmalschutz stehenden Cottageanlage sei, welche von 1912 bis 1914 nach den Plänen des Architekten B im Auftrag des Wohnungsfürsorge-Vereins für Steiermark errichtet worden sei. Das gegenständliche Objekt sei zwar ursprünglich in diese Planungen einbezogen, aber nicht realisiert sondern erst nach mehrmaligem Eigentumswechsel im Jahr 1928 als privates Einfamilienhaus nach den Plänen von C errichtet worden; es unterscheide sich durch eine zumindest 14 Jahre jüngere Bausubstanz und einer veränderten Baukörperausrichtung, sei im Gegensatz zu den anderen Häusern ein "traufständisches" statt eines "giebelständischen" Hauses, habe keine Gestaltungsmerkmale des Jugendstils und der Sezession und keine für die benachbarte Cottageanlage typische Dachform wie auch die straßenseitige Einfriedung außerhalb der Gestaltungsmerkmale der Gesamtanlage sei.
4 Dazu stützte sich das Verwaltungsgericht auf das von den mitbeteiligten Parteien beigebrachte "tragfähige" Privatsachverständigengutachten der Ao. Univ.-Prof. Dipl.- Ing. Dr. D, mit welchem dem (im verwaltungsbehördlichen Verfahren eingeholten) Amtssachverständigengutachten "auf zumindest gleicher fachlicher Ebene" entgegengetreten werde. Die im Privatgutachten aufgezeigten Unterscheidungsmerkmale betreffend die Baukubatur, Ausrichtung, Nichtverwendung von Stilelementen des Jugendstils und der Sezession, das Dach sowie die Einfriedung des Objekts habe die revisionswerbende Partei trotz der ihr wiederholt eingeräumten Möglichkeit zur Ergänzung des Sachverhaltes nicht widerlegen können.
5 Die Errichtung dieses privaten Einfamilienhauses sei - so das Verwaltungsgericht weiter - somit nicht zu behandeln wie diejenige der 14 bis 16 Jahre zuvor erfolgten Cottageanlage des genannten Wohnungsförderungsvereines und eine Unterschutzstellung dieses Objektes somit "im Gegensatz zur unter Ensembleschutz gestellten benachbarten Villenanlage" zu verneinen. Die Einholung eines weiteren Gutachtens, welches auch von keiner Seite beantragt worden sei, habe aufgrund des "umfassend erhobenen Sachverhaltes, welcher im Kern von den Verfahrensparteien, auch von der belangten Behörde nicht bestritten wurde," unterbleiben können. 6 Die vorliegende Amtsrevision bekämpft dieses Erkenntnis zur Gänze, inhaltlich richtet sie sich ausschließlich gegen die Ausnahme dieses zuvor genannten Hauses samt Freiflächen von der Unterschutzstellung.
7 Das Verwaltungsgericht legte die Verwaltungsakten vor. Die Mitbeteiligten erstatteten eine Revisionsbeantwortung, worin sie die Zurückweisung in eventu die Abweisung der Revision begehrten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
8 Die Revision ist zulässig und es kommt ihr auch Berechtigung zu, wenn darin Verfahrens- und Begründungsmängel hinsichtlich der notwendigen Ermittlungen zur "in der Fachwelt vorherrschenden Auffassung" bezüglich der dargelegten (und in den vorliegenden Gutachten diametral eingeschätzten) Unterscheidungsmerkmale des gegenständlichen Objektes gegenüber der übrigen Villenanlage und deren Relevanz für die Beurteilung einer allfälligen Schutzwürdigkeit nach dem DMSG moniert werden.
9 § 1 Denkmalschutzgesetz, BGBl. Nr. 533/1923 in der Fassung BGBl. I Nr. 170/1999 lautet (auszugsweise):
"§ 1. (1) Die in diesem Bundesgesetz enthaltenen Bestimmungen finden auf von Menschen geschaffene unbewegliche und bewegliche Gegenstände (einschließlich Überresten und Spuren gestaltender menschlicher Bearbeitung sowie künstlich errichteter oder gestalteter Bodenformationen) von geschichtlicher, künstlerischer oder sonstiger kultureller Bedeutung ('Denkmale') Anwendung, wenn ihre Erhaltung dieser Bedeutung wegen im öffentlichen Interesse gelegen ist. Diese Bedeutung kann den Gegenständen für sich allein zukommen, aber auch aus der Beziehung oder Lage zu anderen Gegenständen entstehen. 'Erhaltung' bedeutet Bewahrung vor Zerstörung, Veränderung oder Verbringung ins Ausland.
(2) Die Erhaltung liegt dann im öffentlichen Interesse, wenn es sich bei dem Denkmal aus überregionaler oder vorerst auch nur regionaler (lokaler) Sicht um Kulturgut handelt, dessen Verlust eine Beeinträchtigung des österreichischen Kulturgutbestandes in seiner Gesamtsicht hinsichtlich Qualität sowie ausreichender Vielzahl, Vielfalt und Verteilung bedeuten würde. Wesentlich ist auch, ob und in welchem Umfang durch die Erhaltung des Denkmals eine geschichtliche Dokumentation erreicht werden kann.
(3) Gruppen von unbeweglichen Gegenständen (Ensembles) und Sammlungen von beweglichen Gegenständen können wegen ihres geschichtlichen, künstlerischen oder sonstigen kulturellen Zusammenhanges einschließlich ihrer Lage ein Ganzes bilden und ihre Erhaltung dieses Zusammenhanges wegen als Einheit im öffentlichen Interesse gelegen sein. Mehrheiten unbeweglicher oder beweglicher Denkmale, die bereits von ihrer ursprünglichen oder späteren Planung und/oder Ausführung her als im Zusammenhang stehend hergestellt wurden (wie Schloss-, Hof- oder Hausanlagen mit Haupt- und Nebengebäuden aller Art, einheitlich gestaltete zusammengehörende Möbelgarnituren usw.) gelten als Einzeldenkmale. Als Teil einer Hausanlage zählen auch die mit dieser in unmittelbarer Verbindung stehenden (anschließenden) befestigten oder in anderer Weise architektonisch mit einbezogenen Freiflächen. ..."
10 Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausspricht, ist für die Lösung der Frage, ob einem Objekt eine geschichtliche, künstlerische oder sonstige kulturelle Bedeutung zukommt, die in der Fachwelt vorherrschende Meinung ausschlaggebend. Dabei ist insbesondere auf den Wissens- und Erkenntnisstand sachverständiger Kreise Bedacht zu nehmen. Grundlage der Feststellung kann nur ein Fachgutachten sein, aus dem sich jene geschichtliche, künstlerische oder sonstige kulturelle Bedeutung ableiten lässt, aus der der rechtliche Schluss gezogen werden kann, dass die Erhaltung des Denkmals im öffentlichen Interesse gelegen ist (vgl. VwGH 15.9.2004, 2003/09/0010; 5.9.2013, 2012/09/0018; 28.3.2017, Ro 2016/09/0009; 28.6.2017, Ra 2016/09/0091).
11 Objekte, die zwar innerhalb eines Ensembles gelegen sind, denen aber weder für sich alleine betrachtet ausreichender Denkmalwert zukommt, noch zu anderen Teilen des Ensembles derart in Verbindung stehen, dass ihnen aus der Beziehung oder der Lage zu anderen Objekten begründbarer Weise ausreichende geschichtliche, künstlerische oder kulturelle Bedeutung zukommt, dürfen nicht unter Denkmalschutz gestellt werden. Es muss sich schon um einen spezifischen, durch Gutachten fassbaren Zusammenhang, der eine Einheit, ein "Ganzes" herstellt, handeln. Der Zusammenhang muss zudem auf wesentlichen Gemeinsamkeiten und nicht auf bloßen Details von Objekten beruhen, ansonsten bestünde die Gefahr, dass eine Ensembleunterschutzstellung in gewachsenen Orten ins Uferlose ausgedehnt werden könnte. Hinsichtlich der Lage ist zu beachten, dass ein örtliches Naheverhältnis gegeben sein muss. Bloß einzelne verstreut gelegene Objekte können nur in ganz speziellen Fällen ein Ensemble bilden (vgl. VwGH 14.12.2012, 2010/09/0032).
12 Die Aufgabe des Gutachters ist darin zu sehen, der entscheidenden Behörde auf Grund besonderer Fachkenntnisse die Entscheidungsgrundlage im Rahmen des maßgebenden Sachverhalts zu liefern. Die Mitwirkung bei der Feststellung dieses entscheidungsrelevanten Sachverhalts durch den Sachverständigen besteht darin, dass er Tatsachen erhebt (Befund) und aus diesen Tatsachen auf Grund besonderer Fachkundigkeit Schlussfolgerungen zieht (Gutachten). Der Sachverständige hat somit Tatsachen klarzustellen und auf Grund seiner Sachkenntnis deren allfällige Ursachen oder Wirkungen festzustellen; er muss aber immer im Bereich der Tatsachen bleiben und darf nicht Rechtsfragen lösen. Jedes Sachverständigengutachten unterliegt erst in weiterer Folge der freien Beweiswürdigung durch die Behörde (vgl. VwGH 14.1.1993, 92/09/0201 bis 0203). Die Behörde (und nunmehr auch das Verwaltungsgericht) hat sich in einem Verfahren betreffend Unterschutzstellung nach dem Denkmalschutzgesetz auf schlüssige Weise unter Heranziehung aller maßgeblichen Umstände (etwa durch einen Vergleich mit ähnlichen Objekten) mit der konkreten geschichtlichen, künstlerischen oder sonstigen kulturellen Bedeutung des beurteilten Objekts im Sinn des § 1 Abs. 1 und 2 DMSG auseinanderzusetzen, wobei darauf hinzuweisen ist, dass das Gesetz in § 1 Abs. 2 letzter Satz DMSG der Beurteilung des Dokumentationscharakters besondere Bedeutung beimisst (siehe VwGH 16.9.2009, 2009/09/0138; 28.6.2017, Ra 2016/09/0091).
13 In ständiger Rechtsprechung hat der Verwaltungsgerichtshof weiters ausgeführt, dass den Fachbeamten des Bundesdenkmalamtes bzw. den Landeskonservatoren die Stellung von Amtssachverständigen zukommt, die im Verfahren beizuziehen die Behörde nach § 52 Abs. 1 AVG nicht nur berechtigt, sondern in erster Linie verpflichtet ist (vgl. etwa VwGH 11.9.1963, 2001/62; 16.11.1966, 1553/65; 14.9.1981, 81/12/0052, VwSlg. 10532 A; 16.12.2008, 2007/09/0065). Es ist nicht zu ersehen, weshalb sich die Rolle der Amtssachverständigen im Verfahren vor dem Bundesdenkmalamt nach Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtbarkeits-Novelle 2012 mit Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz geändert hätte (VwGH 28.3.2017, Ro 2016/09/0009).
14 Bei der Lösung der Frage, ob einem Objekt geschichtliche, künstlerische oder kulturelle Bedeutung nach dem DMSG zukommt, ist die in der Fachwelt vorherrschende Meinung ausschlaggebend. Dem Gutachten der Behörde kann im Allgemeinen nur durch die Beibringung eines anderen Fachgutachtens begegnet werden. Bei Vorliegen divergierender sachverständiger Meinungen ist die herrschende Auffassung zu ermitteln, allenfalls unter Beiziehung eines weiteren Sachverständigen, der sämtliche vorliegende Gutachten zu beurteilen hat. Die Bedeutung eines Denkmales kann auch von der Bedeutung der Umgebung mitbeeinflusst sein (VwGH 6.7.1972, 370/72, VwSlg. 8268 A; 30.10.1991, 91/09/0047). 15 Das Verwaltungsgericht hat auf dem Boden des § 17 VwGVG 2014 iVm §§ 52 und 53 AVG die Verpflichtung, die ihm zur Verfügung stehenden amtlichen Sachverständigen (Amtssachverständigen) seinen Verfahren beizuziehen, wobei ein Verwaltungsgericht stets prüfen muss, ob ein Amtssachverständiger unbefangen, unter anderem also tatsächlich unabhängig von der Verwaltungsbehörde ist, deren Bescheid beim Verwaltungsgericht angefochten wird (vgl. VwGH 22.6.2016, Ra 2016/03/0027, mwN; 24.10.2018, Ra 2016/04/0040).
16 Aufgabe des (Amts-)Sachverständigen ist es, unparteiisch und objektiv eine vorgegebene Sachlage fachlich zu beurteilen (vgl. VwGH 21.6.2017, Ra 2017/03/0016). Tritt ein Amtssachverständiger im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht auch als Vertreter der belangten Behörde auf, so ist daher der objektive Anschein der Befangenheit im Sinne des § 7 Abs. 1 Z 3 AVG gegeben. Die Stellung eines Amtssachverständigen in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist demnach mit der Rolle eines Vertreters der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde in diesem Verfahren nicht vereinbar. Dies wird auch durch die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes bestätigt, wonach es gegen den Gleichheitsgrundsatz verstößt, wenn der Gesetzgeber einem Amtssachverständigen zugleich die Stellung einer Amtspartei einräumt, weil damit die Objektivität des Verfahrens insgesamt gefährdet erscheint (vgl. VfSlg. 16.029/2000 und VwGH 29.5.2018, Ra 2018/03/0018).
17 Wenn das Verwaltungsgericht eine zusätzliche, die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung nicht bloß unwesentlich ergänzende Beweiswürdigung vornimmt, hat eine ergänzende Beweiswürdigung regelmäßig erst nach Durchführung einer Verhandlung zu erfolgen (vgl. VwGH 3.10.2017, Ra 2016/07/0002, mwN). Dies gilt umso mehr für den Fall, dass das Verwaltungsgericht die von der Verwaltungsbehörde aufgenommenen Beweismittel anders als diese würdigt und aufgrund dieser von jener der Verwaltungsbehörde abweichenden Beweiswürdigung andere entscheidungswesentliche Sachverhaltsfeststellungen trifft. Will das Verwaltungsgericht von der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung abweichend andere wesentliche Sachverhaltsfeststellungen treffen, hat es - ungeachtet eines Parteiantrags - eine mündliche Verhandlung durchzuführen und dabei die bereits von der Verwaltungsbehörde insbesondere im Rahmen einer mündlichen Verhandlung aufgenommenen Beweismittel neuerlich aufzunehmen. Dies gilt gleichsam für den Fall, dass der entscheidungswesentliche Sachverhalt im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht strittig ist (VwGH 18.9.2019, Ra 2018/04/0197). 18 Das Verwaltungsgericht hat bei einander widersprechenden Gutachten nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung zu prüfen, welchem von ihnen höhere Glaubwürdigkeit beizumessen ist. Dabei hat es jene Gedankengänge aufzuzeigen, die es veranlasst haben, von den an sich gleichwertigen Beweismitteln dem einen einen höheren Beweiswert zuzubilligen als dem anderen. Bei einander widersprechenden Gutachten ist es dem Gericht somit gestattet, sich dem einen oder anderen Gutachten anzuschließen, es hat aber in der Begründung seiner Entscheidung die Gedankengänge und sachlichen Erwägungen darzulegen, die dafür maßgebend waren, dass es das eine Beweismittel dem anderen vorgezogen hat. Wenn das Gericht sich über ein von der Partei beigebrachtes Sachverständigengutachten hinwegsetzt, ist dies daher zu begründen. Der bloße Umstand, dass Sachverständige zu verschiedenen Ergebnissen kommen, macht daher weder das eine noch das andere Sachverständigengutachten unglaubwürdig (vgl. VwGH 25.3.2009, 2008/03/0021; 24.4.2013, 2010/03/0100; 22.5.2013, 2011/03/0089; 9.5.2019, Ra 2018/02/0187). 19 Ist eine Partei durch Vorlage eines Privatgutachtens einem Amtssachverständigen auf gleicher fachlicher Ebene entgegen getreten, so ist es Aufgabe eines Verwaltungsgerichtes, den in der Sache schon herangezogenen Amtssachverständigen aufzufordern, sein eigenes Gutachten zu ergänzen und sich dabei mit den Aussagen des Privatsachverständigen im Detail auseinander zu setzen und insbesondere auch dessen Grundlagen zu erörtern und gegebenenfalls darzulegen, warum die Annahme des Privatgutachters seiner Ansicht nach nicht zutreffen (vgl. VwGH 21.1.2019, Ra 2018/03/0130). 20 Vor dem Hintergrund dieser Judikatur setzen eine vom verwaltungsbehördlichen Verfahren abweichende Beweiswürdigung und daraus resultierende andere entscheidungswesentliche Sachverhaltsfeststellungen durch das Verwaltungsgericht voraus, dass in der mündlichen Verhandlung eine eingehende Auseinandersetzung mit den relevanten Beweismitteln erfolgt. Dazu gehört es - wenn dem Richter das erforderliche Fachwissen fehlt - einen gerichtlichen Sachverständigen (Amtssachverständigen) als Hilfsorgan des Gerichtes zu bestellen.
21 Im vorliegenden Fall hat das Verwaltungsgericht der vom Bundesdenkmalamt (der revisionswerbenden Partei) im verwaltungsbehördlichen Verfahren beigezogenen Amtssachverständigen zwar die Möglichkeit gegeben, als informierte Vertreterin der Amtspartei an der Verhandlung teilzunehmen, worin sie als Behördenvertreterin zu ihrem Gutachten Stellung nehmen konnte. Die Bestellung eines (eigenen) Sachverständigen im Gerichtsverfahren ist aber unterblieben. In der angefochtenen Entscheidung wurde in den Feststellungen und der rechtlichen Beurteilung das aus dem verwaltungsbehördlichen Verfahren stammende Gutachten lediglich als unvollständig und ergänzungsbedürftig gewertet, Feststellungen dazu, ob nach der in der Fachwelt (vor)herrschenden Meinung dem beschwerdegegenständlichen Objekt im Vergleich bzw. Zusammenhang mit der übrigen Villenanlage eine geschichtliche, künstlerische oder kulturelle Bedeutung zukomme, fehlen. Damit hat das Bundesverwaltungsgericht - wie nach der aufgezeigten Judikatur angesichts der Divergenz zu dieser Frage geboten - weder dazu die in der Fachwelt (vor)herrschende Auffassung amtswegig ausreichend ermittelt, noch einen eigenen Sachverständigen für ein zusammenfassendes Gutachten bestellt und die daraus abzuleitenden, für eine abschließende rechtliche Beurteilung notwendigen Feststellungen getroffen.
22 Aus diesen Gründen war das angefochtene Erkenntnis in dem aus dem Spruch ersichtlichen Umfang wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
23 Der Antrag auf Zuspruch von Aufwandersatz war abzuweisen, weil gemäß § 47 Abs. 4 VwGG in den Fällen des Art. 133 Abs. 6 Z 2 bis 4 B-VG der Revisionswerber keinen Anspruch auf Aufwandersatz hat.
Wien, am 24. März 2020
Schlagworte
AllgemeinAmtssachverständiger der Behörde beigegebenAmtssachverständiger Person BejahungAnzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Begründung BegründungsmangelBegründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel Begründung hinsichtlich einander widersprechender BeweisergebnisseBesondere RechtsgebieteBeweismittel SachverständigenbeweisBeweiswürdigung Wertung der BeweismittelGutachten Beweiswürdigung der BehördeSachverhalt Sachverhaltsfeststellung VerfahrensmangelSachverständiger Bestellung Auswahl Enthebung (Befangenheit siehe AVG §7 bzw AVG §53)Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Besonderes FachgebietEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019090159.L00Im RIS seit
19.05.2020Zuletzt aktualisiert am
19.05.2020