TE Vfgh Erkenntnis 2020/2/27 E3442/2019

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Veröffentlicht am 27.02.2020
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Index

L0015 LVerwaltungsgericht

Norm

B-VG Art7 Abs1
B-VG Art87
B-VG Art88
B-VG Art134 Abs7
Wr Verwaltungsgericht-DienstrechtsG §5, §15
Wr DienstO 1994 §68a
VfGG §7 Abs1

Leitsatz

Verletzung im Gleichheitsrecht betreffend die Ruhestandsversetzung eines Richters des Verwaltungsgerichtes Wien wegen einjähriger Dienstunfähigkeit; keine Anwendbarkeit der Jahresfrist für Richter des VGW; Notwendigkeit einer Prognoseentscheidung betreffend die Dauer der Dienstunfähigkeit

Spruch

I. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art2 StGG und Art7 B-VG verletzt worden.

Das Erkenntnis wird aufgehoben.

II. Das Land Wien ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seiner Rechtsvertreterin die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Der Beschwerdeführer wurde mit 1. Jänner 2014 zum Richter des Verwaltungsgerichtes Wien ernannt und war seit 28. Jänner 2018 durchgehend wegen Krankheit vom Dienst abwesend. Diese Abwesenheiten vom Dienst meldete er der Dienstbehörde durch die Vorlage von Bestätigungen über die Anstaltspflege sowie "Arbeitsunfähigkeitsmeldungen". Amtsärztliche Gutachten des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 15, vom 25. Juni 2018, 1. Oktober 2018 und 29. Jänner 2019 bescheinigten jeweils die Dienstunfähigkeit des Beschwerdeführers.

2. Mit an den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Senat gerichtetem Schreiben vom 5. Februar 2019 (als "Antrag auf Amtsenthebung mit 29. Jänner 2019" tituliert) informierte der Präsident des Verwaltungsgerichtes Wien diesen unter Beilegung von Krankmeldungen und amtsärztlichen Gutachten der Magistratsabteilung 15 darüber, dass sich der Beschwerdeführer seit dem 28. Jänner 2018 durchgehend im Krankenstand befinde und wies unter Zitierung der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen darauf hin, dass von Amts wegen ein Verfahren zur Amtsenthebung des genannten Richters einzuleiten sei.

3. Mit am 27. März 2019 mündlich verkündetem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien wurde der Beschwerdeführer gemäß §15 Abs4 Z3 VGW-DRG seines Amtes als Richter des Verwaltungsgerichtes Wien enthoben sowie ausgesprochen, dass die Amtsenthebung gemäß §15 Abs4 Z3 und Abs6 VGW-DRG als Ruhestandsversetzung gemäß §68a Wr. DO 1994 gilt, die gemäß §15 Abs6 VGW-DRG mit Ablauf des 31. März 2019 wirksam wird. Der Antrag des Präsidenten des Verwaltungsgerichtes Wien auf Amtsenthebung mit 29. Jänner 2019 wurde mangels Legitimation gemäß §31 Abs1 VwGVG iVm §15 Abs4 Z3 VGW-DRG als unzulässig zurückgewiesen.

3.1. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Arbeitsunfähigkeitsmeldungen und amtsärztlichen Gutachten ergäben sich aus dem Personalakt und seien in der am 27. März 2019 durchgeführten mündlichen Verhandlung vom Beschwerdeführer bestätigt worden. Der Beschwerdeführer sei ein begünstigter Behinderter, dies ergebe sich aus dessen glaubwürdigem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung.

3.2. Nach §68a Abs2 Wr. DO 1994, auf den das Wiener Verwaltungsgericht-Dienstrechtsgesetz (VGW-DRG) ausdrücklich Bezug nehme, sei ein Beamter dauernd dienstunfähig, wenn er bereits länger als ein Jahr dienstunfähig gewesen sei und kein verweisungstauglicher Ersatzarbeitsplatz vorhanden sei. Da auch die amtsärztlichen Untersuchungen jeweils zum Ergebnis gekommen seien, dass der Beschwerdeführer dienstlich nicht einsetzbar gewesen sei, werde die Abwesenheit vom Dienst seit 28. Jänner 2018 als Abwesenheit wegen Dienstunfähigkeit beurteilt. Ob diese länger als einjährige Dienstunfähigkeit als eine iSd §68a Abs2 Wr. DO 1994 dauernde Dienstunfähigkeit zu qualifizieren sei, hänge davon ab, ob ein verweisungstauglicher Ersatzarbeitsplatz zur Verfügung stehe. Dies sei zu verneinen, weil sich die Grenze der Verweisungsmöglichkeit aus der Ernennung zum Richter ergebe (vgl VwGH 20.1.1999, 98/12/0397). Es scheide jede Verwendung eines Richters bei einer Dienststelle, die nicht in der Ausübung des richterlichen Amtes bestehe, als möglicher gleichwertiger Arbeitsplatz von vornherein aus. Ein Einsatz in der Justizverwaltung nach §10 Abs4 VGWG erlaube ebenfalls keine Abschläge bei der Beurteilung der Dienstfähigkeit; §10 Abs4 VGWG sehe die Unterstützung des Präsidenten des Verwaltungsgerichtes Wien bei Aufgaben der Justizverwaltung durch Richter des Verwaltungsgerichtes Wien vor. Wer daher zur Ausübung des Richteramtes nicht dienstfähig sei, sei es auch nicht im Rahmen der Justizverwaltung.

3.3. Gemäß §68a Abs1 Z1 Wr. DO 1994 sei ein dauernd dienstunfähiger Beamter von Amts wegen in den Ruhestand zu versetzen. Nach §15 Abs4 Z3 VGW-DRG sei ein Richter des Verwaltungsgerichtes Wien seines Amtes zu entheben, wenn die Voraussetzungen des §68a Abs1 Z1 Wr. DO 1994 erfüllt seien. Auch die Eigenschaft als begünstigter Behinderter stehe einer Amtsenthebung nicht entgegen; die angewandten gesetzlichen Bestimmungen differenzierten nicht entsprechend dieser Eigenschaft.

4. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten behauptet sowie die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, beantragt wird. Weiters wird angeregt, §15 Abs4 Z3 VGW-DRG auf seine Verfassungskonformität zu überprüfen. Begründend wird im Wesentlichen vorgebracht, dass im VGW-DRG keine Reaktivierung bei Wiedererlangen der Dienstfähigkeit vorgesehen sei und Menschen mit Behinderung durch §15 Abs4 Z3 VGW-DRG benachteiligt würden. Das Verwaltungsgericht Wien hätte die Dienstunfähigkeit im Zeitpunkt der Entscheidung zu prüfen gehabt. Da das letzte amtsärztliche Gutachten bereits zwei Monate alt gewesen sei, hätte sich der entscheidende Senat eingehender mit der Frage der Dienstunfähigkeit befassen müssen. In der Ladung sei nicht offengelegt worden, dass nicht nur der Antrag des Präsidenten auf Amtsenthebung, sondern auch ein amtswegig eingeleitetes Verfahren zur Amtsenthebung Gegenstand der Verhandlung sei. Zudem sei für Justizverwaltungssachen in der Geschäftsverteilung keine Zuständigkeit vorgesehen und sei eine Laienrichterbeteiligung erforderlich.

5. Der Präsident des Verwaltungsgerichtes Wien erstattete eine Äußerung, in der er dem Beschwerdevorbringen entgegentritt. Unter anderem wird ausgeführt, dass auch der Vertreter des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung am 27. März 2019 von einer Dienstunfähigkeit bis zum 1. April 2019 ausgegangen sei. Das Verwaltungsgericht Wien habe die Dienstunfähigkeit des Beschwerdeführers im Entscheidungszeitpunkt Ende März berücksichtigt und die amtsärztlichen Gutachten nachvollziehbar gewürdigt; sie seien vom Beschwerdeführer auch nicht bestritten worden. Eine vom Beschwerdeführer beabsichtigte "andere Gestaltung der richterlichen Tätigkeit" komme insoweit nicht in Frage, als die in §3 Abs3 Z5 VGWG geforderte persönliche und fachliche Eignung für das Richteramt jederzeit uneingeschränkt aufrecht sein müsse und daran – auf Grund des Tätigwerdens eines Richters im Kernbereich der staatlichen Hoheitsverwaltung – ein strenger Maßstab anzulegen sei. Ein Verweisungsarbeitsplatz komme nicht in Betracht.

6. Der Beschwerdeführer legte einen am 8. Oktober 2019 ergangenen Bescheid des Sozialministeriumservice vor, mit dem festgestellt wurde, dass der Beschwerdeführer ab 9. März 2019 (Tag des Einlangens des Antrages) dem Kreis der begünstigten Behinderten angehöre und der Grad der Behinderung 80% betrage.

II. Rechtslage

1. Die §§5 und 15 des Wiener Verwaltungsgericht-Dienstrechtsgesetzes (VGW-DRG), LGBl 84/2012 idF LGBl 43/2018, lauten – auszugsweise – wie folgt: 

"Dienstrechtliche Sonderbestimmungen

§5. (1) Auf die Mitglieder des Verwaltungsgerichts sind die §§2a, 3, 6 bis 17a, 19 und 22, §23 Abs2, §24, §25 Abs4 bis 7, §§26 bis 27, §31 Abs5, §33, §37 Abs1 Z1, §38 Abs1, §§40 bis 42, 57 und 64 der Dienstordnung 1994 nicht anzuwenden.

(2) Die Bestimmungen der Abschnitte 7 und 8 der Dienstordnung 1994 gelten nur insoweit, als auf sie in diesem Gesetz ausdrücklich Bezug genommen wird. Abweichend davon sind die §§68d und 71a jedenfalls anzuwenden.

(3) Soweit die Mitglieder nicht in Ausübung ihres richterlichen Amtes (§7 Abs2 VGWG) tätig sind, gilt auch §20 DO 1994.

[…]

Beendigung des Amts

§15. (1) Das Amt eines Mitglieds des Verwaltungsgerichts endet in den in Abs2 genannten Fällen, durch Übertritt in den Ruhestand (Abs3), durch Amtsenthebung (Abs4) oder Tod.

[(2) – (3) …]

 

(4) Das Mitglied darf nur durch Erkenntnis des nach der Geschäftsverteilung zuständigen Senates seines Amtes enthoben werden. Neben der Amtsenthebung gemäß §8 Abs2 VGWG ist das Mitglied seines Amtes zu entheben, wenn

1. es einen schriftlichen Antrag auf Amtsenthebung gestellt hat,

2. seine Dienstleistung für zwei aufeinanderfolgende Beurteilungszeiträume mit 'nicht entsprechend' (§10 Abs2 Z5 und Abs5 zweiter und dritter Satz) oder in den ersten drei Jahren nach seiner Ernennung zweimal mit 'nicht entsprechend' (§10 Abs2 Z5 und Abs5 erster Satz) beurteilt wird oder

3. es die Voraussetzungen für die Versetzung in den Ruhestand gemäß §68a Abs1 Z1, §68b Abs1, §68c oder §115i Abs1, 2 oder 4 DO 1994 erfüllt.

 

(5) […]

(6) Die Amtsenthebung gemäß Abs4 Z3 gilt als Ruhestandsversetzung gemäß §§68a, 68b, 68c oder 115i DO 1994. Die Ruhestandsversetzung wird mit Ablauf des der Rechtskraft des Erkenntnisses folgenden Monatsletzten wirksam. Abweichend davon wird in den Fällen der §§68b, 68c oder 115i DO 1994 die Ruhestandsversetzung mit Ablauf des Monats wirksam, der auf Grund des Antrags des Mitglieds im Erkenntnis bestimmt ist."

2. §68a des Gesetzes über das Dienstrecht der Beamten der Bundeshauptstadt Wien (Wr. Dienstordnung 1994 – Wr. DO 1994), LGBl 56/1994 idF LGBl 33/2017, lautet – auszugsweise – wie folgt:

"7. Abschnitt

[…]

Versetzung in den Ruhestand von Amts wegen

§68a. (1) Der Beamte ist von Amts wegen in den Ruhestand zu versetzen, wenn er

1. dauernd dienstunfähig ist oder

2. das 55. Lebensjahr vollendet hat und seine Dienstleistung durch Veränderung der Organisation des Dienstes oder durch bleibende Verringerung der Geschäfte entbehrlich wird und er auch nicht durch ihm zumutbare Aus-, Fortbildungs- oder Umschulungsmaßnahmen anderweitig angemessen beschäftigt werden kann.

(2) Der Beamte ist dauernd dienstunfähig, wenn er infolge seiner gesundheitlichen Verfassung seine dienstlichen Aufgaben nicht erfüllen und auch auf keinem anderen mindestens gleichwertigen Arbeitsplatz verwendet werden kann, dessen Aufgaben er – allenfalls nach Durchführung ihm zumutbarer Aus-, Fortbildungs- oder Umschulungsmaßnahmen – nach seiner gesundheitlichen Verfassung zu erfüllen imstande ist, und die Wiedererlangung der Dienstfähigkeit innerhalb eines Jahres ab Beginn der Dienstunfähigkeit nicht zu erwarten ist oder er länger als ein Jahr dienstunfähig war.

(3) Bei Berechnung der einjährigen Dauer der Dienstunfähigkeit gelten dazwischen liegende, im Urlaub gemäß §§45 und 46 zugebrachte Zeiten oder Zeiten erbrachter Dienstleistungen im Ausmaß von weniger als vier zusammenhängenden Wochen nicht als Unterbrechung.

(3a) Eine Versetzung in den Ruhestand aus dem Grunde des Abs1 Z1 kann, auch wenn der Beamte innerhalb des einjährigen Beobachtungszeitraumes nach Abs3 keine Dienstleistungen im Ausmaß von zumindest vier zusammenhängenden Wochen erbracht hat, unterbleiben, wenn unter Berücksichtigung aller tatsächlich geleisteten Dienste innerhalb des einjährigen Beobachtungszeitraumes angenommen werden kann, dass der Beamte seine Dienstfähigkeit wieder erlangt hat.

(4) Die Versetzung in den Ruhestand gemäß Abs1 wird frühestens mit Ablauf des der Zustellung des Bescheides folgenden Monatsletzten wirksam. Die Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien gegen eine Ruhestandsversetzung gemäß Abs1 hat keine aufschiebende Wirkung.

(5) […]"

III. Erwägungen

1. Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.

2. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998 und 16.488/2002) nur vorliegen, wenn die angefochtene Entscheidung auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn das Verwaltungsgericht der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat.

Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften und des Umstandes, dass kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass das Verwaltungsgericht diesen Vorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat, könnte der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzt worden sein, wenn das Verwaltungsgericht Willkür geübt hätte.

Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).

3. Ein solcher Fehler ist dem Verwaltungsgericht Wien unterlaufen:

3.1. Gemäß Art134 Abs7 B-VG sind die Mitglieder der Verwaltungsgerichte Richter sowie die Abs1 und 2 der Art87 und 88 B-VG mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass die Altersgrenze, mit deren Erreichung die Mitglieder der Verwaltungsgerichte der Länder in den dauernden Ruhestand treten oder ihr Dienstverhältnis endet, durch Landesgesetz bestimmt wird. Gemäß Art88 Abs2 B-VG dürfen Richter nur in den vom Gesetz vorgeschriebenen Fällen und Formen und auf Grund eines förmlichen richterlichen Erkenntnisses ihres Amtes entsetzt oder wider ihren Willen an eine andere Stelle oder in den Ruhestand versetzt werden (VfSlg 20.076/2016, 20.254/2018, 20.255/2018; VfGH 14.6.2019, G396/2018).

3.2. Die Beendigung des Amtes von Mitgliedern des Verwaltungsgerichtes Wien ist in §15 VGW-DRG geregelt. Nach §15 Abs4 Z3 VGW-DRG endet das Amt eines Mitgliedes, wenn es die Voraussetzungen des §68a Abs1 Z1 Wr. DO 1994 erfüllt. In §68a Wr. DO 1994 ist die Versetzung in den Ruhestand von Amts wegen geregelt; gemäß §68a Abs1 Z1 Wr. DO 1994 ist eine Versetzung in den Ruhestand vorgesehen, wenn dauernde Dienstunfähigkeit vorliegt. §68a Wr. DO 1994 findet sich im 7. Abschnitt der Wr. DO 1994. Gemäß §5 Abs2 VGW-DRG gelten die Bestimmungen der Abschnitte 7 und 8 der Wr. DO 1994 nur insoweit, als auf sie in diesem Gesetz ausdrücklich Bezug genommen wird.

Da §15 Abs4 Z3 VGW-DRG betreffend die Amtsenthebung und Versetzung in den Ruhestand von Mitgliedern des Verwaltungsgerichtes Wien nur auf §68a Abs1 Z1 Wr. DO 1994 Bezug nimmt, nicht aber auf Abs2 leg.cit., sind Mitglieder des Verwaltungsgerichtes Wien zwar von Amts wegen in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie dauernd dienstunfähig sind. Die nähere Definition in §68a Abs2 Wr. DO 1994, wonach dauernde Dienstunfähigkeit ua dann vorliegt, wenn der Beamte länger als ein Jahr dienstunfähig war, ist jedoch – wie sich aus §15 Abs4 VGW-DRG ausdrücklich ergibt – nicht auf Mitglieder des Verwaltungsgerichtes Wien anzuwenden. Auf Grund der Bestimmung des Art88 Abs2 B-VG, der gemäß Art134 Abs7 B-VG auch auf Verwaltungsrichter anzuwenden ist, ist eine Versetzung in den Ruhestand eines Richters nur in den vom Gesetz vorgeschriebenen Fällen und Formen möglich. Dieses Erfordernis ist betreffend die Annahme, dass dauernde Dienstunfähigkeit bei Mitgliedern des Verwaltungsgerichtes Wien schon dann vorliegt, wenn diese gemäß §68a Abs2 Wr. DO 1994 ein Jahr dienstunfähig waren, nicht gegeben.

3.3. Das Verwaltungsgericht Wien hat demgegenüber angenommen, dass §68a Abs2 Wr. DO 1994 auch auf Mitglieder des Verwaltungsgerichtes Wien anzuwenden ist, und deshalb wegen der über ein Jahr andauernden Dienstunfähigkeit des Beschwerdeführers ausgesprochen, dass dieser auf Grund dauernder Dienstunfähigkeit amtswegig seines Amtes zu entheben und in den Ruhestand zu versetzen ist (vgl dazu, dass bei Anwendung des §68a Abs2 Wr. DO 1994 nach einjähriger Dienstunfähigkeit keine Prognoseentscheidung erforderlich ist zB VwGH 27.2.2014, 2013/12/0125).

Da §68a Abs2 Wr. DO 1994 jedoch nicht auf Mitglieder des Verwaltungsgerichtes Wien anzuwenden ist, muss hinsichtlich der dauernden Dienstunfähigkeit von Mitgliedern des Verwaltungsgerichtes Wien geprüft werden, ob die Kriterien für das Vorliegen einer dauernden Dienstunfähigkeit gegeben sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt dauernde Dienstunfähigkeit – sofern der Gesetzgeber keine bestimmte Zeitspanne als maßgebliches Kriterium heranzieht – insbesondere dann vor, wenn sie für einen nicht absehbaren Zeitraum vorliegt. Für die Beurteilung ist daher durch einen medizinischen Sachverständigen eine Prognose zu erstellen. Anhand der dem Gutachten zugrunde gelegten Tatsachen hat die Dienstbehörde bzw das Verwaltungsgericht in der Folge die Schlüssigkeit des Gutachtens kritisch zu prüfen und einer sorgfältigen Beweiswürdigung zu unterziehen sowie nachvollziehbar darzulegen, ob der Beamte auf Grund seines gesundheitlichen Zustandes (künftig) in der Lage ist, seine dienstlichen Aufgaben zu erfüllen (vgl zB VwGH 27.5.2019, Ra 2019/12/0007; 4.9.2012, 2009/12/0148; 28.3.2007, 2006/12/0135). Die Dauerhaftigkeit ist nur dann zu verneinen, wenn in den Prognosen der medizinischen Gutachter auch jener absehbare Zeitraum umschrieben wird, innerhalb dessen mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit die Wiedererlangung der Dienstfähigkeit am aktuellen Arbeitsplatz erwartet werden kann (vgl die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu §14 BDG 1979, in dem keine Jahresfrist enthalten ist: VwGH 5.9.2018, Ra 2017/12/0121; 11.12.2013, 2013/12/0003; 17.10.2011, 2010/12/0156). Um diese Prognoseentscheidung fällen zu können, hätte das Verwaltungsgericht Wien durch den erkennenden Senat selbst ergänzende Ermittlungen sowie ein aktuelles medizinisches Gutachten einzuholen gehabt.

3.4. Das angefochtene Erkenntnis ist daher mit Willkür behaftet und wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art2 StGG und Art7 B-VG aufzuheben.

3.5. Vor dem Hintergrund dieses Verständnisses des §15 VGW-DRG iVm §68a Wr. DO 1994 bestehen keine Bedenken gegen die Bestimmung des §15 Abs4 Z3 VGW-DRG.

IV. Ergebnis

1. Der Beschwerdeführer ist somit durch die angefochtene Entscheidung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art2 StGG und Art7 B-VG verletzt worden.

2. Das Erkenntnis ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.

Schlagworte

Dienstrecht, Landesverwaltungsgericht, Richter, Ruhestandsversetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2020:E3442.2019

Zuletzt aktualisiert am

25.08.2021
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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