TE Vfgh Erkenntnis 2020/3/5 E2767/2019

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Veröffentlicht am 05.03.2020
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

B-VG Art144 Abs1
AVG §68
AsylG 2005 §10, §15b, §57
FremdenpolizeiG 2005 §46, §52, §53, §55 Abs1a
Statusrichtlinie 2011/95/EU Art11
VfGG §7 Abs1, §86

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hinsichtlich der Zurückweisung eines Antrags auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache betreffend einen afghanischen Staatsangehörigen; kein Wegfall des Rechtsschutzinteresses durch freiwillige Ausreise und Inanspruchnahme der Rückkehrhilfe

Spruch

I. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

II. Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Bei dem Beschwerdeführer handelt es sich um einen afghanischen Staatsangehörigen, der aus der Provinz Maidan Wardak stammt, aber in Kabul aufgewachsen ist und sich auch bis zu seiner Ausreise dort aufgehalten hat. Er stellte am 29. Jänner 2015 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid vom 29. Juni 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) ab. Es erteilte dem Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht und erließ eine Rückkehrentscheidung. Es stellte fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt III.). Schließlich sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen beträgt (Spruchpunkt IV.).

Mit Erkenntnis vom 19. März 2018 wies das Bundesverwaltungsgericht die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde ab. Begründend führte es unter anderem zur Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten aus, dass dem Beschwerdeführer zwar keine Rückkehr in seine Heimatprovinz auf Grund der dortigen Sicherheitslage möglich sei, aber ihm mit der Stadt bzw der Provinz Kabul eine innerstaatliche Fluchtalternative offenstehe. Der Beschwerdeführer beherrsche die Landessprache und sei vor seiner Ausreise ein erfolgreicher Geschäftsmann gewesen. Seine Familie verfüge über Häuser in Kabul und seine Brüder betrieben dort auch ein gut gehendes Geschäft. Der Beschwerdeführer verfüge daher über familiären Rückhalt in Kabul sowohl für finanzielle Unterstützung als auch für geeignete Unterkunft; außerdem könne er Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen. Die Sicherheitslage in der Stadt Kabul sei ausweislich der Länderfeststellungen als vergleichsweise sicher und stabil zu bezeichnen, auch wenn es dort zu vereinzelten Anschlägen komme.

2. Am 20. April 2018 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf internationalen Schutz in der Bundesrepublik Deutschland. Der Beschwerdeführer wurde in der Folge am 20. Februar 2019 von Deutschland nach Österreich überstellt.

3. Am 20. Februar 2019 stellte der Beschwerdeführer einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Der Beschwerdeführer hielt seine Fluchtgründe aus dem ersten Verfahren aufrecht und brachte weiters vor, dass einer seiner Brüder in Afghanistan im Juni 2018 von Unbekannten ermordet worden sei. Der Beschwerdeführer leide nunmehr unter Angstzuständen und Panikattacken und benötige Medikamente.

3.1. Mit mündlich verkündetem Bescheid vom 8. März 2019 hob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den faktischen Abschiebeschutz gemäß §12 AsylG 2005 auf. Dieser Bescheid wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14. März 2019 aufgehoben, weil der gesundheitliche Zustand des Beschwerdeführers nicht ausreichend gewürdigt bzw untersucht worden sei.

3.2. Mit Bescheid vom 28. Mai 2019 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den zweiten Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß §68 Abs1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkte I. und II.). Es erteilte dem Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht (Spruchpunkt III.) und erließ eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.). Es stellte fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.) und sprach aus, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt VI.). Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erließ ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VII.) und trug dem Beschwerdeführer die Unterkunftnahme in einem näher bezeichneten Quartier auf (Spruchpunkt VIII.).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ging bei der Begründung der Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten davon aus, dass sich die Lage in Afghanistan seit der Entscheidung über den ersten Antrag auf internationalen Schutz im Wesentlichen nicht verändert habe. Kabul stehe weiterhin als innerstaatliche Fluchtalternative für den Beschwerdeführer offen.

4. Mit Erkenntnis vom 17. Juni 2019 wies das Bundesverwaltungsgericht die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde ab. Begründend führt es aus, dass eine wesentliche Änderung der Sach- oder Rechtslage in Afghanistan zwischen der Rechtskraft des vorangegangenen Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes und der Zurückweisung des Antrages wegen entschiedener Sache insgesamt nicht erkennbar sei.

Bei der Begründung der Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass eine wesentliche Änderung der Lage in Afghanistan nicht erfolgt sei. Dem Beschwerdeführer sei, wie "bereits im Erstverfahren festgehalten eine Rückkehr nach Afghanistan, nunmehr insbesondere in die Städte Masar – e Sharif oder Herat, zumutbar". Die Beschwerde habe auch nicht aufzeigen können, auf Grundlage welcher Länderinformationen von einer derartigen Verschlechterung der Lage insbesondere auch in den Städten Mazar-e Sharif oder Herat auszugehen sei, die eine Rückkehr des Beschwerdeführers in diese als unzumutbar erscheinen ließen. Auch sei nicht substantiiert belegt worden, warum dem Beschwerdeführer eine Rückkehr nach Afghanistan, insbesondere in die genannten Städte, nicht zumutbar wäre.

5. Gegen diese Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes brachte der Beschwerdeführer zunächst am 22. Juli 2019, eingelangt am 25. Juli 2019, einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe beim Verfassungsgerichtshof ein. Der Verfassungsgerichtshof bewilligte die Verfahrenshilfe mit Beschluss vom 29. November 2019 und verständigte in der Folge den von der zuständigen Rechtsanwaltskammer bestellten Verfahrenshelfer. Die Beschwerde wurde schließlich fristgerecht am 16. Jänner 2020 erhoben. Mit Beschluss vom 17. Jänner 2020 erkannte der Verfassungsgerichtshof ihr antragsgemäß die aufschiebende Wirkung zu.

6. Das Bundesverwaltungsgericht legte die Verwaltungs- und Gerichtsakten vor.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erstattete am 24. Jänner 2020 eine Äußerung. Es teilt hierin mit, dass der Beschwerdeführer am 9. Oktober 2019 unter Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe freiwillig nach Afghanistan ausgereist sei und legte eine Bestätigung der Internationalen Organisation für Migration (IOM) bei. Auf Grund dieser freiwilligen Ausreise unter Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer kein rechtliches Interesse an einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes mehr habe. Der Verfassungsgerichtshof möge daher die Beschwerde für gegenstandslos erklären und das Verfahren einstellen.

7. Auf Vorhalt des Verfassungsgerichtshofes teilte der bestellte Verfahrenshelfer mit Schriftsatz vom 5. Februar 2020 mit, dass eine Kontaktaufnahme mit dem Beschwerdeführer nicht möglich gewesen sei. Dem Verfahrenshelfer sei nicht bekannt, ob sich der Beschwerdeführer noch in Österreich aufhalte oder ein Interesse an der Fortsetzung des Verfahrens habe. Eine aufrechte Meldung in Österreich bestehe nicht. Das Vorbringen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl könne daher weder bestritten noch außer Streit gestellt werden. Die Beschwerde und die darin enthaltenen Anträge würden sohin vollinhaltlich aufrechterhalten werden.

II. Erwägungen

1. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist auch nicht gegenstandslos geworden und das Verfahren ist deshalb auch nicht gemäß §86 VfGG wegen Klaglosstellung einzustellen.

1.1. Wie der Verfassungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, ist die Beschwerdelegitimation nach Art144 Abs1 B-VG dann gegeben, wenn durch die angefochtene Entscheidung irgendein subjektives Recht der beschwerdeführenden Partei verletzt worden sein kann, das heißt, wenn die Anordnungen oder Feststellungen die subjektive Rechtssphäre des Beschwerdeführers berühren, die angefochtene Entscheidung demgemäß subjektive Rechte begründet (verändert) oder feststellt .

Daher setzt die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art144 B-VG ein Interesse des Beschwerdeführers an der Beseitigung der angefochtenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidung voraus. Ein solches Interesse ist nur gegeben, wenn der Beschwerdeführer durch diese Entscheidung beschwert ist. Dabei kommt es nicht auf die subjektive Beurteilung durch den Beschwerdeführer, sondern darauf an, ob bei Anlegen eines objektiven Maßstabes gesagt werden kann, dass die angefochtene Entscheidung die Rechtsposition des Beschwerdeführers zu dessen Nachteil verändert (vgl VfGH 24.11.2017, E2845/2017; 22.9.2016, E2221/2016; 19.2.2015, E1116/2014; weiters vgl VfSlg 12.452/1990, 13.433/1993, 14.413/1996).

Zu prüfen ist im vorliegenden Fall, ob der Beschwerdeführer – wie das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Anschluss an einschlägige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorbringt, die davon ausgeht, dass ein Revisionswerber bei freiwilliger Rückkehr unter Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe sein rechtliches Interesse an einer Revision gegen ein einschlägiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes verliert und das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof daher in sinngemäßer Anwendung des §33 Abs1 VwGG einzustellen ist (siehe zB VwGH 11.6.2019, Ra 2019/18/0044; 26.7.2017, Ra 2017/18/0062; weiters VwGH 29.8.2019, Ra 2017/19/0532; 8.7.2019, Ra 2019/20/0081) – durch seine Ausreise sein Rechtsschutzinteresse nach Art144 B-VG verloren hat:

1.2. Mit dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17. Juni 2019 wurde die Beschwerde gegen einen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, mit dem unter anderem eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt wurde, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zulässig ist, ohne dass eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht, abgewiesen. Diese Entscheidung wurde dem Beschwerdeführer am 21. Juni 2019 zugestellt.

Mangels Anordnung einer Frist für die freiwillige Ausreise gemäß §55 FPG wurde dieses Erkenntnis sofort durchsetzbar (§52 Abs8 FPG). Die Durchsetzbarkeit war auch nicht zum Zeitpunkt der Ausreise des Beschwerdeführers gehemmt, etwa weil einer gegen dieses Erkenntnis erhobenen Revision vor dem Verwaltungsgerichtshof oder Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof aufschiebende Wirkung zuerkannt worden wäre.

1.3. Der Beschwerdeführer kam daher mit seiner Ausreise am 9. Oktober 2019 einer Verpflichtung entsprechend den Anordnungen im angefochtenen Erkenntnis nach (vgl auch den mit BGBl I 145/2017 eingefügten §120 Abs1b FPG, der unter näheren Voraussetzungen die Nichtbefolgung einer Rückkehrentscheidung verwaltungsstrafrechtlich mit erhöhtem Strafrahmen sanktioniert; siehe auch IA 2885 BlgNR 25. GP, 73 f.). Er verliert aber durch diese Ausreise nicht eo ipso sein rechtliches Interesse an einer Bekämpfung einer für rechtswidrig erachteten Entscheidung eines Verwaltungsgerichtes vor dem Verfassungsgerichtshof.

Die gegenteilige Ansicht hätte zur Konsequenz, dass sich der Beschwerdeführer zur Aufrechterhaltung seines rechtlichen Interesses jedenfalls rechtswidrig verhalten und im Bundesgebiet illegal aufhältig hätte bleiben müssen. Angesichts dessen ist durch die Ausreise des Beschwerdeführers zu einem Zeitpunkt, zu dem sein Antrag auf Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof anhängig, aber noch nicht entschieden war, auch nicht eo ipso eine Klaglosstellung im Sinne des §86 VfGG eingetreten (in der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 4. Dezember 2014, E34/2014, bestand im Unterschied zum vorliegenden Fall gegen den Beschwerdeführer zum Ausreisezeitpunkt keine durchsetzbare Ausreiseverpflichtung). Hätte die Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof Erfolg, käme dem Beschwerdeführer wiederum der Status des Asylwerbers und die damit zusammenhängende Rechtsstellung zu; das Interesse des Beschwerdeführers daran geht nicht allein deshalb verloren, weil er einer rechtlichen Verpflichtung zur Ausreise aus dem Bundesgebiet nachkommt. Dass ein Rechtsschutzsuchender seine Interessen auch von außerhalb des Bundesgebietes verfolgt, ist im Allgemeinen wie hier im Besonderen nicht unzulässig.

1.4. Es ist daher anhand der Umstände des Einzelfalles zu prüfen, ob auch bei Ausreise im Gefolge einer durchsetzbaren Rückkehrentscheidung und wie hier unter Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe weiterhin ein Interesse des Beschwerdeführers an der Beseitigung des angefochtenen Erkenntnisses besteht. Sieht man einmal von dem mit dem angefochtenen Erkenntnis ebenfalls bestätigten Einreiseverbot gegen den Beschwerdeführer ab (durch dieses bleibt der Beschwerdeführer auch dann beschwert, wenn er sich freiwillig wieder unter den Schutz seines Herkunftsstaates gestellt hat), so wäre der Beschwerdeführer durch die übrigen Anordnungen des angefochtenen Erkenntnisses, insbesondere die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz, dann nicht mehr (objektiv) beschwert, wenn er sich im Sinne von Art1 Abschnitt C Z1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl 55/1955 idF BGBl 78/1974, (GFK) und Art11 Abs1 Richtlinie 2011/95/EU über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. 2011 L 337, 9, (Status-RL) freiwillig wieder unter den Schutz seines Herkunftsstaates gestellt hat.

Da der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall ausgereist ist, nachdem gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung ergangen ist, seine Ausreise zu einem Zeitpunkt erfolgte, zu dem er mit dem erst nachfolgend bestellten Rechtsvertreter daher vor Ausreise keinen Kontakt aufnehmen konnte, und der Rechtsvertreter ausdrücklich erklärt hat, die Beschwerde aufrecht zu erhalten, ist unter diesen konkreten Umständen weiterhin von einem Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers auszugehen. Dass der Beschwerdeführer Rückkehrhilfe in Anspruch genommen hat und in diesem Rahmen gegebenenfalls wechselseitige Verpflichtungen eingegangen ist, ändert an seiner Ausreiseverpflichtung nichts.

2. Die Beschwerde ist aber nicht begründet:

2.1. Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.

Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl zB VfSlg 16.214/2001), wenn das Verwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).

Das ist hier nicht der Fall:

2.2. Ein Antrag auf internationalen Schutz gilt als Antrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und bei Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten als Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§2 Abs1 Z13 AsylG 2005). Dieser Umstand wirkt sich auch bei der Behandlung von Folgeanträgen in einem Asylverfahren nach dem AsylG 2005 aus, in dem das Bundesverwaltungsgericht verpflichtet ist, Sachverhaltsänderungen sowohl in Bezug auf die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten als auch in Bezug auf die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten einer Prüfung zu unterziehen (vgl VfSlg 19.466/2011 mwN; VfGH 3.10.2019, E4959/2018 ua).

In seiner Beweiswürdigung führt das Bundesverwaltungsgericht auch aus, dass die Situation in Afghanistan nur dann einer näheren Prüfung zu unterziehen wäre, wenn sie sich seit der rechtskräftigen Vorentscheidung maßgeblich geändert hat. Dahingehend kommt das Bundesverwaltungsgericht in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass sich weder aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers noch aus den im Verfahren zugrunde gelegten Feststellungen zum Herkunftsstaat unter Berücksichtigung des verwendeten Quellenmaterials Hinweise auf einen maßgeblich geänderten Sachverhalt ergeben. Die Ausführungen und Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes genügen jedenfalls den Anforderungen des ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz, BGBl 390/1973, an eine willkürfreie Begründung seiner Entscheidung.

Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg 17.340/2004 ausgeführt hat, darf eine aufenthaltsbeendende Maßnahme nicht verfügt werden, wenn dadurch das Recht auf Schutz des Privat- und Familienlebens des Betroffenen verletzt würde. Bei der Beurteilung nach Art8 EMRK ist eine Interessenabwägung vorzunehmen (vgl die in VfSlg 18.223/2007 und 18.224/2007 wiedergegebene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte).

Das Bundesverwaltungsgericht hat sich mit der Frage der Gefährdung der beschwerdeführenden Partei in ihren Rechten auseinandergesetzt. Ihm kann unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht entgegengetreten werden, wenn es auf Grund der Umstände des vorliegenden Falles davon ausgeht, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts von Fremden ohne Aufenthaltstitel das Interesse am Verbleib im Bundesgebiet aus Gründen des Art8 EMRK überwiegt (vgl VfSlg 19.086/2010).

Zur behaupteten Verletzung des Art47 GRC durch die Unterlassung einer mündlichen Verhandlung wird auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg 19.632/2012 verwiesen.

III. Ergebnis

1. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, dass er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

Die Beschwerde ist daher abzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Asylrecht, Rechtsschutz, Rückkehrentscheidung, res iudicata, VfGH / Verfahrenshilfe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2020:E2767.2019

Zuletzt aktualisiert am

25.08.2021
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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