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27/01 RechtsanwälteNorm
B-VG Art140 Abs1 Z1 litaLeitsatz
Vorstellung gegen den nach der RAO von einer Abteilung einer Rechtsanwaltskammer für den Ausschuss gefassten Beschluss ist kein aufsteigendes Rechtsmittel; Zulässigkeit dieses remonstrativen Rechtsmittels gegen die Provisorialentscheidung auch nach der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 gegebenSpruch
I. Soweit sich der Antrag gegen §26 Abs5 Rechtsanwaltsordnung, RGBl. Nr 96/1868, idF BGBl I Nr 190/2013 richtet, wird er abgewiesen.
II. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Antrag
Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 lita B-VG gestützten Antrag begehrt das Verwaltungsgericht Wien, "die nachfolgenden Bestimmungen bzw Wortfolgen als verfassungswidrig aufzuheben:
1) §26 Abs5 Rechtsanwaltsordnung i.d.F. BGBl I Nr 190/2013
2) §26 Abs2 Rechtsanwaltsordnung i.d.F. BGBl I Nr 190/2013
3) die Wortfolge 'und in den Abteilungen' im §26 Abs3 Rechtsanwaltsordnung i.d.F. BGBI. I Nr 190/2013
4) die Wortfolgen 'und die Abteilungen' und 'und der Abteilungen' im §26 Abs4 Rechtsanwaltsordnung i.d.F. BGBl I Nr 190/2013
5) die dreimaligen Wortfolgen 'oder der Abteilung' im §26 Abs4 Rechtsanwaltsordnung i.d.F. BGBl I Nr 190/2013
6) die dreimaligen Wortfolgen 'oder der Abteilung' im §26 Abs6 Rechtsanwaltsordnung i.d.F. BGBl I Nr 190/2013
Eventualiter wird nur die Aufhebung des §26 Abs5 Rechtsanwaltsordnung i.d.F. BGBI. I Nr 190/2013 beantragt."
II. Rechtslage
§§26 und 28 Rechtsanwaltsordnung (RAO), RGBl. 96/1868, idF BGBl I 61/2019 lauten wie folgt (die angefochtenen Bestimmungen bzw Wortfolgen sind hervorgehoben):
"§26.
(1) Der Ausschuß besteht in Rechtsanwaltskammern, in deren Liste der Rechtsanwälte am 31. Dezember des der Wahl des Ausschusses vorangegangenen Kalenderjahrs nicht mehr als 100 Rechtsanwälte eingetragen sind, aus 5 Mitgliedern, mit 101 bis 250 Rechtsanwälten aus 10 Mitgliedern, mit 251 bis 1 000 Rechtsanwälten aus 15 Mitgliedern und mit mehr als 1 000 Rechtsanwälten aus 30 Mitgliedern. Der Präsident und die Präsidenten-Stellvertreter sind Mitglieder des Ausschusses.
(1a) Zusätzlich besteht der Ausschuss aus einem oder mehreren Mitgliedern aus dem Kreis der Rechtsanwaltsanwärter, wobei in Rechtsanwaltskammern, in deren Liste der Rechtsanwaltsanwärter am 31. Dezember des der Wahl des Ausschusses vorangegangenen Kalenderjahrs
1. nicht mehr als 100 Rechtsanwaltsanwärter eingetragen sind, ein Rechtsanwaltsanwärter,
2. zwischen 101 bis 1 000 Rechtsanwaltsanwärter eingetragen sind, zwei Rechtsanwaltsanwärter, und
3. mehr als 1 000 Rechtsanwaltsanwärter eingetragen sind, drei Rechtsanwaltsanwärter in den Ausschuss zu wählen sind.
(2) Besteht der Ausschuss aus mindestens zehn Mitgliedern, so sind die in §28 Abs1 litb, d, f, g, h, i und m aufgezählten Aufgaben, ferner die Aufsicht über Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, die Beschlussfassung nach §16 Abs5 sowie die Zuerkennung von Leistungen aus der Versorgungseinrichtung für den Ausschuss durch eine seiner Abteilungen zu erledigen, soweit dies ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens möglich ist. Die Abteilungen setzen sich aus zumindest drei Mitgliedern des Ausschusses zusammen; ferner sind jeweils zumindest zwei Mitglieder des Ausschusses als Ersatzmitglieder vorzusehen. Der Ausschuss hat die Abteilungen zusammenzusetzen und die Geschäfte unter die Abteilungen zu verteilen.
(3) Im Ausschuss und in den Abteilungen führen der Präsident, ein Präsidenten-Stellvertreter oder das an Lebensjahren älteste Mitglied den Vorsitz; sind diese verhindert, kann die Vorsitzführung auch an ein vom Ausschuss gewähltes Mitglied des Ausschusses übertragen werden.
(4) Der Ausschuss und die Abteilungen entscheiden mit einfacher Mehrheit. Der Vorsitzende hat nur bei Stimmengleichheit ein Stimmrecht. Zur Beschlussfassung des Ausschusses und der Abteilungen ist jeweils die Anwesenheit von mindestens der Hälfte ihrer Mitglieder erforderlich. Für alle Entscheidungen im Zusammenhang mit den dem Ausschuss nach §28 Abs1 lita zukommenden Aufgaben mit Ausnahme der Entscheidung über die Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte oder deren Verweigerung sowie die Verweigerung der Eintragung oder die Streichung einer Gesellschaft, zur Ausstellung von Beglaubigungsurkunden für Kanzleibeamte (§28 Abs1 litb), zur Einbringung der Jahresbeiträge (§28 Abs1 litd), sowie, wenn eine sofortige Beschlussfassung erforderlich ist, zur Bestellung von Rechtsanwälten nach §28 Abs1 lith und nach den §§45 oder 45a ist das vom Ausschuss oder der Abteilung dazu bestimmte Mitglied namens des Ausschusses oder der Abteilung berufen. Wird nach der Geschäftsordnung der Kammer bei der Bestellung von Rechtsanwälten nach den §§45 oder 45a das in alphabetischer Reihenfolge nächste Kammermitglied aus dem Kreis der Rechtsanwälte herangezogen, so kann der betreffende Beschluss ohne gesonderte Beschlussfassung von der Kammerkanzlei im Namen des Ausschusses oder der Abteilung ausgefertigt werden.
(5) Gegen den von einer Abteilung für den Ausschuss gefassten Beschluss kann binnen 14 Tagen nach Zustellung des Beschlusses Vorstellung an den Ausschuss erhoben werden.
(6) In dringenden Fällen können Beschlüsse des Ausschusses oder der Abteilung auch schriftlich, mittels Telefax oder auf elektronischem Weg unter Verwendung der elektronischen Anwaltssignatur gefasst werden, ohne dass der Ausschuss oder die Abteilung zu einer Sitzung zusammentritt (Umlaufverfahren), wenn alle stimmberechtigten Mitglieder des Ausschusses oder der Abteilung der Beschlussfassung in dieser Form vorab zugestimmt haben.
§28.
(1) Zu dem Wirkungskreise des Ausschusses gehören:
a) die Führung der Rechtsanwaltsliste (§§1 und 5 ff), insbesondere die Entscheidung über die Eintragung in dieselbe, sowie über die Resignation eines Mitgliedes, die Ausstellung der Ausweiskarte für die elektronische Anwaltssignatur (amtliche Lichtbildausweise), die Überwachung der Rückstellungspflichten in Ansehung der Ausweiskarte und die Führung der Liste der Rechtsanwalts-Gesellschaften, insbesondere die Entscheidung über die Verweigerung der Eintragung oder die Streichung einer Gesellschaft;
b) die Führung der Liste der Rechtsanwaltsanwärter, die Bestätigung der Rechtsanwaltspraxis sowie die Ausfertigung der Legitimationsurkunden (§15 Abs4) und der Beglaubigungsurkunden für Kanzleibeamte (§31 Abs3 ZPO);
c) die Ausführung der Beschlüsse der Rechtsanwaltskammer;
d) die Besorgung der ökonomischen Geschäfte der Rechtsanwaltskammer und Einbringung der Jahresbeiträge;
e) der Verkehr mit den Behörden und den außerhalb der Kammer stehenden Personen;
f) die Erstattung von Gutachten über die Angemessenheit des Honorars und Vergütung für Dienstleistungen des Rechtsanwalts, sowie die angesuchte gütliche Beilegung des Streites über selbe (§. 19);
g) die Vermittlung bei Meinungsverschiedenheiten im Rahmen der Berufsausübung zwischen Mitgliedern der Kammer;
h) die Bestellung und Enthebung der mittlerweiligen Substituten und Kammerkommissäre, die Ausstellung von Amtsbestätigungen nach §34a Abs3 und die Festsetzung von Pauschalbeiträgen nach §34b Abs3;
i) die Bestellung eines Rechtsanwalts nach den §§45 oder 45a und die Entscheidung über Ansprüche nach §16 Abs4;
k) die Einberufung der ordentlichen und außerordentlicher Plenarversammlungen der Rechtsanwaltskammer;
l) bezogen auf das Bundesland, für das die Rechtsanwaltskammer errichtet wurde, die Erstattung von Gesetzvorschlägen und Gutachten über Gesetzentwürfe, von Berichten über den Zustand der Rechtspflege sowie von Mitteilungen über Mängel und Wünsche, die mit der Rechtspflege zusammenhängen; bezogen auf andere Bundesländer bzw das ganze Bundesgebiet die Erstattung derartiger Äußerungen an den Österreichischen Rechtsanwaltskammertag;
m) die Durchführung, gegebenenfalls die Anerkennung von für Rechtsanwaltsanwärter verbindlichen Ausbildungsveranstaltungen gemäß den vom Österreichischen Rechtsanwaltskammertag erlassenen Richtlinien; bei im Ausland absolvierten Ausbildungsveranstaltungen ist der Ausschuss jener Rechtsanwaltskammer für die Entscheidung über die Anerkennung zuständig, in deren Liste der antragstellende Rechtsanwaltsanwärter eingetragen ist;
n) die Festsetzung einer angemessenen Vergütung für die Erstattung von Gutachten über die Angemessenheit des Honorars insbesondere in Gerichtsverfahren;
o) die Führung einer Liste von zur Übernahme von Vorsorgevollmachten und gerichtlichen Erwachsenenvertretungen besonders geeigneten Rechtsanwälten.
(2) Dem Ausschuß obliegen außerdem alle Aufgaben, die nicht durch Gesetz einem anderen Organ zugewiesen sind.
(3) Eine außerordentliche Plenarversammlung ist einzuberufen, wenn es der Ausschuß beschließt oder wenn es ein Zehntel der Kammermitglieder verlangt.
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Gegenstand des vor dem Verwaltungsgericht Wien anhängigen Beschwerdeverfahrens ist eine Beschwerde gegen den Bescheid des Ausschusses (Plenum) der Wiener Rechtsanwaltskammer. Der Ausschuss war durch eine im Verfahren erhobene Vorstellung gemäß §26 Abs5 RAO gegen den Bescheid des "Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien (Abteilung III)" vom 9. Oktober 2018, zur Durchführung eines eigenständigen Rechtsmittelverfahrens und zur Erlassung des Rechtsmittelbescheids zuständig geworden.
2. Das Verwaltungsgericht Wien legt die Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, im Wesentlichen wie folgt dar:
"Nach der bis zum 31.12.2013 geltenden Rechtslage war daher der gegenständliche, durch die Bestimmung des §26 Abs5 RAO geschaffene innerverbandliche Instanzenzug an ein anderes Organ der Rechtsanwaltskammer verfassungsgesetzlich zulässig.
Durch die Bundesverfassungsnovelle BGBI. I Nr 51/2012, durch welche die Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz eingeführt worden ist, kann diese Rechtsauslegung im Hinblick auf nicht-territoriale Selbstverwaltungskörper aber nicht mehr aufrecht erhalten werden.
Durch diese Novelle wurde nämlich ausdrücklich festgelegt, dass ein Instanzenzug innerhalb eines Selbstverwaltungskörper in Hinkunft nur mehr im Hinblick auf Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs des territorialen Selbstverwaltungskörpers 'Gebietsgemeinde' zulässig sein soll, im Übrigen aber alle aufgrund eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens ergangenen Bescheide nur mehr durch eine Beschwerde an ein Verwaltungsgericht bekämpfbar sein sollen:
Nach dem Verständnis des Verfassungsgesetzgebers wurde dieses Verständnis implizit dadurch in der Bundesverfassung zum Ausdruck gebracht, als im Art129 B-VG, vom Sonderfall der Bestimmungen des Art118 Abs4 B-VG und des Art94 Abs2 B-VG, ausschließlich das Rechtsmittel der 'Beschwerde' an ein Verwaltungsgericht zur Bekämpfung eines Bescheids einer Behörde vorgesehen ist. Verdeutlicht wird dieses Verständnis zudem durch die Bestimmung des Art118 Abs4 B-VG, in welcher ausdrücklich (lediglich) für die Vollziehung durch Gemeinden im eigenen Wirkungsbereich die Einrichtung bzw Beibehaltung eines zweistufigen behördlichen Instanzenzugs für zulässig erklärt wurde, und damit im Umkehrschluss für alle übrigen Vollzugsbereiche jedenfalls ein zwischenbehördlicher Instanzenzug unterbunden wird.
[…]
Soweit ersichtlich, hat der Verfassungsgesetzgeber nur zwei Ausnahmen von dieser generellen Unterbindung zwischenbehördlicher Rechtsmittel vorgenommen, nämlich 1) die Erklärung der Zulässigkeit der Einrichtung bzw Aufrechterhaltung eines innergemeindlichen Instanzenzugs durch die Normierung dieser Ausnahme im Art118 Abs4 B-VG und 2) die Normierung eines zwischenbehördlichen Instanzenzugs i.S.d. §63 AVG (arg: 'Berufung') von einer Vertretungsbehörde an die zuständige Landesregierung durch die Verfassungsbestimmung des §41 Abs2 Staatsbürgerschaftsgesetz.
Es liegt daher nahe, den durch die Artt. 129ff B-VG verordneten Ausschluss behördlicher Instanzenzüge auszulegen wie folgt:
Jedenfalls sind von diesem Ausschluss alle zwischenbehördlichen Instanzenzüge ausgeschlossen. Ob auch alle innerbehördlichen Instanzenzüge ausgeschlossen sind bzw in welchem Umfang solche ausgeschlossen sind, ist keinesfalls für den gegenständlichen Gesetzesprüfungsantrag von Relevanz, sodass darauf nicht näher einzugehen ist.
Unter einem (seit dem 1.1.2014 jedenfalls ausgeschlossenen) zwischenbehördlichen Rechtsmittel ist jedes Rechtsmittel einzustufen, welches dieselben Wirkungen zeitigt wie eine 'Berufung' i.S.d. §63 AVG i.V.m. Art118 Abs4 B-VG. Dieser Schluss ist bereits zwingend durch die Ausnahmebestimmung des §118 Abs4 B-VG und die Klarstellung in der Regierungsvorlage, dass abgesehen von diesem Sonderfall ein als Berufung wertbares Rechtsmittel künftig unzulässig ist, geboten.
Zur Frage, ob bzw in welchem Umfang auch andere Rechtsmittel bzw Rechtsbehelfe künftig durch die Artt. 129ff B-VG untersagt werden, erscheint es geboten darauf hinzuweisen, dass der Bundesverfassungsgesetzgeber in der Regierungsvorlage wohl nicht ohne Grund lediglich die Befugnis zur Einräumung der Möglichkeit zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung als Einschränkung des obangeführten generellen Verbots angeführt hat, woraus zumindest denkbar gefolgert werden kann, dass abgesehen von der Beschwerdevorentscheidung auch alle innerbehördlichen Instanzenzüge durch die Art129ff B-VG ausgeschlossen wurden:
Wenn man davon ausgeht, dass – abgesehen von dieser Ausführung der Regierungsvorlage zur Beschwerdevorentscheidung (und den ohnedies unstrittigen Sonderrechtsmitteln der Wiederaufnahme und der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand) – dem im Art118 Abs4 B-VG angesprochenen Rechtsmittel der Berufung (§63 AVG) und der bei der Abfassung der Regierungsvorlage stillschweigend vorausgesetzten Rechtsmitteleröffnungsmöglichkeit i.S.d. Art94 Abs2 B-VG keine weitere Einschränkung des gegenständlichen Verbots der Einrichtung eines weiteren Instanzenzugs in der gegenständlichen Bundesverfassungsnovelle zur Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz angeführt wurde, ist nach Auslegung des Verwaltungsgerichts Wien zu folgern, dass bei Beachtung des Grundsatzes, dass Ausnahmetatbestände eng auszulegen sind, seit dem 1.1.2014 (abgesehen vom im Art118 Abs4 B-VG angesprochenen Berufungsverfahren und einem Rechtsmittel i.S.d. Art94 Abs2 B-VG) nur mehr Rechtsmittel gegen einen Bescheid zulässig sind, welche dem Rechtsmittel der Beschwerdevorentscheidung vergleichbar sind.
[…]
Wenn man dieser Ableitung folgt, ist zu folgern, dass die gegenständliche durch §26 Abs5 RAO erfolgte Einrichtung eines innerbehördlichen Instanzenzugs offenkundig mit der Vorgabe der Artt. 129 ff B-VG nicht zu vereinbaren ist; wird doch durch diese Regelung ein Rechtsmittel geschaffen, welches in seinem Wesen dem Rechtsmittel der Berufung i.S.d. §63 AVG gleichzuhalten ist, und sohin nicht im Entferntesten mit einer Beschwerdevorentscheidung vergleichbar ist:
Als zentrale Unterschiede zur Beschwerdevorentscheidung seien angeführt:
- Während es bei der Beschwerdevorentscheidung zu keinem Übergang der Entscheidungszuständigkeit auf eine andere Behörde als die Behörde, welche den bekämpften Bescheid erlassen hat, führt, bewirkt die Vorstellung i.S.d. §26 Abs5 RAO die Zuständigkeit einer ganz anderen Behörde (daher eines gemäß §26 RAO grundlegend von der erstinstanzlichen Behörde unterschiedenen und insbesondere auch zwingend anders zusammengesetzten Kollegialorgans 'Plenum'.
- Während im Falle eines Vorlageantrags i.S.d. §15 VwGVG der Gegenstand des Beschwerdeverfahrens weiterhin der erstinstanzlich bekämpfte Bescheid und das dagegen erhobene Rechtsmittel (Beschwerde) ist, stellt eine Vorstellung nicht einmal eine Beschwerde dar. Gegenstand eines allfälligen Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist ausschließlich das gegen den Bescheid des Ausschusses (Plenum) erhobene Rechtsmittel namens Beschwerde.
- Während die Behörde nur während eines sehr kurzen Zeitraums die der bekämpften Entscheidung nachfolgende Entscheidung 'Beschwerdevorentscheidung' fällen darf, steht dem Ausschuss (Plenum) für seine Entscheidung die Sechsmonatsfrist des §8 Abs1 VwGVG i.V.m. §73 Abs1 AVG offen, was (im Gegensatz zur Regelung des §14 VwGVG) regelmäßig eine eminente Verfahrensverzögerung zur Folge hat.
- Der Ausschuss (Plenum) ist befugt, das Verfahren gemäß §38 AVG auszusetzen; wozu die erstinstanzliche Behörde im Beschwerdevorentscheidungsverfahren nicht befugt ist.
Demgegenüber gleicht das Wesen einer 'Vorstellung' i.S.d. §26 Abs5 RAO bis ins Detail dem Wesen des Rechtsmittels 'Berufung' i.S.d. §63 AVG:
Eigentlich sollte es schon genügen, wenn im gegenständlichen Gesetzesprüfungsantrag nur auf das obangeführte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 29.6.1976, Zln. G39/75; V34/75; V41/75 (VfSlg 7837/1976) verwiesen wird, in welchem der Verfassungsgerichtshof genau dieses im Hinblick auf das Rechtsmittel der Vorstellung i.S.d. §26 RAO festgestellt hat.
Dennoch werden die wesentlichsten Übereinstimmungen zwischen dem Rechtsmittel der Vorstellung i.S.d. §26 Abs5 RAO und der Berufung i.S.d. §63 AVG dargelegt:
- Bei beiden Rechtsmitteln wird eine andere Behörde mit der Erlassung der Rechtsmittelentscheidung (noch dazu im eigenen Namen) betraut.
- Bei beiden Rechtsmittel steht der Rechtsmittelinstanz eine sechsmonatige Entscheidungsfrist gemäß §73 Abs1 AVG offen.
- Beiden Rechtsmittelinstanzen kommt eine meritorische volle Entscheidungsbefugnis (faktisch ident mit der Entscheidungsbefugnis eines Verwaltungsgerichts) zu.
- Erst die Entscheidung jeder der beiden Rechtsmittelinstanzen befugt zur Anrufung eines Verwaltungsgerichts; sodass der Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ausschließlich der Gegenstand der Entscheidung der Rechtsmittelinstanz ist.
- Jede der Rechtsmittelinstanzen ist befugt, das Verfahren gemäß §38 AVG auszusetzen (das darf die erstinstanzliche Behörde im Beschwerdevorentscheidungsverfahren nicht).
- In beiden Fällen tritt die erstinstanzliche Entscheidung mit der Einbringung des jeweiligen Rechtsmittels nicht aus dem Rechtsbestand.
- Die Rechtsmittelfrist beträgt in beiden Verfahren jeweils zwei Wochen.
- In beiden Verfahren hat die Rechtsmittelinstanz ein umfassendes Ermittlungsverfahren durchzuführen.
Der einzige wesentliche Unterschied zwischen dem Rechtsmittel der Berufung i.S.d. §63 AVG und der Vorstellung i.S.d. §26 Abs5 RAO ist der, dass das Verfahren vor dem Ausschuss (Plenum) in keinerlei Weise verfahrensgesetzlich geregelt ist, finden doch die Bestimmungen des IV. Teils des AVG offenkundig auf das Verfahren gemäß §26 Abs5 RAO keinerlei Anwendung. Insbesondere in Anbetracht des Umstands, dass nach dem seit dem 1.1.2014 geltenden Konzept des EGVG nunmehr bei allen Behördenverfahren eines der im EGVG angeführten Verwaltungsverfahrensgesetze diese Verwaltungsgesetze zur Anwendung zu gelangen haben, wird deutlich, dass das Vorstellungsverfahren i.S.d. §26 Abs5 RAO (nunmehr) mit dem Organisations- und Rechtsmittelkonzept der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar (geworden) ist.
Damit erscheint es aber wohlbegründet anzunehmen, dass das gegenständliche Vorstellungsverfahren i.S.d. §26 Abs5 RAO mit dem durch die Artt. 129ff B-VG verfolgten Rechtsschutzkonzept unvereinbar und daher verfassungswidrig ist.
Gegen diesen Schluss spricht auch nicht der Umstand, dass die Ausführungen der Regierungsvorlage RV 2357 BIgNR 24. GP, 13 vorbringen, dass das Rechtsinstitut der Vorstellung i.S.d. §26 Abs5 RAO mit den Vorgaben der Art129 ff B-VG vereinbar ist.
Die Darlegungen in dieser Regierungsvorlage sind nämlich erstens absolut unbeachtlich und zudem auch offenkundig falsch.
Absolut unbeachtlich sind diese Ausführungen deshalb, da die Novelle der Rechtsanwaltsordnung BGBI. I Nr 190/2013 nicht einmal in geringster Weise eine inhaltliche Änderung und damit Novellierung der Bestimmung des §26 Abs5 RAO vorgenommen hat. Durch diese Novelle wurde vielmehr nur eine Anpassung der schon veraltet wirkenden Formulierung an die aktuelle Sprachgewohnheit und eine Anpassung an die neue Rechtschreibung vorgenommen. Wenn überhaupt, dann ist diese Novelle mit einer Druckfehlerberichtigung vergleichbar.
Damit wurde aber durch diese Novelle nicht einmal ansatzweise zum Ausdruck gebracht, dass durch diese eine inhaltliche Änderung der Rechtsordnung erfolgen sollte. Da nun aber die Gesetzesmaterialien (ausschließlich) der Auslegung der durch ein Gesetz bzw eine Novelle normierten Neuerung dient, besteht auch kein Anlass zur Heranziehung der gegenständlichen Regierungsvorlage zur Auslegung des Bedeutungsgehalts des §26 Abs5 RAO. Klarstellend sei ausgeführt, dass nur durch eine authentische Gesetzesinterpretation im Gesetzesrang eine Klarstellung eines bestehenden Gesetzesinhalts erfolgen kann; dagegen werden durch Erläuternde Bemerkungen keinesfalls bereits bestehende gesetzliche Regelungen einer (verbindlichen) Auslegung unterzogen.
Dazu kommt, dass durch die gegenständlichen Ausführungen in der Regierungsvorlage mit völlig unzutreffenden Argumenten der Instanzenzugsregelung des §26 Abs5 RAO ein Bedeutungsgehalt unterstellt wird, welcher im diametralen Widerspruch zur höchstgerichtlichen Judikatur zum §26 Abs5 RAO steht. Es ist sohin auch aus diesem Grunde nicht einsichtig, warum diesen Ausführungen in der Regierungsvorlage ein Vorrang vor dem ohnedies klaren Wortsinn der Bestimmung des §26 Abs5 RAO gegeben werden sollte.
Zudem sind aber die in der Regierungsvorlage angeführten Argumente noch dazu alle falsch:
Das beginnt schon damit, dass §26 RAO ausdrücklich zwischen zwei unterschiedlichen, noch dazu ausdrücklich durch Gesetz geregelten Kollegialorganen, nämlich der 'Abteilung' des Ausschusses und dem 'Plenum' des Ausschusses, differenziert, wobei sogar die Zusammensetzung dieser Kollegialorgane schon von Gesetzes wegen zwingend divergiert. Es ist daher völlig unzutreffend anzunehmen, dass es sich bei dem Organ 'Abteilung' des Ausschusses und dem Organ 'Plenum' des Ausschusses um ein und dasselbe Vollzugsorgan handelt, und daher die 'Vorstellung' i.S.d. §26 Abs5 RAO kein aufsteigendes Rechtsmittel ist. Für die Wertung als aufsteigendes Rechtsmittel spricht zudem auch, dass das Vollzugsorgan 'Abteilung' des Ausschusses ein Unterorgan des Vollzugsorgans 'Plenum' des Ausschusses ist.
Zudem unterstellt die Regierungsvorlage wider jeglichem Anhaltspunkt im Gesetz, dass eine Rechtsmittelinstanz, welche kein Ermittlungsverfahren durchführt, nicht ebenso eine Rechtsmittelinstanz ist. Wie die Regierungsvorlage auf die Idee kommt, dass der Ausschuss (Plenum) nicht gehalten ist, weitere Beweismittel einzuholen bzw angebotene Beweismittel zu würdigen, bleibt unerfindlich; doch stellt auch die Regierungsvorlage diesen Zustand der Nichtermittlungstätigkeit nicht als ein zwingendes Charakteristikum des Vorstellungsverfahrens dar.
Außerdem setzt sich die Regierungsvorlage nicht einmal ansatzweise mit den Vorgaben der Artt. 129 ff B-VG auseinander.
Die Ausführungen der Regierungsvorlage vermögen daher nicht das zuvor vertretene Auslegungsergebnis zu erschüttern.
VI) Bedenken in Hinblick auf Art136 Abs4 B-VG:
Die Bestimmung des §26 Abs5 RAO stellt eine verfahrensrechtliche Norm dar, durch welche die grundsätzliche Vorgabe des Art129 B-VG, wonach — unbeschadet der Bestimmung des Art118 Abs4 B-VG und des Art94 Abs2 B-VG – gegen Bescheide ausschließlich mit Beschwerde an das zuständige Verwaltungsgericht ein Rechtsmittel eingelegt werden kann, ausgehebelt wird.
Insofern stellt aber die Regelung des §26 Abs5 RAO eine verfahrensrechtliche Norm i.S.d. Art136 Abs4 B-VG, verneinendenfalls aber eine verfahrensrechtliche Norm i.S.d. [Art.] 11 Abs2 B-VG dar.
Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofs ist die Erlassung einer solchen Norm nur zulässig, wenn dies für die Vollziehung der durch diese Regelung tangierten Rechtsmaterie 'unerlässlich' ist. Solch eine Erforderlichkeit ist nun aber nicht einmal ansatzweise erkennbar.
Folglich verstößt die Bestimmung des §26 Abs5 RAO nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Wien auch gegen die Vorgabe des [Art.] 136 Abs4 B-VG bzw des [Art.] 11 Abs2 B-VG.
Es ist daher nach Ansicht des antragstellenden Gerichts von der Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Bestimmungen bzw Wortfolgen auszugehen.
[Zum Anfechtungsumfang:]
Nach der verwaltungsgerichtlichen Judikatur ist ein Gesetzesprüfungsantrag grundsätzlich dann zu eng bzw zu weit gefasst, wenn durch den Wegfall der bekämpften Gesetzesstellen das Gesetz derart inhaltlich abgeändert würde, dass anzunehmen ist, dass dieser Regelungsinhalt der Regelungsintention des Gesetzgebers widerspricht.
Im gegenständlichen Gesetzesprüfungsverfahren stellt sich die Frage, was die Regelungsintention des Gesetzgebers anlässlich der Schaffung des weiteren Organs 'Abteilung eines Ausschusses' im §26 Abs2 RAO gewesen ist. Aus den Materialien ist das nicht zu erkennen.
Für den Fall, dass der Verfassungsgerichtshof die Ansicht vertreten sollte, dass der Gesetzgeber mit der Schaffung des weiteren Organs 'Abteilung eines Ausschusses' im §26 Abs2 RAO keinesfalls die Entscheidungskompetenzen des Organs 'Ausschuss (Plenum)' beschränken wollte, würde durch die Nichtaufhebung der Bestimmungen, welche das Organ 'Abteilung eines Ausschusses' einrichten und näher regeln, ein dem Gesetzgeberwillen diametral entgegenstehender Gesetzesinhalt geschaffen werden. In diesem Falle wäre daher der Anfechtungsumfang, welcher sich auf die bloße Aufhebung des §26 Abs5 RAO beschränkt, als zu eng gefasst einzustufen. Für diesen Fall wird daher auch die Aufhebung des §26 Abs2 RAO und der weiteren Wortfolgen im §26 RAO beantragt.
Gegen diese Ableitung könnte nun aber die Ausführung in den Materialien angeführt werden, dass durch die Schaffung des Organs 'Abteilung eines Ausschusses' im §26 Abs2 RAO das Ziel verfolgt wurde, die Materienvollziehung leichter vollziehbar zu machen. Wenn der Verfassungsgerichtshof dieser Ansicht den Vorzug gibt, wäre wiederum die Anfechtung des §26 Abs2 RAO und der weiteren Wortfolgen im §26 RAO überschießend.
Das Verwaltungsgericht Wien folgert aus dem Umstand, dass durch §26 Abs5 RAO ohnedies stets die Agendenbehandlung im Organ 'Ausschuss (Plenum)' ermöglicht wird, dass die besseren Gründe dafür sprechen, dass der Gesetzgeber dem Organ 'Ausschuss (Plenum)' keinesfalls die Vollzugszuständigkeit in den Agenden i.S.d. §26 Abs2 RAO entziehen wollte. Daher wird im Primärantrag die Aufhebung des §26 Abs2 RAO und der weiteren Wortfolgen im §26 Abs3 RAO beantragt.
Der Eventualantrag folgt dagegen der gegenteiligen Auslegung."
3. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie den im Antrag erhobenen Bedenken wie folgt entgegentritt:
"II. Zum Anlassverfahren und zur Zulässigkeit:
[…]
3. Nach Auffassung der Bundesregierung ist der Sitz der vom antragstellenden Gericht behaupteten Verfassungswidrigkeit welche im Verstoß des in §26 Abs5 RAO geregelten Rechtsmittels der Vorstellung gegen das den Art132 Abs1 Z1 iVm Art130 Abs1 Z1 B VG zugrundliegende 'neue' Rechtsschutzsystem gesehen wird ausschließlich in der Bestimmung des §26 Abs5 RAO und nicht in den übrigen im Hauptantrag angefochtenen Bestimmungen bzw Wortfolgen gelegen, weshalb sich dieser als teilweise unzulässig erweist. Dies zumal sich das Vorbringen des antragstellenden Gerichts nicht gegen die Einrichtung von Abteilungen an sich richtet, sondern sich ausschließlich auf die Erhebung des Rechtsmittels der Vorstellung gegen Entscheidungen der Abteilungen bezieht.
Bezüglich der ebenfalls (im Hauptantrag) beantragten Aufhebung der dreimaligen Wortfolge 'oder der Abteilung' in §26 Abs6 RAO ist darüber hinaus darauf hinzuweisen, dass die genannte Wortfolge nur zweimal im Normtext des §26 Abs6 RAO enthalten ist; ein drittes Mal wird die Abteilung in der Wortfolge 'oder die Abteilung' erwähnt.
III. In der Sache:
[…]
3. Mit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 wurde in der Frage des administrativen Instanzenzuges ein grundsätzlicher Systemwechsel vollzogen und dieser im Wesentlichen mit einer einzigen Ausnahme (Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde) abgeschafft (vgl ErlRV 1618 BlgNR 24. GP).
Mit dem durch die Novelle eingeführten 'neuen' Rechtsschutzsystem unvereinbar sind sohin aufsteigende (devolutive) Rechtsmittel, daher solche, über die die in der Behördenhierarchie übergeordnete Verwaltungsbehörde entscheidet (vgl Faber, Administrative Rechtsmittel und Rechtsbehelfe unterhalb der Verwaltungsgerichtsbarkeit, in Holoubek/Lang [Hrsg], Die Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz [2013] 299 [304 f]). Weiterhin zulässig sind hingegen neben der Beschwerdevorentscheidung durch die bescheiderlassende Behörde (vgl dazu auch VfSlg 19.905/2014) remonstrative Rechtsmittel, durch die eine in einem Provisorialverfahren ergangene Entscheidung außer Kraft tritt und das ordentliche Ermittlungsverfahren eingeleitet wird, wie etwa die in §57 AVG geregelte Vorstellung gegen Mandatsbescheide (vgl dazu die ausdrückliche Feststellung zu Art131 Abs1 B VG im Bericht des Verfassungsausschusses zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, AB 1771 BlgNR 24. GP 8, sowie VwSlg 19226 A/2015; Faber, Administrative Rechtsmittel und Rechtsbehelfe, in Holoubek/Lang 305.).
4. Nach Auffassung der Bundesregierung wird die in §26 Abs5 geregelte Vorstellung diesen an ein zulässiges Rechtsmittel gestellten Voraussetzungen gerecht:
4.1. Entgegen der Ansicht des antragstellenden Gerichts handelt es sich bei der Abteilung des Ausschusses einerseits und dem Plenum des Ausschusses andererseits um dasselbe Organ der Selbstverwaltung und nicht um zwei voneinander zu unterscheidende eigenständige Behörden (vgl VwGH 27.1.2016, Ro 2015/03/0044; ErlRV 2357 BlgNR 24. GP 13). Dies ergibt sich bereits aus dem Sinn und Zweck der Einrichtung von Abteilungen, nämlich die Arbeit in größeren Ausschüssen (ab zehn Mitgliedern) rascher und effizienter zu gestalten, in dem man ausgewählte Aufgaben, soweit diese ohne Ermittlungsverfahren erledigt werden können, auf wesentlich kleinere Einheiten überträgt, womit eine Vereinfachung und Beschleunigung der Beschlussfassung verbunden ist (vgl ErlRV 322 BlgNR 14. GP 2). Dies gewährleistet nicht nur eine verwaltungseffiziente Erledigung häufig vorkommender, inhaltlich oft gleichartiger Angelegenheiten, sondern sichert auch wie im Fall der Aufgabe nach §28 Abs1 liti RAO (Bestellung der Rechtsanwälte zur Verfahrenshilfe) rasche Entscheidungen im Dienste der Rechtspflege. Wird in einer Angelegenheit, deren Besorgung in den gesetzlichen Aufgabenbereich der Abteilung fällt, die Durchführung eines Ermittlungsverfahrens erforderlich, hat stets der Ausschuss selbst diese Angelegenheit zu erledigen. Der Ausschuss und seine jeweiligen Abteilungen sind auch personell eng miteinander verschränkt: Gemäß §26 Abs2 RAO setzen sich die Abteilungen (ausschließlich) aus Mitgliedern des Ausschusses zusammen; der Ausschuss verteilt die ihm gesetzmäßig übertragenen Geschäfte auf die einzelnen Abteilungen. Dass es sich bei den Abteilungen um keine eigenständigen Organe handelt und diese ihre Entscheidungen für den Ausschuss treffen, wurde mit dem Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz Justiz auch entsprechend gesetzlich klargestellt.
Nach Ansicht der Bundesregierung handelt es sich bei der Vorstellung gemäß §26 Abs5 RAO sohin um kein aufsteigendes Rechtsmittel.
4.2. Ebenfalls entgegen der Meinung des antragstellenden Gerichts, welches offenbar davon ausgeht, dass der Ausschuss (und nicht dessen Abteilungen) kein Ermittlungsverfahren durchzuführen hat, treffen die einzelnen Abteilungen kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung (§26 Abs2 RAO) ihre Entscheidungen vergleichbar dem Mandatsverfahren gemäß §57 Abs1 AVG ohne vorherige Durchführung eines Ermittlungsverfahrens oft (auch) in vereinfachter und schematisierter Form. Wird sodann Vorstellung gemäß §26 Abs5 RAO erhoben, hat der Ausschuss ein ordentliches Ermittlungsverfahren einzuleiten, den Bescheid der Abteilung in jede Richtung auf seine Rechtsmäßigkeit und Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen und einen neuen Bescheid zu erlassen, in dem er auszusprechen hat, ob die Entscheidung der Abteilung des Ausschusses aufrecht bleibt oder ob sie behoben oder abgeändert wird (vgl VwGH 27.1.2016, Ro 2015/03/0044; Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO10 §26 Rz 10).
4.3. Zusammengefasst handelt es sich bei der in §26 Abs5 RAO geregelten Vorstellung sohin nach Auffassung der Bundesregierung um ein der Vorstellung im Mandatsverfahren gemäß §57 Abs2 AVG dem Wesen nach vergleichbares und deren Muster folgendes remonstratives Rechtsmittel, welches dazu dient, eine ohne Durchführung eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens getroffene Entscheidung auf Grundlage des unter Wahrung des Parteiengehörs ermittelten Sachverhalts bescheidmäßig neu entscheiden zu können. Ein derartiges Rechtsmittel ist wie bereits ausgeführt mit dem in den Art132 Abs1 Z1 iVm Art130 Abs1 Z1 B VG verankerten 'neuen' Rechtsschutzsystem vereinbar.
5. Die seitens des antragstellenden Gerichts vorgebrachten Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit des §26 Abs5 RAO mit Art136 Abs4 B VG betreffend, sind für die Bundesregierung nicht nachvollziehbar. Gemäß Art136 Abs4 B VG werden die Organisation und das Verfahren des Verwaltungsgerichtshofes durch ein besonderes Bundesgesetz das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 geregelt. In welchem Zusammenhang §26 Abs5 RAO mit dieser Bestimmung steht, ist nicht ersichtlich.
Sollten sich die Bedenken des antragstellenden Gerichts auf die Vereinbarkeit von §26 Abs5 RAO mit Art136 Abs2 B VG beziehen, ist darauf zu verweisen, dass Art136 Abs2 B VG unter bestimmten Voraussetzungen Abweichungen vom grundsätzlich im Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz geregelten verwaltungsgerichtlichen Verfahren durch Bundes bzw Landesgesetze zulässt, die in §26 Abs5 RAO geregelte Vorstellung aber keine das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten regelnde Norm darstellt.
6. Das antragstellende Verwaltungsgericht nimmt an, dass es sich bei der angefochtenen Bestimmung des §26 Abs5 RAO um eine Abweichung von den Verwaltungsverfahrensgesetzen gemäß Art11 Abs2 B VG handle, deren Erforderlichkeit 'nicht einmal ansatzweise erkennbar' sei.
Nach Ansicht der Bundesregierung kann es dahinstehen, ob es sich bei der angefochtenen Bestimmung um eine solche betreffend das Verwaltungsverfahren iSv. Art11 Abs2 B VG einerseits oder eine Abweichung vom AVG andererseits handelt. Aus den Erläuterungen zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl I Nr 51/2012, ergibt sich nämlich in eindeutiger Weise, dass eine Regelung, wie sie die angefochtene Bestimmung vorsieht, durch das Materiengesetz zu treffen ist (ErlRV 1618 BlgNR 24. GP; Bericht des Verfassungsausschusses zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, AB 1771 BlgNR 24. GP 8).
7. Zusammenfassend wird daher festgehalten, dass die angefochtenen Bestimmungen nach Ansicht der Bundesregierung nicht verfassungswidrig sind."
4. Der Österreichische Rechtsanwaltskammertag hat eine Äußerung erstattet, in der er den im Antrag erhobenen Bedenken wie folgt entgegentritt:
"2. ln der Sache:
Der Österreichische Rechtsanwaltskammertag vermag sich im Übrigen den Bedenken des antragstellenden Gerichts ob der Verfassungskonformität der angefochtenen Vorschriften auch in der Sache nicht anzuschließen:
Vor der Novelle BGBI I 190/2013 bestand von der Abteilung zum Ausschuss durchaus ein 'Instanzenzug' und wurde die Vorstellung folglich als devolutives Rechtsmittel begriffen (siehe zB VfSlg 7837/1976). Diese Gesetzeslage war im Hinblick auf die Neuregelung des öffentlich-rechtlichen Rechtsschutzsystems durch die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBI I 51/2012, nicht aufrechtzuerhalten, zumal- wie das antragstellende Gericht auch zutreffend darlegt- als Ausnahme vom Regelfall der Bekämpfbarkeit von Bescheiden direkt beim zuständigen Verwaltungsgericht (vgl Art130 Abs1 Z1 B-VG) ein aufsteigendes inneradministratives Rechtsmittel nur noch – nach Maßgabe des Art118 Abs4 Satz 2 B-VG – im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde vorgesehen ist. Weitere Ausnahmen müssen gleichermaßen im Verfassungsrang stehen (vgl §41 Abs2 StbG). Hingegen können remonstrative Rechtsmittel in verfassungsrechtlich zulässiger Weise weiterhin gesetzlich verankert werden (vgl insb VfSlg 19.905/2014; Faber, Verwaltungsgerichtsbarkeit [2013] Art130 B-VG Rz 11 mHa die Materialien).
Eben deshalb wurde der Instanzenzug von der Abteilung zum Ausschuss mit der Novelle BGBII190/2013 beseitigt, indem in§26 Abs5 RAO nF angeordnet wird, dass die Abteilung ihre Beschlüsse 'für den Ausschuss' fasst. ln den Gesetzesmaterialien wird auch explizit erläutert, dass 'es sich bei der Abteilung des Ausschusses einerseits und dem Plenum des Ausschusses andererseits um dasselbe Organ der Selbstverwaltung handelt und die Vorstellung insofern kein aufsteigendes Rechtsmittel darstellt' (ErläutRV 2357 BlgNR 24. GP 13). Damit aber bricht die zentrale Prämisse des antragstellenden Gerichts, wonach die Vorstellung die 'Zuständigkeit einer ganz anderen Behörde' bewirke (vgl Seite 18 des Antrags), in sich zusammen. Vielmehr gibt es seit der Novelle BGBI I 190/2013 nur noch den Ausschuss als einheitliches Organ der Selbstverwaltung, welches bloß im Innenverhältnis in Abteilungen und ein Plenum gegliedert ist.
Daraus folgt weiter, dass die Vorstellung gemäß §26 Abs5 RAO seit der Novelle BGBI I 190/2013 als – verfassungsrechtlich zulässiges – remonstratives Rechtsmittel ausgestaltet ist (ebenso Rohregger, in: Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO10 [2018] §26 RAO Rz 10), vergleichbar insb der Vorstellung gegen Mandatsbescheide nach §57 Abs2 AVG, gegen die daher folgerichtig auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen.
Ebenso hat der VwGH zur neuen Rechtslage bereits wiederholt festgehalten, dass es sich bei der in §26 Abs5 RAO normierten Vorstellung um kein aufsteigendes Rechtsmittel handelt, sondern die Vorstellung - vergleichbar der Vorstellung gegen Mandatsbescheide nach §57 AVG - dazu dient, auf der Grundlage des unter Wahrung des Parteiengehörs ermittelten Sachverhalts bescheidmäßig neu zu entscheiden (vgl VwGH 27.1.2016, Ro 2015/03/0044; 10.10.2018, Ra 2017/03/0061).
Soweit das antragstellende Gericht die oben zitierten Ausführungen in den ErläutRV 2357 BlgNR 24. GP 13
[-] für 'absolut unbeachtlich' hält, 'da die Novelle der Rechtsanwaltsordnung BGBI. I Nr 19012013 nicht einmal in geringster Weise eine inhaltliche Änderung und damit Novellierung der Bestimmung des§26 Abs5 RAO vorgenommen' habe (vgl Seite 20 des Antrags), genügt der Hinweis, dass mit eben dieser Novelle die entscheidende Wortfolge 'für den Ausschuss' in §26 Abs5 RAO eingefügt wurde: Vor der Novelle lautete §26 Abs5 RAO: 'Gegen den Beschluß einer Abteilung kann binnen 14 Tagen nach Zustellung des Beschlusses Vorstellung erhoben werden; über diese entscheidet der Ausschuß.' Nach der Novelle lautete §26 Abs5 RAO (Hervorhebung hinzugefügt): 'Gegen den von einer Abteilung für den Ausschuss gefassten Beschluss kann binnen 14 Tagen nach Zustellung des Beschlusses Vorstellung an den Ausschuss erhoben werden.'
[-] für 'offenkundig falsch' hält, da es sich bei der Abteilung und dem Plenum des Ausschusses - behaupteterweise - um unterschiedliche Organe handeln soll (vgl Seite 21 f des Antrags), genügt ein Hinweis auf das oben bereits Gesagte.
Schließlich äußert das antragstellende Gericht noch verfassungsrechtliche Bedenken mit Blick auf Art136 Abs4 B-VG. Diese Verfassungsvorschrift bestimmt, dass die Organisation und das Verfahren des VwGH durch ein besonderes Bundesgesetz geregelt werden, und ist daher keine maßgebliche verfassungsrechtliche Determinante, an der die Verfassungskonformität des §26 Abs5 RAO zu messen wäre. Aber auch Art11 Abs2 B-VG ist nicht einschlägig, (schon) weil §26 Abs5 RAO keine von Bestimmungen des AVG abweichenden Regelungen trifft; ebenso wenig Art136 Abs2 B-VG, weil §26 Abs5 RAO auch keine von Bestimmungen des VwGVG abweichenden Regelungen normiert. Eine Verletzung des Art136 Abs2 B-VG hat das antragstellende Gericht aber ohnehin nicht geltend gemacht, weshalb diese auch nicht zu prüfen ist (zB VfSlg 19.634/2012).
Nach Ansicht des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages stehen daher die angefochtenen Vorschriften mit der Bundesverfassung in Einklang."
5. Der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Wien verzichtete auf die Erstattung einer eigenen Äußerung und teilte dem Verfassungsgerichtshof mit, dass er sich vollinhaltlich der Stellungnahme des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages anschließe.
6. Das Verwaltungsgericht Wien brachte die drei folgenden Schriftsätze, jeweils vom 3. Dezember 2019 – eingebracht beim Verwaltungsgerichtshof, die nach Weiterleitung beim Verfassungsgerichtshof am 11. Dezember 2019 einlangten – ein:
- "Stellungnahme zu den Stellungnahmen der Rechtsanwaltskammer und der Bundesregierung",
- "Antragsberichtigung bzw Antragsänderung; Ergänzung der Begründung des Gesetzesprüfungsantrags" und
- "Antrag", "für den Fall, dass sein Gesetzesprüfungsergänzungsantrag vom 19.6.2019 zum Gesetzesprüfungsantrag vom 19.6.2019, GZG 151/2019, als unzulässig eingestuft wird, unter gleichzeitiger Zurückziehung dieses Gesetzesprüfungsantrags vom 19.6.2019".
IV. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit des Antrages
1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B-VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).
1.2. Ein von Amts wegen oder auf Antrag eines Gerichtes eingeleitetes Gesetzesprüfungsverfahren dient der Herstellung einer verfassungsrechtlich einwandfreien Rechtsgrundlage für das Anlassverfahren (vgl VfSlg 11.506/1987, 13.701/1994).
Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.
Dieser Grundposition folgend hat der Verfassungsgerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011; VfGH 14.3.2017, G311/2016). Das antragstellende Gericht hat all jene Normen anzufechten, die für das anfechtende Gericht präjudiziell sind und vor dem Hintergrund der Bedenken für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des antragstellenden Gerichtes teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; VfGH 10.3.2015, G201/2014).
Eine zu weite Fassung des Antrages macht diesen nicht in jedem Fall unzulässig. Zunächst ist ein Antrag nicht zu weit gefasst, soweit das Gericht solche Normen anficht, die denkmöglich eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bilden und damit präjudiziell sind; dabei darf aber nach §62 Abs1 VfGG nicht offen bleiben, welche Gesetzesvorschrift oder welcher Teil einer Vorschrift nach Auffassung des antragstellenden Gerichtes aus welchem Grund aufgehoben werden soll (siehe mwN VfGH 2.3.2015, G140/2014 ua; vgl auch VfGH 10.12.2015, G639/2015; 15.10.2016, G103-104/2016 ua). Ist ein solcher Antrag in der Sache begründet, hebt der Verfassungsgerichtshof aber nur einen Teil der angefochtenen Bestimmungen als verfassungswidrig auf, so führt dies — wenn die sonstigen Prozessvoraussetzungen vorliegen — im Übrigen zur teilweisen Abweisung des Antrages (VfSlg 19.746/2013; VfGH 5.3.2014, G79/2013 ua).
Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die für das antragstellende Gericht offenkundig keine Voraussetzung seiner Entscheidung im Anlassfall bilden und die somit nicht präjudiziell sind (insofern ist der Antrag zu weit gefasst), die