Entscheidungsdatum
27.03.2020Norm
BauO NÖ 2014 §38Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch den Richter Hofrat Mag. Hubmayr über die Beschwerde von A und C, ***, ***, beide vertreten durch D, Rechtsanwalt in ***, vom 8. Oktober 2019 gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** vom 18. September 2019, Aktenzeichen: ***, mit welchem eine Berufung gegen den Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 25. Juni 2019, Aktenzeichen: ***, betreffend die Vorschreibung einer Ergänzungsabgabe zur Aufschließungsabgabe nach der NÖ Bauordnung 2014, abgewiesen wurde, zu Recht:
1. Der angefochtene Bescheid wird dahingehend abgeändert, dass in Stattgebung der Berufung der Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 25. Juni 2019 aufgehoben wird.
2. Eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist nicht zulässig.
Rechtsgrundlagen:
§ 279 Bundesabgabenordnung – BAO
§ 39 Abs. 3 NÖ Bauordnung 2014
§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG
Entscheidungsgründe:
1. Sachverhalt und verwaltungsbehördliches Verfahren:
A und C (in der Folge: Beschwerdeführer) sind Miteigentümer des verfahrensgegenständlichen Bauplatzes Parzelle Nr. ***, EZ ***, KG ***, entsprechend dem geltenden Flächenwidmungsplan der Marktgemeinde *** gewidmet als Bauland-Wohngebiet.
Entsprechend den geltenden Bebauungsvorschriften der Marktgemeinde *** ist für diesen Bauplatz die Bauklasse I sowie eine höchstzulässige Gebäudehöhe von 7 Metern („I, 7 m“) festgelegt.
Das Grundstück ist durch eine Grundabteilung im Jahr 1986 entstanden.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 14. Mai 1986, Zahl ***, wurde den damaligen Grundstückseigentümern die - entsprechend einem vorgelegten Teilungsplan vom 6. August 1985 - beantragte Abteilung der Parzellen *** und *** (alt) in mehrere Grundstücke, darunter die nunmehr verfahrensgegenständliche Parzelle *** (neu), bewilligt.
Anlässlich der Bewilligung der Grundabteilung wurde im selben Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** für sämtliche neu entstandenen Bauplätze (darunter das gegenständliche Grundstück ***) ein Aufschließungsbeitrag vorgeschrieben.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 4. April 2007, Zahl: ***, wurde den nunmehrigen Beschwerdeführern die Baubewilligung erteilt für die Errichtung eines Einfamilienhauses mit Schwimmbad und Doppelgarage auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 10. Oktober 2018, Zahl: ***, wurde den Beschwerdeführern die Baubewilligung erteilt für einen Wintergarten-Zubau zum bestehenden Wohnhaus auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück. Dieser Baubewilligungsbescheid wurde beiden Beschwerdeführern nachweislich am 18. Oktober 2018 zugestellt und ist in Rechtskraft erwachsen.
Mit Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 25. Juni 2019, Aktenzeichen: ***, wurde den Beschwerdeführern eine Ergänzungsabgabe zur Aufschließungsabgabe gemäß § 39 Abs. 3 NÖ Bauordnung 2014 in Höhe von € 3.985,60 vorgeschrieben.
Der Berechnung zugrunde gelegt wurden die Grundstücksfläche von 706 m², ein Bauklassenkoeffizient alt von 1,00, ein Bauklassenkoeffizient neu von 1,25, somit eine Bauklassendifferenz von 0,25 sowie der nunmehr geltende Einheitssatz von € 600,00.
Den Beschwerdeführern wurde je eine Bescheidausfertigung nachweislich am 28. Juni 2019 zugestellt (nachgewiesen jeweils durch RSb-Rückschein).
Mit Schreiben vom 3. Juli 2019 erhoben die Beschwerdeführer durch ihre gemeinsame Rechtsvertretung dagegen das Rechtsmittel der Berufung.
Die Vorschreibung sei dem Grunde nach zu Unrecht erfolgt, da es sich bei der als „Errichtung eines Wintergarten-Zubaus“ bezeichneten Einhausung der Terrasse nicht um ein Gebäude handle. Die Voraussetzungen für die Vorschreibung einer Ergänzungsabgabe seien nicht gegeben, weshalb der angefochtene Bescheid aufzuheben sei.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** vom 18. September 2019, Aktenzeichen: ***, wurde die Berufung der Beschwerdeführer abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt. Begründend wird nach Wiedergabe des bisherigen Verwaltungsgeschehens und der als maßgeblich erachteten Rechtsvorschriften im Wesentlichen dargelegt, dass bei Errichtung eines Neu- oder Zubaus eines Gebäudes gemäß § 39 Abs. 3 NÖ Bauordnung 2014 eine Ergänzungsabgabe vorzuschreiben sei. Abgabenauslösender Tatbestand und Grundlage des nunmehrigen Abgabenbescheides sei der Baubewilligungsbescheid über Errichtung eines Wintergarten-Zubaus. Aus der Baubeschreibung sei ersichtlich, dass der Zubau aus Glasschiebeanlagen, somit aus Toren, die als Wände zu qualifizieren seien, bestehe. Es bestehe auch eine kraftschlüssige Verbindung zum Altbestand. Da ein Zubau vorliege, sei der Abgabentatbestand des § 39 Abs. 3 NÖ Bauordnung gegeben.
Dagegen richtete sich die verfahrensgegenständliche Beschwerde vom 8. Oktober 2019, in der im Wesentlichen das Berufungsvorbringen wiederholt wurde. Beantragt wurde die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Mit Schreiben vom 22. November 2019 legte die Marktgemeinde *** dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Beschwerde und den bezughabenden Verwaltungsakt vor.
Mit Schreiben vom 10. März 2020 legte die Marktgemeinde *** ergänzende Unterlagen vor, darunter den Teilungsbescheid vom 14. Mai 1986. Mit diesem Bescheid sei auch die erstmalige Aufschließungsabgabe auf Grundlage der Bauklasse I vorgeschrieben worden.
Zum damaligen Zeitpunkt sei die in der Gemeinderatssitzung vom 12. Oktober 1967 beschlossene Verbauungsvorschrift in Geltung gestanden.
Diese ebenfalls vorgelegte Verordnung vom 12. Oktober 1967 enthielt die folgende Regelung:
„2. Gestaltung der Baulichkeiten
a) Gebäudehöhe
Die Gebäude dürfen außer dem Erdgeschoß nur ein Obergeschoß aufweisen, wobei die Dachtraufe bei erdgeschoßigen Bauten nicht höher als 3,50 m und bei zweigeschossigen Bauten nicht höher als 7,00 m über dem an die jeweilige Hausfront angrenzenden Gelände liegen darf. …“
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in die seitens der Marktgemeinde *** vorgelegten Aktenunterlagen.
Im Wesentlichen ist der Sachverhalt als unstrittig zu beurteilen und ergibt sich dieser aus dem unbedenklichen Akteninhalt in Verbindung mit dem bekämpften Bescheid sowie aus dem Vorbringen der Beschwerdeführer, soweit dieses den Feststellungen der belangten Behörde nicht entgegentritt.
2. Anzuwendende Rechtsvorschriften:
2.1. Bundesabgabenordnung (BAO):
§ 1. (1) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden) sowie der auf Grund unmittelbar wirksamer Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu erhebenden öffentlichen Abgaben, in Angelegenheiten der Eingangs- und Ausgangsabgaben jedoch nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind.
§ 2a. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten sinngemäß in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Verfahren vor der belangten Abgabenbehörde gelten. In solchen Verfahren ist das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) nicht anzuwenden. …
§ 4. (1) Der Abgabenanspruch entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft.
§ 279. (1) Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.
…
§ 288. (1) Besteht ein zweistufiger Instanzenzug für Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinden, so gelten für das Berufungsverfahren die für Bescheidbeschwerden und für den Inhalt der Berufungsentscheidungen die für Beschwerdevorentscheidungen anzuwendenden Bestimmungen sinngemäß. Weiters sind die Beschwerden betreffenden Bestimmungen (insbesondere die §§ 76 Abs. 1 lit. d, 209a, 212 Abs. 4, 212a und 254) sowie § 93 Abs. 3 lit. b und Abs. 4 bis 6 sinngemäß anzuwenden.
…
2.2. NÖ Bauordnung 2014:
Aufschließungsabgabe
§ 38. (1) Dem Eigentümer eines Grundstücks im Bauland ist von der Gemeinde eine Aufschließungsabgabe vorzuschreiben, wenn mit Erlassung des letztinstanzlichen Bescheides der Behörde nach § 2
1. ein Grundstück oder Grundstücksteil zum Bauplatz (§ 11) erklärt oder
2. eine Baubewilligung für die erstmalige Errichtung eines Gebäudes oder einer großvolumigen Anlage (§ 23 Abs. 3) auf einem Bauplatz nach § 11 Abs. 1 Z. 2, 3 und 5 erteilt wird.
Die Errichtung eines Gebäudes oder einer großvolumigen Anlage auf einem Bauplatz gilt als erstmalig, wenn auf diesem Bauplatz am 1. Jänner 1970 und danach kein unbefristet bewilligtes Gebäude gestanden ist. Die Aufschließungsabgabe nach Z. 2 ist nicht vorzuschreiben, wenn die Errichtung eines Gebäudes nach § 23 Abs. 3, vorletzter Satz, bewilligt wird. Wird auf demselben Bauplatz ein weiteres Gebäude Gebäude im Sinn des § 23 Abs. 3 erster Satz oder eine großvolumige Anlage errichtet, ist die Abgabe vorzuschreiben.
…
(3) Die Aufschließungsabgabe (A) ist eine einmal zu entrichtende, ausschließliche Gemeindeabgabe nach § 6 Abs. 1 Z. 5 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948, BGBl. Nr. 45/1948 in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012. Sie wird aus dem Produkt von Berechnungslänge (BL), Bauklassenkoeffizient (BKK) und Einheitssatz (ES) errechnet:
A = BL x BKK x ES
Bei der Vorschreibung ist jeweils der zum Zeitpunkt der Bauplatzerklärung oder Erteilung der Baubewilligung (Abs. 1) geltende Bauklassenkoeffizient und Einheitssatz anzuwenden. …
(4) Die Berechnungslänge ist die Seite eines mit dem Bauplatz flächengleichen Quadrates:
Bauplatzfläche = BF
BL = ?BF
(5) Der Bauklassenkoeffizient beträgt:
in der Bauklasse I 1,00 und
bei jeder weiteren zulässigen Bauklasse um je 0,25 mehr,
in Industriegebieten ohne Bauklassenfestlegung 2,00
bei einer Geschoßflächenzahl
- bis zu 0,8 1,5
- bis zu 1,1 1,75
- bis zu 1,5 2,0
- bis zu 2,0 2,5 und
- über 2,0 3,5
Ist eine höchstzulässige Gebäudehöhe festgelegt, ist der Bauklassenkoeffizient von jener Bauklasse abzuleiten, die dieser Gebäudehöhe entspricht.
Im Baulandbereich ohne Bebauungsplan beträgt der Bauklassenkoeffizient mindestens 1,25, sofern nicht eine Höhe eines Gebäudes bewilligt wird oder zulässig ist, die einer höheren Bauklasse entspricht als der Bauklasse II.
(…)
Ergänzungsabgabe
§ 39. (1) Bei der Änderung der Grenzen von Bauplätzen (§ 10) ist für jeden der neugeformten Bauplätze eine Ergänzungsabgabe vorzuschreiben, wenn das Gesamtausmaß oder die Anzahl der Bauplätze vergrößert wird. Der Abgabentatbestand ist erfüllt, wenn auf der vorgelegten Anzeige und dem Duplikat die Bestätigung der Nichtuntersagung (§ 10 Abs. 5 erster Satz) oder die Bezugsklausel (§ 10 Abs. 5 zweiter Satz) angebracht wird (Datum der Bestätigung oder der Bezugsklausel). …
Die Höhe der Ergänzungsabgabe (EA) wird wie folgt berechnet:
Von der Summe der neuen Berechnungslängen wird die Summe der damaligen Berechnungslängen abgezogen. Der Differenzbetrag wird mit dem zur Zeit der Anzeige der Grenzänderung (§ 10) geltenden Bauklassenkoeffizienten und Einheitssatz multipliziert und das Produkt nach dem Verhältnis der neuen Berechnungslängen auf die neuen Bauplätze aufgeteilt;
z. B. 3 Bauplätze neu (1, 2, 3), 2 Bauplätze alt (a, b)
EA = [(BL1 + BL2 + BL3) – (BLa + BLb)] x BKK x ES
EA/m (Ergänzungsabgabe pro Meter) = EA : (BL1 + BL2 + BL3)
EA für Bauplatz 1 = EA/m x BL1
EA für Bauplatz 2 = EA/m x BL2
EA für Bauplatz 3 = EA/m x BL3
Erfolgt die Vorschreibung einer Ergänzungsabgabe für einen Bauplatz, der durch eine Teilfläche des Grundstücks vergrößert wurde, für das eine Vorauszahlung nach § 38 Abs. 2 vorgeschrieben wurde, sind die entrichteten Teilbeträge anteilsmäßig zu berücksichtigen. Der Anteil ergibt sich aus dem Verhältnis des Ausmaßes der Teilfläche zum Gesamtausmaß der Grundstücksfläche, für die die Vorauszahlung nach § 38 Abs. 2 entrichtet wurde. Bei der Berechnung der auf den Anteil entfallenden Vorauszahlung ist der Einheitssatz, der der Vorschreibung der Ergänzungsabgabe zu Grunde zu legen ist, heranzuziehen.
(3) Eine Ergänzungsabgabe ist auch vorzuschreiben, wenn mit Erlassung des letztinstanzlichen Bescheides der Behörde nach § 2 eine Baubewilligung für den Neu- oder Zubau eines Gebäudes oder einer großvolumigen Anlage erteilt wird und
- bei einer Grundabteilung (§ 10 Abs. 1 NÖ Bauordnung, LGBl. Nr. 166/1969, und NÖ Bauordnung 1976 bzw. NÖ Bauordnung 1996, LGBl. 8200) nach dem 1. Jänner 1970 ein Aufschließungsbeitrag bzw. nach dem 1. Jänner 1989 eine Ergänzungsabgabe oder
- bei einer Bauplatzerklärung eine Aufschließungsabgabe vorgeschrieben und bei der Berechnung
- kein oder
- ein niedrigerer Bauklassenkoeffizient angewendet wurde als jener, der der im Bebauungsplan nunmehr höchstzulässigen Bauklasse oder Gebäudehöhe entspricht. Im Baulandbereich ohne Bebauungsplan ist ein Bauklassenkoeffizient von mindestens 1,25 zu berücksichtigen, sofern nicht eine Höhe eines Gebäudes bewilligt wird oder zulässig ist, die einer höheren Bauklasse entspricht als der Bauklasse II.
Die Höhe dieser Ergänzungsabgabe wird wie folgt berechnet:
Von dem zur Zeit der Baubewilligung (§ 23) anzuwendenden Bauklassenkoeffizienten wird der bei der Vorschreibung des Aufschließungsbeitrages bzw. der Aufschließungsabgabe oder der Ergänzungsabgabe angewendete Bauklassenkoeffizient – mindestens jedoch 1 – abgezogen und die Differenz mit der Berechnungslänge und dem zur Zeit der Baubewilligung geltenden Einheitssatz multipliziert: BKK alt = 1 oder höher
EA = (BKK neu – BKK alt) x BL x ES neu
(4) Die Ergänzungsabgabe ist eine ausschließliche Gemeindeabgabe nach § 6 Abs. 1 Z 5 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948, BGBl.Nr. 45/1948 in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012. Für die Ergänzungsabgabe gelten die Bestimmungen des § 38 Abs. 4 bis 6 und 9 sinngemäß. Falls bisher kein Aufschließungsbeitrag und keine Aufschließungsabgabe eingehoben wurde, gilt auch § 38 Abs. 7 sinngemäß. Wenn eine Ergänzungsabgabe nach Abs. 1 für Bauplätze im Baulandbereich ohne Bebauungsplan vorzuschreiben ist, beträgt der Bauklassenkoeffizient mindestens 1,25, sofern auf den neugeformten Bauplätzen nicht Gebäude mit einer Höhe zulässig sind, die einer höheren Bauklasse entspricht als der Bauklasse II.
2.3. Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG:
§ 25a. (1) Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
3. Würdigung:
3.1. Zu Spruchpunkt 1:
Mit Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 25. Juni 2019, Aktenzeichen: ***, wurde den beiden Beschwerdeführern aus Anlass diverser Um- und Zubauten am bestehenden Wohngebäude auf deren Grundstück Nr. ***, KG ***, eine Ergänzungsabgabe zur Aufschließungsabgabe gemäß § 39 Abs. 3 NÖ Bauordnung 2014 vorgeschrieben.
Das Beschwerdevorbringen lässt sich auf die Frage reduzieren, ob diese Vorschreibung einer Ergänzungsabgabe zur Aufschließungsabgabe dem Grunde nach zu Recht erfolgen durfte.
Die Vorschreibung einer Abgabe setzt ganz allgemein die Verwirklichung eines Abgabentatbestandes voraus.
Die Erfüllung des abgabenrechtlichen Tatbestandes ist Voraussetzung für die Vorschreibung einer Abgabe (vgl. VwGH 12.10.1984, 82/17/0085).
Gemäß § 4 Abs. 1 Bundesabgabenordnung entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft.
Unter dem Tatbestand, an dessen Verwirklichung § 4 Bundesabgabenordnung das Entstehen der Abgabenschuld knüpft, ist die Gesamtheit der in den materiellen Rechtsnormen (hier in der NÖ Bauordnung 2014) enthaltenen abstrakten Voraussetzungen zu verstehen, bei deren konkretem Vorliegen (Tatbestandsverwirklichung) bestimmte Rechtsfolgen (Abgabenschuld und Abgabenanspruch) eintreten sollen.
Der Abgabenbescheid ist dann lediglich feststellender Natur. Er bringt den Abgabenanspruch nicht zum Entstehen, sondern stellt den aus dem Gesetz erwachsenden Anspruch lediglich fest (vgl. VwGH vom 25. Juni 2014, Zl. 94/17/0419).
§ 39 NÖ Bauordnung 2014 regelt den Tatbestand einer Ergänzungsabgabe zur Aufschließungsabgabe.
Gemäß § 39 Abs. 1 NÖ Bauordnung 2014 ist bei der Änderung der Grenzen von Bauplätzen für jeden der neugeformten Bauplätze eine Ergänzungsabgabe vorzuschreiben, wenn für die bisherigen Bauplätze bereits der Höhe nach bestimmte Aufschließungsbeiträge oder -abgaben vorgeschrieben und entrichtet wurden und das Gesamtausmaß oder die Anzahl der Bauplätze vergrößert wird.
Eine Vergrößerung der Fläche ist im vorliegenden Fall nicht erfolgt, ebenso wenig eine Vergrößerung der Anzahl der Bauplätze.
Eine Ergänzungsabgabe ist darüber hinaus jedoch auch dann vorzuschreiben, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 39 Abs. 3 NÖ Bauordnung 2014 vorliegen.
Erste Voraussetzung dafür ist die rechtskräftige Erteilung einer Baubewilligung für den Neu- oder Zubau eines Gebäudes oder einer großvolumigen Anlage.
Diese Voraussetzung ist im gegenständlichen Fall erfüllt durch die mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 24. Mai 2017, Zahl: ***, rechtskräftig erteilte Bewilligung für den Zubau eines Wintergartens beim Wohnhaus auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück ***.
Als zweite Voraussetzung fordert § 39 Abs. 3 NÖ Bauordnung 2014, dass entweder bei einer Grundabteilung ein Aufschließungsbeitrag bzw. eine Ergänzungsabgabe oder bei einer Bauplatzerklärung eine Aufschließungsabgabe vorgeschrieben wurde und dass bei der damaligen Abgabenberechnung kein oder ein niedrigerer Bauklassenkoeffizient als jener, der der nunmehr höchstzulässigen Bauklasse oder Gebäudehöhe entspricht, angewendet wurde.
Auf Grund des bestehenden Bebauungsplanes ist für das verfahrensgegenständliche Grundstück eine Gebäudehöhe von 7 Metern zulässig, was der Bauklasse II entspricht, weshalb nunmehr der Bauklassenkoeffizient 1,25 anzuwenden ist.
Für das verfahrensgegenständliche Grundstück wurde aus Anlass der Grundabteilung im Jahr 1986 ein Aufschließungsbeitrag vorgeschrieben.
Zum Zeitpunkt der ursprünglichen Vorschreibung des Aufschließungsbeitrages war jedoch die zulässige Gebäudehöhe in den Bebauungsvorschriften der Gemeinde ebenfalls mit 7 Metern festgelegt. Auch damals wäre daher (vgl. § 5 Abs. 3 NÖ Bauordnung 1976) ein der Bauklasse II entsprechender Bauklassenkoeffizient von 1,25 anzuwenden gewesen.
Die zweite Tatbestandsvoraussetzung des § 39 Abs. 3 NÖ Bauordnung 2014 ist daher mangels Änderung des maßgeblichen Bauklassenkoeffizienten im gegenständlichen Fall nicht erfüllt.
Da somit der Tatbestand einer Ergänzungsabgabe gemäß § 39 Abs. 3 NÖ Bauordnung 2014 nicht erfüllt ist, besteht auch kein Abgabenanspruch der Gemeinde bzw. keine Abgabenschuld der Liegenschaftseigentümer.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt 2 - Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß
Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis oder einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im Hinblick auf die obigen Ausführungen liegen jedoch keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.
Schlagworte
Finanzrecht; Aufschließungsabgabe; Ergänzungsabgabe; Zubau; Bauklassenkoeffizient; Abgabenschuld;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.AV.1372.001.2019Zuletzt aktualisiert am
22.04.2020