Entscheidungsdatum
11.10.2019Norm
AVG §58Spruch
L524 2222092-1/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER LL.B. über die Beschwerde der Revisorin des Oberlandesgerichts Linz gegen den Bescheid des Vorstehers des Bezirksgerichts XXXX vom 24.04.2019, Zl. XXXX , betreffend Zeugengebühren, den Beschluss:
A) Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz
VwGVG aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an den Vorsteher des Bezirksgerichts XXXX zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Im Verfahren 3 C 8/19m des Bezirksgerichts XXXX wurde XXXX zur Verhandlung am 29.03.2019 als Zeuge geladen. Am selben Tag machte er Reisekosten für die Benützung eines Kraftfahrzeugs (insgesamt 670 km) in Höhe von € 281,40 und Aufenthaltskosten (Mehraufwand für ein Frühstück) in Höhe von € 4,00 geltend.
2. Mit Bescheid des Vorstehers des Bezirksgerichts XXXX vom 24.04.2019, Zl. XXXX , wurden die Gebühren des Zeugen für die Teilnahme an der Verhandlung vor dem Bezirksgericht XXXX am 29.03.2019 wie folgt bestimmt:
Reisekosten (§§ 6 - 14 GebAG) XXXX nach Oberndorf und retour
(zweimal 335 km= 670 km mal EUR 0,42) € 281,40
Mehraufwand Frühstück € 4,00
Summe gerundet gemäß § 20 Abs. 3 GebAG € 285,40
Begründend wurde ausgeführt, dass in Anbetracht der Verbindung zwischen XXXX und Oberndorf bei Salzburg mit öffentlichen Verkehrsmitteln notorisch sei, dass die Reise vor 7 Uhr hätte begonnen werden müssen, um den Termin um 8.30 Uhr beim Bezirksgericht in XXXX verlässlich wahrnehmen zu können und dass in Anbetracht der Erforderlichkeit der Anwesenheit bis 9.30 Uhr eine Rückkehr vor den späten Abendstunden nicht möglich gewesen wäre.
3. Gegen diesen Bescheid erhob die Revisorin des Oberlandesgerichts Linz beim Landesgericht Salzburg Beschwerde und führte darin im Wesentlichen aus, dass dem Zeugen die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels möglich und zumutbar gewesen wäre. Es stünde daher nur der Kostenersatz für ein öffentliches Verkehrsmittel zu.
II. Feststellungen:
Der Zeuge wurde im Verfahren 3 C 8/19m vor dem Bezirksgericht XXXX zur Verhandlung für den 29.03.2019 geladen.
Der Zeuge wohnt in XXXX , und reiste von dort mit einem Kraftfahrzeug nach Oberndorf an und wieder zurück.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurden dem Zeugen Kosten für die Benützung eines Kraftfahrzeugs zugesprochen.
Die belangte Behörde stellte keine Ermittlungen an und traf keine Feststellungen, ob auf der Strecke vom Wohnort des Zeugen bis zum Ort der Vernehmung ein Massenbeförderungsmittel zur Verfügung steht, ob dieses nach der Lage der Verhältnisse benützt werden kann, ob dem Zeugen wegen eines körperlichen Gebrechens die Benützung eines Massenbeförderungsmittels nicht zugemutet werden kann und ob die sofortige Vernehmung des Zeugen erforderlich war, er aber bei Benützung eines Massenbeförderungsmittels nicht rechtzeitig zur Vernehmung hätte kommen können. Auf Grund dieser fehlenden Feststellungen kann nicht beurteilt werden, ob die Voraussetzungen für den Ersatz der Kosten für die Benützung eines Beförderungsmittels, das nicht Massenbeförderungsmittel ist, vorliegen.
III. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus den Angaben des Zeugen im Formular "Gebührenbestimmung und Zahlungsanweisung" und dem angefochtenen Bescheid. Die Feststellung, dass die belangte Behörde keine Ermittlungen und keine Feststellungen getroffen hat, ergibt sich aus dem angefochtenen Bescheid und dem vorgelegten Verwaltungsakt.
IV. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Zurückverweisung an den Vorsteher des Bezirksgerichts XXXX :
1. Zur Beschwerde der Revisorin ist zunächst auszuführen, dass im Einleitungssatz angeführt wird, "die Republik Österreich, vertreten durch den Revisor des Oberlandesgerichts Linz beim Landesgericht Salzburg" erhebe die Beschwerde.
Tatsächlich ist zur Erhebung einer Beschwerde nicht die Republik Österreich berechtigt, sondern gemäß § 21 Abs. 2 Z 3 GebAG der Revisor bzw. die Revisorin. Aus dem Kopf der Beschwerdeschrift und der Fertigungsklausel ergibt sich jedoch eindeutig, dass die Revisorin Beschwerde erhoben hat, weshalb es sich bei Verwendung der Wortfolge "die Republik Österreich, vertreten durch den Revisor des Oberlandesgerichts Linz beim Landesgericht Salzburg" bloß um ein Vergreifen in der Wortwahl handelt, was nichts daran ändert, dass erkennbar die Revisorin Beschwerde erhoben hat.
In der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheides wird als Frist für die Erhebung einer Beschwerde 14 Tage angeführt werden. Tatsächlich beträgt die Frist jedoch vier Wochen. Ist in einem Bescheid eine kürzere als die gesetzliche Rechtsmittelfrist angegeben, so gilt das Rechtsmittel gem. § 61 Abs. 2 AVG als rechtzeitig eingebracht, wenn es innerhalb der gesetzlichen Frist eingebracht wurde.
Im vorliegenden Fall wurde der Bescheid am 30.04.2019 der Revisorin zugestellt. Die Frist für die Erhebung der Beschwerde endete daher am 28.05.2019. Die Beschwerde der Revisorin langte am 17.05.2019 beim Bezirksgericht XXXX ein und wurde somit fristgerecht erhoben. Wann die Beschwerde eingebracht wurde, konnte nicht festgestellt werden, da im Verwaltungsakt entgegen der ausdrücklichen Anordnung des § 107 Abs. 2 Geo [bei fristgebundenen Eingaben ist der Briefumschlag einer solchen beizufügen] dem Rechtsmittel der Briefumschlag nicht beigefügt war.
2. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stellt die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG 2014 bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. VwGH 10.09.2014, Ra 2104/08/0005; 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).
Aus folgenden Gründen muss angenommen werden, dass der entscheidungswesentliche Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt wurde:
Im angefochtenen Bescheid wird zur Begründung für die Gewährung der Kosten für die Benützung des eigenen Kraftfahrzeugs wörtlich lediglich Folgendes ausgeführt:
"In Anbetracht der Verbindung zwischen XXXX und Oberndorf bei Salzburg mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist notorisch, dass die Reise vor 07:00 Uhr hätte begonnen werden müssen, um den Termin um 8:30 Uhr beim Bezirksgericht in XXXX verlässlich wahrnehmen zu können und dass in Anbetracht der Erforderlichkeit der Anwesenheit bis 09:30 Uhr eine Rückkehr vor den späten Abendstunden nicht möglich gewesen wäre."
Die Kosten für die Benützung eines Beförderungsmittels, das nicht Massenbeförderungsmittel ist, sind dem Zeugen gemäß § 9 Abs. 1 GebAG nur in den folgenden Fällen zu ersetzen:
1. wenn ein Massenbeförderungsmittel nicht zur Verfügung steht oder nach der Lage der Verhältnisse nicht benützt werden kann und die Zurücklegung der Wegstrecke zu Fuß nicht zumutbar ist,
2. wenn die Gebühr bei Benützung des anderen Beförderungsmittels nicht höher ist als bei Benützung eines Massenbeförderungsmittels,
3. wenn die Rechtssache die sofortige Vernehmung des Zeugen erfordert, dieser aber bei Benützung eines Massenbeförderungsmittels zur Vernehmung nicht mehr rechtzeitig kommen könnte, oder
4. wenn ihm wegen eines körperlichen Gebrechens die Benützung eines Massenbeförderungsmittels nicht zugemutet werden kann.
Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 GebAG hat die belangte Behörde aber, wie sich dem vorgelegten Verwaltungsakt entnehmen lässt, keinerlei Ermittlungen angestellt und auch keinerlei Feststellungen im angefochtenen Bescheid getroffen.
Wie die belangte Behörde daher zu ihrer Annahme kommt, dass "die Reise vor 07:00 Uhr hätte begonnen werden müssen, um den Termin um 8:30 Uhr beim Bezirksgericht in XXXX verlässlich wahrnehmen zu können" und bei "Anwesenheit bis 09:30 Uhr eine Rückkehr vor den späten Abendstunden nicht möglich gewesen wäre", bleibt angesichts fehlender Feststellungen gänzlich im Dunkeln.
In diesem Zusammenhang wird auf Folgendes hingewiesen:
Der Ersatz der Kosten der Benützung eines eigenen Kraftfahrzeuges ist etwa dann vorgesehen, wenn entweder kein Massenbeförderungsmittel verkehrt und die Zurücklegung der Wegstrecke zu Fuß etwa wegen des Alters des Zeugen oder eines Gebrechens unzumutbar ist, oder aber, wenn die Abfahrtszeiten so liegen, dass bei Benützung eines Massenbeförderungsmittels mehrstündige Wartezeiten am Ort der Vernehmung entstehen (vgl. VwGH 23.10.2000, 2000/1770080).
Andere als die im § 9 Abs. 1 GebAG genannten Umstände, insbesondere berufliche Anliegen (etwa Ordination) rechtfertigen nicht den Kostenersatz von anderen als Massenbeförderungsmitteln; auch nicht bloße Zeitersparnis (vgl. VwGH 24.09.1997, 96/03/0058).
Nach dem Sinn des Gesetzes kann die bloß längere Fahrdauer nicht als ausreichender Grund dafür angesehen werden, dass der Beschwerdeführer das Massenbeförderungsmittel nicht benützen konnte (vgl. VwGH 23.05.1990, 90/17/0115).
Die belangte Behörde hat daher im fortgesetzten Verfahren jenen Sachverhalt zu ermitteln, der für eine Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 GebAG notwendig ist. Es ist insbesondere zu ermitteln und festzustellen, ob ein Massenbeförderungsmittel zur Verfügung steht, ob das Massenbeförderungsmittel nach Lage der Verhältnisse benützt werden kann, ob dem Zeugen wegen eines körperlichen Gebrechens die Benützung eines Massenbeförderungsmittels nicht zugemutet werden kann.
3. Hinsichtlich des zu erlassenden Bescheides wird weiters auf folgende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hingewiesen:
Die iSd §§ 58 und 60 AVG gebotene Entscheidungsbegründung verlangt, dass in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die für die Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst werden. Dies erfordert in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalts, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche die Behörde im Falle des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch des Bescheids geführt haben (vgl. VwGH 11.11.2015 2013/11/0244 unter Hinweis auf VwGH 15.10.2015, 2013/11/0079). Diesen Erfordernissen entspricht der angefochtene Bescheid nicht im Mindesten. Es werden weder Feststellungen getroffen, noch enthält der Bescheid eine Beweiswürdigung.
3. Schließlich wird noch darauf hingewiesen, dass gemäß § 21 Abs. 2 Z 1 GebAG eine schriftliche Ausfertigung der Entscheidung über die Gebührenbestimmung den Parteien des Zivilverfahrens zuzustellen ist, wenn die bestimmte Gebühr 200 Euro übersteigt. Vorliegend wurde der angefochtene Bescheid nur dem Zeugen und der Revisorin zugestellt, nicht jedoch den Parteien des Zivilverfahrens.
4. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, da auf Grund der Aktenlage feststand, dass der Bescheid aufzuheben war.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung mit der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes übereinstimmt.
Schlagworte
Begründungsmangel, Ermittlungspflicht, Kassation, mangelndeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:L524.2222092.1.00Zuletzt aktualisiert am
23.04.2020