TE Vwgh Erkenntnis 1998/4/23 96/19/2386

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Veröffentlicht am 23.04.1998
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/05 Reisedokumente Sichtvermerke;

Norm

AufG 1992 §6 Abs2;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1995 §3 Z4;
AVG §37;
Sichtvermerkspflicht Aufhebung Jugoslawien 1965 Art1 Abs1;
Sichtvermerkspflicht Aufhebung Jugoslawien 1965 Art1 Abs2;
Sichtvermerkspflicht Aufhebung Jugoslawien 1965 Art2;
Sichtvermerkspflicht Aufhebung Kroatien 1995 Art2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde der 1962 geborenen AB, vertreten durch Dr. G und Dr. T, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 4. Dezember 1995, Zl. 304.392/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 20. September 1993 stellte die Beschwerdeführerin bei der österreichischen Botschaft in Zagreb einen als "Erstantrag" bezeichneten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, der am 28. September 1993 beim Magistrat der Stadt Wien einlangte und vom Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 1. März 1994 rechtskräftig abgewiesen wurde.

Am 1. August 1994 stellte die Beschwerdeführerin auf dem Postweg bei der österreichischen Botschaft in Zagreb neuerlich einen als "Erstantrag" bezeichneten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, der am 1. September 1994 bei der österreichischen Botschaft, am 12. September 1994 beim Magistrat der Stadt Wien einlangte. Als derzeitigen Wohnsitz gab die Beschwerdeführerin eine Adresse in Kroatien, als Aufenthaltszweck die Ausübung einer unselbständigen Tätigkeit darüber hinaus "Familienzusammenführung bzw. Familiengemeinschaft" mit ihrem Ehegatten, einem österreichischen Staatsbürger, sowie als Ort der Antragstellung "Wien" an.

Der Landeshauptmann von Wien wies den Antrag mit Bescheid vom 27. September 1994 mangels einer Antragstellung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus gemäß § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) ab. Der gegenständliche Antrag sei durch den Rechtsanwalt der Beschwerdeführerin in Wien postalisch an die österreichische Botschaft in Zagreb geschickt worden. Mit dieser Vorgangsweise sei das gesetzliche Erfordernis einer Antragstellung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus nicht erfüllt worden, zumal auch keinerlei Grund zur Annahme bestehe, daß sich die antragstellende Partei im Zeitpunkt der Antragstellung im Ausland befunden habe.

Die Beschwerdeführerin erhob dagegen Berufung. In der Berufung wird als ihre Adresse eine Anschrift im zweiten Wiener Gemeindebezirk angeführt. Die Rechtsansicht der Behörde erster Instanz, die Antragstellung könne nur durch die Antragstellerin persönlich erfolgen, sei unrichtig, eine Einbringung des Antrages durch einen Bevollmächtigten sei sehr wohl zulässig.

§ 6 Abs. 2 AufG sei überdies nicht zu entnehmen, daß die Antragstellerin den gesamten Zeitraum des Ermittlungsverfahrens im Ausland abzuwarten hätte.

Mit Bescheid vom 4. Dezember 1995 wies der Bundesminister für Inneres die Berufung gemäß § 5 Abs. 1 und § 6 Abs. 2 AufG sowie § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes 1992 (im folgenden: FrG) ab. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, die Beschwerdeführerin habe nach der Aktenlage das Formular für einen Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz im Inland unterzeichnet und durch ihren Rechtsvertreter postalisch von Österreich aus bei der österreichischen Botschaft in Zagreb eingereicht. Sie sei seit dem 3. Juni 1993 in Österreich aufrecht an ihrer Adresse im zweiten Wiener Gemeindebezirk gemeldet. Es stehe daher für die Berufungsbehörde fest, daß sie sich zum Zeitpunkt der Antragstellung im Bundesgebiet aufgehalten habe. Auf dem Antragsformular habe sie als Aufenthaltsort "Wien" angegeben und dies auch durch ihre Unterschrift beurkundet. Somit habe sie sich zum Zeitpunkt der Antragstellung eindeutig im Bundesgebiet aufgehalten und das gesetzliche Erfordernis der Antragstellung vom Ausland aus nicht erfüllt.

Zwar dürfe sie sich als kroatische Staatsangehörige für die Dauer von drei Monaten sichtvermerksfrei in Österreich aufhalten, aufgrund ihres durchgehenden Aufenthaltes in Österreich seit dem 3. Juni 1993 ohne ausreichenden "Rechtstitel" stehe es für die Behörde allerdings fest, daß sie sich unrechtmäßig in Österreich aufhalte und dadurch den Sichtvermerkstatbestand nach § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG verwirkliche.

Im Falle der Beschwerdeführerin sei der Eingriff in ihr Privat- und Familienleben gerechtfertigt, weil die Einhaltung fremdenrechtlicher Bestimmungen höherwertig anzusehen sei als die privaten Interessen an der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof. Nachdem dieser mit Beschluß vom 11. Juni 1996, B 287/96-6, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und diese antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten hatte, wurde sie von der Beschwerdeführerin ergänzt. Sie erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung verletzt. Die belangte Behörde übersehe, daß sich aus den Erläuterungen zu § 6 Abs. 2 AufG in der Stammfassung eindeutig ergebe, daß auch die Antragstellung auf dem Postweg zulässig sei. Sie habe daher ihren Rechtsvertretern mit Sitz in Wien Vollmacht erteilt, um vor Ort in Wien im Verhältnis zur Magistratsabteilung 62 ihre Interessen wahrnehmen zu können. Der Umstand, daß sie in Wien aufgrund des Meldegesetzes gemeldet sei, bedeute noch nicht, daß sie auch zu all diesen Zeiten in Österreich aufhältig gewesen sei. Da sie als kroatische Staatsangehörige berechtigt sei, sich jedenfalls für drei Monate in Österreich aufzuhalten, habe sie diesen Zeitraum im Jahr 1994 genützt, um einerseits ihren Rechtsvertretern Auftrag und Vollmacht zu erteilen, andererseits auch auf dem Antragsformular als Datum den 1. August 1994 und als Aufenthaltsort "Wien" anzugeben. Die belangte Behörde übersehe weiters, daß sie aufgrund des Sichtvermerksabkommens wiederholt für einen beschränkten Zeitraum pro Jahr sich in Österreich aufhalten dürfe. Die wiederholten Aufenthalte seien gerechtfertigt und könnten nichts daran ändern, daß sie einen Rechtsanspruch auf Familienzusammenführung mit ihrem österreichischen Ehemann habe. Ihr Ehemann sei Österreicher und habe auch in dieser Eigenschaft einen Anspruch darauf, daß er ein Familienleben im Sinne des Art. 8 MRK führen könne und nicht bereits mehr als drei Jahre warten müsse, um seine Ehefrau bei sich zu haben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (die Zustellung erfolgte am 12. Dezember 1995) ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof die Rechtslage nach der Novelle zum Aufenthaltsgesetz BGBl. Nr. 351/1995 maßgeblich.

§ 6 Abs. 2 AufG lautete in der Fassung diese Novelle:

"§ 6.

...

(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Begründet eine Einbringung auf dem Postweg oder durch Vertreter die Vermutung, daß diese Regelung umgangen werden soll, kann die persönliche Einbringung verlangt werden. Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: Im Fall des Verlustes der österreichischen Staatsbürgerschaft, des Asyls oder des Aufenthaltsrechts gemäß § 1 Abs. 3 Z 1; weiters in den Fällen des § 7 Abs. 2, des § 12 Abs. 4 und einer durch zwischenstaatliche Vereinbarung oder durch eine Verordnung gemäß § 14 FrG ermöglichten Antragstellung nach Einreise; schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältigen Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z 4 festgelegt ist. Der Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung und auf Änderung des Aufenthaltszwecks kann bis zum Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung auch vom Inland aus gestellt werden."

§ 3 Z. 3 und 4 der am 27. Juni 1995 im ausgegebenen Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1995, BGBl. Nr. 408/1995, lautete:

"§ 3. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung kann ausnahmsweise im Inland gestellt werden von:

...

3.

Personen, für die eine Beschäftigungsbewilligung, eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt ist, und deren Familienangehörige im Sinne des § 3 des Aufenthaltsgesetzes, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten und

4.

Angehörigen von österreichischen Staatsbürgern (§ 3 Abs. 1 Z 1 Aufenthaltsgesetz), die gemäß § 14 Abs. 3 FrG einreisen oder denen vor der Einreise ein gewöhnlicher Sichtvermerk erteilt wurde."

§ 14 Abs. 1 und 3 FrG lautete:

"§ 14. (1) Sofern die Bundesregierung zum Abschluß von Regierungsübereinkommen gemäß Art. 66 Abs. 2 B-VG ermächtigt ist, kann sie zur Erleichterung des Reiseverkehrs unter der Voraussetzung, daß Gegenseitigkeit gewährt wird, vereinbaren, daß Fremde berechtigt sind, ohne Sichtvermerke in das Bundesgebiet einzureisen und sich in diesem aufzuhalten. Solche Fremde bedürfen für den Zeitraum eines Jahres nach einer Zurückweisung gemäß § 32 Abs. 2 Z 2 zur Einreise in das Bundesgebiet und zum Aufenthalt in diesem dennoch eines Sichtvermerkes.

...

(3) In Übereinkommen gemäß Abs. 1 und in Verordnungen gemäß Abs. 2 kann unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit vorgesehen werden, daß Fremden ein Sichtvermerk auch nach sichtvermerksfreier Einreise erteilt werden kann."

Art. 1, 2 und 3 Abs. 3 des Abkommens zwischen der Bundesregierung der Republik Österreich und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über die Aufhebung der Sichtvermerkspflicht, BGBl. Nr. 365/1965, lauteten in der Fassung des Abkommens BGBl. Nr. 117/1983:

"Art. 1

(1) Die Staatsbürger der Vertragsstaaten, die einen der im Art. 3 angeführten Reiseausweise mit sich führen, können ohne Sichtvermerk des anderen Vertragsstaates die Grenzen der Vertragsstaaten überschreiten und sich drei Monate auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates aufhalten.

(2) Den Personen, die sich länger als drei Monate des Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates aufhalten wollen, können die zuständigen Behörden dieses Vertragsstaates die Aufenthaltsberechtigung verlängern.

Art. 2

Die Staatsbürger der Vertragsstaaten, die sich zum Zwecke der Arbeitsaufnahme ins Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates begeben, bedürfen eines Sichtvermerkes, die auch die Aufenthaltsberechtigung einschließt. Dieser Sichtvermerk wird gebührenfrei erteilt.

Art. 3

...

(3) Der Grenzübertritt aufgrund dieses Abkommens ist jugoslawischen Staatsbürgern, die Inhaber eines der nachstehend angeführten gültigen Reiseausweise sind, gestattet:

a)

Reisepaß (persönlicher oder Familienreisepaß)

b)

Diplomatenpaß

c)

Dienstpaß

d)

Sammelreisepaß versehen mit dem Lichtbild jeder im Sammelreisepaß eingetragenen Person

e)

Kinderausweis

f)

Seedienstbuch oder Schifferausweis

g)

Reiseausweis (Putni List), der nur zur Durchreise durch bzw. zur Ausreise aus der Republik Österreich zwecks Rückkehr in die Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien berechtigt."

Dieses Abkommen wurde durch das am 1. Augsut 1995 in Kraft getretene Abkommen zwischen der österreichischen Bundesregierung und der Regierung der Republik Kroatien über die Aufhebung der Sichtsvermerkspflicht, BGBl. Nr. 487/1995, ersetzt. Die Art. 1 und 2 dieses Abkommens lauten:

"Art. 1

Die Staatsbürger der Vertragsstaaten, die einen der im Art. 3 angeführten Reiseausweise mit sich führen, können ohne Sichtvermerke des anderen Vertragsstaates die Grenzen der Vertragsstaaten überschreiten und sich drei Monate auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates aufhalten.

Art. 2

Art. 1 findet keine Anwendung auf jene Personen, die sich länger als drei Monate auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates aufhalten wollen oder dort die Ausübung einer Erwerbstätigkeit beabsichtigen. In diesen Fällen ist vor der Einreise die Erteilung eines Sichtvermerkes oder einer Aufenthaltsbewilligung erforderlich."

Da die Beschwerdeführerin weder nach der Aktenlage noch nach ihrem Vorbringen jemals über eine Aufenthaltsbewilligung verfügte, wertete die belangte Behörde ihren Antrag zu Recht als Erstantrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, für dessen Beurteilung § 6 Abs. 2 AufG maßgeblich war.

Gemäß § 6 Abs. 2 erster Satz AufG ist der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Mit "der Einreise nach Österreich" im Sinne dieser Bestimmung ist die Einreise des Antragstellers gemeint (vgl. ua. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1996, Zl. 95/19/1168, mwN.). Die Antragstellung durch einen Vertreter vom Ausland aus oder durch einen Vertreter vom Inland aus auf dem Postweg, während sich der Antragsteller selbst im Inland aufhält, erfüllt die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 AufG nicht. Das im § 6 Abs. 2 erster Satz AufG normierte Erfordernis, einen Bewilligungsantrag vom Ausland aus zu stellen und die Entscheidung über den Antrag vom Ausland aus abzuwarten, ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht als bloße Formvorschrift zu werten, sondern als Voraussetzung, deren Nichterfüllung die Abweisung eines Antrages nach sich zieht (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/19/1010, und Zl. 95/19/0895).

Da § 6 Abs. 1 AufG nicht zu entnehmen ist, ein Fremder habe von sich aus glaubhaft zu machen, daß sein Antrag auf Erteilung einer Bewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus gestellt wurde, ist das Vorliegen dieser Erfolgsvoraussetzung gemäß § 39 Abs. 2 erster Satz AufG von der Behörde vom Amts wegen zu prüfen, wenn sie - wie im vorliegenden Fall - nicht aufgrund ihrer Vermutung, § 6 Abs. 2 erster Satz AufG solle umgangen werden, nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung vorgeht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. März 1997, Zl. 95/19/0792). Dabei ist der Partei auch ausreichend Parteiengehör zu gewähren. Hingegen braucht die Behörde der Partei solche Angaben nicht vorzuhalten, die diese im Verwaltungsverfahren selbst macht.

Die Beschwerdeführerin hat im Antragsformular angegeben, den Antrag in Wien unterfertigt zu haben. Unstrittig ist, daß die Überreichung des Antrages durch einen Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin auf dem Postwege bei der österreichischen Botschaft in Zagreb erfolgte. Für den Fall, daß sich die Verhältnisse (der Aufenthalt) der Beschwerdeführerin zwischen der Antragsunterfertigung und der Antragsüberreichung auf dem Postwege geändert hätten, wäre es Sache der Beschwerdeführerin gewesen, diese im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht bei der Antragstellung (oder im folgenden Verwaltungsverfahren) von sich aus darzulegen. Eine derartige Darlegung ist im Verwaltungsverfahren jedoch nicht erfolgt. Die Beschwerdeführerin hat vielmehr in der Berufung eine Adresse im zweiten Wiener Gemeindebezirk angegeben und sich ausschließlich gegen die ihrer Meinung nach dem Bescheid der Behörde erster Instanz zugrundeliegende Auffassung gewendet, § 6 Abs. 2 AufG gebiete es, einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung persönlich im Ausland einzubringen, weshalb eine Einbringung durch einen Vertreter auf dem Postwege unzulässig wäre. Diese Ausführungen können jedoch nicht als ausreichende Darlegung ihres Aufenthaltes im Zeitpunkt der Antragstellung gewertet werden, mit der die Beschwerdeführerin ihrer Mitwirkungspflicht entsprochen hätte. Daß die Frage ihres Aufenthaltes zum Zeitpunkt der Antragstellung bei der österreichischen Botschaft in Zagreb für den Erfolg ihres Antrages ausschlaggebend sein würde, mußte der Beschwerdeführerin angesichts des Bescheides der Behörde erster Instanz, die ihre Abweisung bereits auf § 6 Abs. 2 AufG gestützt hatte, bewußt sein.

Da eine Darlegung der geänderten Verhältnisse im Verwaltungsverfahren nicht erfolgte, war die belangte Behörde befugt, aufgrund der eigenen Angaben der Beschwerdeführerin, sie habe ihren Antrag in Österreich unterfertigt, davon auszugehen, daß - mangels einer ihr bekanntgegebenen Änderung der Verhältnisse zwischen der Antragsunterfertigung und der Antragsüberreichung - der Antrag nicht vor der Einreise der Beschwerdeführerin vom Ausland aus gestellt wurde (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 30. Jänner 1998, Zl. 96/19/0982, sowie vom 13. Februar 1998, Zl. 96/19/1712).

Die Abweisung des entgegen § 6 Abs. 2 erster Satz AufG gestellten Antrages könnte sich demnach nur dann als rechtswidrig erweisen, wenn die Beschwerdeführerin zu jenem Personenkreis zählte, der aufgrund § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG oder einer darauf beruhenden Verordnung der Bundesregierung ausnahmsweise zur Inlandsantragstellung berechtigt ist. Weder aus den vorgelegten Verwaltungsakten noch aus dem Beschwerdevorbringen ergeben sich jedoch Hinweise darauf, daß die Beschwerdeführerin zu diesem Personenkreis zählt.

Insbesondere ergibt sich die Zulässigkeit einer Inlandsantragstellung für die Beschwerdeführerin nicht aus § 3 Z. 4 der Verordnung der Bundesregierung BGBl. Nr. 408/1995. Zwar war die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides Angehörige im Sinne des § 3 Abs. 1 Z. 1 AufG eines österreichischen Staatsbürgers. § 3 Z. 4 der erwähnten Verordnung macht die Zulässigkeit einer Inlandsantragstellung jedoch auch noch davon abhängig, daß der Antragsteller gemäß § 14 Abs. 3 FrG sichtvermerksfrei in das Bundesgebiet eingereist ist. Aufgrund der eigenen Angaben der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren sowie aufgrund der Aktenlage hatte die belangte Behörde jedoch hinlängliche Gründe für die Annahme, daß die Beschwerdeführerin ungeachtet ihrer kroatischen Staatsangehörigkeit nicht nach § 14 Abs. 3 FrG vor ihrer Antragstellung eingereist ist. Die Beschwerdeführerin hatte bereits vor dem gegenständlichen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung einen Antrag gestellt, der mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien am 1. März 1994 gemäß § 4 Abs. 1 AufG rechtskräftig abgewiesen wurde. Diesen Bescheid übernahm die Beschwerdeführerin nach der Aktenlage

(vgl. OZl. 20 des Verwaltungaktes) in Zagreb. Hat sich die Beschwerdeführerin aber im Zeitpunkt der neuerlichen Antragstellung im Bundesgebiet aufgehalten, so mußte sie seit der Übernahme des erwähnten Bescheides in Zagreb in das Bundesgebiet eingereist sein. Da im Zeitpunkt der Antragstellung das Abkommen zwischen der Bundesregierung der Republik Österreich und der Regierung der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über die Aufhebung der Sichtvermerkspflicht, BGBl. Nr. 365/1965, gegenüber Kroatien pragmatisch weiter angewendet wurde, wäre die Beschwerdeführerin gemäß Art. 1 Abs. 2 des Abkommens befugt gewesen, im Falle einer sichtvermerksfreien Einreise nach Art. 1 Abs. 1, wenn sie sich länger als drei Monate auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates (in diesem Fall: Österreich) aufhalten wollte, die Verlängerung ihrer Aufenthaltsberechtigung zu verlangen. Gemäß Art. 2 des Abkommens waren kroatische Staatsangehörige jedoch dann sichtvermerkspflichtig, wenn sie sich zum Zwecke der Arbeitsaufnahme in das Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates begaben. Die Beschwerdeführerin legte bereits im Verwaltungsverfahren, das mit dem von ihr in Zagreb übernommenen Bescheid abgeschlossen wurde, eine Arbeits- und Entgeltsbestätigung vom 8. September 1993 vor, der zufolge sie bei einem Unternehmen in Wien unselbständig beschäftigt war (OZ 13 des Verwaltungsaktes). Da die Beschwerdeführerin auch in ihrem Antrag vom 1. August 1994 ausdrücklich auf einen Monatslohn in der Höhe von netto S 11.413,-- verwies und als Aufenthaltszweck die Ausübung einer unselbständigen Tätigkeit als Arbeiterin sowie die Ausstellung eines Befreiungsscheines für sie angab, konnte die belangte Behörde davon ausgehen, daß eine Einreise zu Arbeitszwecken erfolgte, die nach Art. 2 des erwähnten Abkommens wie auch nach dem nunmehr maßgeblichen Abkommen BGBl. Nr. 487/1995 sichtvermerkspflichtig war. Aus diesem Grunde konnte sich die Beschwerdeführerin nicht auf § 3 Z. 4 der Verordnung BGBl. Nr. 408/1995 berufen.

Da die Beschwerdeführerin noch nie über eine Aufenthaltsbewilligung verfügte, ergab sich die Zulässigkeit einer Inlandsantragstellung für sie auch nicht aus dem Umstand, daß nach der Aktenlage (vgl. OZl. 12 des Verwaltungsaktes) für die Zeit vom 2. Juli 1993 bis zum 1. Juli 1998 für sie ein Befreiungsschein ausgestellt worden war.

War für die Beschwerdeführerin aber eine Inlandsantragstellung auch nicht ausnahmsweise zulässig, so kann die Abweisung ihres entgegen § 6 Abs. 2 erster Satz AufG gestellten Antrages durch die belangte Behörde nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ergibt sich entgegen dem Beschwerdevorbringen auch nicht aus dem Umstand, daß die Beschwerdeführerin unbestritten die Ehegattin eines österreichischen Staatsangehörigen ist, weil auch ein Rechtsanspruch für den im § 3 Abs. 1 Z. 1 AufG umschriebenen Personenkreis nur insofern besteht, als sämtliche Erfolgsvoraussetzungen für einen Antrag erfüllt sind.

Dieses Ergebnis erweist sich auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 MRK nicht als rechtswidrig, weil der Gesetzgeber der Novelle zum Aufenthaltsgesetz BGBl. Nr. 351/1995 bereits mit den Bestimmungen des § 2 Abs. 3 Z. 4 AufG und des § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG sowie der darin enthaltenen und von der Bundesregierung auch genützten Verordnungsermächtigung, jedenfalls in Ansehung von Angehörigen von österreichischen Staatsbürgern, auf die durch Art. 8 MRK geschützten Rechtsgüter Bedacht genommen hat. Bedenken, daß die Umschreibung des durch diese Vorschriften erfaßten Personenkreises, für den auch eine Antragstellung im Inland in Frage kommt, zu eng wäre und Art. 8 MRK nicht entspräche, sind beim Verwaltungsgerichtshof auch im vorliegenden Fall nicht entstanden. Der Fall der Beschwerdeführerin ist auch nicht vergleichbar mit jenen Fällen, in denen nach der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts aufgrund einer verfassungskonformen Interpretation des § 6 Abs. 2 AufG eine analoge Anwendung der Bestimmung über die Verlängerung von Aufenthaltsbewilligungen geboten wäre (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Juni 1995, Slg. Nr. 14.148, sowie das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1997, Zl. 95/19/1475).

Soweit die Beschwerdeführerin darauf hinweist, ihr Ehemann habe als österreichischer Staatsbürger einen Anspruch darauf, ein Familienleben im Sinne des Art. 8 MRK zu führen, verkennt sie, daß mit diesem behaupteten Eingriff in eine Rechtsposition ihres Ehemannes nicht aufgezeigt werden kann, daß sie selbst durch den angefochtenen Bescheid in einem gesetzlich gewährleisteten Recht verletzt ist.

Bei diesem Ergebnis braucht auf die Frage, ob die belangte Behörde zu Recht auch den Sichtvermerksversagungsgrund nach § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG herangezogen hat, nicht eingegangen zu werden.

Da somit die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Verfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Offizialmaxime Mitwirkungspflicht Manuduktionspflicht VwRallg10/1/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1996192386.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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