TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/24 W241 2181241-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.10.2019
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Entscheidungsdatum

24.10.2019

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W241 2181241-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Hafner als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch RA Mag. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.11.2017, Zahl 15-1084332000/151183106, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16.04.2018 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8, 10 und 57 Asylgesetz 2005 sowie §§ 52 und 55 Fremdenpolizeigesetz 2005 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste nach seinen Angaben irregulär in Österreich ein und stellte am 25.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).

1.2. In seiner Erstbefragung am 25.08.2015 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari im Wesentlichen Folgendes an:

Er sei Hazara, schiitischer Moslem, afghanischer Staatsbürger und stamme aus der Provinz Uruzgan. Mit sieben Jahren sei er mit den Eltern in den Iran gezogen, vor ca. eineinhalb Jahren sei er dann nach Afghanistan abgeschoben worden. Dort hätte er sich ca. ein Jahr in Herat aufgehalten, vor sechs Monaten sei er ausgereist und wäre über den Iran, die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien und Ungarn nach Österreich gelangt.

Im Iran würden sich noch immer seine Eltern, ein Bruder und zwei Schwestern aufhalten. Eine Schwester wohne in Kabul, der Aufenthaltsort eines weiteren Bruders sei unbekannt.

Als Fluchtgrund gab der BF an, dass er Afghanistan verlassen habe, weil dort Schiiten und Hazara von den Taliban verfolgt würden. Als solcher hätte er Angst, dass ihm etwas geschehe. Den Iran hätte er verlassen, weil er dort keine Dokumente gehabt hätte.

1.3. Bei seiner Einvernahme am 26.09.2017 vor dem BFA, im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari, machte der BF Angaben zu seinen persönlichen Verhältnissen, seinen Verwandten im Iran und zu seinem Fluchtweg.

Zusammengefasst gab er zu seinem Fluchtgrund an, dass er - nachdem er vom Iran nach Herat abgeschoben worden wäre - sich dort in ein sunnitisches Mädchen verliebt hätte. Da deren Eltern gegen die Beziehung gewesen wären, wäre es zu Problemen gekommen. Nachdem der BF vom Bruder seiner Freundin attackiert worden wäre, hätte er beschlossen, das Land zu verlassen. Ferner befürchte er, als Schiite in Afghanistan Opfer eines durch Taliban oder IS-Kämpfer verübten Anschlages zu werden.

Der BF legte im Verfahren vor dem BFA Folgendes vor:

* Unterstützungsschreiben

* Unterlagen bezüglich gemeinnütziger Tätigkeiten

* Unterlagen bezüglich Deutschkurse und sonstiger Tätigkeiten

* diverse ärztliche Unterlagen sowie zwei Medikament-Verpackungen

1.4. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das BFA mit Bescheid vom 26.11.2017 den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zu (Spruchpunkt II.) und verband diese Entscheidung in Spruchpunkt IV. gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde ihm nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des BF 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).

In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des BF und zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Eine asylrelevante Verfolgung liege nicht vor, das Vorbringen des BF betreffend eine Verfolgung seiner Person in Afghanistan sei nicht glaubhaft. Er habe keine Verfolgung im Sinne des AsylG glaubhaft gemacht und es bestünden keine stichhaltigen Gründe gegen eine Abschiebung des BF nach Afghanistan. Im Falle der Rückkehr drohe ihm keine Gefahr, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würde.

Der BF erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des BF nach Afghanistan. Die Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die der BF bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien.

Beweiswürdigend führte das BFA (zusammengefasst) aus, dass der BF bezüglich seiner behaupteten Herkunftsregion, Volks- und Staatsangehörigkeit aufgrund seiner Sprach- und Lokalkenntnisse - im Gegensatz zu seinem Fluchtvorbringen - glaubwürdig wäre. Die Feststellungen zur Situation in Afghanistan wären glaubhaft, weil sie verlässlichen, seriösen, aktuellen und unbedenklichen Quellen entstammten, deren Inhalt schlüssig und widerspruchsfrei sei.

Seine Fluchtgeschichte habe der BF aufgrund der vagen Schilderung und angesichts mehrerer unplausibler Aussagen nicht glaubhaft machen können.

In der rechtlichen Beurteilung wurde ausgeführt, dass die Begründung des Antrages keine Deckung in der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) finde.

Subsidiärer Schutz wurde ihm nicht zuerkannt, da im Falle einer Rückkehr des BF in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur GFK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt oder im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes aufgrund der derzeitigen, allgemeinen Lage in Afghanistan nicht drohe. Dem BF sei eine Niederlassung in Kabul oder Herat möglich, da er erwachsen und erwerbsfähig sei, sodass er selbstständig durch die Ausübung einer Erwerbstätigkeit aus eigenen Kräften für die Deckung der grundlegendsten Bedürfnisse aufkommen könne.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) wurde den BF mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG der Verein Menschenrechte Österreich gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig als Rechtsberater zur Seite gestellt.

1.5. Gegen diesen Bescheid brachte der BF mit Schreiben vom 21.12.2017 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde beim BVwG ein und beantragte die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.

In der Beschwerdebegründung wurden weitwendige Ausführungen zur Lage in Afghanistan im Allgemeinen und zur Situation von schiitischen Hazara gemacht sowie vorgebracht, dass dem BF Verfolgung aufgrund seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der wegen Ehrverletzung von Blutrache bedrohten Personen drohe und "Zina-Verbrechen" auch von den staatlichen Stellen sanktioniert würden.

1.6. Die Beschwerde samt Verwaltungsakt langte am 29.12.2017 beim BVwG ein.

1.7. Das BVwG führte am 16.04.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari durch, zu der der BF im Beisein seines gewillkürten Vertreters persönlich erschien. Die belangte Behörde verzichtete auf eine Teilnahme an der Verhandlung.

Dabei legte der BF vor:

* mehrere Bestätigungen bezüglich einer gemeinnützigen Tätigkeit

* Deutschkursbestätigungen

* Bestätigungen über den Besuch eines Kurses betreffend Pflichtschulabschluss samt Zeugnis, dass der BF Teilprüfungen der Pflichtschulabschlussprüfung bestanden hat

* Anmeldebestätigung für einen Deutschkurs

* Empfehlungsschreiben

Daraufhin gab der BF auf richterliche Befragung im Wesentlichen Folgendes an (Auszug aus der Verhandlungsschrift):

"RI: Leiden Sie an chronischen oder akuten Krankheiten oder anderen Leiden oder Gebrechen?

BF: Ich habe Migräne und eine Krankheit, die ich schon beim BFA bekanntgegeben habe. Ich habe keine neuen Befunde, nur die bereits vorgelegten. Die Medikamente habe ich immer mit.

RI: Wie viel Medikamente nehmen Sie ein?

BF: Ich nehme einen Nasenspray für die Polypen und Schmerztabletten gegen die Kopfschmerzen.

[...]

RI: Geben Sie bitte Namen, Alter und Aufenthaltsorte Ihrer näheren Angehörigen (Eltern, Onkeln, Tanten, Geschwister) bekannt!

BF: Meine Eltern, meine beiden Brüder und drei Schwestern leben im Iran, in Mashad. Auch zwei Tanten von mir leben in Mashad. Ein Onkel von mir lebt in Teheran, ich weiß aber nicht genau wo.

RI: Haben Sie nicht auch einen Onkel in Herat?

BF: Seit 2015 habe ich keinen Kontakt mehr. Ich weiß nichts von ihm.

RI: Haben Sie Kontakt zu Ihrer Familie im Iran?

BF: Ja.

RI: Welcher Tätigkeit gehen Ihre Eltern sowie Ihre Geschwister nach?

BF: Mein Vater hat verschiedene Tätigkeiten ausgeführt, mitunter auch am Bau. Meine Mutter ist Hausfrau. Meine Geschwister sind Näher und Näherinnen. Ich möchte noch hinzufügen, dass eine Schwester von mir in Kabul gewohnt hat. Sie ist aufgrund der Unruhen in Afghanistan nach Mashad gekommen. Sie wohnt jetzt auch gemeinsam mit meiner Familie in Mashad.

RI: Haben Sie in Ihrem Herkunftsstaat bzw. im Iran eine Schul- oder Berufsausbildung absolviert?

BF: Im Iran habe ich keine richtige Schule besucht. Es war so eine Art Abendschule, die von Afghanen organisiert wurde. Ich besuchte diese Schule nicht durchgehend. Alle haben sich in einer Mietwohnung versammelt und gelernt.

RI: Wie viele Jahre waren Sie ca. in dieser Schule?

BF: Ich möchte sagen, dass ich nicht durchgehend in der Schule war. Es waren aber zusammengerechnet 4 Jahre.

RI: Haben Sie eine Berufsausbildung erhalten?

BF: Zuerst habe ich als Verkäufer gearbeitet. Danach war ich für ca. 3 Jahre am Bau tätig. Danach habe ich 7 Jahre als Gärtner gearbeitet.

RI: Wie stellte sich Ihre finanzielle Situation bzw. die Ihrer Familie vor Ihrer Ausreise dar?

BF: Wir waren im Iran alle illegal, ohne Aufenthaltstitel aufhältig. Die Lage war für uns sehr schlecht, aus sozialer Sicht. Aus finanzieller Sicht war es normal.

RI: Wie viel hat Ihre Ausreise gekostet und wer ist dafür aufgekommen?

BF: Ich habe 2 200.000 iranische Toman bis in die Türkei, 1.100 USD von der Türkei nach Griechenland und 1.900 Euro von Griechenland nach Österreich. Das Geld gehörte zum Teil mir. Ich habe im Iran gearbeitet.

RI: Die Krankheiten, die Sie beschrieben haben, haben Sie schon seit Ihrer Kindheit. Stimmt das?

BF: Wenn Sie die Stirnhöhlenkrankheit ansprechen, die habe ich seit meiner Kindheit.

RI: Sind oder waren Sie Mitglied einer politischen Partei oder einer anderen politisch aktiven Bewegung oder Gruppierung?

BF: Nein.

RI: Wo wurden Sie geboren und wo haben Sie wie lange gewohnt? Bitte geben Sie diese Details möglichst chronologisch an.

BF: Ich bin in der Provinz Uruzgan, im Distrikt XXXX , im Dorf XXXX , geboren. Mit 7 Jahren bin ich mit meiner Familie in den Iran geflohen. Dort war ich für 17 Jahre. 1393 = 2014 wurde ich nach Afghanistan zurückgeschickt. Ich war dann für 10 Monate in Herat. Ich wollte zurück nach Mashad. Ich wurde krank. Es gab zwei Möglichkeiten wieder in den Iran zu gehen. Die eine war illegal einzureisen. Die andere war auf dem Pilgerweg in den Iran zu gelangen. Die sichere Variante war der Pilgerweg. Der Schlepper wollte die Pilgerfahrt organisieren. Er hat mein Geld genommen. Ich musste dann warten, bis ich von meiner Familie Geld bekomme, um nach Mashad zurückzukehren. Deshalb habe ich mich länger in Afghanistan aufgehalten.

RI: Als Sie von Herat wieder in den Iran zurückgekommen sind? Wie lange waren Sie dann im Iran?

BF: Ich war für 5 Monate im Iran.

RI: Warum haben Sie das Geld, welches Sie für die Reise nach Europa gespart haben, nicht verwendet, um von Afghanistan zurück in den Iran zu kommen?

BF: Wie ich schon erwähnt habe, wurde ich krank. Deshalb musste ich länger in Afghanistan bleiben. Das Geld war bei meinem Arbeitgeber. Er kannte meine Familie nicht. Er konnte es ihnen deshalb nicht geben. Auch die Familie hat mich bei der Reise nach Europa finanziell etwas unterstützt.

RI: Wann sind Sie aus Afghanistan in den Iran zurückgegangen?

BF: Das war im 12. Monat 1393. Es waren ungefähr 5 Tage vor dem Neuen Jahr, als ich im Iran ankam.

RI: War die Wohnung, in der Ihre Familie lebt, eine Mietwohnung oder Eigentum Ihrer Familie?

BF: Früher wohnten wir zur Miete. Mein Vater hat mir dann erzählt, dass er die Wohnung gekauft hätte. Die letzten sieben Jahre, in denen ich Gärtner war, war ich meistens in der Arbeit und nicht zuhause. Ob er die Wohnung wirklich gekauft hat, weiß ich nicht. Aber die Familie wohnt noch immer an derselben Adresse. Ich möchte noch hinzufügen, dass mein Vater einige Makler als Freunde hatte und die Wohnung nicht auf seinen Namen, sondern auf den Namen eines Iraners kaufte, da es nicht möglich war, die Wohnung auf seinen Namen zu kaufen.

RI: Haben in Ihrer Wohngegend auch andere afghanische Familien gewohnt?

BF: Es haben sowohl Afghanen als auch Iraner dort gewohnt.

RI: Haben Sie afghanische Feste etc. gefeiert? Also nach der afghanischen Tradition gelebt?

BF: Wir haben uns an die Kultur im Iran schon gewöhnt. Wir haben eher nach der iranischen Kultur gelebt. Die islamischen Feierlichkeiten sind gleich. Sie wurden von uns gefeiert.

Zur derzeitigen Situation in Österreich:

RI: Haben Sie in Österreich lebende Familienangehörige oder Verwandte?

BF: Nein.

RI ersucht D, die folgenden Fragen nicht zu übersetzen. RI stellt diverse Fragen.

RI: Sprechen Sie Deutsch? Haben Sie mich bis jetzt auch ohne Übersetzung durch den D verstehen können?

BF: Ja, ein bisschen.

RI stellt fest, dass der BF die zuletzt gestellten und nicht übersetzten Fragen verstanden und in einem einfachen Deutsch beantwortet hat.

Die Befragung wird wieder mit dem Dolmetsch geführt.

RI: Besuchen Sie derzeit einen Deutschkurs oder haben Sie einen Deutschkurs bereits besucht?

BF: Ja, ich besuche den B1 Kurs.

RI: Haben Sie Arbeit in Österreich? Gehen Sie einer regelmäßigen Beschäftigung nach?

BF: Derzeit arbeite ich im Heim als Putzkraft. Ich möchte eine Arbeit im Gartenbereich finden. Sollte es nicht möglich sein, würde ich jede andere Arbeit auch annehmen.

RI: Welche Arbeit könnten Sie sich vorstellen auszuüben? Was würden Sie sich zumuten?

BF: Ich habe schon seit meiner Jugend gearbeitet. Ich fürchte mich vor keiner Arbeit. Am liebsten möchte ich im Gartenbereich arbeiten. Ich würde aber auch gerne am Bau oder im Bereich "Kochen" arbeiten. Als Gärtner habe ich sehr viel Erfahrung. Ich hatte ein Job-Angebot als Küchengehilfe. Es wäre jedoch ein Vollzeitjob gewesen. Da ich aber keinen positiven Bescheid in Händen habe, konnte ich dieses Jobangebot nicht annehmen. Wäre ich positiv entschieden worden, hätte ich diesen Job annehmen können.

RI: Besuchen Sie in Österreich bestimmte Kurse oder eine Schule, oder sind Sie aktives Mitglied in einem Verein? Gehen Sie sportlichen oder kulturellen Aktivitäten nach?

BF: Ich bin in keinem bestimmten Verein. Es gibt einen Verein, wo österreichische und afghanische Freunde sich einmal pro Monat treffen, dort gemeinsam kochen. Ich besuche gerne Museen. Ich lerne auch von den österreichischen Freunden, indem ich sie häufig treffe, die österreichischen Feste, z.B. Silvester, kennen.

RI: Wurden Sie in Österreich jemals von einem Gericht wegen einer Straftat verurteilt oder von einer Behörde mit einem Aufenthaltsverbot oder Rückkehrverbot belegt?

BF: Nein.

Zu den Fluchtgründen und zur Situation im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat:

RI: Nennen Sie jetzt bitte abschließend und möglichst umfassend alle Gründe, warum Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen haben bzw. warum Sie nicht mehr in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren können (Fluchtgründe). Nehmen Sie sich dafür nun bitte ausreichend Zeit, alles vorzubringen.

BF: Zuerst möchte ich sagen, dass ich in Herat ein Problem hatte. Ich bin von der Volksgruppe der Hazara und Schiit. Es ist klar, dass in Afghansitan Hazara, schiitische Moslem, eine Minderheit sind. Die Taliban und die Daesh sind eine radikale Gruppe und gegen die Schiiten. Sie sind der Auffassung, wenn sie 7 Schiiten töten, dann kommen sie in den Himmel. Dort ist es mir nicht möglich, mit solchen Menschen zu leben. In Afghanistan gibt es nirgendwo Sicherheit. Ich kann nicht sagen, dass, wenn der Norden unsicher ist, ich in den Süden flüchte und umgekehrt. Es gibt überall Bombenattentate. Die Menschen werden umgebracht. Für die Hazara ist es sehr schwer dort zu leben. Es gibt auch Meinungsverschiedenheiten zwischen Sunniten und Schiiten.

Im Iran hatte ich Angst, dass ich wieder nach Afghanistan zurückgeschickt werde, wo die Taliban und die Daesh sind. Daher hatte ich keine andere Wahl und musste hierher flüchten.

Ich bin im Iran aufgewachsen und bin nach iranischer Kultur aufgewachsen. In Afghanistan hat es schon immer Krieg wie, Bürgerkrieg, Russeneinmarsch, Taliban und Daesh gegeben. Ich habe große Angst dort zu leben. Auch aufgrund der Erzählungen der Leute, traue ich mich nicht dort zu leben. Ich wurde vom Iran nach Afghanistan zurückgeschickt. Ich war nicht freiwillig in Afghanistan. Ich kenne die afghanische Kultur nicht. Im Gegensatz dazu kenne ich die iranische Kultur wie meine eigene Hand. Die Hazara waren immer schon eine Minderheit und wurden immer unterdrückt. Als Kind war ich gezwungen, das eigene Land zu verlassen und in den Iran zu flüchten. Wegen der Taliban und den Daesh habe ich sehr große Angst in meinem eigenen Land zu leben. Die Hazara haben immer Schwierigkeiten gehabt, sogar mit der Regierung. Ich persönlich hatte keine Probleme mit der Regierung, da ich als Kind im Iran aufgewachsen bin. Ich war ja nicht in Afghanistan. Ich fühle mich nicht wie ein Afghane, da ich im Iran aufgewachsen bin und nicht in Afghanistan war. Meine Eltern haben immer negativ über Afghanistan gesprochen, und auch über die Nachrichten die BBC oder andere Sender habe ich immer Negatives und über Kriege gehört. Wenn man das hört, möchte und traut man sich dort nicht zu leben. Es ist schon richtig, dass ich offiziell afghanischer Staatsbürger bin, jedoch kenne ich Afghanistan und die Kultur nicht. Auch was ich von Freunden und der Familie erzählt bekommen habe, möchte ich dort nicht leben.

RI: Sind das alle Gründe oder möchten Sie noch etwas ergänzen oder vorbringen?

BF: Das waren alle Gründe.

Die Verhandlung wird um 15:45 Uhr für eine kurze Pause für eine Besprechung zwischen dem BF und dem gewillkürten Vertreter unterbrochen und um 15:52 fortgesetzt.

BF: Das Problem, das ich in Herat hatte, möchte ich noch gerne schildern.

In Herat habe ich mich in ein Mädchen verliebt. Der Name des Vaters des Mädchens war XXXX . Ich wollte sie heiraten. Sie war Sunnitin. Es war alles geheim. Sogar meinem Onkel hatte ich nichts erzählt, ich hatte Angst, dass er eventuell dagegen ist. Ich war verliebt und wollte sie heiraten. Ich habe auch mit ihr zweimal Sex. Ich habe ihr angeboten, dass ich die Absicht zu heiraten, meinem Onkel erzähle, und dass mein Onkel ihren Vater um die Hand bitten würde. Sie war jedoch dagegen und verneinte, weil sie meinte, ihr Vater wäre dagegen und würde uns beide töten. Sie meinte, wir sollten gemeinsam flüchten, weil ihr Vater sie an einen älteren Mann verheiraten möchte. Es war auch die Rede, dass dieser Mann zu einer Gruppe der Taliban gehöre. Der Kommandant dieser Gruppe heißt XXXX . Wir wollten dann von Afghanistan in den Iran flüchten und danach nach Europa weiterreisen. Im Iran wäre es für mich einfacher gewesen, weil ich dort Familie hatte und mich auskannte. Wir haben es jedoch nicht geschafft. Mein Onkel hatte mir einen Schlepper gesucht und gesagt, wir sollten ca. zwei Wochen warten, da der Schlepper mehrere Leute zusammensammelt, um diese in den Iran zu bringen. Er hat uns gesagt, wir sollten uns bereit halten, wenn er uns sagt, dass es soweit ist, um zu flüchten. Wir wollten einige Dinge für die Flucht, wie Kleidung, Schuhe etc., kaufen. Ich habe auch meiner Freundin gesagt, sie soll sich auf die Flucht vorbereiten und darauf achten, dass die Eltern nichts merken.

RI: Sie haben gesagt, Sie hätten Ihrem Onkel nichts von Ihrer Freundin gesagt. Wie kann es dann möglich sein, dass Ihr Onkel einen Schlepper für Sie und Ihre Freundin besorgt? Der Schlepper muss doch wissen, wie viele Leute zu schleppen sind, und den Preis dafür veranschlagen.

BF: Mein Onkel hat davon nichts gewusst. Er hat mir nur gesagt, dass 3 Millionen Toman pro Person zu zahlen wären, da hätte ich dann selbst mit dem Schlepper gesprochen, weil es für ihn besser ist, wenn er mehr Personen hat. Ich habe auch mit meiner Familie telefoniert, damit sie mir das Geld schicken oder bereithalten sollten, wenn wir in Mashad ankommen. Sie sollten das Geld dann dem Schlepper geben.

BF führt zur Ergänzung seiner Fluchtgeschichte weiter aus:

Wir wollten Schuhe kaufen. Ich bin mit meinem Cousin, Sohn des Onkels, auf seinem Motorrad in die Stadt zu dem Schuhgeschäft gefahren, wo ich mich mit XXXX treffen wollte. Als ich dort war, kam sie aus dem Schuhgeschäft heraus und wollte mir zeigen, was sie eingekauft hat. Jemand begann zu schimpfen und meinte, was ich mit ihrer Schwester zu tun habe. Als wir uns umdrehten, sagte mir meine Freundin, dass das ihr Bruder sei. Ich habe sie an der Hand genommen und wir sind in Richtung Motorrad meines Cousins gelaufen. Als ich ihr helfen wollte, da sie stürzte, rief mein Cousin, wir sollten uns entfernen, da wir sonst Probleme bekommen würden. Mein Cousin ist mit dem Motorrad zu uns gekommen.

Ich wollte noch zu meiner Aussage betreffend des Schleppers hinzufügen, dass es in Afghanistan Gang und Gebe ist, dass die Schlepper auch im Iran das Geld kassieren. Damit möchte ich sagen, dass, auch wenn ich das Geld nicht bekommen hätte, hätte ich mit meiner Freundin in den Iran flüchten können und die Familie hätte das Geld an der genannten Adresse des Schleppers an diesen bezahlt.

Die Entfernung von meinem Cousin zu uns war nicht so groß. Er drehte sich mit dem Motorrad zu mir, ich stieg auf und wir flüchteten. Ich sagte zu ihm, wir sollten nach Hause fahren. Er meinte, das sei zu gefährlich. Sie finden es heraus, deshalb ist das kein guter Vorschlag. Er hat mich zu einem Freund von ihm gebracht. Ich war ca. 1 1/2 Stunden dort, als mein Onkel seinen Sohn anrief und fragte, wo wir sind bzw. wo wir geblieben sind. Ich nahm das Telefon und erzählte ihm, was passiert war. Er schimpfte und sagte mir, wir sollen dort bleiben, wo wir sind. Mein Onkel sagte weiter, sie seien gekommen, hätten geschimpft und auch das Fenster eingeschlagen. Mein Onkel sagte ihnen, ich gehöre nicht zu seiner Familie und er wisse nicht, wo ich bin.

RI: Die Familie des Mädchens: War sie mit Ihrem Onkel bekannt?

BF: Ich glaube nicht.

RI: Sie haben gesagt, 1 1/2 Stunden nach dem Vorfall hat Ihr Onkel angerufen. Die Fenster, die eingeschlagen wurden, waren schon vor dem Anruf zerschlagen worden?

BF: Es war vor dem Anruf. Er hat eine Mietwohnung.

RI: Sind Sie nach dem Vorfall bei Ihrem Onkel, er wurde ja attackiert, ausgereist?

BF: Ja, da mein Onkel meinte, wir sollen dort bleiben, wo wir sind, dort sind wir sicher. Ich habe meinen Onkel gebeten, dass er einen Schlepper suchen soll, damit ich zumindest flüchten kann. Wir sind ja eine Familie. Er schickte mich zusammen mit seinem Sohn in den Iran.

RI: Ist die Familie des Mädchens eine streng gläubige Familie und konservativ eingestellt?

BF: Ich kann nur sagen, was ich gehört habe. Ihre Eltern wären gegen unsere Verbindung. Ich kannte die Familie nicht. Ich kann nur sagen, dass es bei den Moslems, unabhängig ob Schiit oder Sunnit, wenn es um die Ehre geht, sehr streng genommen wird.

RI: Erzählen Sie davon, wie Sie Ihre Freundin kennengelernt haben.

BF: Es war zu dem Zeitpunkt, als ich selbst flüchten wollte. Dieser Schlepper hatte mir mein Geld genommen. Mein Onkel und sein Sohn haben Früchte verkauft. Sie hatten einen Wagen, wo die Früchte lagen, die sie verkauft haben. Sie verkauften an einem Platz, den man "Iranische Bücherei" genannt hat. Man sagte, es sei von den Iranern erbaut worden. An einem Tag war ich mit meinem Cousin zusammen, als er die Früchte verkaufte, er musste kurzfristig weg und meinte, ich solle kurz auf den Wagen aufpassen. Während dieser Zeit habe ich XXXX kennengelernt. Sie kam zu diesem Stand, um Früchte zu kaufen. Ich denke, sie war mit ihrer Mutter unterwegs. Sie fragten mich nach den Preisen. Ich antwortete, dass der Besitzer gerade nicht da ist und ich die Preise nicht wüsste. Sie sollten kurz warten. Nachdem ich Iranisch spreche, fragte sie mich, ob ich aus dem Iran bin. Ich verneinte dies, und meinte, dass ich Afghane sei, aber im Iran aufgewachsen bin. Ich spreche eben wie ein Iraner dadurch. So sind wir ins Gespräch gekommen.

RI: War XXXX verschleiert oder nicht?

BF: Ich denke, sie hatte eine Schuluniform an.

RI: War ihr Gesicht verhüllt?

BF: Nein.

RI: Wie ging es dann nach dem Gespräch mit dem Kennenlernprozeß weiter?

BF: Sie ging dann weg. An einem weiteren Tag war ich mit meinem Cousin auf einem Friedhof namens XXXX um zu beten. Durch Zufall habe ich dort XXXX gesehen. Sie war mit ihren Freunden unterwegs. Ich habe sie am Friedhof angesprochen und sie gefragt, ob ich ihr meine Telefonnummer geben kann und wir in Kontakt bleiben können. Zuerst hat sie es verneint, 20 Minuten später habe ich sie nochmals angesprochen und konnte sie dazu überreden, die Telefonnummer meines Cousins zu nehmen. Ich selbst hatte kein Handy. Danach waren wir in Kontakt.

RI: Wie hat der Kontakt ausgesehen? Wie haben Sie sich wo getroffen?

BF: Zuerst haben wir über SMS kommuniziert. Als wir uns treffen wollten, haben wir uns entweder bei meinem Onkel, wenn er in der Arbeit war und seine Frau einkaufen war, zu Hause getroffen. Sonst haben wir uns in einer Art Lagerraum, wo das Obst für meinen Onkel gelagert war, getroffen. Der Schlüssel befand sich immer in der Obhut meines Cousins.

D erwähnt, dass der BF das Wort für Halle nicht kennt in Dari und dass das Wort, das der BF verwendet hat, dem D nicht bekannt ist.

RI: Wie ist der Geschlechtsverkehr wo abgelaufen?

BF: In der Halle, in der das Obst gelagert war.

RI: Waren es beide Male in der Lagerhalle?

BF: Ja.

RI: Wie können Sie sich erklären, dass die Familie von XXXX so schnell bei Ihrem Onkel war, wenn die Familie Ihrem Onkel doch überhaupt nicht bekannt war?

BF: Die richtige Antwort darauf habe ich nicht. Ich schätze aber, dass entweder die Nachbarn etwas erzählt haben oder jemand anderer der mich gesehen hat. Ich war auch auffällig, weil ich "neu" dort war und man nannte mich auch "Iraner". Es kann aber auch sein, dass die Familie von XXXX naschgefragt hat und die Leute haben es ihnen gesagt.

RI: Wurde bei einer derart traditionellen Familie, wie aus Ihren Erzählungen die Verheiratung der Tochter mit einem Taliban zu entnehmen ist, der Tochter erlaubt, alleine außer Haus zu und mit Ihnen einkaufen zu gehen. Das ist in Afghanistan doch sehr unüblich. Was sagen Sie dazu?

BF: Es war bekannt, dass dieser Mann, den XXXX heiraten sollte, ein Mitglied der Taliban Gruppierung war. Ich kannte ihn nicht. Auch XXXX sagte mir, dass sie ihn nicht gesehen hätte. Zu den Treffen gebe ich an, dass wir uns immer nur 2 bis 3 Minuten getroffen haben. Manchmal gingen wir nur aneinander vorbei. Diese Treffen in diesem Lagerraum haben 30 bis 40 Minuten gedauert. Sie hatte dafür die Ausrede mit der Schule. Sie hatte etwas Zeit auf dem Weg nach Hause, so konnten wir uns treffen. Für mich war es wichtig, dass wir zumindest in den Iran flüchten können, weil ich verliebt war. Jedoch hat ihr Bruder uns gesehen und es so ist alles aufgekommen und beendet (kaputt) geworden.

RI: Der Bruder von XXXX hat Sie auf der Straße beschimpft. Was genau hat er zu Ihnen gesagt?

BF: Er hat gesagt: "Hurenkinder, Hurenkinder, ihr männlichen Prostituierten" etc.

RI: Hat der Bruder von XXXX etwas von der Beziehung gewusst? Sie haben einander ja nur zum Einkaufen getroffen. Der Bruder von XXXX konnte von Ihrer sexuellen Beziehung ja gar nichts wissen. Was sagen Sie dazu?

BF: Ich weiß bis heute nicht, ob er davon wusste. Vielleicht kam er drauf, oder er hat das Handy von XXXX gesehen. Es ging alles sehr schnell. Als ich mich umdrehte, sagte XXXX , es sei ihr Bruder und wir sollten flüchten. Wie sie das Haus meines Onkels finden konnten, weiß ich auch nicht.

RI: Hat Ihnen Ihr Onkel erzählt, was noch passiert ist, abgesehen davon, dass das Fenster eingeschlagen wurde? Sind die Familienangehörigen dann wieder gegangen?

BF: Mein Onkel sagte mir, nachdem sie ihn beschimpft und das Fenster eingeschlagen haben, sie weggegangen sind. Er meinte zu mir: "Was hast Du mir angetan. Bleib wo du bist." Ich habe ihn ersucht, einen Schlepper zu finden.

RI: Ist Ihr Cousin noch im Iran oder wieder nach Herat zurückgekehrt?

BF: Mein Cousin war für einige Monate in Mashad. Danach ist er nach Teheran gegangen um sich Arbeit zu suchen. Er hat mir auch immer Vorwürfe gemacht. Ich weiß nicht, ob er in die Türkei oder an einen anderen Ort im Iran gegangen ist.

RI: Wann hatten Sie den letzten Kontakt zu Ihrem Onkel?

BF: Nachdem ich aus Herat geflüchtet bin, hatte ich keinen Kontakt mehr zu ihm. Mein Onkel hat mit meiner Familie gesprochen und sie haben sich gegenseitig beschimpft.

RI: Haben Sie nicht mehr versucht, mit Ihrem Onkel in Kontakt zu treten?

BF: Nein. Ich habe auch meine Mutter gefragt, ob sie noch Kontakt zu ihm hat. Meine Mutter meinte, mein Onkel hätte ihr gesagt, dass er nach Mazar-e Sharif gehen würde. Ob er es getan hat oder nicht, weiß niemand.

RI: Haben Sie noch versucht, Ihre Freundin zu kontaktieren?

BF: Ich hatte keine Möglichkeit mehr, sie zu kontaktieren. Ich habe einen Facebook-Account eröffnet. Vielleicht findet sich mich über Facebook, wenn sie einen Account hat. Bis jetzt erfolgte keine Kontaktaufnahme.

RI: Sie hatten ja die Telefonnummer von XXXX . Wieso können Sie sie dann nicht erreichen?

BF: Ich habe die Nummer nicht mehr. Die Nummer meiner Eltern bzw. Geschwister habe ich im Telefon eingespeichert. Ich kenne sie auch nicht auswendig.

RI: Sie haben mit dem Handy Ihres Cousins Kontakt aufgenommen. Später dann haben Sie Kontakt per SMS aufgenommen, als Sie ein eigenes Handy hatten. Warum haben Sie nicht versucht Kontakt aufzunehmen und nachzufragen, wie es ihr geht, was mit ihr passiert ist? Sie waren ja sehr verliebt in XXXX .

BF: Ich hatte das Telefon nicht mehr. Es war bei meinem Onkel geblieben.

RI: Wo ist das Handy Ihres Cousins geblieben?

BF: Damit meine ich das Handy meines Cousins. Sein Vater hat es ihm abgenommen. Sonst hätte ich sie aus Mashad kontaktiert.

RI: Wie haben Sie dann ohne Handy mit dem Schlepper Kontakt aufgenommen?

BF: Mein Onkel hat mit dem Schlepper Kontakt aufgenommen.

RI: Haben Sie sich das letzte Mal mit XXXX in dem Stadtviertel getroffen, in dem Sie auch gewohnt haben?

BF: Ja, es war in der gleichen Ortschaft. Sie heißt XXXX .

RI: Ihre Freundin kam auch aus diesem Ortsteil?

BF: Sie war etwas weiter weg von der Ortschaft XXXX . Ich war aber nicht dort.

RI: Wo war die Schule von XXXX ?

BF: Die Schule war in der Nähe der Ortschaft XXXX , von dort war die Schule ca. 20 Minuten zu Fuß entfernt.

RI: Musste Ihre Freundin nicht einen großen Umweg machen, wenn Ihre Freundin Sie für 2 bis 3 Minuten gesehen hat? Hatte sie da keine Schwierigkeiten zuhause bekommen?

BF: Es war unterschiedlich. Entweder habe ich sie dort gesehen, wo mein Cousin die Früchte verkauft hat. Manchmal habe ich sie auch nur kurz gesehen.

RI: Glauben Sie, dass die Familie, wenn Sie nach Kabul kommen würden, Sie dann auch noch verfolgen würden?

BF: Ich denke schon. Auch dieser Mann, der das Mädchen heiraten wollte, gehört der zu einer Gruppierung der Taliban und daher ist es keine Schwierigkeit, mich über die Taliban in Kabul zu finden. Es ist bei den Taliban einfach, da die Taliban Verwandte auch in der Regierung haben.

1.8. Mit Schreiben vom 05.11.2018 legte der BF diverse Integrationsunterlaen vor.

1.9. Mit Verfahrensanordnung vom 11.02.2019 wurden dem BF das Länderinformationsblatt zu Afghanistan vom 29.06.2018 (aktualisiert am 31.01.2019), Festellungen zur Lage in den Städten Mazar-Sharif und Herat sowie zur Dürre in Herat und Mazar-i-Sharif übermittelt.

Eine Stellungnahme dazu langte bis zum heutigen Tag der Entscheidung nicht ein.

2. Beweisaufnahme:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

* Einsicht in den dem BVwG vorliegenden Verwaltungsakt des BFA, beinhaltend die Niederschriften der Erstbefragung und der Einvernahme vor dem BFA sowie die Beschwerde

* Einsicht in Dokumentationsquellen betreffend den Herkunftsstaat des BF im erstbehördlichen Verfahren (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation)

* Einvernahme des BF im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 16.04.2018

* Einsicht in die vom BF vorgelegten Unterlagen

* Einsichtnahme in folgende vom BVwG zusätzlich eingebrachte Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat des BF:

o Berichte über die allgemeine Lage im Herkunftsstaat (Auszüge aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018 sowie eine Aktualisierung vom 31.01.2019)

o Zusammenfassung der UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs Afghanischer Asylsuchender vom April 2016

o Anmerkungen von UNHCR zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministerium des Innern vom Dezember 2016

o Festellungen zur Lage in den Städten Mazar-e Sharif und Herat sowie zur Dürre in Herat und Mazar-e Sharif

o Feststellungen zu den ethnischen Minderheiten in Afghanistan (Hazara)

o Auszug aus einer Anfragebeantwortung von ACCORD zur Situation für AfghanInnen (insbesondere Hazara), die ihr ganzes Leben im Iran verbracht haben und dann nach Afghanistan kommen

3. Ermittlungsergebnis (Sachverhaltsfeststellungen):

Folgende Feststellungen werden aufgrund des glaubhaft gemachten Sachverhaltes getroffen:

3.1. Zur Person des BF:

3.1.1. Der BF führt den Namen XXXX , geboren am XXXX , ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und bekennt sich zum schiitischen Islam. Die Muttersprache des BF ist Dari, er spricht auch Farsi und bereits verständliches Deutsch.

Der BF stammt aus der Ortschaft XXXX , Bezirk XXXX , Provinz Uruzgan, Afghanistan. Mit sieben Jahren ist der BF mit seinen Eltern in den Iran gezogen, wo er ca. 17 Jahre lebte. Danach hielt er sich nach seiner Abschiebung nach Afghanistan 2014 ca. zehn Monate bei seinem Onkel in Herat auf.

Seine Eltern, zwei Brüder, drei Schwestern, ein Onkel und zwei Tanten leben aktuell im Iran. Die Eltern besitzen eine Eigentumswohnung, der Vater arbeitet als Bauarbeiter, die Geschwister als Näher. Ob der vom BF erwähnte Onkel noch immer in Herat aufhältig ist, kann nicht mit ausreichender Sicherheit festgestellt werden.

Die finanzielle Situation der Familie des BF wurde vom BF als normal bezeichnet.

Der BF besuchte laut eigenen Angaben insgesamt ca. vier Jahre lang eine von Afghanen im Iran organisierte Schule und kann lesen und schreiben. Er arbeitete als Verkäufer, auf Baustellen und zuletzt als Gärtner.

Laut Angaben des BF besteht zu seinen Eltern und Geschwistern Kontakt.

3.1.2. Der BF ist jung, männlich und arbeitsfähig. Er leidet laut den vorgelegten ärztlichen Unterlagen an Migräne, Polypen, einer Stirnhöhlenerkrankung und Rückenschmerzen. Seitdem wurden durch den BF bis zum heutigen Tag der Entscheidung keine weiteren Befunde vorgelegt, weshalb nicht davon ausgegangen wird, dass sich der BF aktuell in ärztlicher Behandlung befindet oder krankheitswertige psychische Störungen vorliegen.

Hinweise auf lebensbedrohende oder schwerwiegende Krankheiten haben sich zum aktuellen Zeitpunkt keine ergeben.

3.1.3. Der BF verließ im Alter von sieben Jahren Afghanistan und lebte 17 Jahre lang im Iran. 2014 wurde er nach Afghanistan, Herat, abgeschoben, wo er sich ca. zehn Monate aufhielt. Danach kehrte er in den Iran zurück, blieb dort ca. fünf Monate und reiste Mitte 2015 über die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien und Ungarn nach Österreich, wo er am 25.08.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

3.1.4. Der BF hält sich seit August 2015 in Österreich auf und spricht bereits verständliches Deutsch. Er hat sich gemeinnützig betätigt, Deutschkurse absolviert, holt den Pflichtschulabschluss nach und pflegt Kontakte zu österreichischen Personen. Er ist aktuell nicht selbsterhaltungsfähig und bezieht Leistungen aus der Grundversorgung. Der BF hat in Österreich keine Verwandten und ist strafrechtlich unbescholten.

3.2. Zu den Fluchtgründen des BF:

Der BF hat sein Vorbringen, dass er in Afghanistan von den Angehörigen seiner damaligen Freundin verfolgt worden wäre, nicht glaubhaft gemacht.

Es kann nicht festgestellt werden, dass dem BF wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara bzw. zur schiitischen Religion bei einer Rückkehr nach Afghanistan konkret und individuell physische und/oder psychische Gewalt droht. Ebenso wenig kann festgestellt werden, dass jeder Angehörige der Volksgruppe der Hazara bzw. der schiitischen Religion in Afghanistan physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt ist.

Es kann nicht festgestellt werden, dass dem BF bei einer Rückkehr nach Afghanistan allein auf Grund der Tatsache, dass er den Großteil seines Lebens im Iran verbracht hat bzw. dass jedem Rückkehrer aus dem Iran physische und/oder psychische Gewalt droht.

Der BF wurde nach eigenen Angaben in seinem Herkunftsstaat niemals inhaftiert, ist nicht vorbestraft und hatte mit den Behörden seines Herkunftsstaates weder auf Grund seines Religionsbekenntnisses oder seiner Volksgruppenzugehörigkeit noch sonst irgendwelche Probleme. Der BF war nie politisch tätig und gehörte nie einer politischen Partei an.

Grund für die Ausreise des BF aus seinem Herkunftsstaat waren die dortige unsichere persönliche und allgemeine Situation und die Suche nach besseren - auch wirtschaftlichen - Lebensbedingungen im Ausland.

3.3. Zu einer möglichen Rückkehr des BF in den Herkunftsstaat:

3.3.1. Es konnte vom BF nicht glaubhaft vermittelt werden, dass er im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat einer Verfolgung aus asylrelevanten Gründen ausgesetzt wäre.

3.3.2. Der BF ist im erwerbsfähigen Alter und männlich. Dass sein allgemeiner Gesundheitszustand erheblich beeinträchtigt wäre, hat der BF im Verfahren weder behauptet, noch ist es dem erkennenden Gericht sonst bekannt geworden.

3.3.3. Eine Rückkehr des BF in die Herkunftsprovinz Uruzgan scheidet aus, weil ihm dort aufgrund der vorherrschenden Sicherheitslage ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen würde, zumal auch die Erreichbarkeit der Provinz (etwa von Kabul aus) auf sicherem Weg nicht gewährleistet werden kann.

Dem BF ist es aber möglich und zumutbar, sich stattdessen in der Hauptstadt Kabul, in Mazar-e Sharif oder Herat niederzulassen. Er ist mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates und einer in Afghanistan gesprochenen Sprache (Dari) vertraut. Er kann lesen und Schreiben und hat als bisher als Verkäufer, Bauarbeiter und Gärtner gearbeitet. Der BF war bereits zehn Monate in Herat aufhältig, in Kabul oder Mazar-e Sharif hat er bisher noch nicht gelebt. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass der BF in diesen Städten über familiäre oder soziale Anknüpfungspunkte verfügt, so ist der aktuelle Aufenthaltsort des Onkels aus Herat dem BF unbekannt. Dem BF ist allerdings aus eigenem der Aufbau einer Existenzgrundlage in diesen Städten möglich. Der BF kann seine Existenz in Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Zudem verfügt der BF über ein familiäres Netzwerk, mit dem er in Kontakt steht. So sind seine im Iran aufhältigen Angehörigen (Eltern, Geschwister) arbeitstätig, auch befinden sich ein Onkel und zwei Tanten im Iran. Somit besteht die Möglichkeit, dass wenigstens einer dieser Verwandten in der Lage ist, dem BF - zumindest zu Beginn als Starthilfe - finanzielle Unterstützung zukommen zu lassen. Mit dieser Unterstützung ist ihm der Aufbau einer Existenzgrundlage in Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat möglich. Der BF ist auch in der Lage, in Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat eine einfache Unterkunft zu finden. Er hat auch die Möglichkeit, Rückkehrunterstützung in Anspruch zu nehmen und damit eine weitere finanzielle Hilfe zu erhalten. Als alleinstehender, im Wesentlichen gesunder und leistungsfähiger Mann im berufsfähigen Alter samt Berufserfahrung ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf liefe der BF auch nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Der BF leidet an keinen schwerwiegenden, lebensbedrohlichen Erkrankungen.

3.3.4. Der BF kann die Hauptstadt Kabul bzw. Mazar-e Sharif oder Herat - über Kabul - von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug erreichen.

3.4. Zur Lage im Herkunftsstaat des BF:

Aufgrund der in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG zusätzlich in das Verfahren eingeführten aktuellen Erkenntnisquellen werden folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zum Herkunftsstaat des BF getroffen:

3.4.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA zu Afghanistan ("Gesamtaktualisierung am 29.06.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 04.06.2019", Schreibfehler teilweise korrigiert):

Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 4.6.2019, politische Ereignisse, zivile Opfer, Anschläge in Kabul, IOM (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage; Abschnitt 2/Politische Lage; Abschnitt 23/Rückkehr).

Politische Ereignisse:

Friedensgespräche, Loya Jirga, Ergebnisse Parlamentswahl

Ende Mai 2019 fand in Moskau die zweite Runde der Friedensgespräche zwischen den Taliban und afghanischen Politikern (nicht der Regierung, Anm.) statt. Bei dem Treffen äußerte ein Mitglied der Taliban, Amir Khan Muttaqi, den Wunsch der Gruppierung nach Einheit der afghanischen Bevölkerung und nach einer "inklusiven" zukünftigen Regierung. Des Weiteren behauptete Muttaqi, die Taliban würden die Frauenrechte respektieren wollen. Ein ehemaliges Mitglied des afghanischen Parlaments, Fawzia Koofi, äußerte dennoch ihre Bedenken und behauptete, die Taliban hätten kein Interesse daran, Teil der aktuellen Regierung zu sein, und dass die Gruppierung weiterhin für ein islamisches Emirat stünde. (Tolonews 31.5.2019a).

Vom 29.4.2019 bis 3.5.2019 tagte in Kabul die "große Ratsversammlung" (Loya Jirga). Dabei verabschiedeten deren Mitglieder eine Resolution mit dem Ziel, einen Friedensschluss mit den Taliban zu erreichen und den inner-afghanischen Dialog zu fördern. Auch bot Präsident Ghani den Taliban einen Waffenstillstand während des Ramadan von 6.5.2019 bis 4.6.2019 an, betonte aber dennoch, dass dieser nicht einseitig sein würde. Des Weiteren sollten 175 gefangene Talibankämpfer freigelassen werden (BAMF 6.5.2019). Einer weiteren Quelle zufolge wurden die kritischen Äußerungen zahlreicher Jirga-Teilnehmer zu den nächtlichen Militäroperationen der USA nicht in den Endbericht aufgenommen, um die Beziehungen zwischen den beiden Staaten nicht zu gefährden. Die Taliban nahmen an dieser von der Regierung einberufenen Friedensveranstaltung nicht teil, was wahrscheinlich u.a. mit dem gescheiterten Dialogtreffen, das für Mitte April 2019 in Katar geplant war, zusammenhängt. Dort wäre die Regierung zum ersten Mal an den Friedensgesprächen mit den Taliban beteiligt gewesen. Nachdem erstere jedoch ihre Teilnahme an die Bedingung geknüpft hatte, 250 Repräsentanten nach Doha zu entsenden und die Taliban mit Spott darauf reagierten, nahm letztendlich kein Regierungsmitarbeiter an der Veranstaltung teil. So fanden Gespräche zwischen den Taliban und Exil-Afghanen statt, bei denen viele dieser das Verhalten der Regierung öffentlich kritisierten (Heise 16.5.2019).

Anfang Mai 2019 fand in Katar auch die sechste Gesprächsrunde zwischen den Taliban und den USA statt. Der Sprecher der Taliban in Doha, Mohammad Sohail Shaheen, betonte, dass weiterhin Hoffnung hinsichtlich der inner-afghanischen Gespräche bestünde. Auch konnten sich der Quellezufolge die Teilnehmer zwar bezüglich einiger Punkte einigen, dennoch müssten andere "wichtige Dinge" noch behandelt werden (Heise 16.5.2019).

Am 14.5.2019 hat die unabhängige Wahlkommission (Independent Electoral Commission, IEC) die Wahlergebnisse der Provinz Kabul für das afghanische Unterhaus (Wolesi Jirga) veröffentlicht (AAN 17.5.2019; vgl. IEC 14.5.2019, IEC 15.5.2019). Somit wurde nach fast sieben Monaten (die Parlamentswahlen fanden am 20.10.2018 und 21.10.2018 statt) die Stimmenauszählung für 33 der 34 Provinzen vervollständigt. In der Provinz Ghazni soll die Wahl zusammen mit den Präsidentschafts- und Provinzialratswahlen am 28.9.2019 stattfinden. In seiner Ansprache zur Angelobung der Parlamentsmitglieder der Provinzen Kabul und Paktya am 15.5.2019 bezeichnete Ghani die siebenmonatige Wahl als "Katastrophe" und die beiden Wahlkommissionen, die IEC und die Electoral Complaints Commission (ECC), als "ineffizient" (AAN 17.5.2019).

Zivile-Opfer, UNAMA-Bericht

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im ersten Quartal 2019 (1.1.2019 - 31.3.2019) 1.773 zivile Opfer (581 Tote und 1.192 Verletzte), darunter waren 582 der Opfer Kinder (150 Tote und 432 Verletzte). Dies entspricht einem Rückgang der gesamten Opferzahl um 23% gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres, welches somit der niedrigste Wert für das erste Jahresquartal seit 2013 ist (UNAMA 24.4.2019).

Diese Verringerung wurde durch einen Rückgang der Zahl ziviler Opfer von Selbstmordanschlägen mit IED (Improvised Explosive Devices - unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung/Sprengfallen) verursacht. Der Quelle zufolge könnten die besonders harten Winterverhältnisse in den ersten drei Monaten des Jahres 2019 zu diesem Trend beigetragen haben. Es ist unklar, ob der Rückgang der zivilen Opfer wegen Maßnahmen der Konfliktparteien zur Verbesserung des Schutzes der Zivilbevölkerung oder durch die laufenden Gespräche zwischen den Konfliktparteien beeinflusst wurde (UNAMA 24.4.2019).

Die Zahl der zivilen Opfer aufgrund von Nicht-Selbstmord-Anschlägen mit IEDs durch regierungsfeindliche Gruppierungen und Luft- sowie Suchoperationen durch regierungsfreundliche Gruppierungen ist gestiegen. Die Zahl der getöteten Zivilisten, die regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben wurden, übertraf im ersten Quartal 2019 die zivilen Todesfälle, welche von regierungsfeindlichen Elementen verursacht wurden (UNAMA 24.4.2019).

Kampfhandlungen am Boden waren die Hauptursache ziviler Opfer und machten etwa ein Drittel der Gesamtzahl aus. Der Einsatz von IEDs war die zweithäufigste Ursache für zivile Opfer: Im Gegensatz zu den Trends von 2017 und 2018 wurde die Mehrheit der zivilen Opfer von IEDs nicht durch Selbstmordanschläge verursacht, sondern durch Angriffe, bei denen der Angreifer nicht seinen eigenen Tod herbeiführen wollte. Luftangriffe waren die Hauptursache für zivile Todesfälle und die dritthäufigste Ursache für zivile Opfer (Verletzte werden auch mitgezählt, Anm.), gefolgt von gezielten Morden und explosiven Kampfmittelrückständen (UXO - unexploded ordnance). Am stärksten betroffen waren Zivilisten in den Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kunduz (in dieser Reihenfolge) (UNAMA 24.4.2019).

Anschläge in Kabul-Stadt

Ende Mai 2019 fanden in Kabul-Stadt einige Anschläge und gezielte Tötungen in kurzen Abständen zu einander statt: Am 26.5.2019 wurde ein leitender Mitarbeiter einer NGO in Kart-e Naw (PD5, Police District 5) durch unbekannte bewaffnete Männer erschossen (Tolonews 27.5.2019a). Am 27.5.2019 wurden nach der Explosion einer Magnetbombe, die gegen einen Bus von Mitarbeitern des Ministeriums für Hadsch und religiöse Angelegenheiten gerichtet war, zehn Menschen verletzt. Die Explosion fand in Parwana-e Do (PD2) statt. Zum Vorfall hat sich keine Gruppierung bekannt (Tolonews 27.5.2019b).

Des Weiteren wurden im Laufe der letzten zwei Maiwochen vier Kontrollpunkte der afghanischen Sicherheitskräfte durch unbekannte bewaffnete Männer angegriffen (Tolonews 31.5.2019b).

Am 30.5.2019 wurden in Folge eines Selbstmordangriffes nahe der Militärakademie Marshal Fahim im Stadtteil Char Rahi Qambar (PD5) sechs Personen getötet und 16 Personen, darunter vier Zivilisten, verletzt. Die Explosion erfolgte, während die Kadetten die Universität verließen (1 TV NEWS 30.5.2019). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zu dem Anschlag (AJ 30.5.2019).

Am 31.5.2019 wurden sechs Personen, darunter vier Zivilisten, getötet und fünf Personen, darunter vier Mitglieder der US-Sicherheitskräfte, verletzt, nachdem ein mit Sprengstoff beladenes Auto in Qala-e Wazir (PD9) detonierte. Quellen zufolge war das ursprüngliche Zie

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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