TE Bvwg Beschluss 2019/11/4 I412 2177668-2

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Veröffentlicht am 04.11.2019
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Entscheidungsdatum

04.11.2019

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §34
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §32 Abs1
VwGVG §32 Abs2

Spruch

I412 2177665-2/4E

I412 2177663-2/4E

I412 2177668-2/4E

I412 2220655-2/5E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Gabriele ACHLEITNER als Einzelrichterin über die Anträge von XXXX alle StA. Nigeria, alle vertreten durch RA Mag. Thomas KLEIN, auf Wiederaufnahme der mit Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes vom 01.03.2018, I412 2177665-1/13E, I412 2177663-1/13E, I412 2177668-1/11E sowie I419 2220655-1/3E rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren beschlossen:

A)

Die Anträge auf Wiederaufnahme der rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren werden als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Nach jeweils ablehnenden Entscheidungen der Anträge auf internationalen Schutz der Antragsteller 1. bis 4. durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wurden Beschwerden an das Bundesverwaltungsgericht erhoben. Die Verfahren zu den GZen I412 2177665-1, I412 2177663-1 und I412 2177668-1 wurden als Familienverfahren gemäß § 34 AsylG 2005 geführt und nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurden die Beschwerden mit Erkenntnissen vom 01.03.2018 als unbegründet abgewiesen.

Der Antrag auf internationalen Schutz des am XXXX in Österreich geborene Kindes (Antragsteller 4) wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl negativ beschieden und die Entscheidung im Beschwerdeverfahren durch Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes zu GZ I419 2220655-1/3E vom 04.07.2019 bestätigt.

Am 17.10.2019 langten beim Bundesverwaltungsgericht Anträge auf Wiederaufnahme der oben angeführten Asylverfahren der Antragsteller 1 bis 4 ein. Seit einem Rechtsberatungstermin am 04.10.2019 sei ein Grund bekannt, der bereits zum Zeitpunkt der vorangegangenen Entscheidungen bestanden habe und mit einiger Wahrscheinlichkeit zu einer anderslautenden Entscheidung geführt hätte. Konkret werde auf einen medizinischen Befund vom 13.10.2017 den Antragsteller 3 betreffend verwiesen. Das Kind leide an einer Lebererkrankung und hätten die Antragsteller diesen und weitere Befunde im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme zur Asylantragstellung für das jüngere Kind bereits am 21.05.2019 dem BFA vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Asylverfahren der Antragsteller 1 bis 3 wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 01.03.2018 zu den GZen I412 2177665-1/13E, I412 2177663-1/13E, I412 2177668-1/11E rechtskräftig abgeschlossen. Das Asylverfahren des Antragstellers 4 wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.07.2019, GZ I419 2220655-1/3E, rechtskräftig abgeschlossen.

Die Antragsteller sind zumindest seit spätestens 21.05.2019 in Besitz der Beweismittel (medizinische Unterlagen vom 13.10.2017, 25.09.2018, 18.10.2018, 20.11.2017, 17.01.2019, 02.08.2018, 13.10.2017) die sie am 21.05.2019 dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorlegten und im gegenständlichen, am 17.10.2019 gestellten Antrag auf Wiederaufnahme der Asylverfahren anführen.

Bei der am 18.01.2018 durchgeführten Beschwerdeverhandlung wurde auf Frage der erkennenden Richterin angegeben, dass der am 03.06.2016 geborene Beschwerdeführer gesund sei.

Aus dem jüngst datierten Befund vom 25.06.2019 geht (zusammengefasst) hervor, dass die Leberwerte am Tag der Untersuchung völlig ok waren, wenn nach einer in sechs Monaten empfohlenen Routinekontrolle die Leberwerte weiterhin ok seien, auch keine Routinekontrollen mehr geplant seien.

2. Beweiswürdigung:

Das erkennende Gericht hat Beweis erhoben durch Einsicht in die Gerichtsakten zu den vorangegangen Asylverfahren der Antragsteller zu den GZen. I412 2177665-1/13E, I412 2177663-1/13E, I412 2177668-1/11E und in den Gerichtsakt des jüngsten Kindes zur GZ I419 2220655-2. Daraus ergibt sich, dass die Asylverfahren rechtskräftig durch die angeführten Erkenntnisse abgeschlossen sind.

Die niederschriftliche Einvernahme vom 21.05.2019, auf die im Wiederaufnahmeantrag verwiesen wurde, wurde beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nachgefordert. Daraus ergibt sich, dass (unter anderem) der angesprochene medizinische Befund vom 13.10.2017 bereits am 21.05.2019 vorgelegt wurde und die Antragsteller somit spätestens zu diesem Zeitpunkt davon Kenntnis haben mussten. Dass der Wiederaufnahmegrund erst am 17.10.2019 geltend gemacht wurde, ergibt sich aus dem Wiederaufnahmeantrag, der beim Bundesverwaltungsgericht an diesem Tag eingebracht wurde.

3. Rechtliche Beurteilung:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist. Fuchs hält in Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), § 32 VwGVG, Anm. 13 fest, dass der Systematik des VwGVG folgend anzunehmen ist, dass sämtliche Entscheidungen über Wiederaufnahmeanträge - als selbstständige Entscheidungen - in Beschlussform zu erfolgen haben.

Zu A) Zurückweisung des Wiederaufnahmeantrages:

§ 32 VwGVG zur Wiederaufnahme des Verfahrens lautet:

"§ 32. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof gegen das Erkenntnis nicht mehr zulässig ist und

1. das Erkenntnis durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder

2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten, oder

3. das Erkenntnis von Vorfragen (§ 38 AVG) abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde oder

4. nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren des Verwaltungsgerichtes die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.

(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.

(4) Das Verwaltungsgericht hat die Parteien des abgeschlossenen Verfahrens von der Wiederaufnahme des Verfahrens unverzüglich in Kenntnis zu setzen.

(5) Auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes sind die für seine Erkenntnisse geltenden Bestimmungen dieses Paragraphen sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse."

In der Regierungsvorlage zum Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013 (2009 der Beilagen, XXIV. GP) ist festgehalten, dass die Bestimmungen über die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im VwGVG weitgehend den Bestimmungen der §§ 69 bis 72 AVG mit den entsprechenden Anpassungen auf Grund der Einführung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz entsprechen. Durch den Ausschluss der Anwendung des IV. Teiles des AVG ist das AVG in diesem Bereich für unanwendbar erklärt worden, wobei aufgrund der inhaltlichen Übereinstimmung und ähnlichen Formulierung der Bestimmung des § 32 Abs. 1-3 VwGVG mit § 69 AVG die bisher ergangenen höchstgerichtlichen Entscheidungen sinngemäß anzuwenden sind bzw. die bisherigen Judikaturrichtlinien zu § 69 AVG herangezogen werden können.

Der Antrag ist gemäß § 32 Abs 2 VwGVG binnen zwei Wochen ab dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller vom Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, einzubringen. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen (vgl. zu § 69 AVG VwGH 19.05.1993, 91/13/0099; 25.01.1996, 95/19/0003). Die Beweislast für die Rechtzeitigkeit eines Wiederaufnahmeantrages trägt somit der Antragsteller (VwGH 03.09.1998, Zl. 98/06/0086; 08.07.2005, Zl. 2005/02/0040).

Die zweiwöchige "subjektive" Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, d.h. an dem Tag, zu laufen, am dem der Antragsteller vom Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat. Sie ist als gesetzliche Frist grundsätzlich nicht erstreckbar. Ein nach Ablauf der zweiwöchigen subjektiven Frist gestellter Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens ist als unzulässig, weil verspätet eingebracht, zurückzuweisen. Ausschlaggebend ist der Zeitpunkt, an dem die Partei Kenntnis erlangt hat, dass Umstände vorliegen, die eine Wiederaufnahme gemäß § 69 Abs 1 Z 1 bis 3 AVG zu rechtfertigen vermögen. (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 59f mit zahlreichen Hinweisen zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).

Den Antragstellern steht im Zusammenhang mit den Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 01.03.2019, GZen. I412 2177665-1/13E, I412 2177663-1/13E, I412 2177668-1/11E sowie I419 2220655-1/3E über ihre Anträge auf internationalen Schutz kein weiteres ordentliches Rechtsmittel mehr zur Geltendmachung ihres Rechtsstandpunktes zur Verfügung.

Die Antragsteller geben an, im Zuge eines Rechtsberatungstermins am 04.10.2019 Kenntnis vom Wiederaufnahmegrund erhalten zu haben. Im Antrag wird dieser Behauptung widersprochen, indem angegeben wird, dass die relevanten Befunde bereits am 21.05.2019 dem BFA vorgelegt wurde. Den Antragstellern war also seit spätestens 21.05.2019 der angegebene Grund bekannt und ist ein Antrag auf Wiederaufnahme vom 17.10.2019 somit außerhalb der Frist von zwei Wochen gestellt worden.

Die Konsequenz ist wie oben ausgeführt eine Zurückweisung, da der Antrag verspätet eingebracht wurde. Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Der Vollständigkeit halber ist zu den ebenfalls angeführten Umständen, die eine nachhaltige Integration der Familie in Österreich belegen sollen (Unterlagen wurden dem Antrag nicht beigeschlossen), anzumerken, dass diese keinen Grund für eine Wiederaufnahme der rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens darstellen können, da diese erst nach Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens neu entstanden sind (sogenannte "nova causa superveniens") (vgl. zB. VwGH 08.11.1991, 91/18/0101; 07.04.2000, 96/19/2240; 20.06.2001, 95/08/0036; 19.03.2003, 2000/08/0105).

4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Da auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der dem Verfahren vorangegangene einleitende Antrag zurückzuweisen ist, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Aus den obigen Ausführungen unter Pkt. 3. geht hervor, dass das erkennende Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des VwGH, insbesondere zur Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens, abgeht.

Schlagworte

Asylverfahren, Erkrankung, Familienverfahren, Fristablauf,
Fristüberschreitung, Fristversäumung, Rechtskraft der Entscheidung,
unzulässiger Antrag, verspäteter Antrag, Verspätung,
Wiederaufnahmeantrag, Wiederaufnahmegrund, Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I412.2177668.2.00

Zuletzt aktualisiert am

23.04.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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