TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/10 W123 2194521-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.12.2019
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Entscheidungsdatum

10.12.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W123 1433986-4/13E

W123 2194521-1/10E

W123 2194522-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Michael ETLINGER über die Beschwerden

1. der XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.04.2018, Zl. 1094923808-151784444 (W123 2194521-1)

2. des XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.04.2018, Zl. 608443903-160974374 (W123 1433986-4)

3. der mj. XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.04.2018, Zl. 1159171504-170789833 (W123 2194522-1)

alle StA. Afghanistan, nach Durchführungen öffentlich mündlicher Verhandlungen am 01.10.2019 und 18.10.2019 zu Recht:

A)

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer sind verheiratet sowie die Eltern und die gesetzlichen Vertreter der Drittbeschwerdeführerin.

2. Der Zweitbeschwerdeführer ist ein afghanischer Staatsangehöriger der Volksgruppe der Tadschiken, der am 07.11.2012 illegal ins Bundesgebiet einreiste und am folgenden Tag einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Diesen begründete er damit, er habe sein Heimatland verlassen, da er eine Eheschließung verweigert habe und ihn deshalb die Brüder der Frau töten wollten.

3. Mit Bescheid des Bundesasylamts vom 14.03.2013, Zl. 12 16.253-BAL, wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Zweitbeschwerdeführers bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Z Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II). Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG wurde der Zweitbeschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen (Spruchpunkt III). Die abweisende Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Zweitbeschwerdeführer keine GFK-relevante Gefährdung dartun konnte und dass sich die Angaben des Zweitbeschwerdeführers zu den behaupteten Ausreisegründen als gänzlich unglaubwürdig erwiesen hätten. Im Hinblick auf die Lage im Herkunftsstaat und die Arbeitsfähigkeit des Zweitbeschwerdeführers sei eine refoulementschutzrechtlich relevante Bedrohung nicht gegeben und es wurden auch keine Hinderungsgründe gegen die Ausweisung festgestellt.

4. Gegen diese Entscheidung erhob der Zweitbeschwerdeführer Beschwerde und begründete diese mit der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften.

5. Mit Erkenntnis vom 24.04.2013, Zl. B1 433986-1/2013/3E, wies der Asylgerichtshof die Beschwerde in allen Spruchpunkten als unbegründet ab, da das Vorbringen des Zweitbeschwerdeführers im Hinblick auf ein gesteigertes Vorbringen widersprüchlich und daher insgesamt unglaubwürdig sei und eine asylrelevante Verfolgung nicht festgestellt werden könne. Auch stünde die vom Zweitbeschwerdeführer geltend gemachte Furcht vor Verfolgung in keinem kausalen Zusammenhang mit einem der abschließend aufgezählten Konventionsgründe. Es bestehe keine aktuelle Bedrohung des Zweitbeschwerdeführers in seinem Heimatland, insbesondere auch nicht durch die Brüder des verstorbenen Mädchens oder seitens der Taliban. Vielmehr sei anzunehmen, dass der Zweitbeschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr seinen Lebensunterhalt im Herkunftsstaat durch eigene Erwerbstätigkeit und mit allfälliger Unterstützung seiner Familie bestreiten könne.

6. In weiterer Folge wurde der Behörde ein Arztbrief vom 24.04.2013 übermittelt, aus dem hervorgeht, dass der Zweitbeschwerdeführer wegen einer mittelgradig depressiven Episode und Spannungskopfschmerzen medikamentös behandelt werde.

7. Der Zweitbeschwerdeführer stellte am 17.07.2013 einen zweiten Asylantrag und begründete diesen in seinen weiteren Einvernahmen vor dem Bundesasylamt am 24.07.2013 sowie am 07.08.2013 damit, dass er nun neue Dokumente vorlegen könne, um seinen Fluchtgrund zu beweisen. Seine Fluchtgründe aus dem Erstantrag würden aufrecht bleiben.

8. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.08.2013, Zl. 13 10.298-EWEST, wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Zweitbeschwerdeführers gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I). Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG wurde der Zweitbeschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen (Spruchpunkt II). Begründet wurde dies damit, dass die vorgelegten Bestätigungen keine neuen, entscheidungsrelevanten Sachverhaltselemente darstellen würden.

9. Gegen diesen Bescheid erhob der Zweitbeschwerdeführer Beschwerde und begründete dies mit Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung, unrichtiger Beweiswürdigung sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften.

10. Mit Erkenntnis vom 17.09.2013, Zl. B6 433986-2/2013/2E, wies der Asylgerichtshof die Beschwerde in allen Spruchpunkten gemäß § 68 Abs. 1 AVG 1991 und § 10 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet ab. Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass das antragsbegründende Vorbringen, das sich im Wesentlichen auf die Vorlage eines Beweismittels beschränke, nicht geeignet gewesen sei, gegenüber der im ersten Verfahren als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umstände eine entscheidungswesentliche Änderung herbeizuführen. Der Zweitbeschwerdeführer habe seine neuerliche Antragstellung im Wesentlichen ausschließlich mit dem als Beweismittel vorgelegten Schreiben vom 14.05.2013, mit dem durch einen Distriktvorsitzenden oder Bürgermeister auf der Grundlage von weiteren Bestätigungen durch Dorfvorsteher bzw. Dorfälteste bestätigt werde, dass der Zweitbeschwerdeführer früher von seinen namentlich genannten Schwagern mit dem Tod bedroht worden wäre, begründet.

11. Der Zweitbeschwerdeführer stellte am 24.01.2014 einen dritten Asylantrag und begründete diese in seinen weiteren Einvernahmen vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 31.01.2014 und am 29.04.2014 damit, dass seine Feinde ihn noch immer suchen, aber nicht finden würden und nun seine Frau große Probleme in Afghanistan habe. Seine Frau sei bedroht worden, um ihn zur Rückkehr zu überreden. Seine Feinde hätten seine Eltern geschlagen, weshalb seine Frau zu ihren Eltern gezogen sei, da sie im Haus ihres Mannes nicht mehr sicher sei. Seit diesem Vorfall verstecke sich seine Frau zu Hause und verlasse nicht mehr das Haus.

12. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 21.04.2015, Zl. 608443903 - 14048372, wurde der Antrag des Zeitbeschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Begründet wurde dies damit, dass der Zweitbeschwerdeführer keine neuen entscheidungsrelevanten Fluchtgründe vorgebracht hat und seine Angaben auch nicht geeignet seien, einen wesentlich geänderten entscheidungsrelevanten Sachverhalt zu begründen.

13. Gegen den Bescheid der belangten Behörde erhob der Zweitbeschwerdeführer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und begründete diese unter Anführung einer Reihe von Quellen damit, dass sich die Sicherheitslage landesweit, vor allem in Mazar-e-Sharif, in Balkh, massiv verschlechtert hätte. Zudem hätte sich die Behörde mit der konkreten Situation des Zweitbeschwerdeführers und der aktuellen Situation in Afghanistan nicht auseinandergesetzt.

14. Mit Erkenntnis des Bundeverwaltungsgerichtes vom 19.08.2015, W197 1433986-3/3E, wurde die Beschwerde gemäß §§ 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG iVm 68 Abs. 1 AVG als unbegründet abgewiesen. Das Erkenntnis lautet auszugsweise:

"Soweit der Beschwerdeführer sich im gegenständlichen Verfahren neuerlich auf seine Fluchtgründe aus dem rechtskräftig abgeschlossenen ersten Verfahren bezieht, ist ihm bereits entgegenzuhalten, dass diese bereits im ersten Verfahrensgang als nicht glaubhaft beurteilt wurden. Somit liegt - wie das Bundesamt im angefochtenen Bescheid richtig ausgeführt hat - hinsichtlich dieser bereits im Erstverfahren vorgebrachten Verfolgung durch Private, auf die der Beschwerdeführer seinen Antrag auf internationalen Schutz stützt, eine entschiedene Sache iSd. § 68 Abs. 1 AVG vor, deren Rechtskraft einer neuerlichen Sachentscheidung gemäß § 75 Abs.4 AsylG 2005 entgegensteht.

Das Bundesverwaltungsgericht sieht dem zu Folge keinerlei Grund, von der Einschätzung in der rechtskräftigen, inhaltlichen Entscheidung des AsylGH vom 24.04.2013, Zl. B1 433986-1/2013/3E abzuweichen, wo festgehalten ist, dass das Vorbringen des BF im Hinblick auf ein gesteigertes Vorbringen widersprüchlich und daher insgesamt unglaubwürdig sei und eine asylrelevante Verfolgung nicht festgestellt werden könne."

15. Die Erstbeschwerdeführerin stellte am 16.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Zweitbeschwerdeführer stellte am 13.07.2016 zum vierten Mal für sich und am 03.07.2017 für die Drittbeschwerdeführerin einen Antrag auf internationalen Schutz.

Die Erstbeschwerdeführerin gab am 16.11.2015 vor der Landespolizeidirektion Oberösterreich zu ihrem Fluchtgrund an, dass ihr Ehemann sich lange vor der Eheschließung mit einer anderen Frau verlobt habe und diese Hochzeit dann abgesagt worden sei; deshalb seien sie mit der anderen Familie verfeindet gewesen und daher geflohen. Die andere Familie habe die Beschwerdeführerin bedroht und habe ihren Mann finden wollen. Bei einer Rückkehr in ihre Heimat befürchtet die Beschwerdeführerin, dass die andere Familie sie und ihren Mann umbringen werde.

Der Zweitbeschwerdeführer gab am 13.07.2016 vor der Landespolizeidirektion Wien zur Begründung für seinen neuerlichen Asylantrag an, dass er zum Christentum übergetreten sei und deswegen sein Leben in Gefahr sei. Außerdem lebe seine Ehefrau seit ca. 8 Monaten in Österreich. In Afghanistan werde man umgebracht, wenn man zum Christentum konvertiere.

16. Am 11.12.2017 erfolgte die Einvernahme der Erstbeschwerdeführerin vor der belangten Behörde. Die Niederschrift lautet auszugsweise:

"[...]

F: Warum sind Sie zum Christentum konvertiert?

A: Als ich nach Österreich kam hatte mein Mann viele christliche Bücher Zuhause, das hat mich fasziniert deshalb habe ich beschlossen auch Christ zu werden.

F: Warum hat Sie das fasziniert?

A: Nicht die Bücher sondern was mir mein Mann erzählt hat, hat mich fasziniert. Er besuchte zu dieser Zeit die Kirche.

F: Haben Sie sich mit dem christlichen Glauben auseinander gesetzt?

A: Ja, mein Mann hat mir viel erzählt und ich gehe jetzt auch in die Kirche.

F: Haben Sie Ihren Eltern mitgeteilt, dass Sie jetzt Christ sind?

A: Ja, nachgefragt Sie waren enttäuscht und deshalb haben wir jetzt keinen Kontakt mehr. Ich habe nur mehr mit meiner Schwester kontakt aber auch nur mehr wenn mein Vater nicht zuhause ist.

[...]

F: Welchen christlichen Glauben üben Sie genau aus?

A: Christlich Protestantisch.

F: Wie wirkt sich Ihr christlicher Glaube für Sie im Alltag aus?

A: Ich fühle mich frei seit ich ein Christ bin.

F: Hat sich in Ihrem Alltag nichts verändert?

A: Das kann ich nicht erklären.

F: Wann haben Sie erfahren, dass Ihr Mann zum christlichen Glauben konvertiert ist?

A: Nachdem ich in Österreich angekommen bin.

F: Warum haben Sie das nicht schon früher erfahren?

A: Ich glaube weil ich noch in Afghanistan war. Damit ich das nicht der Familie sage.

V: Warum haben Sie es dann Ihrer Familie gesagt, wenn Ihr Mann es zuvor Ihrer Familie verschweigen wollte?

A: Ich wollte missionieren.

F: Warum wollten Sie missionieren?

A: Ich wollte es Ihnen erklären, dass man dadurch eine Neugeburt erlebt. Ich wollte das auch diese zum Christentum konvertieren.

F: Aber Sie wissen doch, dass dies in Afghanistan gefährlich wäre, warum wollten Sie trotzdem das sich Ihre Familie dieser Gefahr aussetzt.

A: Ich wollte nicht missionieren. Ich wollte Ihnen nur über Jesus erzählen.

F: Wenn Sie nach Afghanistan gehen würden, würden Sie andere Menschen probieren vom christlichen Glauben zu überzeugen?

A: Ich kann nicht nach Afghanistan zurück. Ich bin jetzt eine Christin, wenn ich nach Afghanistan gehen würde ich getötet werden.

F: Warum möchten Sie dann, dass Ihre Eltern Christen werden?

A: Vielleicht habe ich es falsch erzählt. Ich wollte Ihnen nur erzählen, dass ich jetzt Christin bin.

F: Warum wollten Sie Ihren Eltern erzählen, dass Sie jetzt Christin sind?

A: Ich wollte ehrlich zu Ihnen sein.

[...]"

17. Am 11.12.2017 erfolgte die Einvernahme des Zweitbeschwerdeführers. Die Niederschrift lautet auszugsweise:

"[...]

F: Welcher Religion gehören Sie an?

A: Ich war Moslem. Jetzt bin ich Christ.

F: Warum sind Sie genau zum Christentum konvertiert?

A: Für mich es der einzige Glaube der mich verändert hat. Es ist ein Wahrhafter glaube für mich.

F: Haben Sie schon mehrere Religionen gewechselt?

A: Nein.

F: Warum sagen Sie dann, dass es der einzige Glaube wäre der Sie veränderte hätte?

A: AW antwortet nicht auf die Frage.

Sobald man an Jesus glaubt ist man rein und ohne Sünde.

F: Was war der Grund warum Sie sich entschlossen haben zum Christentum zu konvertieren?

A: Im Islam muss man nach dem Tod dafür gerade stehen was man im Leben gemacht hat. Im Christlichen Glauben ist man ohne Sünde wenn man an Jesus glaubt. Egal was man macht Jesus steht hinter einem und schützt einen.

V. Auch im Christlichen Glauben gibt es Himmel und Hölle. Für Leute die Gut waren und für Leute die Schlecht waren. Wie erklären Sie das?

A: Ich habe in der Bibel gelesen, dass man immer in den Himmel kommt, wenn man an Jesus glaubt.

F: Das heißt wenn Sie jemanden töten aber an Jesus glauben werden Sie erlöst?

A: Nein.

V. Warum behaupten Sie dies dann?

A: Das heißt nicht wenn man an Jesus glaubt darf man alles machen.

F: Was meinen Sie dann?

A: Nach dem Tod wird auch im Christentum entschieden ob man in den Himmel oder in die Hölle kommt.

F: Ist das dann so wie im Koran?

A: Ich weiß nicht was im Koran steht. Den Koran habe ich nicht gelesen.

F: Warum haben Sie sich dann in Österreich dafür entschieden gläubig zu werden?

A: Es ging nicht auf einmal. Ich habe mich drei Jahre lang mit dem christlichen Glauben auseinandergesetzt.

F: Wie sind Sie überhaupt dazu gekommen sich für den Christlichen Glauben zu interessieren?

A: Ich habe in Österreich Depressionen bekommen, weil ich von meiner Frau getrennt war und weil mein Asylantrag abgelehnt wurde. Ich lag in der Asylunterkunft mit einem Christen im Zimmer. Der hat mich unter Druck gesetzt und mich in die Kirche geschleppt. Dort waren die Leute sehr liebevoll. Eine christliche Person ist auch in unsere Asylunterkunft gekommen und hat uns den Glauben immer näher gebracht. Mein Zimmer Genosse war auch Moslem und er ist zum Christentum konvertiert. So habe ich alles mitbekommen.

F: Was haben Sie zu Beginn gedacht, als Ihr Zimmerkollege konvertieren wollte?

A: Es war ein Iraner. Ich habe es zu Beginn nicht gut gefunden.

F: Ab wann haben Sie es gut gefunden?

A: Seit 2,5 Jahren habe ich es für gut empfunden. Nachdem ich die Bibel gelesen habe und wunder gesehen habe, habe ich begonnen die Religion zu schätzen.

F: Warum haben Sie das Christentum auf einmal für gut empfunden?

A: Es ging nicht auf einmal.

Ich bin seit fünf Jahren in Österreich. Ich lebe mit Christen und Österreichern.

Es gab keinen Vorfall nachdem ich entschlossen habe Christ zu werden. Ich erweckte ein Interesse in mir und habe selbst begonnen mich damit zu beschäftigen.

F: Wie oft gehen Sie mit Ihrer Ehefrau in die Heilige Messe?

A: Einmal im Monat. Vielleicht ist es auch seltener.

F: Warum gehen Sie nicht öfter?

A: Weil unsere Kirche in Wien ist.

F: Warum gehen Sie nicht in Ihrer Gemeinde in die Kirche?

A: Ich kenne ansonsten keine Kirche in der in der Sprache Farsi gepredigt wird.

V. Sie sind seit 5 Jahren in Österreich. Warum verstehen Sie den Priester in der Kirche noch immer nicht?

A: Erstens weil ich Depressionen bekommen haben. Zweitens unsere Deutschkurse waren nur in Ried, ich bekam nicht so viel Geld so oft herumzufahren.

F: Hat Sie der christliche Glaube nicht von Ihren Depressionen befreit?

A: Ja, ich bin fast geheilt. Vielleicht bin ich noch ganz wenig depressiv.

[...]

F: Welche Glaubensrichtung üben Sie genau aus?

A: Ich bin Protestant Evangelisch.

F: Warum haben Sie sich genau für die protestantische evangelische Religion entschieden?

A: Die Leute mit denen ich über den Glauben gesprochen habe waren von dieser Glaubensrichtung. Deshalb habe ich mich auch für diese entschieden.

F: Haben Sie sich auch über andere Glaubensrichtungen informiert?

A: Nein.

F: Warum nicht?

A: Ich habe nicht darüber nachgedacht.

[...]

F: Wie oft waren Sie schon im Gottesdienst?

A: Bevor ich getauft wurde musste ich öfter gehen. Ich musste bei den Taufvorbereitungen teilnehmen. Nach der Taufe war ich nicht mehr so oft. Ich versuche einmal im Monat teilzunehmen.

F: Wie oft waren Sie seit der Taufe?

A: Ich war vielleicht 15 Mal seither in der Heiligen Messe.

[...]

F: Warum ist das Christentum keine Religion?

A: Man muss zuerst glauben, dass Jesus Sohn Gottes ist und man muss zuerst Glauben das die Mutter von Jesus als Jungfrau ein Kind bekommen hat. Man muss glauben.

F: Was ist der Unterschied zwischen einem Glauben und einer Religion?

A: Ich habe hier in Österreich gelernt, dass das Christentum keine Religion sondern lediglich ein Glaube ist. Im Islam kenne ich mich nicht aus. Ich muss sagen ich fange erst damit an. Ich kenne mich noch nicht so gut damit aus. Ich beschäftige mich erst seit drei oder vier Jahren damit.

F: Warum haben Sie sich nicht genau erkundigt bevor Sie den Entschluss gefasst haben zu konvertieren?

A: Ich weiß schon über vieles Bescheid aber nicht über alles. Niemand weiß alles.

F: Wann haben Sie Ihrer Frau von Ihrer Konversion erzählt?

A: Nachdem Sie hier nach Österreich gekommen ist. In Afghanistan ist die Situation anders. Ich wollte nicht dass Ihre Familie es erfährt. Es hätte sein können das meine Frau Probleme bekommen hätte.

F: Haben Sie Ihrer eigenen Familie von Ihrer Konversion erzählt?

A: Ja ich habe Ihnen vor über einem Jahr davon erzählt. Mein Vater hatte Herzprobleme. Mittlerweile ist er an einem Herzinfarkt gestorben. Ich glaube er bekam einen Herzinfarkt weil er nicht akzeptieren konnte dass ich konvertiert bin.

F: Warum haben Sie es Ihrem Vater erzählt?

A: Ich wollte es nicht verschweigen.

V. Aber zuvor haben Sie es auch verschwiegen und nicht einmal Ihrer Ehefrau davon erzählt.

A: Ich wollte mich zuerst Taufen lassen bevor ich es meiner Familie erzähle. Als ich mich taufen ließ war meine Frau gerade unterwegs.

F: Wie haben die Eltern von Ihrer Ehefrau davon erfahren?

A: Meine Frau hat es ihnen selbst erzählt.

V. Haben Ihre Eltern es nicht sofort den Eltern Ihre Ehefrau erzählt? Die sind ja sogar miteinander verwandt.

A: Nein, die haben keinen Kontakt. Meine Familie lebt im Iran.

[...]

F: Wie besteht der Kontakt zu den Familienangehörigen und Freunden?

A: Seit sie wissen dass ich Christ bin haben die keinen Kontakt mehr mit mir.

F: Was wäre wenn Sie sich wieder zum Islam bekehren würden?

A: Das weiß ich nicht.

F: Warum haben Sie es Ihrer Familie erzählt?

A: Das kann ich nicht erklären.

V. Aber Sie wissen doch über Ihr unsicheres Aufenthaltsrecht in Österreich Bescheid.

A: Ja, aber ich habe es Ihnen gesagt.

F: Wann hatten Sie das letzte Mal Kontakt mit diesen?

A: Ich weiß es nicht mehr genau. Aber es war ungefähr zwei Monate nach meiner Taufe.

[...]

F: Wenn Sie zurück nach Afghanistan gehen würden, würden Sie dort versuchen andere Leute zum Christlichen Glauben zu missionieren?

A: Nein, in Afghanistan ist Missionieren nicht möglich. Das wäre sehr gefährlich.

F: Kennen Sie den Unterschied zwischen der protestantischen-, der evangelischen- und der röm. katholische Kirche?

A: Nein.

F: Kennen Sie die Bedeutung der Firmung?

A: Nein, davon habe ich noch nicht gehört.

F: Kennen Sie die Kommunion?

A: Nein.

[...]"

18. Die belangte Behörde wies mit den angefochtenen Bescheiden vom 13.04.2018 die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Weiters sprach die belangte Behörde aus, dass den Beschwerdeführern ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt werde (Spruchpunkt III.), gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG erlassen werde (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt werde, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise der Beschwerdeführer 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

19. Am 27.04.2018 brachten die Beschwerdeführer - fristgerecht - Beschwerde gegen die Bescheide der belangten Behörde im vollen Umfang ein.

20. Am 01.10.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentlich mündliche Verhandlung statt, in der die Erstbeschwerdeführerin, der Zweitbeschwerdeführer sowie die beantragte Zeugin, Pastorin XXXX , einvernommen wurden. Im Rahmen dieser Verhandlung wies der Richter den Vertreter der Beschwerdeführer auf Länderinformationen hin, die der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes zugrunde gelegt werden (vgl. Seite 33 f Verhandlungsprotokoll). Der Rechtsvertreter der Beschwerdeführer brachte vor, dass er keine Stellungnahmefrist zu diesen Länderinformationen benötige und verwies auf die bisherigen schriftlichen Ausführungen.

21. Am 18.10.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine zweite öffentliche mündliche Verhandlung statt, in der ausschließlich der Zweitbeschwerdeführer (ergänzend zur behaupteten Konversion) einvernommen wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zu den Beschwerdeführern und ihren Fluchtgründen:

Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige von Afghanistan, wobei die Erstbeschwerdeführerin der Volksgruppe der Hazara angehört. Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer sind verheiratet sowie die Eltern und die gesetzlichen Vertreter der Drittbeschwerdeführerin.

Die Erstbeschwerdeführerin wurde in der Provinz Jawzan geboren und lebte bis zu ihrer Heirat in dieser Provinz. Die Beschwerdeführerin besuchte zwölf Jahre die Schule und war ca. acht Monate in einem Friseursalon beschäftigt. Nach der Heirat mit dem Zweitbeschwerdeführer zog die Erstbeschwerdeführerin nach Mazar-e Sharif und lebte dort im Elternhaus des Zweitbeschwerdeführers, gemeinsam mit dessen Familie. Die Erstbeschwerdeführerin war weder in Afghanistan noch in Österreich erwerbstätig. Nachdem die Erstbeschwerdeführerin die Lehre als Friseurin abgebrochen hatte, lebte sie ausschließlich im Elternhaus des Zweitbeschwerdeführers und war als Hausfrau tätig. Die Erstbeschwerdeführerin verließ nur ganz selten mit ihrer Schwiegermutter oder anderen Familienmitgliedern ihres Mannes das Haus. In Österreich arbeitete die Erstbeschwerdeführerin freiwillig einige Monate in einem Sozialmarkt. Die Erstbeschwerdeführerin verfügt über das ÖSD-Zertifikat A1, ist jedoch nicht Mitglied in einem Verein. An einem durchschnittlichen Tag in Österreich kümmert sich die Erstbeschwerdeführerin um den Haushalt, fährt mit dem Fahrrad und trifft sich mit Freunden im Park.

Die Erstbeschwerdeführerin hat während ihres relativ kurzen Aufenthalts in Österreich keine Lebensweise angenommen, die einen deutlichen und nachhaltigen Bruch mit den allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Werten in Afghanistan darstellt.

Die Erstbeschwerdeführerin hatte während ihres Aufenthaltes in Afghanistan keine Kenntnis vom Christentum. Die Erstbeschwerdeführerin machte erstmals in Österreich mit dem Christentum Erfahrung, als ihr der Zweitbeschwerdeführer davon erzählte. Die Erstbeschwerdeführerin besuchte Ende 2015 erstmals die XXXX Gemeinde und empfing am 27.08.2016 in dieser Gemeinde die Taufe.

In der Heimatprovinz der Erstbeschwerdeführerin lebt ihre Kernfamilie, bestehend aus Vater, Mutter, zwei Schwestern und zwei Brüdern in finanziell durchschnittlichen (mittelmäßigen) Verhältnissen. Die Beschwerdeführerin steht ein bis zweimal im Monat in Kontakt mit ihrer Mutter und ihrer Schwester. Ferner lebt ein Onkel väterlicherseits in Maimana; eine Tante mütterlicherseits lebt mit ihrer Familie im Iran.

Bei ihrer Flucht aus Afghanistan wurde die Erstbeschwerdeführerin finanziell von ihrem Vater und organisatorisch von ihrem Cousin unterstützt.

Der Zweitbeschwerdeführer ist in Mazar-e Sharif geboren und aufgewachsen und hielt sich bis zu seiner Flucht nach Europa in dieser Stadt auf. Der Beschwerdeführer besuchte acht Jahre in Mazar-e Sharif die Schule und arbeitete mehrere Jahre bei seinem Bruder sowie als Selbständiger im Textilbereich (als Schneider und Sticker). Der Beschwerdeführer ist arbeitsfähig, geht derzeit keiner entgeltlichen beruflichen Tätigkeit nach und konnte keinen Nachweis über eine konkrete schriftliche Einstellungszusage in Vorlage bringen. Der Beschwerdeführer verrichtete ehrenamtliche Tätigkeiten und verfügt über das Deutschzertifikat B1. Der Zweitbeschwerdeführer ist nicht Mitglied in einem Verein.

Der Zweitbeschwerdeführer hat sich weder in Afghanistan, noch in Österreich mit dem Islam auseinandergesetzt. Der Zweitbeschwerdeführer ist in Österreich erstmals durch seinen Zimmergenossen mit dem Christentum in Berührung gekommen. Ob dies im Jahr 2012 oder 2013 war, kann nicht konkret festgestellt werden. Der Zweitbeschwerdeführer lernte im Mai 2015 die XXXX Gemeinde in Wien kennen, besuchte ca. ein halbes Jahr den Taufkurs und empfing am 27.08.2016 die Taufe.

Die Mutter, vier Schwestern und ein Bruder des Zweitbeschwerdeführers leben im Iran. Der zweite Bruder des Zweitbeschwerdeführers lebt mit seiner Familie in Mazar-e Sharif. Der Beschwerdeführer verfügt in Mazar-e Sharif ferner über mehrere Cousins mütterlicherseits.

Die Drittbeschwerdeführerin wurde am XXXX in Österreich geboren.

Die Beschwerdeführer sind gesund und strafgerichtlich unbescholten bzw. strafunmündig und nehmen Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch.

Die Erst- und Zweitbeschwerdeführer waren in Afghanistan nie politisch tätig und gehörten nie einer politischen Partei an. Sie waren in Afghanistan weder vorbestraft noch inhaftiert.

Die Beschwerdeführer konnten nicht glaubhaft machen, dass sie bei einer allfälligen Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer wie immer gearteten Verfolgung ausgesetzt wären. Insbesondere konnten die Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen, dass sie aus innerer Absicht zum Christentum konvertiert sind. Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass sich der Zweitbeschwerdeführer deshalb bei der XXXX Gemeinde in Wien taufen ließ, um - nach dreimaliger erfolgloser Antragstellung - den Asylstatus in Österreich zu erlangen. Ferner geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass sich die Erstbeschwerdeführerin ausschließlich deshalb bei der XXXX Gemeinde in Wien taufen ließ, weil ihr Gatte bereits getauft war.

Die Beschwerdeführer konnten ferner nicht glaubhaft machen, dass ihnen im Falle der Rückkehr in die Stadt Mazar-e Sharif ein Eingriff in ihre körperliche Unversehrtheit drohen würde. Mit der finanziellen Unterstützung der Eltern der Erst- und Zweitbeschwerdeführer bzw. der weiteren in Afghanistan ansässigen Verwandten ist ihnen der Aufbau einer Existenzgrundlage in die Stadt Mazar-e-Sharif möglich. Ihre Existenz könnte der Zweitbeschwerdeführer dort - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Der Zweitbeschwerdeführer ist auch in der Lage, in der Stadt Mazar-e-Sharif für die Beschwerdeführer eine einfache Unterkunft zu finden.

Die Beschwerdeführer können die Stadt Mazar-e-Sharif von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug erreichen.

Die Beschwerdeführer können Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen.

1.2. Feststellungen zum Herkunftsstaat:

1.2.1. Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018

3. Sicherheitslage

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).

[...]

3.5. Balkh

[...]

Die Hauptstadt Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana [Anm.: Provinzhauptstadt Faryab] und Pul-e-Khumri [Anm.:

Provinzhauptstadt Baghlan]; sie ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. Viele der Straßen, vor allem in den gebirgigen Teilen des Landes, sind in schlechtem Zustand, schwer zu befahren und im Winter häufig unpassierbar (BFA Staaatendokumentation 4.2018). In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen (vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35).

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Allgemeine Information zur Sicherheitslage

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans (RFE/RL 23.3.2018), sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan (Khaama Press 16.1.2018; vgl. Khaama Press 20.8.2017). Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen (RFE/RL 23.3.2018; vgl. Khaama Press 16.1.2018).

Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (Tolonews 7.3.2018), oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte (BBC 22.4.2017; vgl. BBC 17.6.2017).

In der Provinz befindet sich u.a. das von der deutschen Bundeswehr geführte Camp Marmal (TAAC-North: Train, Advise, Assist Command - North) (NATO 11.11.2016; vgl. iHLS 28.3.2018), sowie auch das Camp Shaheen (BBC 17.6.2017; vgl. Tolonews 22.4.2017).

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3.35. Erreichbarkeit

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Internationale Flughäfen in Afghanistan

In Afghanistan gibt es insgesamt vier internationale Flughäfen; alle vier werden für militärische und zivile Flugdienste genutzt (Migrationsverket 23.1.2018). Trotz jahrelanger Konflikte verzeichnet die afghanische Luftfahrtindustrie einen Anstieg in der Zahl ihrer wettbewerbsfähigen Flugrouten. Daraus folgt ein erleichterter Zugang zu Flügen für die afghanische Bevölkerung. Die heimischen Flugdienste sehen sich mit einer wachsenden Konkurrenz durch verschiedene Flugunternehmen konfrontiert. Flugrouten wie Kabul - Herat und Kabul - Kandahar, die früher ausschließlich von Ariana Afghan angeboten wurden, werden nun auch von internationalen Fluggesellschaften abgedeckt (AG 3.11.2017).

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Internationaler Flughafen Mazar-e Sharif

Im Jahr 2013 wurde der internationale Maulana Jalaluddin Balkhi Flughafen in Mazar-e Sharif, der Hauptstadt der Provinz Balkh, eröffnet (Pajhwok 9.6.2013). Nachdem der Flughafen Mazar-e Sharif derzeit die Anforderungen eines erhöhten Personen- und Frachtverkehrsaufkommens nicht erfüllt, ist es notwendig, den Flughafen nach internationalen Standards auszubauen, inklusive entsprechender Einrichtungen der Luftraumüberwachung und der Flugverkehrskontrolle. Die afghanische Regierung will dieses Projekt gemeinsam mit der deutschen Bundesregierung und finanzieller Unterstützung des ADFD (Abu Dhabi Fund for Development) angehen. Langfristig soll der Flughafen als internationaler Verkehrsknotenpunkt zwischen Europa und Asien die wirtschaftliche Entwicklung der Region entscheidend verbessern. Der im Juni 2017 eröffnete Flugkorridor zwischen Afghanistan und Indien beinhaltet derzeit nur Flüge von Kabul und Kandahar nach Indien; zukünftig sind Frachtflüge von Mazar-e Sharif nach Indien angedacht (BFA Staatendokumentation 4.2018).

17. Frauen

Die Lage afghanischer Frauen hat sich in den letzten 15 Jahren zwar insgesamt ein wenig verbessert, jedoch nicht so sehr wie erhofft. Wenngleich es in den unterschiedlichen Bereichen viele Fortschritte gab, bedarf die Lage afghanischer Frauen spezieller Beachtung. Die afghanische Regierung ist bemüht, die Errungenschaften der letzten eineinhalb Jahrzehnte zu verfestigen - eine Institutionalisierung der Gleichberechtigung von Frauen in Afghanistan wird als wichtig für Stabilität und Entwicklung betrachtet (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. UNAMA/OHCHR 5.2018). In einigen Bereichen hat der Fortschritt für Frauen stagniert, was Großteils aus der Talibanzeit stammenden, unnachgiebigen konservativen Einstellungen ihnen gegenüber geschuldet ist (BFA Staatendokumentation 4.2018). Viel hat sich seit dem Ende des Talibanregimes geändert: Frauen haben das verfassungsmäßige Recht an politischen Vorgängen teilzunehmen, sie streben nach Bildung und viele gehen einer Erwerbstätigkeit nach (TET 15.3.2018). Artikel 22 der afghanischen Verfassung besagt, dass jegliche Form von Benachteiligung oder Bevorzugung unter den Bürgern Afghanistans verboten ist. Die Bürger Afghanistans, sowohl Frauen als auch Männer, haben vor dem Gesetz gleiche Rechte und Pflichten (MPI 27.1.2004). In der Praxis mangelt es jedoch oftmals an der Umsetzung dieser Rechte (AA 5.2018; vgl. UNAMA/OHCHR 5.2018). Die konkrete Situation von Frauen kann sich allerdings je nach regionalem und sozialem Hintergrund stark unterscheiden (AA 9.2016; vgl. USDOS 20.4.2018). Traditionell diskriminierende Praktiken gegen Frauen existieren insbesondere in ländlichen und abgelegenen Regionen weiter (AA 5.2018).

Bildung

Das Recht auf Bildung wurde den Frauen nach dem Fall der Taliban im Jahr 2001 eingeräumt (BFA Staatendokumentation 3.7.2014). Laut Verfassung haben alle afghanischen Staatsbürger/innen das Recht auf Bildung (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. MPI 27.1.2004). Öffentliche Kindergärten und Schulen sind bis zur Hochschulebene kostenlos. Private Bildungseinrichtungen und Universitäten sind kostenpflichtig. Aufgeschlossene und gebildete Afghanen, welche die finanziellen Mittel haben, schicken ihre Familien ins Ausland, damit sie dort leben und eine Ausbildung genießen können (z.B. in die Türkei); während die Familienväter oftmals in Afghanistan zurückbleiben (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Eine der Herausforderungen für alle in Afghanistan tätigen Organisationen ist der Zugang zu jenen Gegenden, die außerhalb der Reichweite öffentlicher Bildung liegen. Der Bildungsstand der Kinder in solchen Gegenden ist unbekannt und Regierungsprogramme sind für sie unzugänglich; speziell, wenn die einzigen verfügbaren Bildungsstätten Madrassen sind (BFA Staatendokumentation 4.2018).

In den Jahren 2016 und 2017 wurden durch den United Nations Children's Fund (UNICEF) mit Unterstützung der United States Agency for International Development (USAID) landesweit 4.055 Dorfschulen errichtet - damit kann die Bildung von mehr als 119.000 Kindern in ländlichen Gebieten sichergestellt werden, darunter mehr als 58.000 Mädchen. Weitere 2.437 Ausbildungszentren in Afghanistan wurden mit Unterstützung von USAID errichtet, etwa für Personen, die ihre Ausbildung in frühen Bildungsjahren unterbrechen mussten. Mehr als 49.000 Student/innen sind in diesen Ausbildungszentren eingeschrieben (davon mehr als 23.000 Mädchen). USAID hat mehr als 154.000 Lehrer ausgebildet (davon mehr als 54.000 Lehrerinnen) sowie 17.000 Schuldirektoren bzw. Schulverwalter (mehr als 3.000 davon Frauen) (USAID 10.10.2017).

Sowohl Männer als auch Frauen schließen Hochschulstudien ab - derzeit sind etwa 300.000 Student/innen an afghanischen Hochschulen eingeschrieben - darunter 100.000 Frauen (USAID 10.10.2017).

Dem afghanischen Statistikbüro (CSO) zufolge gab es im Zeitraum 2016-2017 in den landesweit 16.049 Schulen, insgesamt 8.868.122 Schüler, davon waren 3.418.877 weiblich. Diese Zahlen beziehen sich auf Schüler/innen der Volks- und Mittelschulen, Abendschulen, Berufsschulen, Lehrerausbildungszentren sowie Religionsschulen. Im Vergleich mit den Zahlen aus dem Zeitraum 2015-2016 hat sich die Anzahl der Studentinnen um 5,8% verringert (CSO 2017). Die Gesamtzahl der Lehrer für den Zeitraum 2016-2017 betrug 197.160, davon waren 64.271 Frauen. Insgesamt existieren neun medizinische Fakultäten, an diesen sind 342.043 Studierende eingeschrieben, davon

77.909 weiblich. Verglichen mit dem Zeitraum 2015-2016 hat sich die Anzahl der Frauen um 18.7% erhöht (CSO 2017).

Im Mai 2016 eröffnete in Kabul die erste Privatuniversität für Frauen im Moraa Educational Complex, mit dazugehörendem Kindergarten und Schule für Kinder der Studentinnen. Die Universität bietet unter anderem Lehrveranstaltungen für Medizin, Geburtshilfe etc. an. (TE 13.8.2016; vgl. MORAA 31.5.2016). Im Jahr 2017 wurde ein Programm ins Leben gerufen, bei dem 70 Mädchen aus Waisenhäusern in Afghanistan, die Gelegenheit bekommen ihre höhere Bildung an der Moraa Universität genießen zu können (Tolonews 17.8.2017).

Im Herbst 2015 eröffnete an der Universität Kabul der Masterlehrgang für "Frauen- und Genderstudies" (KP 18.10.2015; vgl. UNDP 10.7.2016). Im Jahr 2017 haben die ersten Absolvent/innen des Masterprogramms den Lehrgang abgeschlossen: 15 Frauen und sieben Männer, haben sich in ihrem Studium zu Aspekten der Geschlechtergleichstellung und Frauenrechte ausbilden lassen; dazu zählen Bereiche wie der Rechtsschutz, die Rolle von Frauen bei der Armutsbekämpfung, Konfliktschlichtung etc. (UNDP 7.11.2017).

Berufstätigkeit

Berufstätige Frauen sind oft Ziel von sexueller Belästigung durch ihre männlichen Kollegen. Die Akzeptanz der Berufstätigkeit von Frauen variiert je nach Region und ethnischer bzw. Stammeszugehörigkeit (AA 5.2018). Aus einer Umfrage der Asia Foundation (AF) aus dem Jahr 2017 geht hervor, dass die Akzeptanz der Berufstätigkeit von Frauen außerhalb des Hauses unter den Hazara 82,5% beträgt und am höchsten ist. Es folgen die Usbeken (77,2%), die Tadschiken (75,5%) und die Paschtunen (63,4%). In der zentralen Region bzw. Hazarajat tragen 52,6% der Frauen zum Haushaltseinkommen bei, während es im Südwesten nur 12% sind. Insgesamt sind 72,4% der befragten Afghanen und Afghaninnen der Meinung, dass Frauen außerhalb ihres Hauses arbeiten sollen (AF 11.2017). Die Erwerbstätigkeit von Frauen hat sich seit dem Jahr 2001 stetig erhöht und betrug im Jahr 2016 19%. Frauen sind dennoch einer Vielzahl von Hindernissen ausgesetzt; dazu zählen Belästigung, Diskriminierung und Gewalt, aber auch praktische Hürden, wie z.B. fehlende Arbeitserfahrung, Fachkenntnisse und (Aus)Bildung (UNW o. D.).

Nichtsdestotrotz arbeiten viele afghanische Frauen grundlegend an der Veränderung patriarchaler Einstellungen mit. Viele von ihnen partizipieren an der afghanischen Zivilgesellschaft oder arbeiten im Dienstleistungssektor. Aber noch immer halten soziale und wirtschaftliche Hindernisse (Unsicherheit, hartnäckige soziale Normen, Analphabetismus, fehlende Arbeitsmöglichkeiten und mangelnder Zugang zu Märkten) viele afghanische Frauen davon ab, ihr volles Potential auszuschöpfen (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Die Einstellung gegenüber der Berufstätigkeit von Frauen hat sich in Afghanistan in den letzten Jahren geändert; dies hängt auch mit den NGOs und den privaten Firmen zusammen, die in Afghanistan aktiv sind. Die städtische Bevölkerung hat kaum ein Problem mit der Berufstätigkeit ihrer Ehefrauen oder Töchter. Davor war der Widerstand gegen arbeitende Frauen groß und wurde damit begründet, dass ein Arbeitsplatz ein schlechtes Umfeld für Frauen darstelle, etc. In den meisten ländlichen Gemeinschaften sind konservative Einstellungen nach wie vor präsent und afghanische Frauen sehen sich immer noch Hindernissen ausgesetzt, wenn es um Arbeit außerhalb ihres Heimes geht. Im ländlichen Afghanistan gehen viele Frauen, aus Furcht vor sozialer Ächtung, keiner Arbeit außerhalb des Hauses nach (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Das Gesetz sieht zwar die Gleichstellung von Mann und Frau im Beruf vor, jedoch beinhaltet es keine egalitären Zahlungsvorschriften bei gleicher Arbeit. Das Gesetz kriminalisiert Eingriffe in das Recht auf Arbeit der Frauen; dennoch werden diese beim Zugang zu Beschäftigung und Anstellungsbedingungen diskriminiert (USDOS 20.4.2018).

Dennoch hat in Afghanistan aufgrund vieler Sensibilisierungsprogramme sowie Projekte zu Kapazitätsaufbau und Geschlechtergleichheit ein landesweiter Wandel stattgefunden, wie Frauen ihre Rolle in- und außerhalb des Hauses sehen. Immer mehr Frauen werden sich ihrer Möglichkeiten und Chancen bewusst. Sie beginnen auch wirtschaftliche Macht zu erlangen, indem eine wachsende Zahl Teil der Erwerbsbevölkerung wird - in den Städten mehr als in den ländlichen Gebieten. Frauen als Ernährerinnen mit Verantwortung für die gesamte Familie während ihr Mann arbeitslos ist, sind keine Seltenheit mehr. Mittlerweile existieren in Afghanistan oft mehr Arbeitsmöglichkeiten für Frauen als für Männer, da Arbeitsstellen für letztere oftmals schon besetzt sind. In und um Kabul eröffnen laufend neue Restaurants, die entweder von Frauen geführt werden oder in ihrem Besitz sind. Der Dienstleistungssektor ist zwar von Männern dominiert, dennoch arbeitet eine kleine, aber nicht unwesentliche Anzahl afghanischer Frauen in diesem Sektor und erledigt damit Arbeiten, die bis vor zehn Jahren für Frauen noch als unangebracht angesehen wurden (und teilweise heute noch werden). Auch soll die Anzahl der Mitarbeiterinnen im Finanzsektor erhöht werden. In Kabul zum Beispiel eröffnete im Sommer 2017 eine Filiale der First MicroFinance Bank, Afghanistan (FMFB-A), die nur für Frauen gedacht ist und nur von diesen betrieben wird. Diese Initiative soll es Frauen ermöglichen, ihre Finanzen in einer sicheren und fördernden Umgebung zu verwalten, um soziale und kulturelle Hindernisse, die ihrem wirtschaftlichen Empowerment im Wege stehen, zu überwinden. Geplant sind zwei weitere Filialen in Mazar-e Sharif bis 2019 (BFA Staatendokumentation; vgl. AKDN 26.7.2017). In Kabul gibt es eine weitere Bank, die - ausschließlich von Frauen betrieben - hauptsächlich für Frauen da ist und in deren Filiale sogar ein eigener Spielbereich für Kinder eingerichtet wurde (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. GABV 26.7.2017).

Eine Position in der Öffentlichkeit ist für Frauen in Afghanistan noch immer keine Selbstverständlichkeit. Dass etwa der afghanische Präsident dies seiner Ehefrau zugesteht, ist Zeichen des Fortschritts (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. WD 21.12.2017). Frauen in öffentlichen bzw. semi-öffentlichen Positionen sehen sich deshalb durchaus in einer gewissen Vorbildfunktion. So polarisiert die Talent-Show "Afghan Star" zwar einerseits das Land wegen ihrer weiblichen Teilnehmer und für viele Familien ist es inakzeptabel, ihre Töchter vor den Augen der Öffentlichkeit singen oder tanzen zu lassen. Dennoch gehört die Sendung zu den populärsten des Landes (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. NZZ 23.4.2017).

Politische Partizipation und Öffentlichkeit

Die politische Partizipation von Frauen ist rechtlich verankert und hat sich deutlich verbessert. So sieht die afghanische Verfassung Frauenquoten für das Zweikammerparlament vor: Ein Drittel der 102 Sitze im Oberhaus (Meshrano Jirga) werden durch den Präsidenten vergeben; die Hälfte davon ist gemäß Verfassung für Frauen bestimmt (AA 9.2016; vgl. USDOS 20.4.2018). Zurzeit sind 18 Senatorinnen in der Meshrano Jirga vertreten. Im Unterhaus (Wolesi Jirga) sind 64 der 249 Sitze für Parlamentarierinnen reserviert; derzeit sind 67 Frauen Mitglied des Unterhauses. Das per Präsidialdekret erlassene Wahlgesetz sieht eine Frauenquote von min. 25% in den Provinzräten vor. Zudem sind min. zwei von sieben Sitzen in der einflussreichen Wahlkommission (Indpendent Electoral Commission, IEC) für Frauen vorgesehen. Die afghanische Regierung veröffentlichte im Jänner 2018 einen Strategieplan zur Erhöhung des Frauenanteils im öffentlichen Dienst um 2% für das Jahr 2018 (AA 5.2018). Drei Afghaninnen sind zu Botschafterinnen ernannt worden (UNW o.D.). Im Winter 2017 wurde mit Khojesta Fana Ebrahimkhel eine weitere Frau zur afghanischen Botschafterin (in Österreich) ernannt (APA 5.12.2017). Dennoch sehen sich Frauen, die in Regierungspositionen und in der Politik aktiv sind, weiterhin mit Bedrohungen und Gewalt konfrontiert und sind Ziele von Angriffen der Taliban und anderer aufständischer Gruppen. Traditionelle gesellschaftliche Praktiken schränken die Teilnahme der Frauen am politischen Geschehen und Aktivitäten außerhalb des Hauses und der Gemeinschaft weiterhin ein. Der Bedarf einer männlichen Begleitung bzw. einer Arbeitserlaubnis ist weiterhin gängig. Diese Faktoren sowie ein Mangel an Bildung und Arbeitserfahrung haben wahrscheinlich zu einer männlich dominierten Zusammensetzung der Zentralregierung beigetragen (USDOS 20.4.2018).

Informationen zu Frauen in NGOs, den Medien und den afghanischen Sicherheitskräften können den Kapiteln 8. "NGOs und Menschenrechtsaktivisten", 11. "Meinungs- und Pressefreiheit" und 5. "Sicherheitsbehörden" entnommen werden; Anmerkung der Staatendokumentation.

Strafverfolgung und rechtliche Unterstützung

Afghanistan verpflichtet sich in seiner Verfassung durch die Ratifizierung internationaler Konventionen und durch nationale Gesetze, die Gleichberechtigung und Rechte der Frauen zu achten und zu stärken. In der Praxis mangelt es jedoch oftmals an der praktischen Umsetzung dieser Rechte (AA 5.2018; vgl. MPI 27.1.2004). Viele Frauen sind sich ihrer in der Verfassung garantierten und auch gewisser vom Islam vorgegebener, Rechte nicht bewusst. Eine Verteidigung ihrer Rechte ist in einem Land, in dem die Justiz stark konservativ-traditionell geprägt und überwiegend von männlichen Richtern oder traditionellen Stammesstrukturen bestimmt wird, nur in eingeschränktem Maße möglich (AA 5.2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Staatliche Akteure aller drei Gewalten sind häufig nicht in der Lage oder auf Grund tradierter Wertevorstellungen nicht gewillt, Frauenrechte zu schützen. Gesetze zum Schutz und zur Förderung der Rechte von Frauen werden nur langsam umgesetzt. Das Personenstandsgesetz enthält diskriminierende Vorschriften für Frauen, insbesondere in Bezug auf Heirat, Erbschaft und Beschränkung der Bewegungsfreiheit (AA 9.2016).

Viele Gewaltfälle gelangen nicht vor Gericht, sondern werden durch Mediation oder Verweis auf traditionelle Streitbeilegungsformen (Schuren und Jirgas) verhandelt. Traditionelle Streitbeilegung führt oft dazu, dass Frauen ihre Rechte, sowohl im Strafrecht als auch im zivilrechtlichen Bereich wie z. B. im Erbrecht, nicht gesetzeskonform zugesprochen werden. Viele Frauen werden darauf verwiesen, den "Familienfrieden" durch Rückkehr zu ihrem Ehemann wiederherzustellen (AA 5.2018). Andere Frauen, die nicht zu ihren Familien zurückkehren können, erhalten in einigen Fällen Unterstützung vom Ministerium für Frauenangelegenheiten und Nichtregierungsinstitutionen, indem Ehen für diese arrangiert werden (USDOS 20.4.2018). Eine erhöhte Sensibilisierung seitens der afghanischen Polizei und Justiz führt zu einer sich langsam, aber stetig verbessernden Lage der Frauen in Afghanistan. Insbesondere die Schaffung von auf Frauen spezialisierte Staatsanwaltschaften in einigen Provinzen hatte positive Auswirkungen (AA 9.2016). Um Frauen und Kindern, die Opfer von häuslicher Gewalt wurden, beizustehen, hat das Innenministerium (MoI) landesweit Family Response Units (FRU) eingerichtet. Die FRU sind mit Fachleuten wie Psychologen und Sozialarbeitern besetzt, welche die Opfer befragen und aufklären und ihre physische sowie psychische medizinische Behandlung nachverfolgen. Im Jahr 2017 existierten 208 FRU im Land (USDOD 12.2017).

EVAW-Gesetz

Das Law on Elimination of Violence against Women (EVAW-Gesetz) wurde durch ein Präsidialdekret im Jahr 2009 eingeführt und ist eine wichtige Grundlage für den Kampf gegen Gewalt gegen Frauen - inklusive der weit verbreiteten häuslichen Gewalt (AA 5.2018). Das EVAW-Gesetz ist nach wie vor in seiner Form als eigenständiges Gesetz gültig (Pajhwok 11.11.2017; vgl. UNN 22.2.2018); und bietet rechtlichen Schutz für Frauen (UNAMA 22.2.2018).

Das EVAW-Gesetz definiert fünf schwere Straftaten gegen Frauen:

V

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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