TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/12 W168 2199164-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.12.2019
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Entscheidungsdatum

12.12.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W168 2199162-1/13E

W168 2199164-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter MMag.Dr. Bernhard MACALKA als Einzelrichter über die Beschwerde von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , beide StA. Afghanistan, vertreten durch RA Nadja Lorenz, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.05.2018, (1) Zl. 113189909-161321859,

(2) Zl. 1131192109-161321913 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 03.10.2019 zu Recht erkannt:

A)

Den Beschwerden wird stattgegeben und Herrn XXXX und Herrn XXXX gemäß § 3 Abs. 1 des Asylgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 i. d.g.F. (AsylG 2005) der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass Herrn XXXX und

Herrn XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführer (BF), ein afghanischer Vater und sein minderjähriger Sohn, stellten nach schlepperunterstützter Einreise am 03.10.2016 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Bei der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der 1.BF an, er gehöre der Volksgruppe der Tadschiken an und sei sunnitischer Moslem. Er stamme aus Kabul. Im Herkunftsstaat habe er sechs Jahre die Grundschule besucht und nach Absolvierung einer sechsjährigen allgemeinbildenden höheren Schule fünf Jahre lang Kurse an der Universität belegt. Vor seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat habe dieser als Fußballtrainer für die U17 Nationalmannschaft gearbeitet.

Zu seinem Fluchtgrund führte der 1.BF aus, dass er aufgrund seiner Tätigkeit für den Fußball eng mit dem britischen Kulturattaché zusammengearbeitet habe. Als Fußballtrainer sei er in verschiedene Provinzen gefahren und habe dort Aufträge ausgeführt, weshalb er von den Taliban verfolgt worden sei. Einen Monat vor Ausreise habe sein Sohn entdeckt, dass er einen Kanister Speiseöl an einer Verkehrsinsel abgestellt habe. Nachdem er diesen Vorgang von der Polizei habe überprüfen lassen, sei festgestellt worden, dass es sich dabei um Sprengstoff handle. In weiterer Folge seien sie von den Taliban bedroht worden, weshalb sie aus Angst um ihr Leben fliehen hätten müssen. Bei einer Rückkehr fürchte er die Ermordung durch die Taliban.

2. Nach Zulassung seines Verfahrens erfolgte am 13.04.2018 eine niederschriftliche Einvernahme der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Der 1.BF gab eingangs an, dass er an keinen Krankheiten leide und keine Medikamente einnehme. Zu seinen persönlichen Daten befragt, gab der BF an, dass er in der Stadt Kabul geboren sei und sich eine Tazkira schicken lassen könne. Er gehöre der Volksgruppe der Sayyed und der Religionszugehörigkeit der Sunniten an. Vor seiner Ausreise habe er mit seiner Ehefrau und seinen drei Söhnen in einer Mietwohnung in Kabul gelebt. Er sei ursprünglich in der Provinz Balkh geboren und aufgewachsen, da sich die Familie jedoch nicht gut erhalten habe können, sei er mit seinen Angehörigen nach Kabul gezogen. Auf Aufforderung, seine Ausbildung zu schildern, entgegnete der BF, dass er 12 Jahre bis zur Matura in die Schule gegangen sei und anschließend eine pädagogische Hochschule sowie eine Universität besucht habe. Zur Frage, welchen Tätigkeiten er nachgegangen sei, erwiderte der BF, dass er in einem Waisenhaus gearbeitet habe und neben dieser Tätigkeit als Fußballtrainer tätig gewesen sei. Zur Frage, wo sich seine Ehefrau und seine Kinder derzeit aufhalten würden, erklärte der 1.BF, dass er dies nicht wisse. Seine übrigen Verwandten würden sich nach wie vor in Afghanistan aufhalten und er stehe mit diesen über das Internet in Kontakt.

Zum Fluchtgrund befragt, führte der 1.BF aus, dass sein Sohn unbewusst mit der Polizei zusammengearbeitet habe und eine Bombenexplosion verhindert habe. Nach diesem Vorfall sei sein Leben und jenes der gesamten Familie in Gefahr gewesen. Sie seien bedroht worden und hätten Angst bekommen. Der zweite kausale Grund für seine Ausreise sei gewesen, dass er im Zuge eines Projekts zwischen der Premier League und dem afghanischen Fußballverband die englische Botschaft aufsuchen habe müssen, weswegen ihm unterstellt worden sei, für die Briten zu spionieren. Da er und sein Sohn bedroht worden seien, sei er gezwungen gewesen, das Land zu verlassen. Die Fluchtgründe würden jedenfalls auch für seinen Sohn gelten. Befragt, wie es zu der unbewussten Zusammenarbeit zwischen seinem Sohn mit der Polizei gekommen sei, brachte der 1.BF vor, dass sein Sohn im Rahmen eines Einkaufs mitbekommen habe, dass zwei Personen auf einem Motorrad einen Kanister hinterlassen hätten. In weiterer Folge habe sich sein Sohn an die Sicherheitsbehörden gewandt und ihnen den Vorfall geschildert. Einer der Polizisten habe den Kanister als Sprengstoff identifizieren können. Zur Frage, was danach geschehen sei, erklärte der 1.BF, dass der Polizist Kollegen verständigt habe und sein Sohn nach Hause gefahren sei. Befragt, ob er aufgrund des Vorfalles in Afghanistan jemals persönlich konkret bedroht oder verfolgt worden sei, entgegnete der BF, dass die Schule im Winter zwar geschlossen gewesen sei, zwei Männer auf einem Motorrad versucht hätten, seinen Sohn während eines Kurses zu entführen. Die Fragen, ob sein Sohn diese Personen gekannt habe oder ob er diese Personen zu einem anderen Zeitpunkt nochmals gesehen habe, wurden vom 1.BF verneint. Befragt, ob sie den Vorfall angezeigt hätten, gab der 1.BF an, dass sie zur Polizei gegangen seien und diese ihnen erklärt hätten, dass unbekannte Personen seinen Sohn entführt hätten, um Geld zu erpressen. Auf Nachfrage, was die Polizei nach Einbringung der Anzeige konkret unternommen habe, entgegnete der

1. BF, dass er seinem Sohn verboten habe, sich außerhalb des Hauses aufzuhalten, bis die erwähnte Angelegenheit geklärt sei. Die Polizei habe jedenfalls die Ansicht vertreten, dass der Vorfall mit der nicht explodierenden Bombe in Zusammenhang stehe. Wie die Polizei von diesem Ereignis erfahren habe, könne der 1.BF nicht angeben. Zur Frage, ob es aufgrund dieses Vorfalles eine persönliche Bedrohung oder Verfolgung von seinem Sohn bzw. seiner Familie gegeben habe, dass die Verfolger eine blutige Puppe in einen Sand gesteckt hätten und in den Hof der BF geworfen hätten. Auf Nachfrage, wann sich dieser Vorfall ereignet habe, entgegnete der 1.BF, dass dieses Ereignis jedenfalls nach der Entdeckung des Sprengstoffes stattgefunden habe. Das genaue Datum könne er jedoch in beiden Fällen nicht angeben. Befragt, was er mit der Puppe in seinem Hof gemacht habe, erwiderte der 1.BF, dass seine Tochter zu schreien begonnen habe, als sie das Objekt gesehen habe. Auf Vorhalt, dass er zu Protokoll gegeben habe, aufgrund eines Projekts zwischen der Premier League und dem afghanischen Fußballverband bedroht worden zu sein und auf die Frage, wie sich die Bedrohung geäußert habe, brachte der BF vor, dass unbekannte Leute in der Provinz Farah sein Auto umstellt und anschließend durchsucht hätten. Nachdem sie das Logo gesehen hätten, sei ihm nach deren Prügelangriff unterstellt worden, als Spion für die Engländer tätig zu sein. Anschließend hätten sie ihn und seine Passagiere zwar freigelassen, ihnen jedoch zur Beendigung des Projekts geraten. Befragt, was danach passiert sei, gab der 1.BF an, dass sie weitergefahren seien und die Wahl des neuen Regionalpräsidenten durchgeführt hätten, jedoch auf dem Luftweg nach Hause gelangt seien, weil sie Angst gehabt hätten. Die Frage, ob er wegen dem geschilderten Vorfall bei der Polizei gewesen sei, wurde vom 1.BF verneint. Er sei jedoch sowohl vor als auch nach diesen Geschehnissen telefonisch bedroht worden und ihm als Spion bezeichnet hätten. Der 1.BF sei jedoch bei anderen Projekten im Rahmen seiner Tätigkeit als Fußballtrainer nicht bedroht worden. Zur Frage, wieso er seine Arbeit als Fußballtrainer fortgesetzt habe, erklärte der 1.BF, dass er zuerst ein angenehmes Leben genossen habe und nach Beendigung seiner Tätigkeit ins Ausland gegangen sei, was auch die Vorgangsweise seiner Arbeitskollegen gewesen sei. Auf Vorhalt, wieso er nicht in Afghanistan geblieben sei und seinem Beruf als Lehrer nachgegangen sei, erklärte der 1.BF, dass er in seinem Herkunftsstaat bereits unwiederbringlich einen negativen Ruf genossen habe und er aufgrund von Fernsehinterviews davon ausgegangen sei, im gesamten Land gefunden zu werden. Zum weiteren Vorhalt, wieso er für die Taliban nach wie vor von Interesse sein sollte, obwohl er seiner Tätigkeit als Fußballtrainer nicht mehr nachgehe, entgegnete der 1.BF, dass er selbst nach Beendigung mit seiner früheren Beschäftigung immer in Verbindung gebracht werden würde. Befragt, wie lange er sich aufgrund seines Projekts bei der britischen Botschaft aufgehalten habe, erklärte der 1.BF, dass er dies nicht genaue wisse, es jedoch regelmäßig Sitzungen gegeben habe. Auf die Frage, wie der Name des britischen Kulturattachés gewesen sei, der mit dem Projekt betraut gewesen sei, brachte der

1. BF vor, dass er lediglich mit einer Frau in Verbindung gewesen sei, jedoch zu Engländern keinen Kontakt gehabt habe. Zum Vorhalt, dass er im Rahmen der Erstbefragung angegeben habe, eng mit dem mit dem britischen Kulturattaché zusammengearbeitet zu haben, entgegnete der 1.BF, dass er nur mit dem Büro der Kulturabteilung zu tun gehabt habe. Die Frage, ob er in Afghanistan je persönlich konkret bedroht oder verfolgt worden sei, wurde vom 1.BF verneint. Auch nach seiner Ausreise habe es keine individuell-konkrete Bedrohung gegeben. Auf die Frage, wie lange er an dem erwähnten Projekt gearbeitet habe, erwiderte der 1.BF, dass er zwischen 2014 und 2015 für das Projekt der Premier League tätig gewesen sei. Die Fragen, ob er jemals mit den Behörden seines Heimatlandes oder aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit in Afghanistan Probleme gehabt habe, wurden vom 1.BF verneint. Auf Aufforderung, die Besonderheiten des Stammes der Sayyed näher zu erklären und der Vorhalt, dass die Sayyed eine soziale Sonderstellung hätten, da ihnen insbesondere bei Krisensituationen eine Schlüsselposition zukomme, da sie als Außenstehende in der Lage seien, ethnische und lokale Spaltungen zu überwinden und Koalitionen zu stiften, wurde vom 1.BF bestätigt. Auch der Ausführung des BFA, dass die Sayyed eine Sonderstellung hätten und von allen Volksgruppen respektiert werden würden, konnte der 1.BF nichts entgegensetzen. Die Fragen, ob er in Afghanistan jemals an Kampfhandlungen teilgenommen habe, einer Partei angehöre oder je festgenommen worden sei, wurden vom 1.BF verneint. Gegen ihn sei auch kein Gerichtverfahren anhängig.

Zu seinen Lebensumständen in Österreich befragt, gab der 1.BF an, dass er nicht erwerbstätig sei, aber bereits an Deutschkursen teilgenommen, jedoch noch keine Prüfung abgelegt habe. Sein Sohn besuche eine Schule.

Der am selben Tag einvernommene 2.BF brachte vor, dass er gesund sei und an keinen ansteckenden Krankheiten leide. Die Frage, ob er Verwandte oder persönliche Beziehungen in Österreich habe, wurde vom

2. BF verneint. Er sei in Kabul sechs Jahre lang in die Grundschule gegangen.

Zum Fluchtgrund befragt, führte der 2.BF aus, dass er im Zuge von Einkäufen einen Kanister wahrgenommen habe, den zwei Personen auf einem Motorrad abgestellt hätten. Nachdem diese Männer nicht auf seine Rufe reagiert hätten, habe er sich an die Polizei gewandt und ihnen die Entdeckung gemeldet, woraufhin diese den Fund als Bombe identifiziert hätten. Anschließend sei er nach Hause gegangen und seinen Eltern über den Vorfall berichtet. Im Rahmen eines Winterkurses sei er bedroht worden. Zur Frage, was bei dieser Bedrohung passiert sei, entgegnete der 2.BF, dass jemand auf dem Motorrad ihn dazu aufgefordert habe, aufzusteigen, er jedoch vom Vater eines Schulfreundes nach Hause gebracht worden sei. Eines Tages hätten sie eine Puppe in den Hof geworfen. Die Fragen, ob er die Personen auf dem Motorrad bereits gesehen habe oder diese jene Männer gewesen seien, die auch den Kanister abgestellt hätten, wurden vom 2.BF verneint. Er habe die Personen nach diesem Vorfall auch nicht mehr wiedergesehen. Befragt, ob er im Herkunftsstaat konkret bedroht worden sei, erklärte der 2.BF, dass ihn ein Mann dazu aufgefordert habe, mitzukommen. Die Frage, ob er jemals Schwierigkeiten oder Probleme mit den Behörden seines Heimatlandes gehabt habe, wurden vom 2.BF verneint. Er habe auch weder Probleme aufgrund seiner Religion oder wegen seiner Zugehörigkeit zum Stamm der Sayyed gehabt. Überdies habe er nie an Kampfhandlungen teilgenommen, sei niemals festgenommen worden und gegen ihn sei auch kein Gerichtsverfahren anhängig.

Zu seinen Lebensumständen in Österreich befragt, brachte der 2.BF vor, dass er im Bundesgebiet die Hauptschule besuche und Mitglied in einem Fußballverein sei.

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme wurden vom 1.BF ein Reisepass, ein Suchantrag des Roten Kreuzes vom 13.02.2017, eine Bescheinigung einer Marktgemeinde vom 28.03.2018 über die Verrichtung gemeinnütziger Hilfstätigkeiten, ein Zeugnis vom 04.04.2018, eine Bestätigung eines Sportvereins, ein Empfehlungsschreiben, eine Kursbesuchsbestätigung vom 20.04.2018 über die Teilnahme am Basisbildungskurs "Besser Lesen, Schreiben und Rechnen", eine Bestätigung über die Teilnahme am Deutschkurs, mehrere Fotos über ein beschädigtes Auto sowie Tätigkeiten als Fußballtrainer und mehrere Dokumente in Originalsprache und in englischer Sprache über absolvierte Projekte im Rahmen seiner Tätigkeit als Fußballtrainer in Vorlage gebracht.

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme wurden zudem eine Tazkira den 2.BF betreffend in Vorlage gebracht.

3. Mit den angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurden die Anträge der BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Den BF wurde gemäß §§ 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt III.) und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. (Spruchpunkt V.). Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise der BF gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Begründend wurde ausgeführt, dass die vom 1.BF vorgebrachten Fluchtgründe von Seiten der Behörde als nicht glaubwürdig angesehen werden würden. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der

1. B in Afghanistan einer Bedrohungssituation durch Private und staatlicherseits ausgesetzt sei. Er habe angegeben, dass er eng mit der Kulturabteilung der britischen Botschaft in Kabul zusammenarbeiten habe müssen und daher allgemein der Spionage für die Engländer beschuldigt worden sei. Diesbezüglich habe er auf Nachfrage in der Einvernahme vor dem Bundesamt lediglich vage und pauschale Angaben machen können. An den Namen des Kulturattachés habe sich der 1.BF nicht erinnern können, da es sich um eine allgemeine Zusammenarbeit zwischen dem afghanischen Fußballverband und der Kulturabteilung der britischen Botschaft gehandelt habe und in keinster Weise den 1.BF als Person betroffen habe. Betreffend die geäußerten Beschuldigungen der Spionage habe der 1.BF im Rahmen der Einvernahme keine näheren Angaben zu den Personen, die ihn der Spionage beschuldigen würden oder zeitliche Angaben zu dieser Beschuldigung aufgrund der Spionage für die englische Botschaft machen. Überdies sei für die Behörde nicht nachvollziehbar, dass der

1. BF nach einem Übergriff auf seine Reisegruppe seine Reise in die Provinz Farah fortgesetzt habe. Nach diesem Vorfall im Rahmen seiner Reise habe der 1.BF angegeben, nach der Wahl des Regionalpräsidenten des Fußballverbandes die Polizei kontaktiert zu haben. Eine potenziell mangelhafte Schutzfähigkeit respektive -willigkeit der lokalen Sicherheitsbehörden könne nicht erkannt werden. Von Seiten der Behörde werde zudem bezüglich des Fluchtvorbringens angemerkt, dass es sich bei der Sportart Fußball, neben Cricket um eine der beiden Nationalsportarten Afghanistans handle. Die Angaben des 1.BF, die er bezüglich seiner Zusammenarbeit mit der britischen Botschaft und deren Kulturabteilung als seinen Fluchtgrund angegeben habe, habe von der Behörde aufgrund seiner vagen, widersprüchlichen und pauschalen sowie nicht den BF als Person betreffenden Angaben als nicht glaubwürdig gewertet werden. Seine Angaben bezüglich seiner Tätigkeit als Fußballtrainer einer nicht näher bezeichneten allgemeinen Bedrohungssituation durch unbekannte Leute und seiner Meinung nach Extremisten am Spielfeldrand betroffen zu sein, seien ebenfalls sehr vage und widersprüchlich gewesen. So habe der 1.BF einerseits angegeben, ihm sei nahegelegt worden, die Tätigkeit als Fußballtrainer zu beenden, andererseits habe er angegeben, außerhalb seiner Arbeit an dem spezifischen Projekt der Afghan Premier League keiner Bedrohungssituation ausgesetzt gewesen zu sein. Von Seiten der Behörde werde Fußball in Afghanistan als eine Volkssportart gewertet. Zu seiner pauschalen Aussage, aufgrund seiner Tätigkeit als Fußballtrainer in Afghanistan allgemein bedroht zu sein, werde von Seiten der Behörde auf die offizielle Seite des afghanischen Fußballverbandes verwiesen, auf welcher mit der spezialisierten Ausbildung seiner Fußballtrainer mit Fotografien der Teilnehmer geworben werde. Bezüglich der Angaben des 1.BF, sein Sohn habe gesehen, wie zwei Personen auf einem Motorrad einen Kanister mit einer Bombe abgestellt hätten, werde von Seiten der Behörde angemerkt, dass er auch in diesem Punkt nicht glaubwürdig sei. Es sei von Seiten der Behörde nicht nachvollziehbar, warum Personen eine Bombe in einen Kanister einbauen sollten, ohne diesen zu zünden. Weiters stehe dieser Vorfall in keinem Zusammenhang mit dem vom 1.BF geschilderten Entführungsversuch seines Sohnes durch zwei Männer auf dem Motorrad. Eine konkret gegen die Person des BF gerichtete Verfolgungsgefahr aufgrund der Rasse, Religion, Nationalität, politische Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe sei von ihm nicht behauptet, beziehungsweise habe von ihm nicht glaubhaft gemacht werden können. Selbst wenn das Fluchtvorbringen hypothetisch als glaubhaft erachtet werden würde, könnte sich dieser durch eine innerstaatliche Änderung seines Lebensmittelpunktes entziehen. Die Behörde gehe davon aus, dass es dem 1.BF aufgrund seiner Reisebereitschaft und seinen unzähligen Reisen im Rahmen seiner Tätigkeit als Fußballtrainer möglich sei, sich den unterschiedlichen Lebensbedingungen anzupassen und aufgrund seiner vielfältigen Ausbildungen möglich sei, sich erneut in der afghanischen Gesellschaft einzugliedern. Die Behörde gehe im Fall der BF davon aus, dass der 1.BF aufgrund der familiären Anbindung in seinem Heimatland Afghanistan, nicht in eine existenz-und lebensbedrohende Situation nach einer Rückkehr komme.

4. Gegen diese Bescheide brachten die BF durch ihre nunmehrige Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 15.06.2018 fristgerecht eine gelichlautende Beschwerde ein. Begründend wurde vorgebracht, dass die im angefochtenen Bescheid getroffenen Länderfeststellungen unvollständig seien, da sie sich kaum mit dem konkreten Fluchtvorbringen der BF befassen würden und dadurch als Begründung zur Abweisung eines Antrages auf internationalen Schutz unzureichend seien. Die belangte Behörde habe sich nur mangelhaft mit der Situation der BF und der aktuellen Sicherheitslage sowie der Versorgungslage in der Herkunftsregion der BF auseinandergesetzt. Da die Behörde Ermittlungen zum Vorbringen der BF unterlassen habe, sei der Bescheid grob mangelhaft und zu beheben. Zudem werde gerügt, dass im angefochtenen Bescheid des minderjährigen Kindes bezüglich der Länderberichte auf den Bescheid des Vaters verwiesen werde und die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat auf einen Textbaustein erschöpfen würden. Schon anhand zahlreicher Ungenauigkeiten sei sehr gut zu erkennen, dass sich die belangte Behörde keineswegs individuell mit dem Einzelfall auseinandergesetzt habe. Zu keinem Zeitpunkt seien die BF hinsichtlich ihrer pro-westlichen Orientierung befragt worden, wobei offensichtlich klar gewesen sei, dass die BF sich durch ihren bisherigen Aufenthalt in Österreich einen weitaus westlicheren Lebensstil und einer westlicheren Denkweise angeeignet hätten, als dies von regierungsfeindlichen Gruppen akzeptiert werde. Das BFA habe es im gegenständlichen Fall zudem unterlassen, seiner Entscheidung einschlägige Länderberichte zugrunde zu legen. Wie ausgeführt, ziehe die Behörde ihre Schlussfolgerungen zur aktuellen Situation in Afghanistan aus unvollständigen und auch teilweise völlig irrelevanten Länderberichten. Die belangte Behörde habe es überdies pflichtwidrig verabsäumt, sich mit den aktuellen Länderberichten und der Vulnerabilität der BF auseinanderzusetzen. Die Behörde nehme offensichtlich eine Beweislastumkehr vor, da sie einen absoluten Beweis und keine Glaubhaftmachung fordere. Dem BFA sei Willkür vorzuwerfen, da sie das Parteivorbringen und die dazu vorgelegten Beweismittel gänzlich ignoriere und pflichtwidrig jegliche Würdigung unterlasse. Das Alter und der Entwicklungsstand des 2.BF wären im Rahmen der Beweiswürdigung jedenfalls zu berücksichtigen gewesen und die Behörde hätte durch konkrete Fragen bezüglich relevanter Sachverhaltselemente darauf hinwirken müssen, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachte Umstände vervollständigt werden. Bezüglich der prekären Sicherheitslage in Afghanistan wurde auf mehrere Länderberichte verwiesen. Es könne den BF in Gesamtbetrachtung der Umstände nicht zugemutet werden, nach Afghanistan zurückzukehren. Es sei nicht erhoben worden, inwieweit eine Nichtzuerkennung von internationalem, zur Erreichung der im Gesetzesvorbehalt des Art. 7 BVG-Kinderrechte genannten Ziele als notwendig und verhältnismäßig einzustufen wäre. Die erstinstanzliche Behörde habe also nach mangelhaftem Ermittlungsverfahren und anderer Verfahrensfehler das Verfahren zusätzlich mit einer mangelhaften Beweiswürdigung und Begründung belastet. Den BF stehe entgegen der Ansicht des BFA keine innerstaatliche Fluchtalternative offen, da den BF in dem von der Behörde vorgeschlagenen Zufluchtsgebiet aufgrund der kriegsbedingten humanitären Situation in Afghanistan nicht zumutbar wäre, dorthin zu fliehen. Das BFA habe es insbesondere unterlassen, Ermittlungen zum bestehenden Familienleben in Österreich anzustellen. Zusammenfassend würden die BF fleißig Deutsch lernen und sich bemühen, in die österreichische Kultur zu integrieren. Beantragt wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 03.10.2019 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari und im Beisein der Rechtsvertreterin der BF eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der der 1.BF ausführlich zu seinen persönlichen Umständen und seinen Fluchtgründen befragt wurde.

Insbesondere wurde der Beschwerdeführer hierbei umfassend betreffend die Gründe für die Erhebung der Beschwerde, sowie zu dem genauen Ablauf und einzelnen Details der bereits bei der ersten Instanz angeführten Fluchterzählung befragt. Ebenso wurden mit den BF die aktuellen Länderfeststellungen, sowie ihre persönliche Situation bei einer Rückkehr nach Afghanistan, als auch ihre Rückkehrbefürchtungen erörtert.

Zur Frage, weshalb er Beschwerde erhoben habe, führte der 1.BF aus, dass man ihm im erstinstanzlichen Verfahren seine Fluchtgründe nicht geglaubt habe. Die Bedrohungen und die Gefahren in Afghanistan seien nach wie vor aktuell. Er habe vor seiner Ausreise in Kabul gewohnt und zwei Tanten seien nach wie vor in Afghanistan aufhältig. Die gesamte Kernfamilie des 1.BF sei bereits ausgereist, den Kontakt zu seiner Ehefrau habe er an der Grenze zur Türkei und zum Iran verloren. Befragt, womit er in Afghanistan seinen Lebensunterhalt verdient habe, entgegnete der 1.BF, dass er als Fußballtrainer für die afghanische Fußballföderation tätig gewesen sei. Auf Nachfrage, ob er angegeben habe, dass er auch als Lehrer gearbeitet habe, erklärte der 1.BF, dass er das Studienfach Geschichte an der Universität abgeschlossen habe. Er habe jedoch tagsüber trainiert und am Abend für sein Studium gelernt. Zur Frage, weshalb er mit einem abgeschlossenen Geschichtsstudium die afghanische Nationalmannschaft trainieren dürfe, erklärte der 1.BF, dass er bereits vor seinem Studium als Fußballtrainer gearbeitet habe. Befragt, ob er besondere Bekannte oder Erfahrungen habe, um diesen Beruf zu erhalten, entgegnete der 1.BF, dass er bereits im Kindesalter Fußball gespielt habe und auch Ausbildungen für dieses Metier absolviert habe. Auf Nachfrage, was seine genaue Funktion gewesen sei, gab der 1.BF an, dass er die afghanische Jugendnationalmannschaft unter 18 trainiert habe. Seine finanzielle Situation sei insgesamt gut gewesen. Die Frage, ob sich an den Gründen seiner Asylantragstellung seit Erhalt des angefochtenen Bescheids der ersten Instand irgendeine wesentliche Veränderung ergeben habe, wurde vom 1.BF verneint.

Zum Fluchtgrund befragt, führte der 1.BF aus, dass der erste Grund für seine Ausreise seine Tätigkeit bei der afghanischen Fußballföderation (AFC) gewesen sei, die mit dem britischen Konsulat zusammengearbeitet habe. Die zweite ausreisekausale Ursache sei gewesen, dass sich sein Sohn mit der Polizei gegen die Explosion von Bomben eingesetzt habe. Auf Aufforderung, seine erwähnten Gründe näher zu erläutern, brachte der 1.BF vor, dass er zuerst von seiner Tätigkeit beim britischen Konsulat berichten wolle. Eine der Kulturabteilungen der englischen Botschaft mit dem Namen "Premiumskill" habe Jugendliche und Erwachsene sowie junge Frauen sportlich unterstützt und daher mit der Fußballföderation kollaboriert. Der 1.BF sei für ein Projekt dieser Abteilung ausgewählt worden, weil er auch die Sprache Paschtu beherrscht habe. Da seine Englischkenntnisse jedoch nicht fortgeschritten gewesen seien, habe er alle Aufgaben mittels Dolmetscherin gelöst. Aufgrund des Umstandes, dass er auch mit Frauen zusammengearbeitet und diese trainiert habe, sei er von den Taliban verfolgt worden. Auf Vorhalt, dass er dieses Vorbringen nunmehr zum ersten Mal erwähne, erklärte der 1.BF, dass bei seiner ersten Einvernahme der Zeitdruck groß gewesen sei, weshalb ihm nicht möglich gewesen sei, vollständige Ausführungen zu erstatten. Zum weiteren Vorhalt, wieso er die vorgelegten Fotos nicht bereits bei seiner Einvernahme vor dem BFA eingebracht habe, entgegnete der 1.BF, dass er damals nicht davon ausgegangen sei, diese für sein Verfahren zu benötigen. In Österreich habe man ihm geholfen, mit der afghanischen Fußballmannschaft in Kontakt zu treten, woraufhin sie ihm die Fotos per E-Mail übermittelt hätten. Auf Vorhalt, dass er angegeben habe, aufgrund seiner Sprachkenntnisse in Dari und Paschtu als Kontaktmann eingesetzt worden zu sein und auf die Frage, wieso er trotz fehlender Englischkenntnisse dennoch als Kommunikationsbeauftragter ausgewählt worden sei, gab der 1.BF an, dass im Fußball nur die Erfahrung wesentlich sei und der Sport im Vordergrund stehe. Es habe jedenfalls niemand sowohl die Sprache Dari als auch Paschtu beherrscht. Befragt, worin seine Erfahrung genau bestanden habe, erklärte der 1.BF, dass er zuvor bereits vier Jahre lang im Rahmen eines deutschen Projekts als Fußballtrainer gearbeitet habe. Auf Aufforderung, seine diesbezügliche Tätigkeit näher zu beschreiben, brachte der 1.BF vor, dass er von 2001 bis Ende 2015 als Trainer in einer Direktion mit einer deutschen Projektleiterin gearbeitet habe. Auf die weitere Aufforderung, zu schildern, wie die Bedrohungen abgelaufen seien, führte der 1.BF aus, dass es von 2001 bis 2014 keine Bedrohungen gegeben habe und sich nach diesem Zeitraum die telefonischen Drohungen intensiviert hätten. Im Rahmen eines konkreten Projekts habe er von Herat nach Farrah fahren müssen und auf dem Weg dorthin von den Taliban angehalten und kontrolliert worden. Anschließend hätten sie begonnen, den 1.BF und seinen Beifahrer mit der Griffleiste des Gewehrs zu schlagen, nach der Herkunft der gefundenen sportlichen Gegenstände gefragt und ihnen unterstellt, britische Spione zu sein. In weiterer Folge hätten die Taliban alle Werbungen zerrissen und den Tank ausgeleert. Da sie das geplante Projekt nicht mehr durchführten hätten wollen, seien sie in Farrah lediglich einen Tag geblieben, um den Verantwortlichen wählen zu lassen. Befragt, wie es nach der Bestellung des Regionalpräsidenten weitergegangen sei, brachte der 1.BF vor, dass er seine bisherigen Angaben richtigstellen wolle und er Mitarbeiter des AFC gewesen sei. Nach der erwähnten Wahl sei er mittels Charterflugzeug nach Kabul geflogen und sich dazu entschieden, seine Mitarbeit an dem angesetzten Projekt zu beenden. Zur Frage, wieso er mit einem Hubschrauber ausgeflogen worden sei und nicht mit einem anderen Verkehrsmittel gefahren sei, erwiderte der 1.BF, dass er große Angst gehabt habe und nicht mit dem Auto fahren habe wollen. Zur Frage, ob ihm der Gouverneur erlaubt habe, das Militärflugzeug zu verwenden und auf die weitere Frage, wie er mit diesem in Kontakt getreten sei, entgegnete der 1.BF, dass er aufgrund von Todesangst selbst darauf bestanden habe. Den Kontakt zum Gouverneur habe er über dessen Sekretär hergestellt. Befragt, was danach in Kabul passiert sei, gab der 1.BF an, dass er der Föderation vom Vorfall berichtet habe, da er die Gefährlichkeit seiner Tätigkeit erkannt habe. Der zweite Grund für seine Ausreise sei der Vorfall mit seinem Sohn gewesen, da dieser beobachtet habe, wie zwei Männer auf dem Motorrad einen Blechkanister mit Öl auf die Straße stellen, weshalb dieser in weiterer Folge auch die Polizei darüber informiert habe. Bei näherer Betrachtung hätten die Polizisten erkannt, dass es sich um Explosionsmaterial gehandelt habe. Im folgenden Winterkurs habe man versucht, seinen Sohn zu entführen, der Vater eines Mitschülers sei ihm jedoch zu Hilfe gekommen. Der 1.BF habe diesen Vorfall jedoch polizeilich angezeigt, die Polizei habe die Sache jedoch nicht ernst genommen und Schmiergeld verlangt. Auf Vorhalt, wieso die genannten Männer seinen Sohn entführen sollten, weil er den Polizisten einen Benzinkanister gemeldet habe, replizierte der 1.BF, dass sein Sohn die Gesichter der Männer gesehen habe und sie identifizieren könnte. Zum weiteren Vorhalt, wieso sein Sohn vier Jahre nach dem genannten Vorfall in Afghanistan verfolgt werden sollte, erklärte der 1.BF, dass die Möglichkeit bestehe, dass sie nach wie vor nach ihm suchen würden. Zur Frage, ob er Beweise oder Indizien für eine zukünftige Verfolgung habe, entgegnete der 1.BF, dass sie nach dem erwähnten Entführungsversuch eine blutige Puppe mit durchgeschnittenen Kopf im Hof entdeckt hätten und er sich deswegen an die Nationalsicherheit gewandt habe. Auf Vorhalt, ob er die Nationalsicherheitsbehörde bereits im Rahmen seines erstinstanzlichen Verfahrens erwähnt habe, erwiderte der 1.BF, dass er sogar einen Brief in Vorlage gebracht habe und auch darüber gesprochen habe. Er habe jedenfalls nicht die Zeit gehabt, vollständige Ausführungen zu Protokoll zu geben. Auf die Frage, weshalb sich die Verfolger solch subtiler Methoden für eine Bedrohung bedienen sollten, obwohl sie die Adressen der BF bereits kennen würden, brachte der 1.BF vor, dass sie nach den Vorfällen zahlreiche Maßnahmen ergriffen hätten und ihnen von der nationalen Sicherheit sogar geraten worden sei, die Adresse zu wechseln. Auf Nachfrage, wieso er konkret habe ausreisen müssen, brachte der 1.BF vor, dass er nach den Vorfällen in Afghanistan keine Sicherheit mehr verspürt habe. Auf Vorhalt, weshalb er nicht in größere Städte wie Kabul oder Herat umgezogen sei, obwohl es in diesen Städten kein Melderegister gebe, erwiderte der 1.BF, dass er in den Medien gewesen sei und man bei allen Behördenwegen Dokumente verlangt habe. Auf die Frage, wie er konkret bedroht worden sei, erklärte der 1.BF, dass er telefonisch bedroht worden sei, da er jeden Tag einen Anruf erhalten habe und ihm erklärt worden sei, dass es ein Vergehen sei, Frauen Kopftücher zu entfernen. Durch Fotos in Zeitungen hätten sie ihn auch nach Kündigung seines Berufes finden können und die afghanische Polizei hätte ihm keine Sicherheit garantieren können. Der BF brachte als Beweis für sein Vorbringen einen Zeitungsartikel aus dem Jahr 2014 bezüglich eines Angriffs gegen den Cheftrainer der afghanischen Fußballmannschaft in Vorlage. Überdies wurde von ihm ein Schreiben über die Ermordung von Mitgliedern der afghanischen Fußballföderation vorgelegt. Diese Angriffe hätten sich jedoch bereits nach seiner Einreise in Österreich ereignet. Ein Spieler, den er auch trainiert habe, sei ebenfalls ermordet worden, weshalb die Gefahr, ermordet zu werden, nach wie vor präsent sei. Zur Frage, ob er konkrete Hinweise habe, dass er konkret bedroht werden würde, führte der 1.BF zusammenfassend aus, dass er eine drohende Gefährdung durch die Vorlage von Dokumenten und seine Ausführungen untermauern hätte können und dass er aufgrund der Tatsache, dass er mit Frauen zusammengearbeitet hätte, auch weiterhin einer Bedrohung durch die Taliban ausgesetzt wäre. Die Taliban hätten nach ihm gesucht., Man könne ihm auch in einem anderen Landesteil Afghanistans keine Sicherheit garantieren. Auf die Frage, worin sich seine persönliche Situation Afghanistans von anderen afghanischen Männern unterscheide, führte der 1.BF aus, dass ihn die Taliban ermorden wollen würden. Sein vormaliger Beruf würde ihn von anderen Männern in Afghanistan unterscheiden. Auf weiteren Vorhalt, dass den Würdigungen des Bescheides zu entnehmen sei, dass die Sicherheitslage insbesondere in Herat oder Mazar-e Sharif stabil sei und sich Vorfälle in diesen Städten hauptsächlich gegen sogenannte "high profile" Personen richten würden und weshalb er selbst einer erhöhten Bedrohung ausgesetzt sein sollte, entgegnete der 1.BF, dass Angriffe in Afghanistan auch gegen einfache Cricket oder Volleyballspieler ausgeübt werden würden. Die Taliban hätten im gesamten Staatsgebiet Einfluss sowie Kontakte und seien gefährliche Personen. Als Beweismittel wurden vom 1.BF mehrere Artikel über tödliche Attacken gegen Sportler in Vorlage gebracht. Zur Frage der Rechtsvertretung, ob er sich vorstellen könne, bei einer Rückkehr nach Afghanistan einen neuen Beruf auszuüben, erwiderte der 1.BF, dass diese Vorgangsweise zwar durchaus vorstellbar sei, er seine Vergangenheit jedoch nicht ändern könne.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde ein Suchantrag des Roten Kreuzes vom 13.02.2017, betreffend die Familienangehörige der BF in Vorlage gebracht. Zudem wurden zahlreiche Empfehlungsschreiben den BF1 betreffend dem erkennenden Gericht vorgelegt. Auf den Fluchtgrund wurden betreffend des BF1 folgende Bescheinigungsmittel im Zuge der mündlichen Verhandlung in Vorlage gebracht: So wurden insbesondere mehrere Dokumente die angegebene Tätigkeit des BF als Fußballtrainer betreffend in Originalsprache in Vorlage gebracht. Hierunter etwa ein Coaching Certificate vom 03.11.2014 den 1.BF als "Certificate of Attendance" betitelt, welchen zu entnehmen ist, dass der 1.BF vom 09.03.2004 bis zum 18.03.2004 an einem FIFA Seminar unter der Schirmherrschaft des Internationalen Fußballverbandes in Zusammenarbeit mit der afghanischen Fußballföderation teilgenommen habe, ein "Certificate of Child's Development" vom 16.07.-21.07.2007, "UNICEF Certificate" vom Juni 2010-August 2011, eine Bestätigung über die Absolvierung pädagogischer Kurse vom 18.12.2004 bis zum 15.02.2005, weitere Dokumente in Originalsprache (darunter zwei Dokumente der Jugendsektion der afghanischen Fußballföderation), Ausweise des 1.BF als Cheftrainer bzw. Assistenztrainer der afghanischen Mannschaft im Rahmen von Fußballveranstaltungen, ein Zertifikat über die Teilnahme am "Basic Management training course" vom 29.09. bis zum 30.10.2007, "D Licence über die Teilnahme an einem D-Coaching", ein Zertifikat über den Bachelor Abschluss des 1.BF, ein Zertifikat vom 19.10.2012 über die Teilnahme des 1.BF an einem Jugend-Austauschprojekt mit Asien-Ozeanien und Nordamerika, "Certificate of Instructor" über die Teilnahme am Kurs für die "Instructor D Lizenz" unter der Schirmherrschaft der afghanischen Fußballföderation vom 08-12-12-2014, "Certificate of Participation" über die Teilnahme an einem Coaching Kurs unter der Schirmherrschaft der asiatischen Fußballföderation vom 15.10-03.11.2013, "Certificate of Attendance" über die Teilnahme am "Grassroots Course for Couching Educators" vom 25-30.10.2010, "Certificate of Participation" über die Teilnahme am AFC U-13 Festival of Football vom 10-23.05.2011 sowie am U-14 Festival of Football 2012, "Certificate of Premier Skills Phase 1" vom 30.06. bis zum 06.07.2013 sowie "Phase 2" vom 18.04. bis zum 03.05.2014, "Certificate" vom 16.12.2008 über die Arbeit an dem Projekt "Learn& Play für Street Children in Kabul and Surroundings" von 2004 bis Dezember 2008 als Fußballtrainer vom "Learn&Play" Center in Kabul und ein "Certificate of Completion" über einen absolvierten Workshop zum Thema "Drogen/Suchtprävention" als Lehrer von Waisenkindern in Kabul in Vorlage gebracht. Ergänzend zu diesen Unterlagen wurden bezogen auf die angegebene Tätigkeit als Fußballtrainer zahlreiche Fotos in Vorlage gebracht, die den 1.BF bei der angegebenen Tätigkeit als Trainer zeigen. Auf mehreren dieser Fotos ist der BF1 bei dem Training auch mit jungen Frauen zu erkennen, bzw. ist der BF1 bei der Teilnahme von verschiedenen Fußball - Veranstaltungen in Afghanistan zu erkennen, an denen auch dem Gericht bekannte bzw. prominente Politiker Afghanistans teilgenommen haben. Betreffend des BF2 wurde ein Jahreszeugnis vom 05.07.2019 für das Schuljahr 2018/19, eine Leistungsbeschreibung des

2. BF vom 26.06.2019 vorgelegt. Zudem wurde eine Kopie eines afghanischen Reisepasses des 1.BF, weitere Empfehlungsschreiben, eine Freundesliste des 1.BF, eine Urkunde über den 2.Platz im Rahmen eines Futsal Cup im Jänner 2019, Empfehlungsschreiben des Sportvereins Spital an der Drau mitsamt mehrerer Fotos des 1.BF, eine Bestätigung vom 04.06.2018 über einen absolvierten Deutschkurs auf dem Niveau A1/A2 den 1.BF betreffend, eine Kursbesuchsbestätigung vom 12.02.2019 über die Teilnahme des 1.BF am Basisbildungskurs "Basisbildung 2018/19-201", eine Teilnahmebestätigung des 1.BF über den Besuch des Kurses "Besser Lesen, Schreiben und Rechnen" vom 15.01.2018 bis zum 28.06.2018, eine Teilnahmebestätigung vom 19.12.2018 über die Teilnahme des 1.BF am Werte-und Orientierungskurs, ein Zeugnis vom 04.06.2018 zur Integrationsprüfung über die Absolvierung der Integrationsprüfung auf dem Niveau A2 den 1.BF betreffend, eine Anmeldebestätigung der Kärntner Volkshochschulen vom 28.01.2019, ein Schreiben vom 24.09.2019 den 2.BF betreffend über die Einladung zu einem Praktikum in einer Firma für Elektroinstallation vorgelegt.

In einer Stellungnahme vom 16.10.2019 wurde von der bevollmächtigten Vertretung der BF ausgeführt, dass Sportarten wie Fußball dem Verhaltenskodex der Taliban widersprechen würden. Der 1.BF habe in seiner Zeit als Trainer auch Medienpräsenz gezeigt, weshalb davon auszugehen sei, dass er einen höheren Bekanntheitsgrad in Afghanistan aufweise und allerorts erkannt werden könnte. Das Fluchtvorbringen des 1.BF werde auch durch öffentlich zugängliche Berichte untermauert. Aus einer Anfragebeantwortung gehe hervor, dass es immer wieder zu Anschlägen komme, die in Verbindung zu sportlichen Veranstaltungen stehen würden. Auch die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 würden das Vorbringen des

1. BF stützen. Der 1.BF habe im Rahmen seiner Tätigkeit als Fußball-Trainer auch Mädchen trainiert. Darüber hinaus ergebe sich die besondere Vulnerabilität aus der Zusammenarbeit mit ausländischen Organisationen, dem 1.BF seien in diesem Zusammenhang auch bereits Spionagetätigkeiten vorgeworfen. Die BF würden sohin gleich mehrere, in den UNHCR Richtlinien genannte Risikoprofile erfüllen. Aus der Gesamtschau der Umstände ergebe sich sohin eine asylrelevante und landesweite Bedrohung. Den BF stehe auch keine innerstaatliche Fluchtalternative offen und die Sicherheitslage in Afghanistan sei sohin nach wie vor als prekär zu bewerten. Der Stellungnahme wurden ein Zeugnis über die Integration vom 08.10.2019 sowie eine Bestätigung vom 09.10.2019 über die Übermittlung mehrerer Fotos der afghanischen Fußballföderation angeschlossen.

Weiters wurden eine ergänzende differenzierende Leistungsbeschreibung vom 07.08.2017 den 2.BF betreffend, eine Bestätigung der afghanischen Fußballföderation, wonach der 1.BF bei der Föderation angestellt gewesen sei und aktiv Jugendliche vom 10-17 Jahren trainiert habe, zwei Zertifikate über den Abschluss der "Premier Skills Phase 1" vom 30.06.-06.07.2014 sowie Phase 2 vom 28.04.-03.05.2014, eine Schulnachricht den 2.BF betreffend vom 10.02.2017 über das Schuljahr 2016/17, eine Schulbesuchsbestätigung vom 07.07.2017, eine Schulbesuchsbestätigung vom 06.07.2018, eine Bestätigung über einen absolvierten Deutschkurs vom 04.06.2018, eine Teilnahmebestätigung über den Besuchs des Kurses "Besser Lesen, Schreiben und Rechnen" vom 15.01.2018 bis 28.06.2018 sowie eine Schulnachricht vom 09.02.2018 den 2.BF betreffend vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1 Zu den Beschwerdegründen

Der 1.BF und sein minderjähriger Sohn, der 2.BF, sind Staatsangehörige von Afghanistan, gehören der Volksgruppe der Tadschiken an und sind Muslime sunnitischer Ausrichtung. Sie stammen aus der Stadt Kabul. Die BF reisten im Oktober 2016 unberechtigt ins Bundesgebiet ein, wo sie am 03.10.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz stellten. Der Aufenthalt der Ehefrau des 1.BF und der Mutter des 2.BF, sowie der Söhne und der Tochter des 1.BF bzw. der Brüder und der Schwester des 2.BF ist unbekannt. Der 1.BF studierte im Herkunftsstaat Geschichte an der Universität und war bis 2015 in Kabul für die U17 Nationalmannschaft, bei der afghanischen Fußballföderation, sowie für ein Waisenhaus tätig. Der

1. BF hat im Herkunftsstaat familiäre Anknüpfungspunkte in Form zweier Tanten, die nicht berufstätig sind. Seine Eltern und zwei Brüder sind bereits verstorben, eine Schwester ist im Iran aufhältig.

Es wird dem Verfahren zugrunde gelegt, dass der 1.Beschwerdeführer glaubhaft machen konnte, dass dieser als leitender Trainer für den afghanischen Fußballverband (AFC) tätig war, in dieser Funktion mit ausländischen Organisationen als auch mit dem britischen Konsulat zusammengearbeitet hat und hierbei mit höheren Regierungsbeamten, Politikern als auch in landesweit verbreiteten Medien öffentlich in Erscheinung getreten ist.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers 1 betreffend der angegebenen asylrechtlich relevanten Bedrohungen seiner Person, als auch der Person des BF 2 wurde durch das Vorbringen des BF 1 als auch durch die Vorlage von mehreren Bescheinigungsmitteln hinreichend glaubhaft gemacht und wird der Entscheidung zugrunde gelegt.

Es wird festgestellt, dass die BF Afghanistan aufgrund einer glaubhaften unmittelbaren Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verlassen haben.

Die BF haben glaubhaft machen können, dass diesen im Falle einer Rückkehr auch hinkünftig eine asylrechtlich relevante Gefährdung im Herkunftsstaat aufgrund ihnen unterstellten politischen Ansichten von Seiten Dritter mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht und diesen in Afghanistan insgesamt auch keine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht.

Die Beschwerdeführer sind strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat wird Folgendes festgestellt:

(gekürzt und zusammengefasst durch das BVwG)

Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 26.3.2019,

Anschläge in Kabul-Stadt

Bei einem Selbstmordanschlag während des persischen Neujahres-Fests Nowruz in Kabul-Stadt kamen am 21.3.2019 sechs Menschen ums Leben und weitere 23 wurden verletzt (AJ 21.3.2019, Reuters 21.3.2019). Die Detonation erfolgte in der Nähe der Universität Kabul und des Karte Sakhi Schreins, in einer mehrheitlich von Schiiten bewohnten Gegend. Quellen zufolge wurden dafür drei Bomben platziert: eine im Waschraum einer Moschee, eine weitere hinter einem Krankenhaus und die dritte in einem Stromzähler (TDP 21.3.2019; AJ 21.3.2019). Der ISKP (Islamische Staat - Provinz Khorasan) bekannte sich zum Anschlag (Reuters 21.3.2019).

Während eines Mörserangriffs auf eine Gedenkveranstaltung für den 1995 von den Taliban getöteten Hazara-Führer Abdul Ali Mazari im überwiegend von Hazara bewohnten Kabuler Stadtteil Dasht-e Barchi kamen am 7.3.2019 elf Menschen ums Leben und 95 weitere wurden verletzt. Der ISKP bekannte sich zum Anschlag (AJ 8.3.2019).

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil. Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum 16.8.2018 - 15.11.2018 5.854 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 5% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (63%) aus. Selbstmordanschläge gingen um 37% zurück, was möglicherweise an erfolgreichen Bekämpfungsmaßnahmen in Kabul-Stadt und Jalalabad liegt. Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Streitkräfte stiegen um 25%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten. In der Provinz Kandahar entstand die Befürchtung, die Sicherheitsbedingungen könnten sich verschlechtern, nachdem der Polizeichef der Provinz und der Leiter des National Directorate for Security (NDS) im Oktober 2018 ermordet worden waren (UNGASC 7.12.2018). Gemäß dem Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) fanden bis Oktober 2018 die meisten Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen in den Provinzen Badghis, Farah, Faryab, Ghazni, Helmand, Kandahar, Uruzgan und Herat statt. Von Oktober bis Dezember 2018 verzeichneten Farah, Helmand und Faryab die höchste Anzahl regierungsfeindlicher Angriffe (SIGAR 30.1.2019).

Nach dem Taliban-Angriff auf Ghazni-Stadt im August 2018, bestand weiterhin die Befürchtung, dass die Taliban großangelegte Angriffe im Südosten des Landes verüben könnten. Dies war zwar nicht der Fall, dennoch setzten Talibankämpfer die afghanischen Sicherheitskräfte am Stadtrand von Ghazni, in Distrikten entlang des Highway One nach Kabul und durch die Einnahme des Distrikts Andar in Ghazni im Oktober weiterhin unter Druck. Im Westen der Provinz Ghazni, wo die ethnische Gruppierung der Hazara eine Mehrheit bildet, verschlechterten sich die Sicherheitsbedingungen wegen großangelegter Angriffe der Taliban, was im November zur Vertreibung zahlreicher Personen führte. In Folge eines weiteren Angriffs der Taliban im Distrikt Khas Uruzgan der Provinz Uruzgan im selben Monat wurden ebenfalls zahlreiche Hazara-Familien vertrieben. Des Weiteren nahmen Talibankämpfer in verschiedenen Regionen vorübergehend strategische Positionen entlang der Hauptstraßen ein und behinderten somit die Bewegungsfreiheit zwischen den betroffenen Provinzen. Beispiele dafür sind Angriffe entlang Hauptstraßen nach Kabul in den Distrikten Daymirdad und Sayyidabad in Wardak, der Route Mazar - Shirbingham und Maimana - Andkhoy in den nördlichen Provinzen Faryab, Jawzjan und Balkh und der Route Herat - Qala-e-Naw im westlichen Herat und Badghis (UNGASC 7.12.2018). Trotz verschiedener Kampfhandlungen und Bedrohungen blieben mit Stand Dezember 2018 gemäß SIGAR die Provinzzentren aller afghanischen Provinzen unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.1.2019).

Im Laufe des Wahlregistrierungsprozesses und während der Wahl am 20. und am 21. Oktober wurden zahlreiche sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die Taliban und den Islamischen Staat - Provinz Khorasan (ISKP) beansprucht wurden (UNGASC 7.12.2018; vgl. UNAMA 10.10.2018, UNAMA 11.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar, die wegen Sicherheitsbedenken auf den 27. Oktober verschoben worden war, wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Die afghanischen Sicherheitskräfte entdeckten und entschärften einige IED [Improvised Explosive Devices - Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen] in Kandahar-Stadt und den naheliegenden Distrikten (UNAMA 11.2018). Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) hatte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) registriert (UNAMA 10.10.2018). Am offiziellen Wahltag, dem 20. Oktober, wurden 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) registriert, darunter 117 Kinder (21 Tote und 96 Verletzte) und 48 Frauen (2 Tote und 46 Verletzte). Am folgenden Wahltag, dem 21. Oktober, wurden 47 weitere zivile Opfer (4 Tote und 43 Verletzte) verzeichnet, inklusive 17 Kinder (2 Tote und 15 Verletzte) und Frauen (3 Verletzte). Diese Zahlen beinhalten auch Opfer innerhalb der Afghan National Police (ANP) und der Independet Electoral Commission (IEC) (UNAMA 11.2018). Die am 20. Oktober am meisten von sicherheitsrelevanten Vorfällen betroffenen Städte waren Kunduz und Kabul. Auch wenn die Taliban in den von ihnen kontrollierten oder beeinflussten Regionen die Wählerschaft daran hinderten, am Wahlprozess teilzunehmen, konnten sie die Wahl in städtischen Gebieten dennoch nicht wesentlich beeinträchtigen (trotz der hohen Anzahl von Sicherheitsvorfällen) (UNGASC 7.12.2018).

Die Regierung kontrolliert bzw. beeinflusst - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 22.10.2018 53,8% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 bedeutet. 33,9% der Distrikte sind umkämpft und 12,3% befinden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 63,5% der Bevölkerung leben in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befinden; 10,8% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 25,6% leben in umkämpften Gebieten. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Kontrolle bzw. Einfluss von Aufständischen sind Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.1.2019).

Der ISKP ist weiterhin im Osten des Landes präsent und bekennt sich zu Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen in Nangarhar und zu sechs Angriffen in Kabul-Stadt. Des Weiteren finden in den Provinzen Nangarhar und Kunar weiterhin Kämpfe zwischen ISKP- und Talibankämpfern statt. Die internationalen Streitkräfte führten Luftangriffe gegen den ISKP in den Distrikten Deh Bala, Achin, Khogyani, Nazyan und Chaparhar der Provinz Nangarhar aus (UNGASC 7.12.2018).

Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 4.436 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Durch die folgende kartografische Darstellung der Staatendokumentation soll die Verteilung des Konflikts landesweit veranschaulicht werden.

(BFA Staatendokumentation 20.02.2019a

In der folgenden Grafik der Staatendokumentation wird das Verhältnis zwischen den vier Quartalen des Jahres 2018 anhand der registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle für den Zeitraum 1.1.2018 - 31.12.2018 veranschaulicht.

Zivile Opfer

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte), eine allgemeine Steigerung von 5% sowie eine Steigerung der Zahl der Toten um 11% gegenüber dem Vorjahreswert. 42% der zivilen Opfer (4.627 Opfer;

1.361 Tote und 3.266 Verletzte) wurden durch IED im Zuge von Anschlägen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich ISKP) verursacht. Die Anzahl der Selbstmordanschläge unter Einsatz von IED stieg dabei um 22% und erreichte somit einen Rekordwert. Diese Art von Anschlägen verursachte 26% aller zivilen Opfer, während IED, die bei Nichtselbstmordanschlägen verwendet wurden, 16% der zivilen Opfer forderten. Kabul war mit insgesamt 1.866 Opfern (596 Tote und 1.270 Verletzte) die Provinz mit der höchsten Anzahl an Selbstmordanschlägen durch IED, während die Zahl der Opfer in Nangarhar mit insgesamt 1.815 (681 Tote und 1.134 Verletzte) zum ersten Mal fast die Werte von Kabul erreichte (hauptsächlich wegen des Einsatzes von IED bei Nichtselbstmordanschlägen). Kabul-Stadt verzeichnete insgesamt 1.686 zivile Opfer (554 Tote und 1.132 Verletzte) wegen komplexen und Selbstmordangriffen (UNAMA 24.2.2019).

Zusammenstöße am Boden (hauptsächlich zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Gruppierungen) verursachten 31% der zivilen Opfer (insgesamt 3.382; davon 814 Tote und 2.568 Verletzte), was einen Rückgang um 3% im Vergleich mit dem Vorjahreswert bedeutet. Grund dafür war der Versuch regierungsfreundlicher Gruppierungen, die zivile Bevölkerung zu schonen. Die Verlagerung der Kämpfe in dünn besiedelte Gebiete, die Vorwarnung der lokalen Zivilbevölkerung bei Kampfhandlungen und die Implementierung von Strategien zum Schutz der Bevölkerung waren einige der bestimmenden Faktoren für den Rückgang bei zivilen Opfern. Jedoch ist die Opferzahl bei gezielt gegen die Zivilbevölkerung gerichteten komplexen Angriffen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen gestiegen (plus 48% gegenüber 2017; 4.125 Opfer insgesamt, davon 1.404 Tote und 2.721 Verletzte). Sowohl der ISKP als auch die Taliban griffen gezielt Zivilisten an: Der ISKP war für 1.871 zivile Opfer verantwortlich, darunter waren u.a. Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft, und die Taliban für 1.751. Obwohl die Gesamtzahl der zivilen Opfer durch gezielte Tötungen von Einzelpersonen (hauptsächlich durch Erschießung) zurückging, blieben Zivilisten inklusive religiöser Führer und Stammesältester weiterhin Ziele regierungsfeindlicher Gruppierungen. Die Gesamtzahl der durch Luftangriffe verursachten zivilen Opfer stieg im Vergleich mit dem Vorjahreswert um 61% und die Zahl der Todesopfer erreichte 82%. 9% aller zivilen Opfer wurden Luftangriffen (mehrheitlich der internationalen Luftwaffe) zugeschrieben, der höchste Wert seit 2009 (UNAMA 24.2.2019).

Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) für 6.980 zivile Opfer (2.243 Tote und 4.737 Verletzte) verantwortlich. Das entspricht 63% der gesamten zivilen Opfer. 37% davon werden den Taliban, 20% dem ISKP und 6% unbestimmten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Laufe des Jahres 2018 wurden vermehrt Anschläge gegen Bildungseinrichtungen verzeichnet, meist durch Talibankämpfer, da in Schulen Registrierungs- und Wahlzentren untergebracht waren. Der ISKP attackierte und bedrohte Bildungseinrichtungen als Reaktion auf militärische Operationen afghanischer und internationaler Streitkräfte. UNAMA berichtet auch über anhaltende Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen, welche Auswirkungen auf einen Großteil der zivilen Bevölkerung haben. Trotzdem die Taliban nach eigenen Angaben Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung ergriffen haben, attackierten diese weiterhin Zivilisten, zivile Einrichtungen und regierungsfreundliche Gruppierungen in Zivilgebieten (UNAMA 24.2.2019).

Ungefähr 24% der zivilen Opfer (2.612, davon 1.185 Tote und 1.427 Verletzte), werden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 14% den afghanischen Sicherheitskräften, 6% den internationalen Streitkräften und 4% unbestimmten regierungsfreundlichen Gruppierungen. Die Steigerung um 4% gegenüber dem Vorjahr geht auf Luftangriffe der internationalen Streitkräfte und Fahndungsaktionen der afghanischen Sicherheitskräfte und regierungsfreundlicher Gruppierungen zurück (UNAMA 24.2.2019).

Die verbleibenden 13% der verzeichneten zivilen Opfer wurden im Kreuzfeuer während Zusammenstößen am Boden (10%), durch Beschuss aus Pakistan (1%) und durch die Explosion von Blindgängern verursacht (UNAMA 24.2.2019).

(UNAMA 24.2.2019)

Quellen:

BFA Staatendokumentation (20.02.2019a): kartografische Darstellung der sicherheitsrelevanten Vorfälle Jänner-Dezember 2018, liegt im Archiv der Staatendokumentation vor

BFA Staatendokumentation (20.02.2019b): grafische Darstellung der sicherheitsrelevanten Vorfälle Q1 bis Q4, liegt im Archiv der Staatendokumentation vor

SIGAR - Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (30.1.2019): Quarterly Report to the United States Congress, https://www.sigar.mil/pdf/quarterlyreports/2019-01-30qr.pdf, Zugriff 20.2.2019

UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (24.2.2019): Afghanistan, Protection of civilians in armed conflict, Annual report 2018,

https://unama.unmissions.org/sites/default/files/afghanistan_protection_of_civilians_annual_report_2018_final_24_feb_2019_v3.pdf, Zugriff 25.2.2019,ua.

Anschlag auf Regierungsgebäude in Kabul

Am 24.12.2018 detonierte vor dem Ministerium für öffentliches Bauwesen im Osten Kabuls (PD 16) eine Autobombe; daraufhin stürmten Angreifer das nahe gelegene Gebäude des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Märtyrer und Behinderte und beschossen weitere Regierungseinrichtungen in der Umgebung (ORF 24.12.2018; vgl. ZO 24.12.2018, Tolonews 25.12.2018). Nach einem mehrstündigen Gefecht zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Angreifern konnten diese besiegt werden. Quellen zufolge kamen ca. 43 Menschen ums Leben (AJ 25.12.2018; vgl. Tolonews 25.12.2018, NYT 24.12.2018). Bisher bekannte sich keine Gruppierung zum Anschlag (Tolonews 25.12.2018; vgl. AJ 25.12.2018).

Zivile Opfer

Insgesamt wurden im selben Berichtszeitraum 8.050 zivile Opfer (2.798 Tote und 5.252 Verletzte) verzeichnet. Die meisten zivilen Opfer wurden durch Selbstmord- und Nicht-Selbstmord-IED [Improvised Explosive Devices - Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen] regierungsfeindlicher Gruppierungen verursacht. Zusammenstöße am Boden, gezielte Tötungen, Luftangriffe und explosive Kampfmittelrückstände waren weitere Ursachen für zivile Opfer (UNAMA 10.10.2018).

(UNAMA 10.10.2018

Zivilisten in den Provinzen Nangarhar, Kabul, Helmand, Ghazni und Faryab waren am stärksten betroffen. In Nangarhar wurde bis 30.9.2018 die höchste Zahl an zivilen Opfern (1.494) registriert:

davon 554 Tote und 940 Verletzte (UNAMA 10.10.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen verursachten 65% der zivilen Opfer (5.243): davon 1.743 Tote und 3.500 Verletze. 35% der Opfer

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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