TE Vwgh Beschluss 1998/4/23 96/19/2053

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Veröffentlicht am 23.04.1998
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §10 Abs1 Z6;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §58 Abs2 idF 1997/I/088;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde der 1966 geborenen DS, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27. November 1996, Zl. 113.850/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Aus der gegenständlichen Beschwerde und den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich, daß mit dem angefochtenen Bescheid vom 27. Dezember 1995 die Berufung der Beschwerdeführerin gegen einen, die Aufenthaltsbewilligung versagenden Bescheid des Landeshauptmannes von Wien gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) sowie § 10 Abs. 1 Z. 6 des Fremdengesetzes 1992 (FrG) abgewiesen wurde.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verwaltunsgerichtshof. Der Verwaltungsgerichtshof leitete das Vorverfahren ein, die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Mit Schreiben vom 9. März 1998, beim Verwaltungsgerichtshof eingelangt am 12. März 1998, teilte der Bundesminister für Inneres mit, daß der Beschwerdeführerin eine Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft ausgenommen Erwerbstätigkeit" bis 16. Februar 1999 erteilt worden sei. Die Beschwerdeführerin erklärte auf Anfrage mit Schreiben vom 1. April 1998, sie habe die begehrte Niederlassungsbewilligung erhalten, sei somit klaglos gestellt und stelle den Antrag auf Zuerkennung von Kostenersatz.

Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist eine Beschwerde mit Beschluß als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, daß der Beschwerdeführer klaglos gestellt wurde.

Bei einer Bescheidbeschwerde gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG ist unter einer "Klaglosstellung" nach § 33 Abs. 1 und § 56 erster Satz VwGG nur eine solche zu verstehen, die durch eine formelle Aufhebung des beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides - im besonderen durch die belangte Behörde oder die allenfalls in Betracht kommende Oberbehörde oder durch den Verfassungsgerichtshof - eingetreten ist (vgl. dazu den Beschluß eines verstärkten Senates vom 9. April 1980, Slg. Nr. 10.092/A).

§ 33 Abs. 1 VwGG ist aber nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur auf die Fälle der formellen Klaglosstellung beschränkt. Ein Einstellungsfall liegt, wie der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Beschluß vom 9. April 1980, darlegte, z.B. auch dann vor, wenn der Beschwerdeführer kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung des Gerichtshofes hat (vgl. unter vielen den hg. Beschluß vom 23. Februar 1996, Zl. 95/17/0026). Ob in letzerem Sinn das rechtliche Interesse eines Beschwerdeführers weggefallen ist, hat der Verwaltungsgerichtshof nach objektiven Kriterien zu prüfen; er ist nicht an die Erklärung des Beschwerdeführers gebunden, dieser habe das rechtliche Interesse an seiner Beschwerde verloren. Andernfalls wäre es in die Hand einer beschwerdeführenden Partei gegeben, anstelle einer Zurückziehung der Beschwerde auf eine Gegenstandslosigkeitserklärung auszuweichen und damit die Kostenfolgen einer Zurückziehung zu vermeiden (vgl. hg. Erkenntnis vom 2. Oktober 1991, Zl. 88/07/0061).

Im Hinblick auf das geschilderte Verwaltungsgeschehen besteht für den Beschwerdeführer - auch unter Berücksichtigung seiner Erklärung, klaglos gestellt zu sein - kein rechtliches Interesse mehr an einer Sacherledigung des Verwaltungsgerichtshofes in der vorliegenden Beschwerdesache. Die Beschwerde war daher in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 88/1997 ist bei der Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens der nachträgliche Wegfall des Rechtsschutzinteresses bei einer Beschwerde nicht zu berücksichtigen; würde hiebei die Entscheidung über die Kosten einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern, so ist darüber nach freier Überzeugung zu entscheiden. Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, daß die Beschwerde abzuweisen gewesen wäre. Der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG ist verwirklicht, wenn sich der Fremde im für die Entscheidung der Behörde maßgeblichen Zeitpunkt nach sichtvermerksfreier Einreise weiterhin im Bundesgebiet aufgehalten hat. Der für die Entscheidung der Behörde maßgebliche Zeitpunkt ist der Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (vgl. zur Maßgeblichkeit dieses Entscheidungszeitpunktes das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1995, Zl. 95/19/0500).

Die im § 6 Abs. 1 AufG verankerte Pflicht zur Glaubhaftmachung des Nichtvorliegens eines Ausschließungsgrundes reicht nicht soweit, auch das Nichtvorliegen eines Sichtvermerksversagungsgrundes im Sinn des § 10 Abs. 1 FrG darzutun. Daher durfte die belangte Behörde § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG nur nach Durchführung eines entsprechenden Ermittlungsverfahrens heranziehen, in dessen Rahmen sie von Amts wegen zu prüfen hatte, ob sich die Beschwerdeführerin weiterhin in Österreich aufhielt. Im Rahmen eines solchen Ermittlungsverfahrens hat die Behörde der Beschwerdeführerin auch entsprechend Parteiengehör einzuräumen. Parteiengehör braucht allerdings hinsichtlich solcher Angaben nicht gewährt zu werden, die die Beschwerdeführerin selbst im Verwaltungsverfahren gemacht hatte (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 12. September 1997, Zl. 95/19/1413).

Die Beschwerdeführerin befand sich nach Ausweis der Verwaltungsakten sowohl im Zeitpunkt der Antragstellung als auch im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides im Ausland. In der Beschwerde bringt sie aber selbst vor, danach, nämlich am 1. Jänner 1995, wieder - auf Grundlage des Abkommens zwischen der österreichischen Bundesregierung und der Regierung der Volksrepublik Polen über die gegenseitige Aufhebung der Sichtvermerkspflicht, BGBl. Nr. 330/1972, sichtvermerksfrei - in das Bundesgebiet eingereist zu sein. Sie behauptet in der Beschwerde nicht, im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides am 11. Jänner 1996 nicht im Bundesgebiet aufhältig gewesen zu sein. Auch aus der beigelegten Kopie ihres Reisepasses, aus der zwar zahlreiche Reisebewegungen in den Jahren 1994 bis 1996 dokumentiert sind, geht nicht hervor, daß sich die Antragstellerin zu diesem Zeitpunkt nicht im Bundesgebiet aufgehalten hat. Mit ihrem, allein auf den Aufenthaltsort der Beschwerdeführerin im - nicht maßgebenden - Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides abgestellten Beschwerdevorbringen gelingt es der Beschwerdeführerin nicht, die Relevanz des der belangten Behörde unterlaufenen Verfahrensmangels der Nichtgewährung von Parteiengehör bei Austausch des Versagungsgrundes aufzuzeigen.

Der belangten Behörde ist keine Rechtswidrigkeit vorzuwerfen, wenn sie aufgrund der im Akt enthaltenen Indizien (so wurde die Berufung der Beschwerdeführerin vom 11. Jänner 1995 unbestritten in Wien geschrieben und zur Post gegeben) von einem weiter andauernden, an eine sichtvermerksfreie Einreise anschließenden Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Inland ausging. Es wäre Sache der Beschwerdeführerin gewesen, durch konkretes Vorbringen in der Beschwerde darzulegen, ob und gegebenenfalls wann sie das Bundesgebiet wieder verlassen und wo sie sich im Zeitpunkt der Bescheiderlassung aufgehalten hat. Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher nicht zu erkennen, daß der gegenständlichen Beschwerde Erfolg beschieden wäre.

Aufgrund dieser Erwägungen wäre die Beschwerde bei aufrechtem Rechtsschutzinteresse der Beschwerdeführerin gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen gewesen, sodaß der belangten Behörde gemäß § 58 Abs. 2 VwGG die Verfahrenskosten zuzusprechen waren.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1996192053.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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