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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §80 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Mizner, Dr. Sulyok, Dr. Fuchs und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde des M in F, vertreten durch Dr. Michael Konzett, Rechtsanwalt in 6700 Bludenz, Kirchgasse 2-4, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg vom 31. Juli 1995, Zl. 746-6/95, betreffend Haftung für Umsatzsteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Haftungsbescheid vom 9. November 1994 nahm das Finanzamt den Beschwerdeführer gemäß den §§ 9 und 80 BAO als Haftenden für Abgabenschulden der F-Gesellschaft m.b.H., deren Geschäftsführer der Beschwerdeführer war, im Gesamtbetrag von S 2,723.268,-- (Umsatzsteuer 1992, 1993, Juni 1994 und Säumniszuschläge) in Anspruch.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Er machte geltend, die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung sei nicht gegeben. Die Gesellschaft verfüge über "verschiedenes befriedigungstaugliches Vermögen, wie z.B. Liegenschaften, Forderungen gegen Kunden, Ablöseansprüche, Fahrnisse etc.". Auch eine schuldhafte Pflichtverletzung des Beschwerdeführers liege nicht vor. Er habe für eine ordnungsgemäße Buchführung, die steuerliche Vertretung sowie die fristgerechte Erstattung der Abgabenerklärungen gesorgt; soweit liquide Mittel vorhanden gewesen seien, habe er unter Bedachtnahme auf den Gleichbehandlungsgrundsatz diese zur Abdeckung der Abgabenschulden herangezogen. Das Finanzamt sei gegenüber den anderen Gläubigern nicht benachteiligt worden. An der nicht vollständigen Entrichtung der Abgaben infolge Fehlens weiterer liquider Mittel treffe den Beschwerdeführer kein Verschulden. Das Finanzamt habe keine konkreten Feststellungen über die Uneinbringlichkeit und die Aufteilung der Mittel auf die Gläubiger getroffen.
Mit einer der Berufung teilweise stattgebenden, die Haftung auf die Umsatzsteuer für 1992, 1993 und Juni 1994 einschränkenden Berufungsvorentscheidung vom 25. Jänner 1994 hielt das Finanzamt dem Beschwerdeführer vor, die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung gegenüber der Primärschuldnerin sei aus der Abweisung eines Konkursantrages mangels kostendeckenden Vermögens (15. September 1994) und dem Fehlen von Vermögenswerten nach exekutiver Verwertung aller der Gesellschaft gehörenden Fahrnisse zu folgern. Zwar habe der Beschwerdeführer auf aushaftende Kundenforderungen verwiesen; er habe aber selbst angegeben, diese könnten nur im Klageweg eingebracht werden, wobei der Erfolg einer allfälligen Prozeßführung im Hinblick auf eingewendete Baumängel zweifelhaft sei. Die Verletzung der Verpflichtung, die Umsatzsteuer abzuführen, stelle unabhängig von eventuell vorhandenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten eine schuldhafte Pflichtverletzung dar, weil mit den Preisen, die die Gesellschaft für ihre Lieferungen und sonstigen Leistungen erzielt habe, auch die entsprechende Umsatzsteuer eingenommen worden sei.
Der Beschwerdeführer beantragte die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Er brachte ergänzend vor, aus dem Umstand, daß ein Konkursantrag gegen die Primärschuldnerin abgewiesen worden sei, könne nicht abgeleitet werden, daß kein befriedigungstaugliches Vermögen vorliege. Schon aus dem Konkursantrag ergebe sich "verschiedenstes Vermögen". Die Abweisung des Konkursantrages sei deshalb erfolgt, weil kein Kostenvorschuß gezahlt worden sei und im Massevermögen keine hinreichenden liquiden Mittel vorhanden wären. Verwertbares Vermögen im größeren Ausmaß sei hingegen vorhanden. Es seien auch Fahrnisse in nicht unerheblichem Umfang vorhanden. Ferner verfüge die Primärschuldnerin über Kundenforderungen in erheblicher Höhe. Es stehe nicht fest, daß diese nur im Wege der Prozeßführung eingebracht werden könnten. Bisher sei in keinem einzigen Fall eine Klage eingebracht worden. Es sei durchaus damit zu rechnen, daß ein erheblicher Teil der Forderungen einbringlich sein werde. Baumängel beträfen nur einzelne Kundenforderungen.
Einem Amtsvermerk vom 7. März 1995 zufolge habe der Beschwerdeführer der Vollstreckungsstelle des Finanzamtes erklärt, es seien noch Forderungen der Gesellschaft - möglicherweise S 1 Mio - vorhanden. Es sei nicht abzuschätzen, was effektiv hereinzubringen sei. Angeblich seien noch nicht einmal die Rechnungen gestellt. Mit diversen Bauherren gebe es Probleme. Auf der anderen Seite seien sehr viele Gläubiger vorhanden.
Am 13. März 1995 forderte das Finanzamt den Beschwerdeführer zu Handen des Beschwerdevertreters auf, eine Auflistung der ausstehenden Kundenforderungen unter Bekanntgabe des jeweiligen Forderungsbetrages sowie Anführung von Name und Anschrift des Schuldners nachzureichen. Ferner seien die noch vorhandenen Fahrnisse unter marktüblicher Bezeichnung bekanntzugeben. Am 11. April 1995 forderte das Finanzamt den Beschwerdeführer unter Fristsetzung auf, den oben angeführten Vorhalt zu beantworten.
Am 19. Mai 1995 hielt die belangte Behörde dem Beschwerdeführer zu Handen des Beschwerdevertreters die Rechtslage vor und forderte ihn auf, binnen vier Wochen konkret und nachweislich darzutun, daß der Gesellschaft zu den einzelnen Fälligkeitszeitpunkten die Mittel zur Begleichung der Umsatzsteuer gefehlt hätten und der Beschwerdeführer bei der Entrichtung der Schulden der F-Gesellschaft m.b.H.
Abgabenschulden nicht schlechter behandelt habe als die übrigen Schulden.
Der Beschwerdeführer beantwortete diese Vorhalte nicht.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung teilweise Folge, wobei sie die Haftung auf die Umsatzsteuer 1992 und 1993 sowie Juni 1994 einschränkte. Begründend wurde u.a. dargelegt, schon aus der im Beschwerdefall erfolgten Abweisung eines Konkursantrages mangels kostendeckenden Vermögens der Gesellschaft könne auf die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung gefolgert werden. Im übrigen habe das Finanzamt zur Hereinbringung der in Rede stehenden Abgabenschulden bei der Gesellschaft erfolglos die Exekution versucht. Auch bei einer Befragung des Beschwerdeführers habe sich nicht ergeben, daß die in Rede stehenden Umsatzsteuerbeträge bei der Gesellschaft einbringlich wären. Der Beschwerdeführer habe weder die Forderungen konkretisieren noch die Frage beantworten können, welche weiteren Gläubiger zu befriedigen seien. Die Vorhalte des Finanzamtes und die Aufforderung der belangten Behörde, sein Vorbringen zu konkretisieren, habe der Beschwerdeführer nicht beantwortet. Der Beschwerdeführer habe somit trotz entsprechender Ersuchen nicht konkret dargetan, daß ihm zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt die Mittel für die Begleichung der Abgaben gefehlt hätten. Die Umsatzsteuervorschreibung 1992 betreffend sei überdies zu berücksichtigen, daß die Umsatzsteuerforderung auf von der Gesellschaft vereinnahmte Anzahlungen entfalle, wobei die zu entrichtende Umsatzsteuer bar vereinnahmt worden sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 9 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Nach § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Voraussetzung für die Haftung sind eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 9. Juli 1997, Zl. 94/13/0281).
In der Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides in der Frage der Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung und der Frage einer Pflichtverletzung des Beschwerdeführers (im Zusammenhang mit der Frage des Vorhandenseins von Mitteln zur Abgabenentrichtung) geltend gemacht.
Die Beschwerde macht zunächst Feststellungsmängel im Zusammenhang mit der Frage der Uneinbringlichkeit der Abgabenforderungen geltend. Sie verweist darauf, daß der Beschwerdeführer im Abgabenverfahren vorgetragen habe, die Gesellschaft verfüge über befriedigungstaugliches Vermögen insbesondere in Form von Kundenforderungen und sonstigen Forderungen. Es werde nicht behauptet, daß Forderungsexekution geführt worden sei. Die Behauptung, daß gegen die Gesellschaft erfolglos Exekution geführt worden sei, sei als Begründung nicht ausreichend, weil dem Beschwerdeführer nicht zur Kenntnis gelangt sei, welche konkreten Exekutionsmaßnahmen die Abgabenbehörde gesetzt habe.
Die Beschwerde bestreitet nicht, daß ein die Gesellschaft betreffender Konkursantrag mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen wurde. Weder im Verfahren vor der Abgabenbehörde noch in der Beschwerde findet sich ein konkreter Hinweis auf Vermögenswerte, auf die zur Hereinbringung der Abgabenschuldigkeiten der Gesellschaft zugegriffen werden könnte. Die Annahme der belangten Behörde, die Abgabenforderung sei beim Primärschuldner uneinbringlich, begegnet somit keinen Bedenken.
Die Beschwerde macht weiters geltend, die Abgabenbehörde hätte im Rahmen ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht konkrete Feststellungen über die vorhandenen Mittel zu den Fälligkeitszeitpunkten treffen und dies in der Begründung darlegen müssen. Die belangte Behörde habe entsprechende Ermittlungen unterlassen und daher ihre Behauptung, daß solche vorhanden gewesen wären, nicht nachvollziehbar begründet.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Aufgabe des Geschäftsführers, darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge habe tragen können, daß die Gesellschaft die angefallenen Abgaben entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf. Hat der Geschäftsführer schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde auch davon ausgehen, daß die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit war. Nicht die Abgabenbehörde hat das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäfsführer das Fehlen ausreichender Mittel. Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel zur Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht ausreichen, es sei denn, er weist nach, daß diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet wurden. Widrigenfalls haftet der Geschäftsführer für die in Haftung gezogene Abgabe zur Gänze (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 19. Februar 1997, Zl. 96/13/0079, und die dort zitierte Rechtsprechung). Nach dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 18. Oktober 1995, Zlen. 91/13/0037, 0038, auf dessen Gründe verwiesen wird, ist das Verschulden des Geschäftsführers im Zusammenhang mit der Haftung für Umsatzsteuer wie bei anderen Abgaben (mit Ausnahme von Lohnsteuer und Kapitalertragsteuer) zu beurteilen.
Diese qualifizierte Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers bedeutet nicht, daß die Behörde von jeder Ermittlungspflicht entbunden wäre. Sie hat vielmehr bei entsprechenden Behauptungen und diesbezüglichem Beweisanbot des Beschwerdeführers zu seiner Entlastung die angebotenen Beweise aufzunehmen, und erforderlichenfalls Präzisierungen abzufordern, jedenfalls aber konkrete Feststellungen über die von ihm angebotenen Entlastungsbehauptungen zu treffen (vgl. z. B. das Erkenntnis vom 13. März 1997, Zl. 96/15/0128). Derartige, allenfalls zu überprüfende Entlastungsbehauptungen hat der Beschwerdeführer aber im Verwaltungsverfahren durch die allgemeine Behauptung der "mangelnden Liquidität der Gesellschaft" nicht aufgestellt. Seinem ebenfalls nicht konkretisierten Hinweis auf "teilweise Befriedigung der Gläubiger unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes" ist entgegenzuhalten, daß auf die in Rede stehenden Abgabenforderungen keinerlei Zahlungen geleistet wurden. Die mehrfachen Aufforderungen der Abgabenbehörde, konkrete Behauptungen über das Vorhandensein von Mitteln zur Begleichung der Umsatzsteuer bzw. die Gleichbehandlung aller Gläubiger aufzustellen, ließ der Beschwerdeführer unbeachtet. Mit dem bloßen Hinweis auf die Ermittlungs- und Begründungspflicht der belangten Behörde kann somit keine Rechtswidrigkeit aufgezeigt werden.
Ebensowenig zielführend ist die Verfahrensrüge, soweit die Beschwerde geltend macht, der Vertreter des Beschwerdeführers habe erst durch die Berufungsentscheidung davon Kenntnis erlangt, daß die Befragung des Beschwerdeführers durch die Abgabenbehörde nicht geeignet gewesen wäre, das vorhandene Vermögen der Gesellschaft, dessen Verwertbarkeit sowie die Gleichbehandlung der Abgabenbehörde mit den übrigen Gläubigern zu konkretisieren und zu belegen. Der Vertreter des Beschwerdeführers sei weder von der Ladung des Beschwerdeführers noch vom Ergebnis der Befragung informiert worden. Es liege somit eine Verletzung des Parteiengehörs vor.
Dem ist entgegenzuhalten, daß nach der in Rede stehenden Befragung dem Beschwerdeführer - zu Handen seines Vertreters - mehrfach der Standpunkt der Abgabenbehörde vorgehalten und er aufgefordert worden war, sein Vorbringen sowohl in der Frage der Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung bei der Gesellschaft als auch in der Frage der Pflichtverletzung unter dem Gesichtspunkt des Vorhandenseins von Mitteln für die Entrichtung von Abgaben zu konkretisieren. Von einer Verletzung des Parteiengehörs in dem von der Beschwerde genannten Zusammenhang kann somit nicht die Rede sein.
Die geltend gemachte Rechtswidrigkeit liegt somit nicht vor; die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1995150145.X00Im RIS seit
20.11.2000