Entscheidungsdatum
27.02.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W169 2142959-1/19E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.11.2016, Zl. 1070648109-150558225, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.
II. In Erledigung der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides wird festgestellt, dass gemäß § 9 BFA-VG idgF eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist und der Beschwerdeführerin gemäß § 58 Abs. 2 iVm 55 Abs. 2 AsylG idgF ein Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" erteilt wird.
III. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt IV. stattgegeben und dieser ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin, eine indische Staatsangehörige, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 26.05.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Bei der Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 27.05.2015 führte die Beschwerdeführerin an, dass sie ledig sei, die Sprachen Punjabi, Hindi und Englisch spreche und in Indien acht Jahre die Grundschule besucht habe. Zum Fluchtgrund brachte die Beschwerdeführerin vor, dass ihr Leben in Indien in Gefahr gewesen sei. Ihre Eltern hätten sie zwangsverheiraten wollen. Sie könne aber keinen Mann heiraten, da sie lesbisch sei. Ihre Eltern hätten sie brutal geschlagen und mit dem Messer verletzt. Ihre ältere Schwester habe ihr zur Flucht verholfen. Sie habe von zu Hause weglaufen können. Anschließlich sei sie zu ihrer Freundin gegangen und diese habe ihr geholfen, Indien zu verlassen. Nach Indien wolle sie nicht mehr zurück, da ihre Eltern sie töten würden. Durch ihre Flucht habe sie die Familienehre beleidigt. Von Seiten des Staates habe sie im Falle einer Rückkehr nichts zu befürchten.
2. Im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 02.11.2016 führte die Beschwerdeführerin an, dass sie aus dem Bundesstaat Punjabi stamme und mit ihren Eltern, ihren zwei Brüdern und beiden Schwestern im Heimatdorf gelebt hätte. Ihr Vater und ihr Bruder würden in Fabriken arbeiten. Neben ihrer Familie im Heimatdorf würden in Indien noch ein Onkel mütterlicherseits und ein Onkel väterlicherseits wohnen. Sie habe in Indien acht Jahre die Grundschule besucht und bei ihren Eltern gelebt. Zu ihrem Fluchtgrund brachte die Beschwerdeführerin vor, dass sie aufgrund ihrer sexuellen Ausrichtung von ihren Eltern geschlagen worden sei. Im Alter von 15 oder 16 Jahren sei das Interesse an Mädchen immer stärker geworden. Mit 22 Jahren hätten ihre Eltern sie verheiraten wollen, sie habe aber gesagt, dass sie dies nicht möchte. Sie habe in Indien mit zwei Freundinnen eine feste Beziehung gehabt. Ihre Freundin habe ihr schlussendlich zur Flucht aus Indien verholfen. Sie sei in Indien von ihren Eltern geschlagen und misshandelt worden. Mit den Behörden in Indien habe sie keine Probleme gehabt. Auch sonstige Probleme habe es nicht gegeben.
Zu ihren Lebensumständen in Österreich führte die Beschwerdeführerin an, dass sie keine Verwandten bzw. Familienangehörigen in Österreich habe und nicht Mitglied in einem Verein sei. Zurzeit besuche sie einen Deutschkurs A1; in Zukunft wolle sie hier arbeiten.
Im Rahmen der Einvernahme legte die Beschwerdeführerin zwei Bestätigungen über den Besuch von Deutschkursen vor.
3. Mit dem im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Der Beschwerdeführerin wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise der Beschwerdeführerin gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).
4. Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde erhoben und ist den beweiswürdigenden Erwägungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl substantiiert entgegengetreten. Der Beschwerde beigelegt war ein handschriftlich verfasstes Schreiben der Beschwerdeführerin. Im Rahmen der Beschwerde wies die Beschwerdeführerin auch auf die Situation von Homosexuellen in Indien hin.
5. Mit E-Mail vom 31.05.2017 übermittelte die Beschwerdeführerin dem Bundesverwaltungsgericht ihre Heiratsurkunde vom 26.05.2017 sowie eine Kopie des Mutter-Kind-Passes.
6. Am 26.11.2019 langten beim Bundesverwaltungsgericht diverse Dokumente ein (Heiratsurkunde vom 26.05.2017;
Staatsbürgerschaftsnachweis des Ehegatten und des Sohnes der Beschwerdeführerin; Geburtsurkunde des Sohnes der Beschwerdeführerin vom 20.10.2017 sowie Kopien der Reisepässe des Ehegatten und des Sohnes der Beschwerdeführerin).
7. Am 04.12.2019 übermittelte die Beschwerdeführerin dem Bundesverwaltungsgericht das ÖSD-Zertifikat A1.
8. Am 11.12.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung statt, an welcher die Beschwerdeführerin und ihr bevollmächtigter Vertreter teilgenommen haben. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist entschuldigt nicht erschienen. Im Rahmen der Verhandlung wurde die Beschwerdeführerin ausführlich zu ihren Fluchtgründen, ihren Rückkehrbefürchtungen und ihren Integrationsbemühungen in Österreich befragt (siehe Verhandlungsprotokoll OZ 16Z).
9. Am 16.12.2019 übermittelte die Beschwerdeführerin dem Bundesverwaltungsgericht eine Anmeldebestätigung hinsichtlich eines A2-Deutschkurses vom 13.12.2019.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:
Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Indien aus dem Bundesstaat Punjab und gehört der Religionsgemeinschaft der Hindus an. Ihre Identität steht fest. Sie beherrscht die Sprachen Punjabi, Hindi und Englisch. Die Beschwerdeführerin besuchte im Heimatland zwölf Jahre die Schule, danach einen Krankenschwesternkurs und arbeitete als Krankenschwester. Sie lebte in Indien mit ihrer Mutter und ihren beiden Brüdern im Elternhaus. In Indien leben zurzeit die Mutter, zwei Brüder und zwei Schwestern der Beschwerdeführerin, alle Geschwister sind verheiratet. Ihre Mutter lebt im Elternhaus im Heimatort gemeinsam mit den Brüdern, welche sie unterstützen und einer Arbeit nachgehen. Beide Brüder arbeiten als Beamte. Der Vater der Beschwerdeführerin ist bereits verstorben.
Die Beschwerdeführerin hatte in Indien keine Probleme mit den dortigen Behörden. Sie verließ ihr Heimatland, da ihre Familie sie mit einem Mann verheiraten wollte. Sie wollte dies jedoch nicht, da sie sich zu Frauen hingezogen fühlte.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr nach Indien eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung droht. Die Beschwerdeführerin hätte im Falle einer Rückkehr auch keine Probleme mehr seitens ihrer Familie zu befürchten.
Die Beschwerdeführerin lernte ihren jetzigen Ehegatten, einen österreichischen Staatsbürger, im Jahr 2016 kennen und lebt mit ihm seit diesem Zeitpunkt im gemeinsamen Haushalt. Seit Mai 2017 ist sie mit ihm verheiratet und hat mit ihm einen gemeinsamen zweijährigen Sohn, welcher ebenfalls österreichischer Staatsbürger ist. Der Ehegatte der Beschwerdeführerin ist LKW-Fahrer und kann somit den Lebensunterhalt der Familie sichern. Die Beschwerdeführerin kümmert sich um die Erziehung des gemeinsamen Sohnes und den Haushalt. Der zweijährige Sohn der Beschwerdeführerin besucht keinen Kindergarten. Die Beschwerdeführerin hat im Jahr 2016 die A1 Prüfung erfolgreich abgelegt und besitzt ein ÖSD-Zertifikat Niveau A1; sie spricht schlecht Deutsch. Nach Ablegung der A1-Prüfung wurde die Beschwerdeführerin schwanger und es ging ihr gesundheitlich sehr schlecht. Die Beschwerdeführerin hat sich am 13.12.2019 zu einem Deutschkurs A2 angemeldet. Die Beschwerdeführerin hat viele österreichische Bekannte und würde in Österreich gerne den Beruf einer Krankenschwester ausüben, wobei sie dieser Tätigkeit schon in Indien nachgegangen ist.
Die Beschwerdeführerin ist strafgerichtlich unbescholten und nimmt keine Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch. Sie ist gesund.
1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat wird Folgendes festgehalten:
Allgemeine Menschenrechtslage
Indien hat 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte unterzeichnet (AA 18.9.2018). Die nationale Gesetzgebung in Menschenrechtsangelegenheiten ist breit angelegt. Alle wichtigen Menschenrechte sind verfassungsrechtlich garantiert (ÖB 12.2018). Die Umsetzung dieser Garantien ist allerdings häufig nicht in vollem Umfang gewährleistet (AA 18.9.2018). Eine Reihe von Sicherheitsgesetzen schränken die rechtsstaatlichen Garantien, z.B. das Recht auf ein faires Verfahren, aber ein. Diese Gesetze wurden nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 verschärft; u. a. wurde die Unschuldsvermutung für bestimmte Straftatbestände außer Kraft gesetzt. Besonders in Unruhegebieten haben die Sicherheitskräfte zur Bekämpfung sezessionistischer und terroristischer Gruppen weitreichende Befugnisse, die oft exzessiv genutzt werden. Es gibt glaubhafte Berichte über extralegale Tötungen (AA 18.9.2018). Die wichtigsten Menschenrechtsprobleme sind Missbrauch durch Polizei und Sicherheitskräfte einschließlich außergerichtlicher Hinrichtungen, Folter und Vergewaltigung. Korruption bleibt weit verbreitet und trägt zur ineffektiven Verbrechensbekämpfung bei, insbesondere auch von Verbrechen gegen Frauen, Kinder und Mitglieder registrierter Kasten und Stämme sowie auch gesellschaftlicher Gewalt aufgrund von Geschlechts-, Religions-, Kasten- oder Stammeszugehörigkeit (USDOS 20.4.2018). Eine verallgemeinernde Bewertung der Menschenrechtslage ist für Indien kaum möglich: Drastische Grundrechtsverletzungen und Rechtsstaatsdefizite koexistieren mit weitgehenden bürgerlichen Freiheiten, fortschrittlichen Gesetzen und engagierten Initiativen der Zivilgesellschaft. Vor allem die Realität der unteren Gesellschaftsschichten, die die Bevölkerungsmehrheit stellen, ist oftmals von Grundrechtsverletzungen und Benachteiligung geprägt (AA 18.9.2018). Ursache vieler Menschenrechtsverletzungen in Indien bleiben tiefverwurzelte soziale Praktiken wie nicht zuletzt das Kastenwesen (AA 18.9.2018). Frauen, Mitglieder ethnischer und religiöser Minderheiten sowie niederer Kasten werden systematisch diskriminiert (BICC 12.2018). Während die Bürger- und Menschenrechte von der Regierung größtenteils respektiert werden, ist die Lage in den Regionen, dort wo es interne Konflikte gibt, teilweise sehr schlecht. Dies trifft insbesondere auf Jammu und Kaschmir und den Nordosten des Landes zu. Den Sicherheitskräften, aber auch den nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen, seien es separatistische Organisationen oder regierungstreue Milizen, werden massive Menschenrechtsverletzungen angelastet. Dem Militär und den paramilitärischen Einheiten werden Entführungen, Folter, Vergewaltigungen, willkürliche Festnahmen und außergerichtliche Hinrichtungen vorgeworfen. Insbesondere hinsichtlich der Spannungen zwischen Hindus und Moslems, welche im Jahr 2002 zu Tausenden von Todesfällen führten, wird den Sicherheitskräften Parteilichkeit vorgeworfen. Die Stimmung wird durch hindu-nationalistische Parteien angeheizt, welche auch in der Regierung vertreten sind (BICC 12.2018).
Separatistische Rebellen und Terroristen in Jammu und Kaschmir, den nordöstlichen Bundesstaaten und im "Maoistengürtel" begingen schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, darunter Morde an Zivilisten, Polizisten, Streitkräften und Regierungsbeamten. Aufständische sind für zahlreiche Fälle von Entführung, Folter, Vergewaltigung, Erpressung und den Einsatz von Kindersoldaten verantwortlich (USDOS 20.4.2018).
In manchen Bundesstaaten schränkt das Gesetz die religiöse Konversion ein, Einschränkungen in Bezug auf die Bewegungsfreiheit dauern an (USDOS 20.4.2018).
Quellen:
-
AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien
-
BICC - Bonn International Centre for Conversion (12.2018):
Informationsdienst
-Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte:
Länderinformation Indien,
http://www.ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/
indien/2018_indien.pdf, Zugriff 29.1.2019
-
ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2018:
Asylländerbericht Indien -
Arbeitsversion
-
USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights
Practices 2015 - India,
https://www.ecoi.net/de/dokument/1430388.html, Zugriff 18.10.2018
Bewegungsfreiheit
Das Gesetz gewährt landesweite Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Migration und Repatriierung, und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 20.4.2018). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt. Abgesehen davon ist Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes gewährleistet (AA 18.9.2018).
Die Regierung lockerte Einschränkungen für ausländische Reisende in Bezug auf Reisen nach Arunachal Pradesh, Nagaland, Mizoram, Manipur und Teilen von Jammu und Kaschmir, außer für Ausländer aus Pakistan, China und Burma. Das Innenministerium und die Bundesstaatenregierungen verlangen vor Reiseantritt von den Bürgern spezielle Genehmigungen einzuholen, um in bestimmte gesperrte Regionen bzw. Sperrzonen zu reisen (USDOS 20.4.2018).
Es gibt kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem, so dass ein Großteil der Bevölkerung keinen Ausweis besitzt. Dies begünstigt die Niederlassung in einem anderen Landesteil im Falle von Verfolgung. Auch bei laufender strafrechtlicher Verfolgung ist nicht selten ein unbehelligtes Leben in ländlichen Bezirken eines anderen Landesteils möglich, ohne dass die Person ihre Identität verbergen muss (AA 18.9.2018).
In den großen Städten ist die Polizei jedoch personell und materiell besser ausgestattet, so dass die Möglichkeit, aufgespürt zu werden, dort größer ist. Bekannte Persönlichkeiten ("high profile" persons) können nicht durch einen Umzug in einen anderen Landesteil der Verfolgung entgehen, wohl aber weniger bekannte Personen ("low profile" people) (ÖB 12.2018).
Quellen:
-
AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien
-
ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2018):
Asylländerbericht Indien
-
Arbeitsversion
-
USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2015
-
India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430388.html, Zugriff 18.10.2018
Meldewesen
Noch gibt es in Indien kein nationales Melde- bzw. Staatsbürgerschaftsregister. Die Regierung verfolgt seit einigen Jahren ein nationales Projekt zur Registrierung der Staatsbürger, und damit verbunden wird die Ausstellung von Personalausweisen ("Aadhar Card") sein. Von der Realisierung dieses Projektes ist man trotz einiger Vorarbeit aber noch weit entfernt. Es gibt kein Meldewesen in Indien (ÖB 12.2018; vgl. AA 18.9.2018).
Quellen:
-
AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien
-
ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2018):
Asylländerbericht Indien
-Arbeitsversion
Grundversorgung und Wirtschaft
In Indien lebt etwa ein Viertel der Bevölkerung unter dem veranschlagten Existenzminimum der Vereinten Nationen. Sofern es nicht zu außergewöhnlichen Naturkatastrophen kommt, ist jedoch eine das Überleben sichernde Nahrungsversorgung auch der untersten Schichten der Bevölkerung zum Großteil gewährleistet. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe gibt es nicht, die Rückkehrer sind auf die Unterstützung der eigenen Familie oder von Bekannten angewiesen (ÖB 12.2018).
Das Wirtschaftswachstum lag im Haushaltsjahr 2016/2017 bei 7,1 Prozent und in 2017/18 bei 6,75 Prozent mit wieder steigender Tendenz. Indien zählt damit nach wie vor zu den am stärksten expandierenden Volkswirtschaften der Welt (AA 11.2018a). 2016 lag die Erwerbsquote laut Schätzungen der ILO bei 55,6 Prozent. Der Hauptteil der Menschen arbeitet im Privatsektor. Es gibt immer noch starke Unterschiede bei der geschlechtlichen Verteilung des Arbeitsmarktes. Indien besitzt mit 478,3 Millionen Menschen die zweitgrößte Arbeitnehmerschaft der Welt (2012). Jährlich kommen 12,8 Millionen Arbeitskräfte hinzu. Im Jahr 2015 lag die Arbeitslosenquote bei 3,4 Prozent (nach ILO 2016) (BAMF 3.9.2018).
Schätzungen zufolge stehen nur circa 10 Prozent aller Beschäftigten in einem vertraglich geregelten Arbeitsverhältnis. Die übrigen 90 Prozent werden dem sogenannten "informellen Sektor" zugerechnet - sie sind weder gegen Krankheit oder Arbeitsunfälle abgesichert, noch haben sie Anspruch auf soziale Leistungen oder Altersversorgung (AA 11.2018a). Die überwiegende Mehrheit der indischen Bevölkerung lebt in ländlich-bäuerlichen Strukturen und bleibt wirtschaftlich benachteiligt. Der Anteil der Landwirtschaft an der indischen Wirtschaftsleistung sinkt seit Jahren kontinuierlich und beträgt nur noch etwa 16,4 Prozent (2017/18) der Gesamtwirtschaft, obgleich fast 50 Prozent der indischen Arbeitskräfte in diesem Bereich tätig sind (AA 11.2018a).
Die Regierung hat überall im Land rund 1.000 Arbeitsagenturen (Employment Exchanges) eingeführt um die Einstellung geeigneter Kandidaten zu erleichtern. Arbeitssuchende registrieren sich selbständig bei den Arbeitsagenturen und werden informiert sobald eine geeignete Stelle frei ist (BAMF 3.9.2018; vgl. PIB 23.7.2018). Das Nationale Mahatma Gandhi Beschäftigungsgarantieprogramm für die ländliche Bevölkerung (Mahatma Gandhi National Rural Employment Guarantee Act, MGNREGA), läuft bis 2019. Das Ziel des laufenden Programms besteht darin, die ländliche Infrastruktur zu verbessern, die Land- und Wasserressourcen zu vergrößern und der armen Landbevölkerung eine Lebensgrundlage zu bieten: Jedem Haushalt, dessen erwachsene Mitglieder bereit sind, manuelle Arbeiten zu verrichten, welche keiner besonderen Qualifikation bedarf, wird mindestens 100 Tage Lohnarbeit pro Haushaltsjahr garantiert (SNRD 26.3.2018). Einige Staaten in Indien geben Arbeitssuchenden eine finanzielle Unterstützung für die Dauer von drei Jahren. Für weitere Informationen sollte die jeweilige lokale Vermittlungsagentur kontaktiert werden. Diese bieten auch Beratungen an, bei denen sie Informationen zu Verfügung stellen (BAMF 3.9.2018).
Indien steht vor gewaltigen Herausforderungen bei der Armutsbekämpfung und in der Bildungs- und Infrastrukturentwicklung. Das durchschnittliche jährliche Pro-Kopf-Einkommen liegt bei rund
1.970 USD. Auf dem Human Development Index der UNDP (Stand: September 2016) steht Indien auf Platz 130 unter 188 erfassten Staaten. Während es weltweit die meisten Millionäre und Milliardäre beheimatet, liegt Indien bei vielen Sozialindikatoren deutlich unter den Durchschnittswerten von Subsahara-Afrika. Gleichzeitig konnten in den letzten beiden Jahrzehnten hunderte Millionen Menschen in Indien der Armut entkommen (AA 11.2018a).
Die Regierung betreibt eine Vielzahl von Programmen zur Finanzierung von Wohnungen. Diese richten sich jedoch zu meist an Personen unterhalb der Armutsgrenze. Weiters bieten die Regierungen eine Vielzahl an Sozialhilfen an, welche sich jedoch an unterprivilegierte Gruppen, wie die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze richten. Diese Programme werden grundsätzlich durch die lokalen Verwaltungen umgesetzt (Panchayat) (BAMF 3.9.2018).
Die Arbeitnehmerrentenversicherung ist verpflichtend und mit der Arbeit verknüpft. Das staatliche Sozialversicherungsprogramm (National Social Assistance Programme) erfasst nur die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze oder physisch Benachteiligte. Das staatliche Rentensystem National Pension System (NPS) ist ein freiwilliges, beitragsbasiertes System, welches es den Teilnehmer ermöglicht systematische Rücklagen während ihres Arbeitslebens anzulegen (BAMF 3.9.2018).
55,3 Prozent der Bevölkerung (642,4 Mio.) lebt in multi-dimensionaler Armut (HDI 2016). Sofern es nicht zu außergewöhnlichen Naturkatastrophen kommt, ist jedoch eine für das Überleben ausreichende Nahrungsversorgung auch den schwächsten Teilen der Bevölkerung grundsätzlich sichergestellt. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe oder ein anderes soziales Netz. Rückkehrer sind auf die Unterstützung der Familie oder Freunde angewiesen. Vorübergehende Notlagen können durch Armenspeisungen im Tempel, insbesondere der Sikh-Tempel, die auch gegen kleinere Dienstleistungen Unterkunft gewähren, ausgeglichen werden (AA 18.9.2018).
Im September 2018 bestätigte der Oberste Gerichtshof die Verfassungsmäßigkeit des biometrischen Identifikationsprojekts Aadhaar (HRW 17.1.2019). Als Teil einer Armutsbekämpfungsinitiative wurde seit 2010 Millionen indischer Bürger eine Aadhaar-ID Nummer ausgestellt. Ursprünglich wurde das System eingeführt, um Steuerbetrug entgegenzuwirken. In den folgenden Jahren wurde der Umfang jedoch stark ausgeweitet: In einigen indischen Bundesstaaten werden mittels Aadhaar Pensionen, Stipendien und die Essensausgabe für arme Menschen abgewickelt (ORF 27.9.2018). Aadhaar stellt für den Großteil der Bevölkerung den einzigen Zugang zu einem staatlich anerkannten Ausweis dar. Diejenigen, die sich bei Aadhaar angemeldet haben, erhielten nach der Übermittlung ihrer Fingerabdrücke und Netzhautscans eine eindeutige zwölfstellige Identifikationsnummer (BBC 26.9.2018).
Menschenrechtsgruppen äußern Bedenken, dass die Bedingungen zur Registrierung für Aadhaar, arme und marginalisierte Menschen daran hindern, wesentliche, verfassungsmäßig garantierte Dienstleistungen wie etwa Nahrung und Gesundheitsversorgung zu erhalten (HRW 18.1.2018).
Quellen:
-
AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien
-
AA - Auswärtiges Amt (11.2018a): Indien, Wirtschaft,
https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/indien-node/-/205976, Zugriff
17.1.2019
-
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (3.9.2018):
Länderinformationsblatt
Indien,
http://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2018_India_DE.pdf, Zugriff
17.12.2018
-
BBC British Broadcasting Corporation (26.9.2018): Aadhaar: India top court upholds
world's largest biometric scheme, https://www.bbc.com/news/world-asia-india-44777787,
Zugriff 20.11.2018
-
HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - India, ttps://www.ecoi.net/
de/dokument/2002249.html, Zugriff 23.1.2019
-
HRW - Human Rights Watch (13.1.2018): India: Identification Project Threatens Rights,
https://www.ecoi.net/de/dokument/1422175.html, Zugriff 19.11.2018
-
ORF - Österreichischer Rundfunk (27.9.2018): Indiens Form der digitalen Überwachung,
https://orf.at/stories/3035121/, Zugriff 20.11.2018
-
ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2018):
Asylländerbericht Indien
-Arbeitsversion
-
PIB - Press Information Bureau Government of India Ministry of Labour & Employment
(23.7.2018): Modernisation of Employment Exchanges,
http://pib.nic.in/newsite/PrintRelease.aspx?relid=180854, Zugriff 20.11.2018
-
SNRD - Sector Network Natural Resources and Rural Development Asia (26.3.2018):
Environmental Benefits of the Mahatma Gandhi National Rural Employment Guarantee Act (MGNREGA-EB), https://snrd-asia.org/environmental-benefits-of-the-mahatmagandhi-
national-rural-employment-guarantee-act-mgnrega-eb/, Zugriff 29.1.2019
-
WKO - Außenwirtschaft Austria (26.9.2018): Außen Wirtschaft Update Indien,
https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/indien-update.pdf, Zugriff 20.11.2018
Rückkehr
Allein die Tatsache, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, führt nicht zu nachteiligen Konsequenzen nach der Abschiebung. Auch in jüngerer Zeit wurden bei rückgeführten abgelehnten indischen Asylbewerbern keine Benachteiligungen nach Rückkehr bekannt. Polizeilich gesuchte Personen müssen allerdings bei Einreise mit Verhaftung und Übergabe an die Sicherheitsbehörden rechnen (AA 18.9.2018).
Quellen:
-
AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Herkunft und Lebenssituation der Beschwerdeführerin im Herkunftsstaat ergeben sich aus den Angaben der Beschwerdeführerin im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 11.12.2019 sowie der im Akt aufliegenden Kopie des Reisepasses der Beschwerdeführerin vom 25.03.2010.
Die Feststellungen zum Ausreisegrund der Beschwerdeführerin sowie die Feststellungen, dass die Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr in ihr Heimatland keine Probleme seitens ihrer Familie mehr zu befürchten hätte, ergeben sich aus den Angaben der Beschwerdeführerin im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Im Rahmen der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 11.12.2019 führte die Beschwerdeführerin ausdrücklich an, dass sie seitens ihrer Familie im Fall einer Rückkehr in ihr Heimatland nichts mehr zu befürchten hätten, zumal sie in Österreich bereits im Mai 2017 einen österreichischen Staatsbürger geheiratet habe und ihre entfernten Verwandten dies schon ihrer Familie erzählt hätten (siehe Verhandlungsprotokoll Seite 4).
Dass die Beschwerdeführerin in Indien keine Probleme mit den dortigen Behörden hatte, ergibt sich aus ihren Angaben im Verfahren.
Die Feststellungen, dass die Beschwerdeführerin in Österreich ihren Ehegatten im Jahr 2016 kennenlernte, mit diesem seit diesem Zeitpunkt im gemeinsamen Haushalt lebt, diesen im Mai 2017 heiratete, mit diesem einen gemeinsamen zweijährigen Sohn hat, und sowohl der Ehegatte der Beschwerdeführerin als auch ihr Sohn österreichischer Staatsbürger sind, ergeben sich aus den Angaben der Beschwerdeführerin im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 11.12.2019 sowie den im Verfahren vorgelegten Unterlagen, insbesondere der Heiratsurkunde vom 26.05.2017, den Staatsbürgerschaftsnachweis des Ehegatten und des Sohnes der Beschwerdeführerin vom 06.07.2011 bzw. vom 20.10.2017 sowie den im Akt aufliegenden Kopien der Reisepässe des Ehegatten und des Sohnes der Beschwerdeführerin.
Dass der Ehegatte der Beschwerdeführerin in Österreich als LKW-Fahrer arbeitet und somit den Lebensunterhalt der Familie sichert, sich die Beschwerdeführerin um den Haushalt und die Erziehung des gemeinsamen zweijährigen Sohnes kümmert, der Sohn der Beschwerdeführerin keinen Kindergarten besucht, die Beschwerdeführerin die A1-Prüfung erfolgreich abgelegt hat, sich zur A2-Prüfung bereits angemeldet hat, schlecht Deutsch spricht, über einen österreichischen Bekanntenkreis verfügt, in Zukunft auch in Österreich als Krankenschwester arbeiten möchte und gesund ist, ergibt sich aus ihren Angaben im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und den diesbezüglichen im Verfahren vorgelegten Unterlagen.
Dass die Beschwerdeführerin strafgerichtlich unbescholten ist und keine Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch nimmt, ergibt sich aus der Einsichtnahme ins Grundversorgungssystem und ins österreichische Strafregister.
2.2. Die oben wiedergegebenen Feststellungen zur Situation in Indien ergeben sich aus den im angefochtenen Bescheid herangezogenen Länderberichten, die dieser Entscheidung zugrunde gelegt wurden. Bei den angeführten Quellen handelt es sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Organisationen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Indien ergeben.
Den Länderberichten wurde weder in der Einvernahme, noch in der mündlichen Beschwerdeverhandlung substantiiert entgegengetreten.
3. Rechtliche Beurteilung:
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Zum Spruchteil A)
3.1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung i.S.d. Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht. Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.
Flüchtling i.S.d. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK (i.d.F. des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (vgl. VwGH 19.12.2007, 2006/20/0771). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 15.03.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.
Gemäß § 3 Abs. 3 Z. 1 und § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Asylantrag abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann ("innerstaatliche Fluchtalternative"). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK vorliegen kann (vgl. zur Rechtslage vor dem AsylG 2005 z.B. VwGH 15.03.2001, 99/20/0036; 15.03.2001, 99/20/0134, wonach Asylsuchende nicht des Schutzes durch Asyl bedürfen, wenn sie in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen). Damit ist - wie der Verwaltungsgerichtshof zur GFK judiziert - nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 09.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "inländischen Flucht- oder Schutzalternative" (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal wirtschaftliche Benachteiligungen auch dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 08.09.1999, 98/01/0614, 29.03.2001, 2000/20/0539).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; 27.06.1995, 94/20/0836; 23.7.1999, 99/20/0208; 21.09.2000, 99/20/0373; 26.02.2002, 99/20/0509 m.w.N.; 12.09.2002, 99/20/0505; 17.09.2003, 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 m.w.N.).
Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen wer-den, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichen Schutzes einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, The Refugee in International Law, 2. Auflage [1996] 73; weiters VwGH 26.02.2002, 99/20/0509 m.w.N.; 20.09.2004, 2001/20/0430; 17.10.2006, 2006/20/0120; 13.11.2008, 2006/01/0191). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert wird. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.02.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256; 13.11.2008, 2006/01/0191).
Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich nicht, dass der Beschwerdeführerin in ihrem Heimatland Verfolgung aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe droht.
Da sohin keine Umstände vorliegen, wonach es ausreichend wahrscheinlich wäre, dass die Beschwerdeführerin in ihrer Heimat in asylrelevanter Weise bedroht wäre, ist die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich des Status einer Asylberechtigten durch das Bundesamt im Ergebnis nicht zu beanstanden.
3.2. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:
Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen,
1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder
2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,
wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 AsylG 2005 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 leg.cit. zu verbinden (Abs. 2 leg. cit.). Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß Abs. 3 leg. cit. abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.
§ 8 AsylG 2005 beschränkt den Prüfungsrahmen auf den "Herkunftsstaat" des Asylwerbers. Dies ist dahin gehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen ist, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (VwGH 22.4.1999, 98/20/0561; 20.5.1999, 98/20/0300).
Nach der (zur Auslegung der Bestimmungen zum subsidiären Schutz anwendbaren) Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 8 AsylG 1997 iVm § 57 FremdenG 1997 ist Voraussetzung einer positiven Entscheidung nach dieser Bestimmung, dass eine konkrete, den Asylwerber betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 8.6.2000, 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, eine positive Entscheidung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, 98/01/0122; 25.1.2001, 2001/20/0011).
Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürger-kriegspartei anzugehören - der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten (oder anderer in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erwähnter) Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwSlg. 15.437 A/2000;
VwGH 25.11.1999, 99/20/0465; 8.6.2000, 99/20/0203; 8.6.2000, 99/20/0586; 21.9.2000, 99/20/0373; 25.1.2001, 2000/20/0367;
25.1.2001, 2000/20/0438; 25.1.2001, 2000/20/0480; 21.6.2001, 99/20/0460; 16.4.2002, 2000/20/0131). Diese in der Rechtsprechung zum AsylG 1997 erwähnten Fälle sind nun z.T. durch andere in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erwähnte Fallgestaltungen ausdrücklich abgedeckt. Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat (unter dem Gesichtspunkt des § 57 FremdenG, dies ist nun auf § 8 Abs. 1 AsylG 2005 zu übertragen) als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.2.2001, 98/21/0427).
Gemäß der Judikatur des VwGH erfordert die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK auch sonst gültigen Maßstab des "real risk", wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. VwGH vom