TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/3 W211 2198357-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.03.2020
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Entscheidungsdatum

03.03.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch

W211 2198357-1/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a SIMMA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA: Eritrea, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status einer Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

II. Die Spruchpunkte II. - VI. werden ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführerin stellte am XXXX 2017 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich und wurde am XXXX 2017 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt, wobei sie zusammengefasst angab, eritreische Staatsangehörige zu sein und der Volksgruppe der Tigrinya anzugehören. In Eritrea würden sich noch ihre Eltern und fünf Geschwister aufhalten. Sie habe bereits im Jahr 2002 versucht aus ihrem Heimatland auszureisen, sei jedoch gescheitert. Im Februar des Jahres 2015 sei ihr die Ausreise dann gelungen. Nach Österreich sei sie mithilfe eines Schleppers und eines gefälschten äthiopischen Reisepasses eingereist. Eritrea habe sie verlassen, da sie einer Pfingstkirche angehöre (Pentecostal). Diese sei in Eritrea verboten, und ihre Mitglieder würden verfolgt. Im Jänner des Jahres 2005 habe sie bereits zehn Tage im Gefängnis verbracht und sechs Monate unbezahlt für die Regierung arbeiten müssen. Im Jahr 2008 sei sie wieder für zwei Wochen festgenommen worden. Auch sei ihr im Fall einer weiteren Religionsausübung die Todesstrafe angedroht worden. Schließlich sei sie im Mai des Jahres 2012 ein drittes Mal verhaftet worden und habe drei Wochen im Gefängnis verbracht. Auch sei sie geschlagen und ihr Dokumente weggenommen worden.

2. Mit Stellungnahme der rechtlichen Vertretung der Beschwerdeführerin vom XXXX 2017 wurde ausgeführt, dass der Name der Beschwerdeführerin falsch protokolliert worden sei. Dem Schreiben beigefügt waren unter anderem Kopien eines auf den Aliasnamen der Beschwerdeführerin ausgestellten eritreischen Reisepasses, einer Bestätigung einer Mitgliedschaft bei der " XXXX " und eines Zertifikates des " XXXX " sowie einer Bestätigung von " XXXX ".

3. Mit Schreiben vom XXXX 2017 bestätigte die österreichische Botschaft in Äthiopien dem Bundesamt, dass der Beschwerdeführerin ein ab November/Dezember des Jahres 2016 gültiges Visum ausgestellt worden sei und übermittelte mehrere Unterlagen, darunter Kopien eines auf den Namen der Beschwerdeführerin ausgestellten äthiopischen Reisepasses, einer äthiopischen Heiratsurkunde sowie eines Kontoauszuges. Der Aliasname der Beschwerdeführerin sei nicht bekannt.

4. Bei der Einvernahme durch die belangte Behörde am XXXX 2018 gab die Beschwerdeführerin soweit wesentlich an, sie sei eritreische Staatsbürgerin, jedoch in Addis Abeba geboren worden und sei ledig. Sie verfüge in den Vereinigten Staaten von Amerika über eine Schwester, ihre weiteren Verwandten würden sich nach wie vor in Eritrea aufhalten, sie stehe aber in keinem Kontakt zu diesen. Sie habe Eritrea zu Fuß mit Hilfe eines Militärs verlassen und sich in Äthiopien nach einem einjährigen versteckten Aufenthalt an einen Schlepper gewandt, der ihre Weiterreise nach Österreich organisiert habe. Den gefälschten äthiopischen Reisepass habe sie nach ihrer Ankunft in Österreich dem Schlepper zurückgeben müssen. In Äthiopien habe sie acht Jahre lang die Schule besucht und nach einem Umzug nach Eritrea im Jahr 1993 weitere drei Jahre Schulbildung genossen. Dann habe sie an der Universität in XXXX drei Jahre lang Buchhaltung studiert, das Studium jedoch nicht abgeschlossen. Nach ihrem fehlgeschlagenen Ausreiseversuch im Jahr 2002 sei sie von der eritreischen Regierung festgenommen und nach Sawa gebracht worden. Dort habe sie für sechs Monate gedient und sei dann dem Bildungsministerium zugeteilt worden, wo sie bis wenige Tage vor ihrer Ausreise gearbeitet habe. Im Jahr 2005 sei sie mit zehn Tagen Gefängnis bestraft worden, jedoch wegen Personalmangels in der Verwaltung wieder freigekommen. Nach abermaligen Verhaftungen in den Jahren 2008 und 2012 seien ihr von der Sicherheitsbehörde sämtliche Dokumente weggenommen worden. Im Jahr 2015 sei ihre Stelle im Ministerium an jemand anderen vergeben worden. Im Februar desselben Jahres habe sie dann Eritrea verlassen.

5. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag der Beschwerdeführerin auf Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ab (Spruchpunkt I.), den Antrag auf Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Äthiopien gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ab (Spruchpunkt II.), erteilte keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Äthiopien gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.) und erteilte gemäß § 55 Abs. 1 - 3 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.).

Das Bundesamt stellte eine äthiopische Staatsangehörigkeit und den christlichen Glauben der Beschwerdeführerin fest, nicht jedoch, dass ihr in Äthiopien eine Verfolgung, drohe.

6. Gegen diesen Bescheid wurde rechtzeitig eine Beschwerde eingebracht. Darin wurde vorgebracht, dass die Beschwerdeführerin eritreische und nicht wie vom Bundesamt behauptet äthiopische Staatsbürgerin sei. Ein Schlepper habe ihre Ausreise unter Verwendung eines gefälschten äthiopischen Reisepasses ermöglicht. Die Beschwerdeführerin habe zu diesem Zweck vorrübergehend eine andere Identität angenommen. Zum Beweis dafür, dass es sich bei dem vorgelegten äthiopischen Reisepass um eine Fälschung handle, wurde der Antrag gestellt, diesen einer kriminaltechnischen Untersuchung auf Echtheit und Richtigkeit zu unterziehen. Eritrea habe sie aus Furcht vor einer Verfolgung durch die eritreische Regierung als Mitglied zur Religionsgemeinschaft der Christen (Pentecostal) sowie wegen einer fehlenden innerstaatlichen Fluchtalternative verlassen. Aufgrund des Verbots der Ausübung ihres Glaubens sei die Beschwerdeführerin in Eritrea bereits mehrere Male inhaftiert worden.

7. Am XXXX 2019 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit einer Dolmetscherin für Tigrinya und in Anwesenheit der Beschwerdeführerin und ihrer Vertretung eine mündliche Verhandlung durch. Die belangte Behörde entschuldigte sich mit Schreiben vom

XXXX 2019 von der Teilnahme an einer Verhandlung. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurden aktuelle Länderinformationen zu Äthiopien und Eritrea ins Verfahren eingebracht. Innerhalb der gesetzten Frist langte keine schriftliche Stellungnahme zu den Länderinformationen bei Gericht ein.

8. Mit Schreiben vom XXXX 2019 übermittelte das Bundesamt das vom Bundesverwaltungsgericht angeforderte Zertifikat des " XXXX " im Original. Zum ebenfalls angeforderten Original des äthiopischen Reisepasses wurde ausgeführt, dass dieser dem Bundesamt niemals im Original vorgelegen sei.

9. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX 2019 wurde die Beschwerdeführerin ersucht, den äthiopischen Reisepass, sollte dieser in ihrem Besitz sein, zu übermitteln.

10. Mit Schreiben der rechtlichen Vertretung der Beschwerdeführerin vom XXXX 2019 wurde ausgeführt, dass sich der äthiopische Reisepass nicht im Besitz der Beschwerdeführerin befinde, da sie alle Dokumente dem Schlepper überlassen habe müssen.

11. Am XXXX 2019 wurde zu zwischenzeitlich aktualisiert erschienenen Länderinformationen zu Äthiopien Parteiengehör eingeräumt. Innerhalb der gesetzten Frist langten keine schriftlichen Stellungnahmen zu den Länderinformationen bei Gericht ein.

1. Feststellungen:

1.1. Zur Beschwerdeführerin

Die Beschwerdeführerin ist eine weibliche Staatsangehörige Eritreas, die mit einem gefälschten äthiopischen Reisepass und einem Visum C nach Österreich einreiste und am XXXX 2017 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Sie gehört der Volksgruppe der Tigrinya an. Die Beschwerdeführerin wurde in Äthiopien geboren und zog im Jahr 1993 nach Eritrea. Sie wohnte bis zu ihrer Ausreise aus Eritrea im Dorf XXXX in der Umgebung von XXXX . Die Eltern und mehrere Geschwister der Beschwerdeführerin leben in Eritrea. Eine Schwester lebt in den Vereinigten Staaten von Amerika.

Die Beschwerdeführerin besuchte in Äthiopien acht und in Eritrea drei Jahre lang die Schule, sowie drei Jahre lang die Universität, wo sie Buchhaltung studierte.

Die Beschwerdeführerin ist gesund und strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus den vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderberichten wiedergegeben:

a) Länderinformationsblatt zu Eritrea vom 26.02.2019 (Auszüge):

Korruption in der Zivilverwaltung und insbesondere im Militär bleibt weit verbreitet. Hochrangige Beamte beteiligen sich weiterhin an illegalen Aktivitäten (BTI 2018). Klientelismus, Vetternwirtschaft und Kleinkriminalität innerhalb der Exekutive basieren weitgehend auf familiären Beziehungen (USDOS 20.4.2018). Es gibt Berichte über Korruption bei der Polizei, die gelegentlich Bestechungsgelder fordert, um Häftlinge freizulassen (AA 25.2.2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Auch die Korruption in der Justiz bleibt ein Problem (USDOS 20.4.2018).

Das Gesetz verbietet die Rekrutierung von Kindern unter 18 Jahren. Es kommt jedoch vor, dass Kinder bei Razzien festgehalten und in das Sawa National Training and Education Center gebracht werden (USDOS 20.4.2018). Jugendliche, die versuchen, dem Wehrdienst zu entgehen, werden verhaftet. Minderjährige werden bei (illegalen) Ausreiseversuchen meist aber nach Hause geschickt. Volljährige und damit Wehr- und Nationaldienstpflichtige kommen in Haft. Diese wird auf Antrag häufig in offenem Vollzug abgeleistet. Sofern die Eltern der Jugendlichen oder andere Personen bei der Entziehung vom Wehrdienst behilflich waren, droht auch ihnen Strafverfolgung (AA 25.2.2018).

Es gibt Berichte über sexuelle Nötigung und Gewalt bis hin zu Vergewaltigung von weiblichen Rekruten. Eine Weigerung führt in manchen Fällen zu Internierung, Misshandlung und Folter (AA 25.2.2018; vgl. USDOS 20.4.2018), z.B. Nahrungsentzug oder dem Aussetzen extremer Hitze. Eine Schwangerschaft während des Militärdienstes, auch wenn sie das Resultat einer Vergewaltigung oder sexueller Übergriffe durch Vorgesetzte ist, führt zum Ausschluss aus dem Militär (AA 25.2.2018). Es kommt zudem auch zu Zwangsdiensten, bzw. sexueller Sklaverei von Frauen und Mädchen in Trainingslagern (USDOS 20.4.2018).

Ebenso kommt es vor, dass Wehrpflichtige nach Ableistung des 18-monatigen Wehrdienstes nicht nur aus dem Militär, sondern auch aus dem Nationaldienst entlassen werden. Als Grund nennt die Regierung gute schulische Leistungen. Abiturienten mit guten Noten soll so der rasche Zugang zu weiterführenden Bildungseinrichtungen (Colleges) ermöglicht werden (AA 25.2.2018).

Keine Schule in Eritrea, mit Ausnahme des Militärcamps "Sawa", bietet die 12. Schulstufe an. Seit Sommer 2003 müssen alle Schüler das 12. Schuljahr in diesem zentralen Ausbildungslager in Sawa absolvieren (AA 25.2.2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Nur in Sawa können sie ihr "Highschool" - Abschlusszeugnis erhalten. Die Besten werden danach zum Studium an einem der 19 Colleges zugelassen. Die Übrigen werden für eine Berufsschulausbildung oder für den Militärdienst herangezogen (AA 25.2.2018).

Gemäß Gesetz verpflichtet sich jeder Absolvent der High School zu einem 18-monatigen Nationaldienst, der eine sechsmonatige Militärausbildung beinhaltet (AI 30.7.2018). Nach anderen Angaben erhalten die Schüler in Sawa eine dreimonatige paramilitärische Ausbildung (AA 25.2.2018). In Sawa ist die Versorgung schlecht und es besteht eine mangelhafte sanitäre Grundversorgung und Hygienebedingungen (AI 30.7.2018; vgl. USDOS 20.4.2018).

Einige verlassen die Schule, um der Wehrpflicht zu entkommen, aber ohne eine Bescheinigung des Nationaldienstes können sie weder auf Lebensmittelrationen zugreifen noch ein Unternehmen gründen, eine Mobiltelefon erwerben, einen Führerschein oder ein Bankkonto eröffnen. Darüber hinaus führt das Militär spontane Hausdurchsuchungen durch, um jeden festzunehmen, der im Verdacht steht, sich dem Nationaldienst entziehen zu wollen (AI 30.7.2018).

In Eritrea kann es fallweise zu massiven Verletzungen der Menschenrechte kommen (AA 25.2.2018). Es gibt absolut keinen Schutz der Bürgerrechte, sie werden durch kein Gesetz garantiert. Ein Vierteljahrhundert nach der Unabhängigkeit hat das Land immer noch keine Verfassung umgesetzt. Hochrangige Regierungsvertreter, darunter der Präsident, äußern offen ihre Missachtung und Nichtanerkennung der international anerkannten Menschenrechte und des rechtsstaatlichen Verfahrens. Das Recht auf Leben und Sicherheit wird ignoriert und Folter ist in Gefängnissen und Haftanstalten des Militärs weit verbreitet. Der Mangel an Bürgerrechten betrifft die gesamte Bevölkerung (BTI 2018). In der am 23.5.1997 von der Nationalversammlung angenommenen Verfassung, die bis heute nicht in Kraft getreten ist, sind in den Artikeln 14 bis 24 die Grundrechte niedergelegt, welche von staatlichen Organen nicht respektiert werden (AA 25.2.2018). Somit bleibt die Ausübung von Grundrechten, wie z.B. Rede- und Meinungsfreiheit, Versammlungs- und Religionsfreiheit, nicht oder nur extrem eingeschränkt möglich (AA 24.5.2018; vgl. BTI 2018). Alle Versammlungen von mehr als fünf Personen - in geschlossenen öffentlichen Räumen wie unter freiem Himmel - müssen vorher genehmigt werden (AA 25.2.2018).

Zu den Menschenrechtsvergehen gehören willkürliche Inhaftierung, Folter (HRW 3.10.2018; vgl. HRW 17.1.2019, AA 25.2.2018), Verschwindenlassen und sexuelle Gewalt sowie Zwangsarbeit (HRW 3.10.2018; vgl. HRW 17.1.2019). Fernerhin werden weiterhin Menschen willkürlich und unter Zwang auf unbestimmte Zeit rekrutiert (AA 25.2.2018). Auch während des Nationaldienstes kommt es zu systematischem Missbrauch, einschließlich Folter und unzureichender Versorgung mit Nahrungsmitteln (HRW 3.10.2018).

Die Regierung hat im Allgemeinen keine Schritte unternommen, um gegen Beamte, die Menschenrechtsverletzungen begangen haben, zu ermitteln, sie zu verfolgen oder zu bestrafen. Straffreiheit bei Missbrauch bleibt die Regel (USDOS 20.4.2018).

Die Veränderung der Beziehung zu Äthiopien änderte bisher weder die repressive Politik noch die Härte staatlicher Herrschaft. Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen beklagt die systematischen, weit verbreiteten und schweren Menschenrechtsverletzungen der Regierung, die in einem Klima der allgemeinen Straflosigkeit begangen werden (HRW 17.1.2019). Die von der UNO ernannte Untersuchungsmission für Menschenrechte in Eritrea stellte fest, dass in Eritrea seit 1991 Verbrechen gegen die Menschlichkeit, darunter Versklavung, Inhaftierung, Verschwindenlassen, Folter, Verfolgung, Vergewaltigung und Mord begangen werden (BTI 2018; vgl. HRW 3.10.2018, HRW 17.1.2019, HR 27.8.2018). Versammlungs-, Vereinigungs- und Religionsfreiheit sind eingeschränkt und Bewegungs- und Reisefreiheit beeinträchtigt. Frauen sind von Genitalverstümmelung und häuslicher Gewalt betroffen. Zudem kam es zu Menschenhandel, Zwangs- und Kinderarbeit. Gleichgeschlechtliche Handlungen sind verboten (HR 27.8.2018).

In den Gefängnissen gibt es keinen Ombudsmann der auf Beschwerden reagiert. Es gibt auch keine zivilrechtlichen Verfahren für Einzelpersonen, die Menschenrechtsverletzungen durch die Regierung geltend machen (USDOS 20.4.2018).

Die Haftbedingungen sind zum Teil unmenschlich, hart und lebensbedrohlich. Auch die hygienischen Zustände und die medizinische Versorgung in Gefängnissen und Straflagern sind unzureichend (AA 25.2.2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Die Regierung erlaubt keine unabhängige Kontrolle in Haftanstalten (HRW 17.1.2019; vgl. USDOS 20.4.2018). Mangelnde Transparenz und fehlender Zugang zu Informationen machen es unmöglich, die Zahl oder die Umstände von Todesfällen infolge von Folter oder schlechten Haftbedingungen zu ermitteln (USDOS 20.4.2018).

Dutzende Journalisten sitzen ohne Urteil, Kontakt zu Anwälten oder ihren Familien seit Jahren im Gefängnis und werden gefoltert (HRW 17.1.2019; vgl. RSF 2019). Laut Reporter ohne Grenzen befinden sich aktuell elf Journalisten und vier Medienmitarbeiter in Haft (RSF 2019). Die Regierung hat die Bedingungen ihrer prominentesten Gefangenen, Regierungsbeamten und Reporter weder freigegeben noch verbessert (HRW 17.1.2019; vgl. USDOS 20.4.2018).

Die Position der Frauen ist in der Gesetzgebung Eritreas relativ gut geschützt (NMFA 21.6.2018). Laut Gesetz haben Frauen und Männer denselben rechtlichen Status innerhalb der Familie, der Arbeit, bei Eigentums- und Erbrecht (USDOS 20.4.2018; vgl. NMFA 21.6.2018). Das Gesetz und die nicht implementierte Verfassung verbieten Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, dies wird aber von der Regierung nicht durchgesetzt (AA 25.2.2018).

Vergewaltigung ist ein Verbrechen, welches bei Verurteilung mit bis zu 10 Jahren Gefängnis bestraft wird. Das Gesetz kriminalisiert nicht ausdrücklich Vergewaltigung in der Ehe. Häusliche Gewalt wird als Tätlichkeit und Körperverletzung geahndet. Die Behörden greifen nur selten ein (USDOS 20.4.2018). Körperverletzung, häusliche Gewalt und Vergewaltigung sind strafbar, werden meist jedoch weder angezeigt noch rechtlich verfolgt. Kulturelle Normen verhindern auch das Anzeigen von sexueller Belästigung (USDOS 20.4.2018).

Besonders im Militär sind Frauen und Mädchen sexueller Belästigung ausgesetzt, vor allem durch Vorgesetzte. Eine Weigerung führte in manchen Fällen zu Internierung, Misshandlung Nahrungsentzug oder dem Aussetzen extremer Hitze (USDOS 20.4.2018). Frauen werden in der Regel bei Heirat oder Schwangerschaft aus dem Militär bzw. dem Nationaldienst entlassen (AA 25.2.2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Viele Mädchen und junge Frauen versuchen daher bewusst früh zu heiraten, um aus dem Nationaldienst entlassen zu werden (AA 25.2.2018).

Es gibt keine Gesetze, welche die Beteiligung von Frauen am politischen Prozess einschränken (USDOS 20.4.2018). In den nationalen und regionalen Parlamenten haben Frauen Anspruch auf 30% der Sitze (NMFA 21.6.2018). Frauen bekleiden vier von 17 Ministerposten und waren auch in anderen Regierungspositionen tätig (USDOS 20.4.2018). In der Praxis allerdings sind Frauen in der Hochschulbildung und in der Verwaltung unterrepräsentiert (BTI 2018). Die National Union of Eritrean Women (NUEW), die eng mit der Regierungspartei verbunden ist, arbeitet an der Verbesserung der Position eritreischer Frauen (NMFA 21.6.2018).

In der überwiegend ländlichen Bevölkerung herrscht ein von traditionellen Wertvorstellungen geprägtes Rollenverständnis von Frauen vor (Kindererziehung, Haus- und leichtere Feldarbeit, keine sexuelle Selbstbestimmung). So sind viele unverheiratete Mütter, auch wenn die Schwangerschaft auf sexuelle Gewalt zurückzuführen ist, von gesellschaftlicher Ächtung, oft auch in der eigenen Familie, betroffen. Dies gilt sowohl für die islamischen als auch für die christlichen Teile der Bevölkerung (AA 25.2.2018).

Nach eritreischem Staatsverständnis ist der Säkularismus eine der wichtigsten Säulen des Staates. Die Regierung, deren Mitglieder überwiegend eritreisch-orthodoxe Christen sind, behauptet, dass sie sich gegenüber den Religionsgemeinschaften strikt neutral verhalte. Sie gibt - ohne Zahlen zu veröffentlichen - das Verhältnis zwischen Christen und (sunnitischen) Muslimen mit "etwa gleich" an (AA 25.2.2018). Dies entspricht auch den Angaben der US-Kommission für internationale Religionsfreiheit (USCIRF 4.2018).

Die Religionsfreiheit ist auf die vier offiziell anerkannten Religionen beschränkt (BTI 2018). Dies sind die eritreisch-orthodoxe, die römisch-katholische, die evangelisch-lutherische Kirche und der sunnitische Islam (AA 25.2.2018; vgl. BTI 2018, HRW 17.1.2019). Diese Religionen dürfen sich unter strikter Überwachung religiös betätigen. Im Gegensatz zu den vier anerkannten Religionsgemeinschaften verlangt die Regierung von kleineren Religionsgemeinschaften, dass sie sich registrieren lassen (AA 25.2.2018; vgl. USCIRF 4.2018). Angehörige nicht anerkannter Religionen unterliegen der Überwachung, Einschüchterung und Verhaftungen (BTI 2018).

Als Begründung für die restriktive Politik gegenüber "neuen Religionen" gibt die Regierung an, dass es sich bei ihnen um vom Ausland illegal finanzierte Gruppen handle, die das traditionelle nationale Gefüge zerstören wollen. Daher ist es diesen Religionsgemeinschaften nicht erlaubt, Gottesdienste zu feiern - auch nicht in privatem Rahmen - ohne dass die Teilnehmer mit Verhaftungen rechnen müssen (AA 25.2.2018). Die Verleugnung ihrer Religion wäre meist der Preis für die Freilassung. Im März 2018 wurde ein frisch verheiratetes Paar bei seiner Hochzeitsfeier verhaftet. Und auch der eritreisch-orthodoxe Patriarch Antonios, der 2007 von der Regierung abgesetzt wurde, steht weiterhin unter Hausarrest (HRW 17.1.2019). Den Zeugen Jehovas werden alle Bürgerrechte verweigert, christliche und muslimische konfessionelle Minderheiten werden verfolgt (BTI 2018). Dreiundfünfzig Zeugen Jehovas befinden sich nach wie vor in Haft (HRW 17.1.2019).

b) Länderinformationsblatt zu Äthiopien vom 08.01.2019 samt letzter Kurzinformation vom 08.11.2019 (Auszüge):

Sogenannte "Gefälligkeitsbescheinigungen" sind relativ leicht erhältlich. Gegen Zahlungen können auch Zeugen für Aussagen vor Gericht oder Behörden gekauft werden. Es kommt häufig vor, dass äthiopische Beamte - auf Bitte - Urkunden ausstellen, die gesetzlichen Bestimmungen widersprechen. Weit verbreitet sind auch falsche Bescheinigungen z.B. von privaten Arbeitgebern (z.B. über Arbeitsverhältnisse, Einkommen etc.) (AA 17.10.2018).

Komplettfälschungen von Ausweisdokumenten oder Urkunden sind in Äthiopien wegen ihrer schlechten Qualität meist als solche erkennbar. Weitaus schwerer aufzudecken, aber weit stärker verbreitet sind echte Dokumente mit falschem Inhalt - v.a. Personenstandsurkunden (Geburts- und Heiratsurkunden) und Pässe - die auf der Grundlage von unrichtigen Dokumenten und/oder von Zeugenaussagen ausgestellt wurden. Geburtsurkunden werden erst seit einigen Jahren und nicht in allen Fällen auf der Grundlage von Geburtsbescheinigungen von Krankenhäusern ausgestellt (AA 17.10.2018).

1.3. Zum Fluchtvorbringen

Die Beschwerdeführerin ist Mitglied einer christlichen Pfingstgemeinde (Pentecostal).

Die Beschwerdeführerin wurde im Jahr 2002 nach einem missglückten Ausreiseversuch nach Sawa eingezogen und diente dort sechs Monate. Danach wurde sie dem Bildungsministerium zugeteilt.

Die Beschwerdeführerin wurde aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit drei Mal (2005, 2008 und 2012) inhaftiert, jedoch jeweils wieder freigelassen. Ihr wurde angedroht, dass, sobald man einen Ersatz für ihre Arbeitsstelle finde, sie wieder verhaftet werden würde. Nachdem der Arbeitsplatz der Beschwerdeführerin mit einer anderen Person besetzt wurde, reiste sie im Jahr 2015 illegal aus Eritrea aus.

Die Beschwerdeführerin besucht in ihrer hiesigen Aufenthaltsgemeinde den evangelischen Gottesdienst.

Aufgrund des restriktiven Umgangs Eritreas mit verbotenen Religionen muss davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführerin im Fall einer Rückkehr nach Eritrea eine Gefährdung durch staatliche Einrichtungen wegen ihrer Mitgliedschaft bei einer Pfingstgemeinde drohen wurde.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Mangels einer im Verfahren vorgenommenen Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments konnte die Identität der Beschwerdeführerin nicht festgestellt werden.

2.2. Zu folgenden Feststellungen unter oben 1. wird weiter näher ausgeführt wie folgt:

2.2.1. Zur Person der Beschwerdeführerin

Die Feststellung zur eritreischen Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin ergibt sich einerseits aus ihren glaubhaften und gleichbleibenden Angaben sowohl im Laufe des Verfahrens vor dem Bundesamt, als auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am XXXX 2019, wonach sie niemals die äthiopische Staatsbürgerschaft besessen hat, und es sich bei den der österreichischen Botschaft zur Erlangung eines Visums vorgelegten bzw. zur Einreise nach Österreich verwendeten Dokumenten um Fälschungen handelte, die ihr von einem in Äthiopien angeheuerten Schlepper zur Verfügung gestellt wurden, sowie andererseits aus den oben unter Punkt 1.2. b) angeführten Länderberichten zu Äthiopien. Aus letzteren ergibt sich, dass in Äthiopien sogenannte "Gefälligkeitsbescheinigungen" relativ leicht erhältlich, und echte Dokumente mit falschem Inhalt - v.a. Personenstandsurkunden (Geburts- und Heiratsurkunden) und Pässe - die auf der Grundlage von unrichtigen Dokumenten erstellt wurden, stark verbreitet sind. Vor diesem Hintergrund kann, selbst wenn von der Echtheit der der Vertretungsbehörde in Äthiopien vorgelegten Dokumente (insbesondere der im Akt befindlichen Kopie des von der Botschaft herangezogenen äthiopischen Reisepasses (AS 106ff)) ausgegangen wird, nicht auf deren Richtigkeit geschlossen werden. Überdies darf nicht übersehen werden, dass die Beschwerdeführerin im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am XXXX 2019 detaillierte Angaben über ihren Lebensalltag in Eritrea machen konnte und sich im Akt ebenfalls eine (wenn auch schlecht lesbare) Kopie eines eritreischen Reisepasses befindet (AS 101). Es konnte daher eine Feststellung zur eritreischen Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin erfolgen.

Die von der Beschwerdeführerin angeforderte Überprüfung des äthiopischen Reisepasses auf seine Echtheit und Richtigkeit musste schon deshalb entfallen, da der Reisepass nach ihren eigenen Angaben nicht mehr in ihrem Besitz - und auch nicht im Besitz der österreichischen Behörden - ist. Da ohnedies die eritreische Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin festgestellt wurde, kann außerdem jedenfalls darauf verzichtet werden.

Die Feststellungen zur Einreise nach Österreich mittels eines Visums, zum Datum der Antragstellung und die Ausführungen zum Verfahrenslauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zur Geburt in Äthiopien, zum Umzug nach Eritrea, zum dortigen Wohnort, zur Volksgruppenzugehörigkeit, zum Aufenthalt der Familienangehörigen im In- und Ausland sowie zur schulischen - bzw. universitären Ausbildung beruhen auf den diesbezüglich glaubhaften und gleichbleibenden Angaben der Beschwerdeführerin im Laufe des Verfahrens.

Nicht unerwähnt bleiben soll in diesem Zusammenhang (Staatsangehörigkeit von/Flucht aus Eritrea), dass die Beschwerdeführerin Kopien bzw. Ausdrucke zB der eritreischen ID - Karten ihrer Eltern und Schwester, Bestätigungsschreiben von Personen in Eritrea mit Telefonnummer und eine Ausbildungsbestätigung vorlegte, womit sie jedenfalls auch ihrer Mitwirkungspflicht nachkam. Dass sich diese Dokumente einer Echtheit- und Richtigkeitsprüfung entziehen, muss anerkannt werden; dies trifft allerdings ebenso auf die Kopie eines äthiopischen Reisepasses zu, weshalb diese Unterlagen gleichermaßen geeignet oder nicht geeignet sind, eine Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin in Eritrea bzw. Äthiopien nachzuweisen. Die detaillierten Angaben der Beschwerdeführerin zu ihrem Leben in Eritrea führen schließlich dazu, eine solche in Eritrea festzustellen.

Die Feststellung zum Gesundheitszustand beruht auf dem Fehlen anderslautender Angaben und Unterlagen.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit beruht auf einem Auszug aus dem Strafregister.

2.2.2. Zur maßgeblichen Situation in Eritrea

Die Feststellungen zur Situation in Eritrea und Äthiopien basieren auf dem aktuellen Länderinformationsblatt zu Eritrea vom 26.02.2019 und dem Länderinformationsblatt zu Äthiopien vom 08.01.2019 samt letzter Kurzinformation vom 08.11.2019.

Die Feststellungen basieren auf den folgenden Einzelquellen:

a) Länderinformationsblatt zu Eritrea vom 26.02.2019:

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AA - Auswärtiges Amt (25.2.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427278/4598_1521628560_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschieberelevante-lage-eritrea-25-02-2018.pdf, Zugriff 24.1.2019

-

AA - Auswärtiges Amt (24.5.2018): Eritrea, Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/eritrea-node/-/226210, Zugriff 24.1.2019

-

AI - Amnesty International (30.7.2018): Op-Ed: Eritrea: no more excuses for indefinite national service, https://www.ecoi.net/de/dokument/1439699.html, Zugriff 22.1.2019

-

BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): Eritrea Country Report, 2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427444/488349_en.pdf, Zugriff 29.1.2019

-

HR - Human Rights (27.8.2018): Länderinformation: Menschenrechte in Eritrea,

https://www.humanrights.ch/de/service/laenderinfos/eritrea/, Zugriff 24.1.2019

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HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Eritrea, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002170.html, Zugriff 21.1.2019

-

HRW - Human Rights Watch (3.10.2018): Eritrea: Diplomacy Changes, but Political Prisoners Remain, https://www.ecoi.net/de/dokument/1445202.html, Zugriff 25.1.2019

-

ILO - International Labor Organization (23.10.1995): Gazette of Eritrean Laws, Published by the Government of Eritrea, Vol. 5/1995 No. 11 Asmara October 23/1995, National Service Proclamation, http://www.ilo.org/dyn/natlex/docs/SERIAL/79562/85681/F2067220900/ERI79562.pdf, Zugriff 24.1.2019

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IRIN - Integrated Regional Information Networks (15.11.2018):

Eritrea-Ethiopia peace leads to a refugee surge, https://www.irinnews.org/news-feature/2018/11/15/eritrea-ethiopia-peace-leads-refugee-surge, Zugriff 24.1.2019

-

NMFA - Netherlands Ministry of Foreign Affairs (21.6.2018):

Algemeen Ambtsbericht Eritrea,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1438252/1226_1531731730_aab-eritrea-2018-def.pdf, Zugriff 25.1.2019

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TG - The Guardian (12.10.2018): I was euphoric': Eritrea's joy becomes Ethiopia's burden amid huge exodus, https://www.theguardian.com/global-development/2018/oct/12/eritrea-joy-becomes-ethiopia-burden-huge-exodus-refugees, Zugriff 24.1.2019

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USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Eritrea, https://www.ecoi.net/en/document/1430113.html, Zugriff 24.1.2019

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USCIRF - US Commission on International Religious Freedom (4.2018): Annual Report 2018; Country Reports, Tier 1: Eritrea, https://www.ecoi.net/en/file/local/1435645/1226_1529393510_tier1-eritrea.pdf, Zugriff 25.1.2019

b) Länderinformationsblatt zu Äthiopien vom 08.01.2019 samt letzter Kurzinformation vom 08.11.2019:

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AA - Auswärtiges Amt (17.10.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Äthiopien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1452858/4598_1543583225_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-aethiopien-stand-september-2018-17-10-2018.pdf, Zugriff 5.12.2018

An der Aktualität, Verlässlichkeit und Richtigkeit der Informationen hat das Bundesverwaltungsgericht keine Zweifel. Stellungnahmen der Parteien wurden zu diesen Unterlagen nicht eingebracht.

2.2.3. Zum Fluchtvorbringen

Die Beschwerdeführerin bringt als fluchtauslösend im Wesentlichen die mehrmaligen Verhaftungen durch die eritreische Regierung aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit vor.

Einleitend gilt es festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am XXXX 2019 nachvollziehbare und detaillierte Angaben zur geheimen Ausübung ihres Glaubens in Eritrea machte (siehe Seiten 11f des Verhandlungsprotokolls), sowie im Laufe des Verfahrens auch die Kopie einer Bestätigung der Mitgliedschaft bei der " XXXX " vorlegte (AS 59), wenngleich nicht übersehen wird, dass deren Echtheit nicht überprüft werden kann. In der Gesamtschau konnte daher eine Feststellung zur Religionszugehörigkeit der Beschwerdeführerin erfolgen.

Dass sie ihren Glauben auch in Österreich ausübt, konnte sie im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht glaubhaft machen (siehe Seite 12 des Verhandlungsprotokolls).

Zur sechsmonatigen Festhaltung der Beschwerdeführerin in Sawa ist auszuführen, dass die diesbezüglichen Schilderungen der Beschwerdeführerin, wonach sie unmittelbar nach Abschluss der Schule zunächst die Universität besuchen durfte und erst nach einem gescheiterten Fluchtversuch im Jahr 2002 in das Lager geschickt wurde, vor dem Hintergrund, dass sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am XXXX 2019 lebensnahe Angaben zum Lageralltag machen konnte (siehe Seite 7f des Verhandlungsprotokolls), durchaus nachvollziehbar erscheinen. Überdies geht aus dem oben unter Punkt 1.2. a) angeführten Länderbericht hervor, dass Volljährige und damit Wehr- und Nationaldienstpflichtige bei einem Fluchtversuch in Haft kommen, weshalb auch dazu eine Feststellung erfolgen konnte.

Brachte die Beschwerdeführerin sodann vor, sie sei nach sechs Monaten in Sawa dem Bildungsministerium zugeteilt worden, wirkt dies im Zusammenhang damit, dass sie bereits vor ihrem Aufenthalt in dem Lager eine universitäre Ausbildung in Buchhaltung genießen durfte und dem weiter vorgebrachten Mangel an qualifiziertem Personal in der eritreischen Verwaltung durchaus plausibel, weshalb hierzu ebenfalls eine Feststellung getroffen werden konnte.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht brachte die Beschwerdeführerin zum weiteren fluchtrelevanten Geschehen Folgendes vor (Auszug aus dem Verhandlungsprotokoll):

"[...] R: Sie waren mehrfach in Eritrea inhaftiert. Wie kamen Sie wieder frei?

P: Ja, ich war in Haft. Die erste Inhaftierung war 2005. Das war wegen meiner Religion. Ich wurde in XXXX inhaftiert. Dann haben sie mich freigelassen, weil ich für meine Arbeitsstelle wichtig war. XXXX (phonetisch) vom Bildungsministerium hat einen Brief geschrieben. Sie haben mit ihm vereinbart, die sechs Monate Strafe bleibt, das heißt, dass ich keinen Lohn bekomme und, dass er mich zur Verfügung stellt, sollten sie das wollen. 2008 war es auch wegen der Religion. Dann kam ich in XXXX in Haft und dort war ich drei Wochen lang. Dann wurde ich wieder freigelassen. Der Verdacht hatte sich nicht bestätigt. 2012, am Unabhängigkeitstag von Eritrea, dem 24.06, da gibt man freiwillig Geld. Es ist keine Pflicht. Ich habe wie alle anderen Geld gegeben. Dann gab es ein Fest diesbezüglich, an dem ich nicht teilgenommen habe. Die Polizei kam direkt zu mir nach Hause und ich wurde dann inhaftiert. Da war ich dann zwei

Wochen in Haft. Nachgefragt: Bei diesem Fest gab es irgendwelche Probleme und sie haben mich gesucht, aber dort nicht gefunden und kamen direkt zu mir nach Hause. Nachgefragt: Sie haben eine Liste von Leuten, die sie ohne Grund suchen und schauen, ob sie zu finden sind. Eine von denen war ich. Dann war ich wieder in XXXX in Haft. Unter Gewalt und unter Druck haben sie gesagt, ich muss alle Dokumente abgeben, damit ich XXXX nicht verlassen kann. Unter diesen Bedingungen wurde ich dann freigelassen.

R: Wurden Sie nach 2012 nochmal inhaftiert?

P: Nein. Ich war auf einer Warteliste, weil ich im Bildungsministerium wichtig war. Sie haben gesagt, bis sie Ersatz finden, soll ich bleiben, aber sobald mich irgendwer ersetzen kann, komme ich wieder nach XXXX in Haft.

R: Wann sind Sie ausgereist aus Eritrea?

P: 2013 musste ich jemanden einschulen als Ersatz. Der Mann war aber krank. Etwa Februar 2015 habe ich dann Eritrea verlassen.

R: Warum haben Sie dann schließlich im Februar 2015 Eritrea verlassen? Warum gerade zu dieser Zeit?

P: Nach der Einschulung, nachdem ich einen Ersatz bekommen habe, bin ich ausgezogen. Ich habe immer verhindert, dass ich erwischt werde. Geklappt hat es aber erst 2015, dass ich ausreise. [...]"

Wie aus dem oben unter Punkt 1.2. a) angeführten Länderbericht hervorgeht, geht Eritrea restriktiv gegen Angehörige nicht anerkannter Religionen vor, die der Überwachung, Einschüchterung und Verhaftungen unterliegen. In Eritrea kann es fallweise zu massiven Verletzungen der Menschenrechte kommen. Es gibt absolut keinen Schutz der Bürgerrechte, sie werden durch kein Gesetz garantiert. Das Recht auf Leben und Sicherheit wird ignoriert, und Folter ist in Gefängnissen und Haftanstalten des Militärs weit verbreitet. Der Mangel an Bürgerrechten betrifft die gesamte Bevölkerung. Zu den Menschenrechtsvergehen in Eritrea gehören willkürliche Inhaftierung, Folter, Verschwindenlassen und sexuelle Gewalt sowie Zwangsarbeit.

Die mehrmaligen Verhaftungen der Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit erscheinen in diesem Zusammenhang, ebenso wie die mehrmaligen Freilassungen (2005 dank der Intervention eines hochrangigen Mitarbeiters des Ministeriums bzw. 2008 und 2012 wegen des zuvor erwähnten Personalmangels in der eritreischen Verwaltung) glaubhaft. Auch diesbezüglich konnten daher Feststellungen erfolgen.

Von der erkennenden Richterin in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am XXXX 2019 dazu befragt, warum sie Eritrea erst im Jahr 2015 verlassen habe, erklärte die Beschwerdeführerin, zu diesem Zeitpunkt sei die Einschulung eines Kollegen abgeschlossen gewesen, der als Ersatz für sie eingestellt worden sei. Dieses Vorbringen wirkt insofern schlüssig, als sie zuvor glaubhaft angab, dass ihr im Zuge der Inhaftierung im Jahr 2012 mitgeteilt wurde, sie könne provisorisch, bis ein geeigneter Ersatz gefunden sei, an ihre Arbeitsstelle zurückkehren, werde sodann jedoch umgehend wieder inhaftiert (siehe oben zitiertes Verhandlungsprotokoll). Da die Beschwerdeführerin somit mit einer unmittelbar bevorstehenden Verhaftung rechnen musste, wirkt eine Ausreise im Februar des Jahres 2015 nachvollziehbar.

Es kann daher im Lichte der Religionszugehörigkeit der Beschwerdeführerin und ihrer bereits dreimal erfolgten Inhaftierung nicht ausgeschlossen werden, dass die Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr einer entsprechenden Gefährdung durch die restriktive und repressive Politik des Eritreer Regimes im Zusammenhang mit nicht anerkannten Religionsgemeinschaften unterliegen würde, wobei die Gefährdung insbesondere in willkürlichen Inhaftierungen ohne rechtsstaatlichem Verfahren, Folter und sexuellem Missbrauch in der Haft liegen würde.

3. Rechtliche Beurteilung:

A) Spruchpunkt I.:

3.1. Rechtsgrundlagen

3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einer Fremden, die in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihr im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Flüchtling im Sinne der Bestimmung ist demnach, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb ihres Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

3.1.2. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation der Asylwerberin unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre der Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH, 05.08.2015, Ra 2015/18/0024 und auch VwGH, 12.11.2014, Ra 2014/20/0069). Für eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (vgl. VwGH, 26.02.1997, Zl. 95/01/0454), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH, 18.04.1996, Zl. 95/20/0239), sondern erfordert eine Prognose. Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob die Asylwerberin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Besteht für die Asylwerberin die Möglichkeit, in einem Gebiet ihres Heimatstaates, in dem sie keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt.

3.2. Anwendung der Rechtsgrundlagen auf die gegenständliche Beschwerde:

3.2.1. Wie in den Feststellungen ausgeführt geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass die Beschwerdeführerin einer in Eritrea nicht anerkannten religiösen Gemeinschaft angehört, weshalb sie bereits dreimal verhaftet wurde. Weiter übt sie ihren Glauben auch in Österreich aus. Im Lichte des in den Länderberichten dokumentierten restriktiven und repressiven Umgangs des Eritreer Regimes mit nicht anerkannten Religionsgemeinschaften besteht daher für die Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr eine aktuelle und auch maßgeblich wahrscheinliche Verfolgungsgefahr durch das Regime in Eritrea wegen ihrer religiösen Überzeugung.

3.2.2 Eine innerstaatliche Fluchtalternative steht nicht offen, da diese Gefahr auf dem gesamten Staatsgebiet droht. Da die Verfolgungsgefahr außerdem durch das Regime selbst ausgelöst würde, kann von einer entsprechenden Schutzwilligkeit der Eritreer Sicherheitskräfte nicht ausgegangen werden.

3.2.3. Da sich im Verfahren auch keine Hinweise auf Ausschlussgründe des § 6 AsylG ergeben haben, ist der Beschwerdeführerin nach dem oben Gesagten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG ist diese Entscheidung mit der Aussage zu verbinden, dass ihr damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

3.2.3. Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz nach dem 15.11.2015 gestellt wurde, wodurch insbesondere die §§ 2 Abs. 1 Z 15 und 3 Abs. 4 AsylG idF des Bundesgesetzes BGBl. I 24/2016 ("Asyl auf Zeit") gemäß § 75 Abs. 24 leg. cit. im konkreten Fall Anwendung finden.

3.3. A) Zu Spruchpunkt II.:

In weiterer Folge waren die Spruchunkte II. - VI. des angefochtenen Bescheids ersatzlos zu beheben.

4. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe die oben unter 3. dargestellte Judikatur); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im Übrigen war eine auf die Umstände des Einzelfalls bezogene Prüfung vorzunehmen.

Es war somit insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

asylrechtlich relevante Verfolgung, Flüchtlingseigenschaft,
religiöse Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W211.2198357.1.00

Zuletzt aktualisiert am

23.04.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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