Entscheidungsdatum
09.03.2020Norm
AsylG 2005 §10Spruch
W220 2224865-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Daniela UNTERER als Einzelrichterin über die Beschwerde vonXXXX XXXX , geb. XXXX XXXX XXXX , StA. Indien, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte nach unrechtmäßiger, schlepperunterstützter Einreise in das österreichische Bundesgebiet am XXXX unter der Identität XXXX , geb. am XXXX , einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Bei der am darauffolgenden Tag erfolgten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte der Beschwerdeführer zusammengefasst vor, er gehöre dem Sikhismus an und stamme aus der Region Punjab, wo er mit seinen Eltern gelebt habe. Seine Mutter wohne noch im namentlich genannten Dorf. Geschwister habe er keine. Er habe in seiner Heimat elf Jahre lang die Grundschule besucht. Er spreche Punjabi und Hindi, aber nur sehr schlecht Englisch. Im Dezember 2018 habe er sich entschlossen seine Heimat zu verlassen und nach England zu gehen, weil dort viele Inder leben würden. Am XXXX sei er dann mit dem Flugzeug über ein ihm unbekanntes Land ausgereist. Er habe nie ein Reisedokument oder einen sonstigen Identitätsnachweis besessen und sei illegal ausgereist. Zehn Tage lang sei er durch unbekannte Länder mit dem PKW transportiert worden.
Zum Fluchtgrund befragt, gab der Beschwerdeführer an, aufgrund seiner Religionszugehörigkeit Probleme gehabt zu haben. Sein Vater sei sieben Jahre im Gefängnis gewesen. Nach dessen Entlassung sei der Onkel des Beschwerdeführers ermordet und sein Vater dafür erneut verhaftet worden. Daher habe die Mutter des Beschwerdeführers große Angst um ihr einziges Kind gehabt und ihn fortgeschickt. Es gebe große Probleme zwischen Sikhs und Hindus. Im Falle einer Rückkehr befürchte er, auch ermordet zu werden.
3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) hegte Zweifel am Alter des Beschwerdeführers und ordnete daher eine medizinische Altersfeststellung an. Am XXXX wurde der Beschwerdeführer multifaktoriell untersucht. Der medizinische Sachverständige gelangte in seinem Gutachten zu dem Schluss, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz bereits mindestens 18 Jahre alt und somit volljährig gewesen sei; sein "spätestmögliches fiktives Geburtsdatum" sei der " XXXX ".
4. Am XXXX wurde der Beschwerdeführer vom BFA erneut einvernommen und gab an, gesund und ledig zu sein sowie keine Kinder zu haben. Nach seinen Angaben in der Erstbefragung befragt, gab er an, die Wahrheit gesagt zu haben und nichts ergänzen zu wollen. Gleichzeitig gab er an, dass sein Name XXXX sei. Er besitze keine Identitätsdokumente und wisse nicht, wo sein Reisepass sei. Der Schlepper habe ihm den Reisepass auf dem Weg nach Österreich abgenommen. Nach Vorhalt der unterschiedlichen Angaben zu seinem Vornamen gab er an, erschrocken und verängstigt gewesen zu sein und gesagt zu haben "was die anderen" ihm gesagt hätten.
Er habe auch über sein Alter nicht gelogen und sei am XXXX geboren, dies hätten ihm seine Eltern gesagt. Er sei 17 Jahre alt bzw. würde er nächsten Monat 17. Er wisse nicht wo seine Eltern seien. Über Vorhalt, dass sein Geburtsdatum in seinem Reisepass stehe, gab der Beschwerdeführer an, dass ihm dieser nicht gezeigt worden sei.
Er sei mit dem Schlepper durch die Kontrollen am Flughafen in Delhi gegangen, dieser sei auch mit ihm geflogen. Er wisse auch nicht, mit welcher Fluglinie und wohin sie geflogen seien. Er wisse, dass auf dem Reisepass " XXXX " gestanden sei, da ihn der Schlepper angewiesen habe, zu sagen, dass dies sein Name sei, als sie das Flugzeug verlassen hätten. Er habe auch ein Visum gehabt, für welches Land, wisse er aber nicht. Der Schlepper habe ihn dann in einen PKW gesetzt und gesagt, dass er nach England gebracht würde. Als er dann ausgesetzt worden wäre, sei ihm gesagt worden, dass er in England sei.
Er habe dann einen Mann auf Englisch nach dem Weg zum Sikh Tempel gefragt. Schließlich sei er auf einen Inder getroffen, den er aufgrund eines Armreifs als Punjabi erkannt habe, und dieser habe ihn dann zum Sikh Tempel XXXX gefahren.
Er sei sechs bis sieben Monate vor der Einvernahme aus Indien ausgereist und ca. drei Monate zuvor in Österreich eingereist. In der Zwischenzeit sei der Beschwerdeführer "auf dem Weg" gewesen, wo wisse er aber nicht.
Vor der Abreise aus Indien habe er zwei Monate in Delhi gelebt. Bis dahin habe er in seinem Geburtsort gelebt. Diesen Ort habe der Beschwerdeführer verlassen, weil sein Leben in Gefahr gewesen sei. Seine Gegner hätten aber herausgefunden, dass er in Delhi sei, deswegen habe auch von dort fliehen müssen.
Zu seinen Angehörigen in Indien habe er keinen Kontakt. Sein Vater sei wohl wieder im Gefängnis. Auch mit der Mutter habe er seit der Ausreise keinen Kontakt mehr.
Nach seiner Schulbildung befragt, gab er an, zwölf Jahre lang in die Grundschule gegangen zu sein, diese jedoch aufgrund der Probleme nicht abgeschlossen zu haben. Das letzte Mal sei er im XXXX in der Schule gewesen. Seinen Lebensunterhalt habe er gemeinsam mit seinen Eltern durch Felder- und Grundstückserträgnisse bestritten. In Österreich lebe er bei einem Freund und gehe in den Sikh Tempel essen.
Der Beschwerdeführer habe nie Probleme mit Behörden gehabt, weder in seiner Heimat noch in Österreich. Er sei auch nie in Haft gewesen und habe sich auch nicht politisch betätigt.
Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der Beschwerdeführer an, in seinem Heimatland aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Sikh verfolgt zu werden. Sie seien durch ihr äußeres Erscheinungsbild (z.B. Turban) sehr leicht zu erkennen. Vor seiner Ermordung sei sein Onkel, welcher einen Turban getragen habe, öfter mit dem Tod bedroht worden. Der Beschwerdeführer und dessen Vater hätten seinen Onkel tot vorgefunden, als sie mit ihm Tee trinken hätten wollen. Die Polizei sei zur selben Zeit eingetroffen und habe seinen Vater verhaftet. Der Mörder seines Onkels würde guten Kontakt zur Polizei haben und deswegen habe seine Mutter große Angst um den Beschwerdeführer gehabt. Daher habe sie seine Ausreise in ein sicheres Land organisiert. Dies sei sein Fluchtgrund.
Im Fall einer Rückkehr würde er gesucht und könne jederzeit getötet werden. Er habe auch sein äußeres Erscheinungsbild geändert (keinen Turban, Bart gekürzt), damit man ihn hier nicht finde.
Außerdem berichtete der Beschwerdeführer von einem namentlich genannten Mann, welcher religiöser Sikh sei und zu dem der Vater des Beschwerdeführers ein gutes Verhältnis habe. Der genannte Mann habe große Probleme mit Hindus, weil er Sikh sei. Aufgrund dieser Verbindung würde der Vater des Beschwerdeführers von den Hindus gehasst und sei durch einen Trick inhaftiert worden. Erneut nach seinen persönlichen Fluchtgründen gefragt, gab der Beschwerdeführer an, dass seinen Mutter Angst um ihn gehabt habe. Als einziger Sohn seines Vaters sei auch er gefährdet.
Nach Vorhalt, dass in der Region Punjab über 16 Millionen Sikh leben würden und auf die Frage, durch wen und warum genau er gefährdet sei, kam der Beschwerdeführer erneut auf den namentlich genannten Mann zurück. Da sein Vater öfter mit diesem Mann gesehen worden sei, würden Hindus den Vater des Beschwerdeführers nun ebenso als Feind ansehen. Er kenne besagten Mann auch, habe aber nie anwesend sein dürfen, wenn dieser zu Besuch gekommen sei. Der Mann habe vielen Sikh im Dorf das Leben gerettet und habe einen sehr guten Ruf. Der Beschwerdeführer wisse nicht, ob der Mann noch im Dorf lebe, aber wenn dies so wäre, dann habe er sehr große und viele Waffen, um sich zu beschützen. Wegen dieses Mannes sei auch sein Vater zuvor sieben Jahre im Gefängnis gewesen.
Dem Beschwerdeführer persönlich sei nichts zugestoßen. Bei der Verhaftung seines Vaters sei er aber von Polizisten geschlagen worden. Aufgrund dieser Schlägerei habe er Indien verlassen. Er sei von vier Personen geschlagen worden. Der Vorfall habe sich im XXXX ereignet. Auf Nachfrage, wie er geschlagen worden sei, lachte der Beschwerdeführer und gab an, im Nacken und mit Holzstangen auf den Füßen geschlagen worden zu sein. Er sei auch gestoßen und bedroht worden, indem man ihm eine Pistole an den Kopf gehalten und gesagte habe: "So könnten wir dich töten. Verschwinde von hier sonst vollziehen wir das heute". Dann sei er weggerannt. Auf das Lachen angesprochen, gab der Beschwerdeführer an, dass er dies getan hätte, weil er so oft gefragt worden sei.
Er habe seiner Mutter von dem Vorfall berichtet, welche Angst um ihn gehabt und einen Schlepper kontaktiert habe. In Delhi habe er sich in einer Schlepperunterkunft in der Nähe des Flughafens aufgehalten. Dort habe er befürchtet, dass die dortigen Hindus Kontakt mit jenen im seinem Dorf aufnehmen würden. Auf die Frage, weshalb er nicht an einem anderen Ort in Indien leben könne, gab der Beschwerdeführer an, dass dies die Entscheidung seiner Mutter gewesen sei, welche Angst gehabt hätte, dass er gefunden würde. Obwohl 21 Millionen Sikh in Indien leben würden, sei er gefährdet, weil seine Familie Kontakt zu besagtem, bereits erwähnten Mann gehabt habe.
Schließlich gab der Beschwerdeführer noch an, keine familiären Beziehungen in Österreich zu haben und in keinem Verein zu sein. In seiner Freizeit gehe er gerne in den Sikh Tempel und besichtige die Stadt, indem er auf dem Weg zum Tempel schaue, wohin er fahre. Er habe auch nicht gewusst, dass er an seiner aktuellen Adresse nicht gemeldet sei. Er habe in Österreich keine Kurse oder sonstige Ausbildungen absolviert.
Abschließend wurde der Beschwerdeführer auch zum Prozedere einer möglichen Namensänderung aufgeklärt.
Der Beschwerdeführer brachte keine Beweismittel in Vorlage.
Während seiner Einvernahme wurde dem Beschwerdeführer das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Indien zwecks Einbringung einer diesbezüglichen Stellungnahme zur Kenntnis gebracht. Dem Beschwerdeführer wurde die Möglichkeit gegeben, durch seinen ausgewiesenen Vertreter bis 03.09.2019 eine Stellungnahme abzugeben. Davon machte er keinen Gebrauch.
5. Mit Bescheid der belangten Behörde vom XXXX , Zl. XXXX , wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 49 FPG nach Indien zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).
Zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl u.a. nachstehend fest:
"1. Politische Lage
Indien ist mit über 1,3 Milliarden Menschen und einer multireligiösen und multiethnischen Gesellschaft die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt (CIA Factbook 23.1.2019; vgl. AA 18.9.2018). Die Zentralregierung hat im indischen Föderalsystem deutlich größere Kompetenzen als die Regierungen der Bundesstaaten. Indien verfügt über 29 Bundesstaaten und sechs Unionsterritorien (AA 11.2018a). Im Einklang mit der Verfassung haben die Bundesstaaten und Unionsterritorien ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 20.4.2018). Die Hauptstadt New Delhi hat einen besonderen Rechtsstatus (AA 11.2018a).
Die Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung entspricht britischem Muster (AA 18.9.2018), der Grundsatz der Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative ist durchgesetzt (AA 11.2018a). Die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit, die über einen dreistufigen Instanzenzug verfügt, ist verfassungsmäßig garantiert (AA 18.9.2018). Das oberste Gericht (Supreme Court) in New Delhi steht an der Spitze der Judikative und wird gefolgt von den High Courts auf Länderebene (GIZ 3.2018a). Die Pressefreiheit ist von der Verfassung verbürgt, jedoch immer wieder Anfechtungen ausgesetzt (AA 9.2018a). Indien hat zudem eine lebendige Zivilgesellschaft (AA 11.2018a).
Indien ist eine parlamentarische Demokratie und verfügt über ein Mehrparteiensystem und ein Zweikammerparlament (USDOS 20.4.2018). Darüber hinaus gibt es Parlamente auf Bundesstaatsebene (AA 18.9.2018).
Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von einem Wahlausschuss gewählt, während der Premierminister Leiter der Regierung ist (USDOS 20.4.2018). Das Präsidentenamt bringt vor allem repräsentative Aufgaben mit sich, im Krisenfall verfügt der Präsident aber über weitreichende Befugnisse. Seit Juli 2017 ist Präsident Ram Nath Kovind indisches Staatsoberhaupt (AA 11.2018a). Das wichtigste Amt innerhalb der Exekutive bekleidet aber der Premierminister (GIZ 3.2018a).
Wahlen zum Unterhaus finden nach einfachem Mehrheitswahlrecht ("first-past-the-post") alle fünf Jahre statt, zuletzt im April/Mai 2014 mit knapp 830 Millionen Wahlberechtigten (AA 18.9.2018). Dabei standen sich drei große Parteienbündnisse gegenüber: Die United Progressive Alliance (UPA) unter Führung der Kongresspartei, die National Democratic Alliance (NDA) unter Führung der Bharatiya Janata Party (BJP - Indische Volkspartei) und die so genannte Dritte Front, die aus elf Regional- und Linksparteien besteht sowie die aus einem Teil der India-Against-Corruption-Bewegung hervorgegangene Aam Aadmi Party (AAP) (GIZ 3.2018a; vgl. FAZ 16.5.2014). Abgesehen von kleineren Störungen, verliefen die Wahlen korrekt und frei (AA 18.9.2018). Als deutlicher Sieger mit 336 von 543 Sitzen löste das Parteienbündnis "National Democratic Alliance" (NDA) mit der "Bharatiya Janata Party" (BJP) als stärkste Partei (282 Sitze) die Kongress-Partei an der Regierung ab (AA 18.9.2018). Die BJP holte sie nicht nur die absolute Mehrheit, sie ließ auch den bislang regierenden Indian National Congress (INC) weit hinter sich. Der INC kam nur noch auf 46 Sitze und erlitt die schlimmste Niederlage seit der Staatsgründung 1947. Wie es mit dem INC mit oder ohne die Familie Gandhi weitergeht, wird abzuwarten sein. Die Gewinne der Wahlen im Punjab, Goa und Manipur sowie das relativ gute Abschneiden in Gujarat sind jedenfalls Hoffnungsschimmer, dass die Zeit der Kongresspartei noch nicht vorbei ist (GIZ 13.2018a). Die Anti-Korruptionspartei (AAP), die 2013 bei der Wahl in Delhi 28 von 70 Sitzen erringen konnte, errang 2014 landesweit nur vier Sitze (GIZ 3.2018; vgl. FAZ 16.5.2014). Der BJP-Spitzenkandidat, der bisherige Ministerpräsident von Gujarat, Narendra Modi, wurde zum Premierminister gewählt und steht seither einem 26-köpfigen Kabinett (mit zusätzlichen 37 Staatsministern) vor (AA 18.9.2018).
In Indien wird im Zeitraum zwischen April und Mai 2019 wieder gewählt. Der genaue Zeitplan ist jedoch noch unklar. In den Umfragen liegt der hindu-nationalistische Premier Narendra Modi mit seiner BJP vorne (DS 1.1.2019).
Die seit 2014 im Amt befindliche neue Regierung will nicht nur den marktwirtschaftlichen Kurs fortsetzen, sondern ihn noch intensivieren, indem bürokratische Hemmnisse beseitigt und der Protektionismus verringert werden soll. Ausländische Investoren sollen verstärkt aktiv werden (GIZ 3.2018b).
Unter Premierminister Modi betreibt Indien eine aktive Außenpolitik. Der außenpolitische Kernansatz der "strategischen Autonomie" wird zunehmend durch eine Politik "multipler Partnerschaften" ergänzt. Wichtigstes Ziel der indischen Außenpolitik ist die Schaffung eines friedlichen und stabilen globalen Umfelds für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und als aufstrebende Gestaltungsmacht die zunehmende verantwortliche Mitgestaltung regelbasierter internationaler Ordnung (AA 11.2018b). Ein ständiger Sitz im UN-Sicherheitsrat ist dabei weiterhin ein strategisches Ziel (GIZ 3.2018a). Gleichzeitig strebt Indien eine stärkere regionale Verflechtung mit seinen Nachbarn an, wobei nicht zuletzt Alternativkonzepte zur einseitig sino-zentrisch konzipierten "Neuen Seidenstraße" eine wichtige Rolle spielen. In der Region Südasien setzt Indien zudem zunehmend auf die Regionalorganisation BIMSTEC (Bay of Bengal Initiative for Multi-Sectoral Technical and Economic Cooperation). Indien ist Dialogpartner der südostasiatischen Staatengemeinschaft und Mitglied im "Regional Forum" (ARF). Überdies nimmt Indien am East Asia Summit und seit 2007 auch am Asia-Europe Meeting (ASEM) teil. Die Shanghai Cooperation Organisation (SCO) hat Indien und Pakistan 2017 als Vollmitglieder aufgenommen. Der Gestaltungswille der BRICS-Staatengruppe (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) schien zuletzt abzunehmen (AA 11.2018b).
In den Beziehungen zum gleichfalls nuklear gerüsteten Nachbarn Pakistan haben sich in den Jahrzehnten seit der Unabhängigkeit wiederholt Phasen des Dialogs und der Spannungen bis hin zu kriegerischen Auseinandersetzung abgelöst. Größtes Hindernis für eine Verbesserung der Beziehungen ist weiterhin das Kaschmir-Problem (AA 11.2018b).
Indien ist durch das Nuklearabkommen mit den USA ein Durchbruch gelungen. Obwohl es sich bis heute weigert, dem Atomwaffensperrvertrag beizutreten, bedeutet das Abkommen Zugang zu Nukleartechnologie. Ebenfalls positiv hat sich das Verhältnis Indiens zu China entwickelt. Zwar sind die strittigen Grenzfragen noch nicht geklärt, aber es wurden vertrauensbildende Maßnahmen vereinbart, um zumindest in dieser Frage keinen Konflikt mehr herauf zu beschwören. Auch ist man an einer weiteren Steigerung des bilateralen Handels interessiert, der sich binnen eines Jahrzehnts mehr als verzehnfacht hat (GIZ 3.2018a).
Die Beziehungen zu Bangladesch sind von besonderer Natur, teilen die beiden Staaten doch eine über 4.000 km lange Grenze. Indien kontrolliert die Oberläufe der wichtigsten Flüsse Bangladeschs und war historisch maßgeblich an der Entstehung Bangladeschs während seines Unabhängigkeitskrieges beteiligt. Schwierige Fragen wie Transit, Grenzverlauf, ungeregelter Grenzübertritt und Migration, Wasserverteilung und Schmuggel werden in regelmäßigen Regierungsgesprächen erörtert. Die Beziehungen des Landes zur EU sind vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht von besonderer Bedeutung. Die EU ist der größte Handels- und Investitionspartner Indiens. Der Warenhandel in beide Richtungen hat sich faktisch stetig ausgeweitet (GIZ 3.2018a).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien
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AA - Auswärtiges Amt (11.2018a): Indien, Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/indien-node/-/206048, Zugriff 23.1.2019
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AA - Auswärtiges Amt (11.2018b): Indien, Außenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/indien-node/-/206046, Zugriff 23.1.2019
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CIA - Central Intelligence Agency (15.1.2019): The World Factbook
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India,
https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/in.html, Zugriff 23.1.2019
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DS - Der Standard (1.1.2019): Was 2019 außenpolitisch bringt. Die US-Demokraten übernehmen die Mehrheit im Repräsentantenhaus, Großbritannien plant den Brexit - und in Indien, der größten Demokratie der Welt, sind Wahlen, https://www.derstandard.de/story/2000094950433/was-2019-aussenpolitisch-bringt, Zugriff 28.1.2019
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FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (16.5.2014): Modi ist Mann der Stunde,
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/fruehaufsteher/wahlentscheid-in-indien-modi-ist-der-mann-der-stunde-12941572.html, Zugriff 11.10.2018
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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (3.2018a): Indien, https://www.liportal.de/indien/geschichte-staat/, Zugriff 23.1.2019
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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmBH (3.2018b): Indien, Wirtschaftssystem und Wirtschaftspolitik, https://www.liportal.de/indien/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 23.1.2019
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USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430388.html, Zugriff 18.10.2018
2. Sicherheitslage
Indien ist reich an Spannungen entlang von Ethnien, Religionen, Kasten und auch Lebensperspektiven, die sich oft in kommunal begrenzten Ausschreitungen entladen (GIZ 3.2018a). Terroristische Anschläge in den vergangenen Jahren (Dezember 2010 in Varanasi, Juli 2011 in Mumbai, September 2011 in New Delhi und Agra, April 2013 in Bangalore, Mai 2014 in Chennai und Dezember 2014 in Bangalore) und insbesondere die Anschläge in Mumbai im November 2008 haben die Regierung unter Druck gesetzt. Von den Anschlägen der letzten Jahre wurden nur wenige restlos aufgeklärt und die als Reaktion auf diese Vorfälle angekündigten Reformvorhaben zur Verbesserung der indischen Sicherheitsarchitektur wurden nicht konsequent umgesetzt (AA 24.4.2015). Aber auch im Rest des Landes gab es Terroranschläge mit islamistischem Hintergrund. Im März 2017 platzierte eine Zelle des "Islamischen Staates" (IS) in der Hauptstadt des Bundesstaates Madhya Pradesh eine Bombe in einem Passagierzug. Die Terrorzelle soll laut Polizeiangaben auch einen Anschlag auf eine Kundgebung von Premierminister Modi geplant haben (BPB 12.12.2017).
Die Spannungen im Nordosten des Landes gehen genauso weiter wie die Auseinandersetzung mit den Naxaliten (GIZ 3.2018a). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt (AA 18.9.2018).
Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2016 insgesamt 898 Todesopfer durch terrorismus-relevante Gewalt. Im Jahr 2017 wurden 803 Personen durch terroristische Gewalt getötet und im Jahr 2018 wurden 935 Menschen durch Terrorakte getötet. Bis zum 13.1.2019 wurden 12 Todesopfer durch terroristische Gewaltanwendungen registriert [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 13.1.2019).
Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir, die nordöstlichen Regionen und der maoistische Gürtel. In Jharkhand und Bihar setzten sich die Angriffe von maoistischen Rebellen auf Sicherheitskräfte und Infrastruktur fort. In Punjab kam es bis zuletzt durch gewaltbereite Regierungsgegner immer wieder zu Ermordungen und Bombenanschlägen. Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten (maoistische Untergrundkämpfer) zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People's Liberation Front etc.) einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie. Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, sondern vielmehr als "communal violence" bezeichnet (ÖB 12.2018).
Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 18.9.2018).
Pakistan und Indien
Pakistan erkennt weder den Beitritt Jammu und Kaschmirs zur indischen Union im Jahre 1947 noch die seit dem ersten Krieg im gleichen Jahr bestehende de-facto-Aufteilung der Region auf beide Staaten an. Indien hingegen vertritt den Standpunkt, dass die Zugehörigkeit Jammu und Kaschmirs in seiner Gesamtheit zu Indien nicht zur Disposition steht (AA 11.2018b). Seit 1947 gab es bereits drei Kriege aufgrund des umstrittenen Kaschmir-Gebiets (BBC 23.1.2018).
Nach dem friedlichen Unabhängigkeitskampf gegen die britische Kolonialherrschaft zeigte bereits die blutige Teilung Britisch-Indiens, die mit einer Massenflucht, schweren Gewaltausbrüchen und Pogromen einherging, wie schwierig es sein wird, die ethnisch, religiös, sprachlich und sozioökonomisch extrem heterogene Gesellschaft in einem Nationalstaat zusammenzuhalten. Die inter-religiöse Gewalt setzte sich auch nach der Teilung zwischen Indien und Pakistan fort (BPB 12.12.2017).
Indien wirft Pakistan vor, Infiltrationen von Terroristen auf indisches Staatsgebiet zumindest zu dulden, wenn nicht zu befördern. Größere Terroranschläge in Indien in den Jahren 2001 und 2008 und ein terroristischer Angriff auf eine Militärbasis im indischen Teil Kaschmirs im September 2016 hatten die Spannungen in den bilateralen Beziehungen erheblich verschärft. Gemäß Regierungserklärung reagierte Indien auf den Anschlag, bei dem 18 indische Soldaten ums Leben kamen, mit einer begrenzten Militäroperation ("surgical strike") im pakistanisch kontrollierten Teil Kaschmirs, die sich nach indischen Angaben gegen eine bevorstehende terroristische Infiltration richtete. Immer wieder kommt es zu Schusswechseln zwischen Truppenteilen Indiens und Pakistans an der Waffenstillstandslinie in Kaschmir. Indien sieht Pakistan in der Verantwortung für die terroristischen Bedrohungen an seiner Nordwestgrenze und erhöht den Druck auf den Nachbarn, um wirksame pakistanische Maßnahmen gegen den Terrorismus zu erreichen (AA 11.2018b).
Der von 2014-2015 Hoffnung gebende Dialogprozess zwischen beiden Seiten ist 2016 zum Stillstand gekommen. Aktuell sind die Beziehungen auf sehr niedrigem Niveau stabil (AA 11.2018b).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien
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AA - Auswärtiges Amt (24.4.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien
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AA - Auswärtiges Amt (11.2018b): Indien, Außenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/indien-node/-/206046, Zugriff 23.1.2019
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BBC - British Broadcasting Corporation (23.1.2018): India country profile - Overview,
http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 29.1.2019
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BPB - Bundeszentrale für Politische Bildung (12.12.2017):
Innerstaatliche Konflikte - Indien, http://www.bpb.de/internationales/weltweit/innerstaatliche-konflikte/215390/indien, Zugriff 23.10.2018
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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (3.2018a): Indien, https://www.liportal.de/indien/geschichte-staat/, Zugriff 11.10.2018
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ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2018):
Asylländerbericht Indien - Arbeitsversion
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SATP - South Asia Terrorism Portal (13.1.2019): Data Sheet - India Fatalities: 1994-2019,
http://www.satp.org/satporgtp/countries/india/database/indiafatalities.htm, Zugriff 23.1.2019
2.1. Regionale Problemzone Jammu und Kaschmir
Jammu und Kaschmir sind weiterhin stark militarisiert und am stärksten von Terrorismus betroffen (BPB 20.11.2017; vgl. USDOS 9.2018). Separatistische und dschihadistische Kämpfer führen weiterhin eine anhaltende Erhebung gegen die Regierung aus (FH 27.1.2018). Militante Gruppen in Jammu und Kaschmir kämpfen weiterhin gegen Sicherheitskräfte, kaschmirische Einrichtungen und lokale Politiker, die sie für "Statthalter" und "Kollaborateure" der indischen Zentralregierung halten. Überläufer zur Regierungsseite und deren Familien werden besonders grausam "bestraft". Die Zahl der als terroristisch eingestuften Vorfälle in Jammu und Kaschmir hat nach einem rückläufigen Trend im Jahr 2015 in den Jahren 2016 und 2017 zugenommen (AA 18.9.2018).
In Indien bleibt das zentrale Ziel islamistischer Fundamentalisten die Abspaltung Kaschmirs. Im Einklang mit der Dschihad-Ideologie sehen sich viele islamistische Gruppierungen zudem im Krieg gegen alle Ungläubigen und streben die gewaltsame Islamisierung des gesamten Subkontinents an. Befördert wird der Konflikt durch die anhaltende wirtschaftliche Benachteiligung und Diskriminierung vieler Muslime (BPB 12.12.2017).
Im Juni 2018 prangerte das UN-Menschenrechtsbüro die Situation in Kaschmir an. Durch übermäßige Gewaltanwendung der indischen Sicherheitskräfte wurden im Zeitraum zwischen Juli 2016 und April 2018 zahlreiche Zivilisten getötet. Von der indischen Regierung wurde der Bericht zurückgewiesen (ONHCR 14.6.2018; vgl. HRW 17.1.2019).
Es gab wiederholt Vorwürfe wegen Menschenrechtsverletzungen durch Regierungskräfte in Jammu und Kaschmir während der durchgeführten Sicherheitsoperationen. Im Jahr 2018 kam es zu einer Zunahme der Gewalt gegen militante Personen, welche von vielen auf politisches Versagen bei der Sicherstellung der Rechenschaftspflicht für Missbräuche zurückgeführt wurde (HRW, 17.1.2019). In den ersten zehn Monaten des Jahres 2017 wurden 42 militante Angriffe im Staat Jammu und Kaschmir gemeldet, bei denen 184 Menschen getötet wurden, darunter 44 Sicherheitskräfte. Mehrere Personen wurden getötet oder verletzt, als die Regierung versuchte, gewalttätige Proteste einzudämmen (HRW 18.1.2018).
Nichtstaatliche Kräfte, darunter organisierte Aufständische und Terroristen, verübten zahlreiche Morde und Bombenanschläge in den Konfliktregionen wie etwa Jammu und Kaschmir (USDOS 20.4.2018). An der umstrittenen Grenze zwischen Indien und Pakistan kommt es immer wieder zu kleineren Feuergefechten mit Todesopfern unter der Zivilbevölkerung und dem Militär. Insbesondere nach dem Angriff von Uri verschärfte sich in Indien die anti-pakistanische Rhetorik (BPB 20.11.2017). Seither wird die Provinz Kaschmir von einer Spirale der Gewalt beherrscht. Die derzeitige Menschenrechtslage in Kaschmir ist alarmierend und wird zunehmend kritisch gesehen. Bewaffnete Gruppen stehen im Verdacht, Menschen in Jammu und Kaschmir getötet zu haben (GIZ 3.2018a; vgl. AI 22.2.218).
Von Pakistan aus haben aufständische Gruppierungen in Jammu und Kaschmir Entführungen, Erpressungen und andere Formen der Einschüchterung durchgeführt. Nach mehreren Jahren relativer Stabilität verschlechterte sich die Situation im Staat 2016 nach der Ermordung eines populären, militanten separatistischen Führers deutlich. Die Situation verschlimmerte sich 2017, als mehr als 300 Zivilisten, Sicherheitskräfte und Militante durch militärische Gewalt getötet wurden. Indischen Sicherheitskräften werden häufig Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen, von denen nur wenige bestraft werden. Bürgerliche Freiheiten werden, insbesondere in Zeiten der Unruhe eingeschränkt (FH 4.1.2018). Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2016 insgesamt 267 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt. Im Jahr 2017 wurden 354 Personen durch Terrorakte getötet und im Jahr 2018 sind 457 Todesopfer durch terroristische Gewalt registriert worden. Per 13.1.2019 sind insgesamt 17 Todesfälle durch terroristische Gewaltanwendungen aufgezeichnet [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 13.1.2019).
Im indischen Teil Kaschmirs bleibt weiterhin der Armed Forces (Special Powers) Act (AFSPA) in Kraft (USDOS 20.4.2018; vgl. BPB 20.11.2017). Unter diesem Sonderermächtigungsgesetz kam es wiederholt zu außergerichtlichen Tötungen, Vergewaltigungen und Folter durch Angehörige der Sicherheitskräfte. Bei der Unterdrückung von Protesten starben über 90 Menschen und Tausende wurden verletzt (BPB 20.11.2017). Die 1997 eingesetzte staatliche Menschenrechtskommission von Jammu und Kaschmir hat kaum Wirkungen entfaltet. Insbesondere hat sie keine Möglichkeit, Übergriffe von Armee und paramilitärischen Kräften zu untersuchen (ÖB 12.2018). Nach einer langsamen Normalisierung der Beziehungen haben sich seit 2014 die Positionen auf beiden Seiten wieder verhärtet (BPB 20.11.2017)
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien
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AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1394309.html, Zugriff 6.11.2018
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BPB - Bundeszentrale für Politische Bildung (20.11.2017):
Innstaatliche Konflikte - Kaschmir, http://www.bpb.de/internationales/weltweit/innerstaatliche-konflikte/54616/kaschmir, Zugriff 23.10.2018
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FH - Freedom House (4.1.2018): Freedom in the World 2018 - Indian Kashmir,
https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2018/indian-kashmir, Zugriff 22.10.2018
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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (3.2018a): Indien, https://www.liportal.de/indien/geschichte-staat/, Zugriff 11.10.2018
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HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - India, ttps://www.ecoi.net/de/dokument/2002249.html, Zugriff 23.1.2019
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HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422455.html, Zugriff 23.10.2018
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ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2018):
Asylländerbericht Indien - Arbeitsversion
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ONHCR - Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights (14.6.2018): Report on the Situation of Human Rights in Kashmir: Developments in the Indian State of Jammu and Kashmir from June 2016 to April 2018, and General Human Rights Concerns in Azad Jammu and Kashmir and Gilgit-Baltistan, https://www.ohchr.org/Documents/Countries/IN/DevelopmentsInKashmirJune2016ToApril2018.pdf, Zugriff 23.1.2019
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SATP - South Asia Terrorism Portal (13.1.2019): Datasheet - Jammu & Kashmir, Data View,
http://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/fatalities/india-jammukashmir, Zugriff 23.1.2019
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USDOS - US Department of State (9.2018): Country Report on Terrorism 2017 - Chapter 1 - India, https://www.state.gov/documents/organization/283100.pdf, Zugriff 23.10.2018
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USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430388.html, Zugriff 18.10.2018
2.2. Punjab
Laut Angaben des indischen Innenministeriums zu den Zahlen der Volkszählung im Jahr 2011 leben von den 21 Mio. Sikhs 16 Mio. im Punjab (MoHA o.D.).
Der Terrorismus im Punjab ist Ende der 1990er Jahre nahezu zum Erliegen gekommen. Die meisten hochkarätigen Mitglieder der verschiedenen militanten Gruppen haben den Punjab verlassen und operieren von anderen Unionsstaaten oder Pakistan aus. Finanzielle Unterstützung erhalten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland (ÖB 12.2018).
Der illegale Waffen- und Drogenhandel von Pakistan in den indischen Punjab hat sich in letzter Zeit verdreifacht. Im Mai 2007 wurden dem indischen Geheimdienst Pläne des pakistanischen Geheimdienstes, Inter-Services-Intelligence (ISI) bekannt, welcher gemeinsam mit der in Indien verbotenen Sikh-Gruppierung Babbar Khalasa International (BKI) und anderen militanten Sikh- Gruppierungen Anschläge auf Städte im Punjab (Jalandhar, Ludhiana, Pathankot) beabsichtigten. Die Sicherheitsbehörden im Punjab konnten bislang die aufkeimende Wiederbelebung der militanten Sikh-Bewegung erfolgreich neutralisieren (ÖB 12.2018). In Jammu und Kaschmir, im Punjab und in Manipur haben die Behörden besondere Befugnisse ohne Haftbefehl Personen zu suchen und zu inhaftieren (USDOS 20.4.2018; vgl. BBC 20.10.2015). Menschenrechtsberichten zufolge kommt es im Punjab regelmäßig zu Fällen von Menschenrechtsverletzungen insbesondere der Sicherheitsbehörden (extralegale Tötungen, willkürliche Festnahmen, Folter in Polizeigewahrsam, Todesfolge von Folter etc.) (ÖB 12.2018).
Die Staatliche Menschenrechtskommission im Punjab hat in einer Reihe von schweren Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte interveniert. In vielen Fällen wurde die Behörde zu Kompensationszahlungen verpflichtet. Die Menschenrechtskommission erhält täglich 200-300 Beschwerden über Menschenrechtsverletzung und ist in ihrer Kapazität überfordert. Oft sind Unterkastige oder Kastenlose Opfer der polizeilichen Willkür (ÖB 12.2018).
Neben den angeführten Formen der Gewalt, stellen Ehrenmorde vor allem in den nördlichen Bundesstaaten Haryana und Punjab weiterhin ein Problem dar (USDOS 20.4.2018).
Die Zugehörigkeit zur Sikh-Religion ist kein Kriterium für polizeiliche Willkürakte. Die Sikhs, 60 Prozent der Bevölkerung des Punjabs, stellen dort einen erheblichen Teil der Beamten, Richter, Soldaten und Sicherheitskräfte. Auch hochrangige Positionen stehen ihnen offen (ÖB 10.2017).
In Indien ist die Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit rechtlich garantiert und praktisch von den Behörden auch respektiert; in manchen Grenzgebieten sind allerdings Sonderaufenthaltsgenehmigungen notwendig. Sikhs aus dem Punjab haben die Möglichkeit sich in anderen Landesteilen niederzulassen, Sikh-Gemeinden gibt es im ganzen Land verstreut. Sikhs können ihre Religion in allen Landesteilen ohne Einschränkung ausüben. Aktive Mitglieder von verbotenen militanten Sikh-Gruppierungen, wie Babbar Khalsa International, müssen mit polizeilicher Verfolgung rechnen (ÖB 10.2017).
Quellen:
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AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1394309.html, Zugriff 6.11.2018
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BBC - British Broadcasting Corporation (20.10.2015): Why are Indian Sikhs angry?,
http://www.bbc.com/news/world-asia-india-34578463, Zugriff 18.10.2018
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MoHA - Government of India, Ministry of Home Affairs, Office of the Registrar General & Census Commissioner, India (o.D.): C-1 Population By Religious Community, http://www.censusindia.gov.in/2011census/C-01.html, Zugriff 18.10.2018
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ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2018):
Asylländerbericht Indien - Arbeitsversion
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USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430388.html, Zugriff 18.10.2018
USDOS - US Department of State (29.5.2018): 2015 Report on International Religious Freedom - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1436757.html, Zugriff 23.10.2018
3. Rechtsschutz/Justizwesen
In Indien sind viele Grundrechte und -freiheiten verfassungsmäßig verbrieft und die verfassungsmäßig garantierte unabhängige indische Justiz bleibt vielmals wichtiger Rechtegarant. Die häufig überlange Verfahrensdauer aufgrund überlasteter und unterbesetzter Gerichte sowie verbreitete Korruption, vor allem im Strafverfahren, schränken die Rechtssicherheit aber deutlich ein (AA 18.9.2018). Eine systematisch diskriminierende Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis lässt sich nicht feststellen, allerdings sind vor allem die unteren Instanzen nicht frei von Korruption. Vorurteile z.B. gegenüber Angehörigen niederer Kasten oder Indigenen dürften zudem eine nicht unerhebliche Rolle spielen (AA 18.9.2018).
Das Gerichtswesen ist von der Exekutive getrennt (FH 27.1.2018). Das Justizsystem gliedert sich in den Supreme Court, das Oberstes Gericht mit Sitz in Delhi; das als Verfassungsgericht d