TE Vwgh Beschluss 2017/2/9 Ra 2016/11/0180

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Veröffentlicht am 09.02.2017
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
29/09 Auslieferung Rechtshilfe in Strafsachen
40/01 Verwaltungsverfahren
60/01 Arbeitsvertragsrecht

Norm

AVRAG 1993 §7m
B-VG Art133 Abs4
EU-VStVG 2008
RHStRÜbk Eur 2005
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und den Hofrat Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des Finanzamtes St. Veit Wolfsberg in 9400 Wolfsberg, Lindhofstr. 3, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom 21. Oktober 2016, Zl. KLVwG-1097/8/2016, betreffend Sicherheitsleistung gemäß § 7m AVRAG (mitbeteiligte Partei: E GmbH in S; belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Bezirkshauptmannschaft St. Veit/Glan), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Schreiben vom 4. April 2016 stellte das Finanzamt St. Veit Wolfsberg (im Folgenden: revisionswerbende Partei) bei der belangten Behörde den Antrag, der Mitbeteiligten gemäß § 7m Abs. 3 AVRAG die Erlegung einer Sicherheit in Höhe von EUR 24.000,-

- vorzuschreiben. Dazu führte die revisionswerbende Partei aus, die Mitbeteiligte habe im Rahmen eines Werkvertrages das in Slowenien ansässige Unternehmen E mit der Durchführung von Bauarbeiten in St. Veit beauftragt. Im Zuge einer Kontrolle der Baustelle habe sich der Verdacht einer Übertretung des § 7i Abs. 4 Z 1 iVm § 7d Abs. 1 AVRAG durch das slowenische Unternehmen (Nichtbereithaltung von Lohnunterlagen der von ihm auf die Baustelle entsandten bosnischen Arbeitnehmer) ergeben. Aufgrund des hohen Strafrahmens einerseits und fehlender verwertbarer Sachwerte des slowenischen Unternehmens in Österreich andererseits sei der Mitbeteiligten zunächst von Organen der Finanzpolizei aufgetragen worden, Teile des ausstehenden Werklohnes in obgenannter Höhe nicht zu leisten (Zahlungsstopp gemäß § 7m Abs. 1 AVRAG). Fristgerecht (§ 7m Abs. 2 leg. cit.) werde daher nun beantragt, die Behörde wolle der Mitbeteiligten die Erlegung einer Sicherheit im genannten Ausmaß auftragen.

2 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 6. April 2016 wurde der Mitbeteiligten gemäß § 7m Abs. 3 AVRAG die Erlegung einer Sicherheit in Höhe von EUR 24.000,-- aufgetragen und (sowohl im Spruch als auch in der Begründung) ausgeführt, es sei aufgrund des Sitzes der E in Slowenien anzunehmen, dass die Strafverfolgung oder der Strafvollzug wesentlich erschwert oder unmöglich sein werde.

3 Dagegen erhob die mitbeteiligte Partei Beschwerde. 4 Dieser gab das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen

Erkenntnis Folge und hob den angefochtenen Bescheid gemäß § 50 VwGVG auf. Gleichzeitig wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

5 In der Begründung wurde festgestellt, dass die mitbeteiligte Partei die slowenische E mit den Bauarbeiten beauftragt habe und dass der Verdacht einer Übertretung des § 7i Abs. 4 Z 1 AVRAG bestehe, weil die Lohnunterlagen betreffend sechs Dienstnehmer des slowenischen Unternehmens am 1. April 2016 nicht am Arbeitsort bereitgehalten worden seien.

6 In der rechtlichen Beurteilung verneinte das Verwaltungsgericht die Erfüllung der Voraussetzungen des § 7m Abs. 3 AVRAG, um die Mitbeteiligte als Auftraggeberin zur Erlegung einer Sicherheit verpflichten zu können. Die Bestimmung verlange nämlich neben dem (hier unstrittigen) Verdacht einer entsprechenden Verwaltungsübertretung, dass "aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen" sei, die Strafverfolgung oder der Strafvollzug werde aus Gründen, die in der Person des Arbeitgebers (Auftragnehmers) liegen, unmöglich oder wesentlich erschwert sein.

7 Solche bestimmte Tatsachen fehlten im vorliegenden Fall: So führe allein der Sitz des Arbeitgebers bzw. Auftragnehmers (E) in Slowenien noch nicht zur genannten Annahme, weil entsprechende Rechtshilfevorschriften bestünden (Hinweis auf den Rahmenbeschluss 2005/214/JI des Rates vom 24. Februar 2005 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen sowie das zu dessen Umsetzung erlassene EU-Verwaltungsvollstreckungsgesetz (EU-VStVG), BGBl. I Nr. 3/2008, und auf das Übereinkommen über die Rechtshilfe zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, BGBl. III Nr. 65/2005).

8 Ebenso wenig lasse sich die erforderliche Annahme, die Strafverfolgung oder der Strafvollzug werde aus Gründen, die in der Person des Arbeitgebers (Auftragnehmers) liegen, unmöglich oder wesentlich erschwert sein, aus der Höhe der gesetzlich Strafdrohung oder aus dem Fehlen von verwertbaren Gegenständen im Inland ableiten.

9 Schließlich gäben auch die (konkret dargelegten) Einkommens- und Familienverhältnisse des Vertretungsbefugten (Beschuldigten) des slowenischen Unternehmens keinen Anlass für die Annahme einer wesentlichen Erschwerung des Strafvollzuges, wobei hinzukomme, dass für Geldstrafen gemäß § 9 Abs. 7 VStG auch die juristische Person (offenbar gemeint die slowenische E) hafte.

10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision des Finanzamtes St. Veit Wolfsberg, dessen Revisionslegitimation sich aus § 7m Abs. 2 letzter Satz AVRAG ergibt.

11 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Diesem Erfordernis wird insbesondere nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG), Genüge getan (vgl. die hg. Beschlüsse vom 25. März 2014, Zl. Ra 2014/04/0001 und vom 18. Februar 2015, Zl. Ra 2015/08/0008).

14 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

15 Entgegen dem Vorbringen der Revision begründet allein der Umstand, dass durch § 7m AVRAG das Interesse des Staates an der Strafverfolgung betroffen ist, noch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung.

16 Auch das weitere Vorbringen zur Zulässigkeit der Revision, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 7m AVRAG und zur Frage, wann aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen sei, dass die Strafverfolgung unmöglich oder wesentlich erschwert sein werde, ist mittlerweile nicht mehr zutreffend. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich (abgesehen vom hg. Erkenntnis vom 30. Juni 2016, Zl. Ra 2016/11/0024) jüngst im Erkentnnis vom 15. Dezember 2016, Zl. Ra 2016/11/0122, mit der Sicherheitsleistung gemäß § 7m Abs. 3 AVRAG und fallbezogen mit der Frage, wann im Fall des (Wohn-)Sitzes des Arbeitgebers bzw. Überlassers im Ausland eine wesentliche Erschwernis bzw. Unmöglichkeit der Strafverfolgung oder des Strafvollzuges vorliegen kann, auseinandergesetzt. Dazu wurde ausgeführt, dass eine wesentliche Erschwernis bzw. Unmöglichkeit der Strafverfolgung oder des Strafvollzuges nicht schon allein wegen der bloßen Existenz von Rechtshilfevorschriften verneint werden könne, wenn es Hinweise auf deren Nichteinhaltung durch den betreffenden Staat gebe, denen das Verwaltungsgericht nachzugehen habe.

17 In der vorliegenden Revision wird nicht behauptet, dass Slowenien gegen die genannten Rechtshilfevorschriften verstoße und das Verwaltungsgericht daher im Sinne des letztzitierten Erkenntnis darauf hätte Bedacht nehmen müssen.

18 Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof entgegen dem Zulässigkeitsvorbringen der Revision im Rahmen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht als Rechtsfrage zu beantworten, "welche bestimmten Tatsachen vorliegen müssen", um eine wesentliche Erschwerung oder Unmöglichkeit der Strafverfolgung oder des Strafvollzuges annehmen zu können. Vielmehr handelt es sich dabei um eine Beurteilung im Einzelfall, ob die jeweils konkret ins Treffen geführten Umstände zur genannten Erschwerung oder Unmöglichkeit führen.

19 Soweit im Zulassungsvorbringen schließlich die Ansicht vertreten wird, die Sicherheitsleistung gemäß § 7m Abs. 3 AVRAG erfordere bloß einen "minderen Grad an Wahrscheinlichkeit", so wird damit keine Rechtsfrage aufgeworfen (schon gar nicht eine solche, von der die Revision "abhängt" iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG, weil der Wahrscheinlichkeitsgrad nicht Thema des angefochtenen Erkenntnisses war).

20 Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 9. Februar 2017

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2017:RA2016110180.L00

Im RIS seit

23.04.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.04.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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