Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AVRAG 1993 §7d Abs1Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2017/11/0236Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und die Hofräte Dr. Schick und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision 1.) des P S in B, Deutschland (protokolliert zur hg. Zl. Ra 2017/11/0235), und 2.) der G Ges.m.b.H. in G (protokolliert zur hg. Zl. Ra 2017/11/0236), beide vertreten durch Ing.Dr. Wolfgang Gappmayer, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Margaretenstraße 22/12, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 6. Juni 2017, Zl. VGW 041/V/046/7294/2016, betreffend Übertretungen des AVRAG und Ausspruch der Haftung für den Strafbetrag (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revisionen werden zurückgewiesen.
Begründung
1 1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Erstrevisionswerber schuldig erkannt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Zweitrevisionswerberin mit Sitz in G zu verantworten, dass diese Gesellschaft als Beschäftigerin entgegen § 7d Abs. 2 AVRAG für die ihr von der deutschen Firma Innenausbau T. mit Sitz in L überlassenen - insgesamt 25 namentlich angeführten - Arbeitnehmer am 21. April 2015 im Zuge einer Kontrolle eines näher umschriebenen Bauvorhabens im 16. Wiener Gemeindebezirk durch Organe der Finanzpolizei keine Lohnunterlagen iSd. § 7d Abs. 1 AVRAG (Arbeitsvertrag oder Dienstzettel, Lohnzettel, Lohnzahlungsnachweise oder Banküberweisungsbelege, Lohnaufzeichnungen, Arbeitsaufzeichnungen und Unterlagen betreffend die Lohneinstufung zur Überprüfung des jeweils entsandten Arbeitnehmers für die Dauer der Beschäftigung nach den österreichischen Rechtsvorschriften) habe vorlegen können und somit die Lohnunterlagen nicht am Arbeitsort bereitgehalten habe. Der Erstrevisionswerber habe dadurch § 7d Abs. 1 und 2 iVm. § 7i Abs. 4 Z 3 AVRAG iZm. § 9 Abs. 1 VStG verletzt; über ihn wurde pro Arbeitnehmer eine Geldstrafe in Höhe von EUR 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 2 Tage) verhängt. Darüber hinaus wurde der Erstrevisionswerber zur Zahlung eines Beitrags zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von EUR 10.000,-- verpflichtet.
2 Unter einem wurde ausgesprochen, dass die Zweitrevisionswerberin für die verhängte Geldstrafe sowie die Verfahrenskosten gemäß § 9 Abs. 7 VStG zur ungeteilten Hand hafte.
3 Schließlich wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei.
4 2.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Diesem Erfordernis wird insbesondere nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG), Genüge getan (vgl. die hg. Beschlüsse vom 25. März 2014, Zl. Ra 2014/04/0001, und vom 18. Februar 2015, Zl. Ra 2015/08/0008).
7 2.2.1. Die Revisionen führen zu ihrer Grundsätzlichkeit aus, es gehe zunächst um die Rechtsfrage, inwiefern Aktenbestandteile, die mit "Entwurf" umschrieben und als solche erkennbar seien, im Rahmen der Akteneinsicht dazu führen könnten, dass die Akteneinsicht als Verfolgungshandlung bzw. fristgerechte Tatanlastung qualifiziert werden kann.
8 Diesem Zulässigkeitsvorbringen ist zu erwidern, dass es den Anforderungen des Verwaltungsgerichtshofes an Revisionen nicht genügt. Nach der mittlerweile ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist in den "gesonderten" Zulässigkeitsgründen einer Revision konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht (vgl. zB. die hg. Beschlüsse vom 4. November 2015, Zl. Ra 2015/11/0078, und vom 11. Oktober 2016, Zl. Ra 2016/11/0109), wobei auch die bloße Wiedergabe von "Rechtssätzen" des Verwaltungsgerichtshofes nicht ausreicht (vgl. zB. den hg. Beschluss vom 15. März 2017, Zl. Ra 2016/08/0092). Von welcher Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes inwieweit abgewichen worden sei, stellt die vorliegende Revision jedoch nicht konkret dar.
9 Soweit aber vorgebracht wird, es liege zu dieser Frage keine gesicherte Rechtsprechung vor, wird nicht dargelegt, dass die Behandlung der Revisionen von der Beantwortung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung iSd. Art. 133 Abs. 4 B-VG zukommt. Aus der Aufforderung zur Rechtfertigung der belangten Behörde, welche innerhalb der Verjährungsfrist des § 31 Abs. 2 VStG erging, konnte der Erstrevisionswerber hinreichend klar erkennen, welche Tat ihm angelastet wurde. Angesichts des Umstands, dass im gesamten Verfahren nicht vorgebracht wurde, dass die Zweitrevisionswerberin auf der in dieser Aufforderung angegebenen Baustelle an der genannten Adresse im
16. Wiener Gemeindebezirk noch zu einem anderen Zeitpunkt als dem Tatzeitpunkt von Kontrollorganen aufgesucht worden wäre, und der anlässlich der Akteneinsicht bei der belangten Behörde zur Kenntnis gebrachten Tatzeit gibt es keinen Zweifel daran, dass dem Erstrevisionswerber sämtliche Umstände der ihm angelasteten Tat bekannt geworden sind und er davor geschützt war, wegen desselben Delikts nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.
10 2.2.2. Soweit die Revision des Erstrevisionswerbers vorbringt, es gehe um die Frage, ob die Rechtfertigung eines Verdächtigen, der zwar grundsätzlich geständig sei, aufgrund von offenen Rechtsfragen aber aus bloß rechtlicher Sicht argumentiere, dass eine subjektive Vorwerfbarkeit wohl auch wegfallen könnte, dahingehend zu verstehen sei, dass ein reumütiges Geständnis nicht vorliege, unterlässt sie es ebenfalls konkret darzulegen, inwieweit es sich dabei - bezogen auf den Revisionsfall - um eine zu beantwortende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd. Art. 133 Abs. 4 B-VG handeln sollte. Insbesondere wird nicht dargelegt, inwieweit das Verwaltungsgericht, das in seiner Begründung auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen hat, derzufolge ein reumütiges Geständnis voraussetze, dass der Beschuldigte sowohl in Ansehung der objektiven, als auch der subjektiven Tatseite uneingeschränkt geständig ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 16. Oktober 2002, Zl. 2000/03/0346, vom 23. Mai 2012, Zl. 2010/11/0156, und vom 30. Jänner 2015, Zl. 2011/17/0081, jeweils mwN.), von dieser Judikatur abgewichen wäre.
11 2.2.3. Auch mit dem Zulässigkeitsvorbringen der Revision der Zweitrevisionswerberin, es gehe um die Rechtsfrage, wie damit umzugehen sei, dass das Straferkenntnis der belangten Behörde die Haftung einer Gesellschaft ausspreche, das Verwaltungsgericht aber überraschend und nicht nachvollziehbar diese Gesellschaft durch eine andere juristische Person austausche, wird nicht in der von der hg. Judikatur geforderten Weise konkret dargelegt, dass die Behandlung der Revision von der Beantwortung einer Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG abhinge.
12 Der Erstrevisionswerber ist unstrittig Geschäftsführer einer österreichischen Ges.m.b.H. in G (der Zweitrevisionswerberin) sowie einer deutschen GmbH in B. Die Namen der beiden Gesellschaften sind identisch mit Ausnahme der Schreibweise des ersten Buchstabens, bei der österreichischen Gesellschaft in Klein- ("p...") und bei der deutschen in Großbuchstaben ("P..."). Im Straferkenntnis der belangten Behörde wurde der Erstrevisionswerber im Schuldspruch korrekt in seiner Funktion als Geschäftsführer der österreichischen Gesellschaft mit Sitz in G angegeben. Vor diesem Hintergrund wird nicht konkret aufgezeigt, inwieweit das Verwaltungsgericht, das die Angabe der deutschen Gesellschaft im Haftungsausspruch des Straferkenntnisses der belangten Behörde als bloßes Versehen gewertet, (nach der Aktenlage) konsequenter Weise die Beschwerde der deutschen Gesellschaft mit Beschluss vom 31. März 2017 mangels Parteistellung zurückgewiesen und im angefochtenen Erkenntnis die zweifelsfrei versehentliche Angabe der deutschen Gesellschaft im Haftungsausspruch durch die von der belangten Behörde offenkundig gemeinten österreichischen Gesellschaft (der Zweitrevisionswerberin) mit Sitz in G, als deren Organ der Erstrevisionswerber gehandelt hat, ersetzt hat, von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre.
13 2.3. In der Revision werden demnach keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Der erkennende Senat hat aus diesen Erwägungen beschlossen, die Revision zurückzuweisen.
Wien, am 18. September 2017
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017110235.L00Im RIS seit
23.04.2020Zuletzt aktualisiert am
23.04.2020