TE Vwgh Beschluss 1998/4/24 95/21/0936

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Veröffentlicht am 24.04.1998
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
90/01 Straßenverkehrsordnung;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §58 Abs2;
FrG 1993 §18 Abs1 Z1;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z2;
FrG 1993 §82 Abs1 Z4;
FrG 1997 §114 Abs4;
FrG 1997 §114 Abs7;
FrG 1997 §115;
FrG 1997 §36 Abs2 Z2;
FrG 1997 §36 Abs2 Z9;
KFG 1967 §64 Abs1;
StVO 1960 §99 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Robl,

Dr. Rosenmayr, Dr. Baur und Dr. Pelant als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, in der Beschwerdesache des AK (geboren am 1. Jänner 1972) in V, vertreten durch Dr. Henriette Achammer-Stadler, Rechtsanwältin in 6020 Innsbruck, Sterzinger Straße 8a, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 3. Juli 1995, Zl. III 141-2/95, betreffend Aufenthaltsverbot, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird als gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt.

Ein Kostenersatz findet nicht statt.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 3. Juli 1995 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen angeblich bosnischen Staatsbürger, gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 Z. 2 in Verbindung mit den §§ 19, 20, 21 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein mit sieben Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Diese Entscheidung wurde im wesentlichen damit begründet, daß der Beschwerdeführer im Jahr 1992 im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall die Verwaltungsübertretungen nach § 4 Abs. 5 StVO ("Fahrerflucht") und nach § 64 Abs. 1 KFG (Lenken eines Fahrzeuges auf öffentlichen Verkehrsflächen, ohne die hiezu erforderliche gültige behördliche Lenkerberechtigung zu haben) begangen habe und deswegen von der Bundespolizeidirektion Innsbruck mit einer Geldstrafe von insgesamt S 8.000,-- belegt worden sei. Des weiteren habe der Beschwerdeführer eine Verwaltungsübertretung nach § 82 Abs. 1 Z. 4 Fremdengesetz aus 1992 begangen und sei deswegen von der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck mit einer Geldstrafe von S 1.000,-- belegt worden.

Außerdem habe der Beschwerdeführer die Ehe mit der österreichischen Staatsbürgerin RZ am 29. August 1991 vor dem Standesamt Wien-Innere Stadt nur deshalb geschlossen, um fremdenrechtlich bedeutsame Berechtigungen für das Bundesgebiet zu erlangen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Prozeßvoraussetzungen in dem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Fünfersenat erwogen:

Mit dem - am 1. Jänner 1998 in Kraft getretenen - Fremdengesetz 1997, BGBl. I Nr. 75, wurden die gesetzlichen Voraussetzungen zur Verhängung eines Aufenthaltsverbotes unterschiedlich zu jenen des Fremdengesetzes aus 1992 geregelt.

§ 114 Abs. 4 und 7 des Fremdengesetzes 1997 lautet:

"(4) Aufenthaltsverbote, die beim Verwaltungsgerichtshof oder beim Verfassungsgerichtshof angefochten sind, treten mit Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes außer Kraft, sofern der angefochtene Bescheid nicht offensichtlich auch in den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes eine Grundlage fände.

...

(7) In den Fällen der Abs. 4 und 5 ist die Beschwerde als gegenstandslos zu erklären und das Verfahren ohne vorherige Anhörung des Beschwerdeführers einzustellen; mit dem Beschluß über die Gegenstandslosigkeit der Beschwerde tritt in diesen Fällen auch der Bescheid erster Instanz außer Kraft. Solchen Aufenthaltsverboten oder Ausweisungen darf für Entscheidungen, die nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes getroffen werden sollen, keine nachteilige Wirkung zukommen."

Die Voraussetzungen für die Erklärung der Beschwerde als gegenstandslos und die Einstellung des Verfahrens im Sinne der eben genannten Bestimmungen sind im vorliegenden Fall schon aus den im Beschluß vom heutigen Tag, Zl. 96/21/0490, genannten Gründen (Unterlassung einer Ermessensübung und ihrer Begründung) erfüllt.

Im übrigen ist noch folgendes zu ergänzen:

§ 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 2 und Z. 9 des Fremdengesetzes

1997 lautet:

"§ 36. (1) Gegen einen Fremden kann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt

1. die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet oder

2. anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

(2) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder

...

2. mehr als einmal wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 99 Abs. 1 oder 2 der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994, BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des Sicherheitspolizeigesetzes - SPG, BGBl. Nr. 566/1991, oder gemäß den §§ 9 oder 14 in Verbindung mit § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 233 oder wegen einer schwerwiegenden Übertretung dieses Bundesgesetzes, des Grenzkontrollgesetzes, BGBl. Nr. 435/1996, des Meldegesetzes 1991, BGBl. Nr. 9/1992, oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, rechtskräftig bestraft worden ist;

...

9. eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels oder eines Befreiungsscheines auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nie geführt und für die Eheschließung einen Vermögensvorteil geleistet hat."

Im angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde festgestellt, daß der Beschwerdeführer die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin nur zum Zwecke der Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen geschlossen habe. Die belangte Behörde hat aber nicht festgestellt, daß der Beschwerdeführer für die Eheschließung einen Vermögensvorteil geleistet hat. Des weiteren stellt die rechtskräftige Bestrafung wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 5 StVO und § 64 Abs. 1 KFG keine, in § 36 Abs. 2 Fremdengesetz 1997 beispielsweise aufgezählte, bestimmte Tatsache im Sinne des § 36 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 dar, aufgrund derer gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden kann. Die belangte Behörde hat sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob es sich bei der Bestrafung wegen einer Übertretung des § 82 Abs. 1 Z. 4 Fremdengesetz aus 1992 um eine schwerwiegende Übertretung im Sinne des § 36 Abs. 2 Z. 2 Fremdengesetz 1997 handelt. Im Hinblick auf § 36 Abs. 2 Z. 2 und Z. 9 des Fremdengesetzes 1997 kann daher nicht gesagt werden, daß der angefochtene Bescheid gemäß § 114 Abs. 4 des Fremdengesetzes 1997 "offensichtlich auch in den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes eine Grundlage fände", weshalb er gemäß § 114 Abs. 4 des Fremdengesetzes 1997 mit 1. Jänner 1998 außer Kraft getreten ist.

Somit war die Beschwerde gemäß § 114 Abs. 7 in Verbindung mit Abs. 4 und § 115 des Fremdengesetzes 1997 als gegenstandslos zu erklären und das Verfahren einzustellen.

Hingewiesen wird darauf, daß mit dem vorliegenden Beschluß gemäß § 114 Abs. 7 erster Satz, zweiter Halbsatz, des Fremdengesetzes 1997 auch der Bescheid der Behörde erster Instanz außer Kraft tritt.

Vom Zuspruch eines Aufwandersatzes für das verwaltungsgerichtliche Verfahren war gemäß § 115 Abs. 1 zweiter Satz des Fremdengesetzes 1997 abzusehen.

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1995210936.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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